Auf die Beschwerde der Klägerinnen wird der Beschluss des Sozialgerichts Duisburg vom 16.04.2013 geändert. Den Klägerinnen wird für das Klageverfahren Prozesskostenhilfe ab Antragstellung bewilligt und Rechtsanwalt Knechten aus Geldern beigeordnet. Kosten sind nicht zu erstatten.
Gründe:
Die zulässige Beschwerde der Klägerin zu 1) und ihrer 2012 geborenen Tochter, der Klägerin zu 2) ist begründet. Das Sozialgericht (SG) hat den Antrag der Klägerinnen auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe für das Klageverfahren zu Unrecht abgelehnt.
Nach § 73a Abs. 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) in Verbindung mit § 114 Zivilprozessordnung (ZPO) erhält ein Beteiligter, der nach seinen persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen die Kosten der Prozessführung nicht, nur zum Teil oder nur in Raten aufbringen kann, auf Antrag Prozesskostenhilfe, wenn die beabsichtigte Rechtsverfolgung hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet und nicht mutwillig erscheint.
Die Klägerinnen sind nach ihren wirtschaftlichen Verhältnissen nicht in der Lage, die Kosten der Rechtsverfolgung aufzubringen. Die Klage hat hinreichende Aussicht auf Erfolg. Die Anforderungen an die tatsächlichen und rechtlichen Erfolgsaussichten dürfen nicht überspannt werden. Es genügt, wenn nach den gesamten Umständen des Falles eine gewisse Wahrscheinlichkeit des Erfolges besteht.
Diese Voraussetzungen liegen vor. Die Klägerinnen sind rumänische Staatsangehörige und begehren Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts (SGB II) – hilfsweise nach dem Zwölften Buch Sozialgesetzbuch (SGB XII) -. Der Verfolgung des Anspruchs der Klägerinnen kann im Hinblick auf eine ungeklärte Rechtsfrage die hinreichende Erfolgsaussicht nicht von vornherein abgesprochen werden. Die Entscheidung hängt von der Beantwortung einer schwierigen, bislang ungeklärten Rechtsfrage ab. Bei der Frage, ob die Klägerin zu 1) gemäß § 7 Absatz 1 Nr. 2 SGB II von den Leistungen nach dem SGB II ausgeschlossen ist, weil sie sich allein zum Zwecke der Arbeitsuche in Deutschland aufhält, oder ob § 7 Absatz 1 Satz 2 Nr. 2 SGB II aufgrund der unmittelbaren Anwendbarkeit des Art. 4 VO (EG) 883/2004 hinter diese zurücktritt, oder ob der Leistungsausschluss nach § 7 Abs.1 Satz 2 SGB II von Art. 24 Richtlinie 2004/38/EG gedeckt ist, der wiederum als speziellere Regelung Art. 4 VO (EG) 883/2004 vorgehen könnte, handelt es sich um hoch umstrittene Rechtsfragen, die in Rechtsprechung und Literatur bisher nicht einheitlich beantwortet sind (vgl. etwa entgegen der Anwendbarkeit des § 7 Absatz 1 Satz 2 Nr. 2 SGB II:LSG NRW, Beschluss vom 31.01.2013 Az. L 2 AS 2457/12 B ER; LSG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 09.05.2012, L 19 AS 794/12 B ER unter Berufung auf ein Gutachten des wissenschaftlichen Dienstes des Deutschen Bundestages; Sozialgericht Berlin, Beschluss vom 08.5.2012, S 91 AS 8804/12 ER; LSG NRW, Beschluss vom 02.10.2012,Az. L 19 AS 1393/12 B ER; Schreiber in NZS 2012, Seite 647 ff.; für eine Anwendbarkeit des § 7 Absatz 1 Satz 2 Nr. 2 SGB II: die von dem Antragsgegner zitierte Entscheidung des Sozialgericht Berlin, Beschluss vom 11.6.2012 Az. S 205 AS 11266/12 ER und Beschluss des Sozialgerichts Berlin vom 14.5.2012 – S 124 AS 7164/12 ER; LSG Berlin Brandenburg, Beschluss vom 21.6.2012, Az. L 20 AS 1322/12 B ER und vom 02.8.2012, Az. L 5 AS 1297/12 B ER; LSG Baden-Württemberg, Urteil vom 16.05.2012, Az. L 3 AS 1477/11).
Auch bei einer klärungsbedürftigen Rechtsfrage ist Prozesskostenhilfe zu gewähren (Leitherer in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, Kommentar zum SGG, 10. Auflage 2012, § 73a Rn. 7b).
Für das PKH-Beschwerdeverfahren war den Klägerinnen keine Prozesskostenhilfe zu gewähren (vgl. Geimer in Zöller, Kommentar zur ZPO, 29. Auflage 2012, § 114 Rn 2 und 3 m.w.N.)
Kosten werden im Prozesskostenhilfe-Beschwerdeverfahren nicht erstattet (§ 73a Abs. 1 S. 1 SGG i.V.m. § 127 Abs. 4 ZPO).
Dieser Beschluss ist mit der Beschwerde nicht angreifbar (§ 177 SGG).
Erstellt am: 24.06.2013
Zuletzt verändert am: 24.06.2013