I. Der Bescheid vom 12. Januar 2006 in Fassung des Widerspruchsbescheides vom 2. März 2006, soweit er die Sanktion betrifft, wird aufgehoben.
II. Die Beklagte hat die notwendigen außergericht- lichen Kosten des Klägers zu tragen.
III. Berufung wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Zwischen den Beteiligten ist eine Absenkung der Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts in dem Zeitraum 01.02.2006 bis 30.04.2006 streitig, hier monatliche Absenkung der zustehenden Regelleistung in Höhe von 30 %, also monatlich 104,00 EUR.
Der am 1968 geborene Kläger stellte bei der Beklagten am 24.03.2005 einen Antrag auf Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem Sozialgesetzbuch Zweites Buch (SGB II). Auf dem Zusatzblatt 1 zum Antrag zur Feststellung der angemessenen Kosten für Unterkunft und Heizung gab er an, dass er Eigentümer einer Eigentumswohnung sei und hierauf Schuldzinsen in Höhe von 250,00 EUR monatlich entrichte.
Mit Bescheid vom 11.05.2005 bewilligte die Beklagte dem Kläger Arbeitslosengeld II (Alg II) in Höhe von monatlich 489,00 EUR für die Zeit vom 01.06.2005 bis 30.09.2005. Hierbei übernahm sie Kosten für Unterkunft und Heizung in Höhe von 144,00 EUR. Mit Schreiben vom 07.06.2005 rügte der Kläger, dass von der Beklagten die monatlich anfallenden Hypothekenkosten von 250,00 EUR nicht berücksichtigt worden seien. Wenn er diese nicht bezahle, werde er seine Eigentumswohnung verlieren. Hierauf antwortete die Beklagte mit Schreiben vom 08.06.2005, dass nach den vorliegenden notariellen Unterlagen der Kläger von seiner Mutter ein zinsloses Darlehen in Höhe von 80.000,00 EUR erhalten habe. Bei den Unterkunftskosten von Eigenheimen könnten jedoch nur Schuldzinsen und keine Tilgungsleistungen berücksichtigt werden. Mit weiterem Schreiben vom 01.08.2005 teilte der Kläger dann mit, dass er nicht mehr in der Lage gewesen sei, seine Eigentumswohnung zu halten. Er reiche daher jetzt einen entsprechenden Mietvertrag über seine Eigentumswohnung ein. Zusätzlich legte er mit diesem Schreiben einen entgeltlichen Überlassungsvertrag vom 29.07.2005 vor, sowie eine zum 01.08.2005 geschlossenen Mietvertrag mit seiner Mutter als Vermieterin.
Mit Bescheid vom 12.01.2006 bewilligte die Beklagte dem Kläger Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts für den Zeitraum vom 01.10.2005 bis 31.03.2006. Hierbei übernahm sie Unterkunfts- und Heizkosten für den Kläger in angemessener Höhe. Mit Sanktionsbescheid vom selben Tag senkte die Beklagte für die Zeit vom 01.02.2006 bis 30.04.2006 die Regelleistung des Klägers um monatlich 30 % herab und hob insoweit ihren Bewilligungsbescheid auf.
Gegen den Sanktionsbescheid vom 12.01.2006 legte der Bevollmächtigte am 25.01.2006 Widerspruch bei der Beklagten ein. Entgegen den Angaben im Bescheid vom 12.01.2006 habe der Kläger zu keinem Zeitpunkt vorsätzlich oder grob fahrlässig die Voraussetzungen für seine Hilfebedürftigkeit herbeigeführt. Es habe eine rechtliche Verpflichtung zur Rückgabe der Eigentumswohnung an die Mutter bestanden. Im Sommer 2004 sei dem Kläger seine bis zu diesem Zeitpunkt bezogene Erwerbsminderungsrente entzogen worden. Ab diesem Zeitpunkt sei er nicht mehr in der Lage gewesen, die Tilgungsraten für die Wohnung zu bezahlen. Nachdem er die Tilgung für die Wohnung habe nicht mehr leisten können, musste die Eigentumswohnung an die Mutter übertragen werden. Von einer vorsätzlichen oder grob fahrlässigen Herbeiführung könne deshalb nicht gesprochen werden.
Den Widerspruch wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 02.03.2006 zurück. Durch die Übereignung der Wohnung an die Mutter bestehe für den Kläger jetzt nicht mehr die Möglichkeit, mietfrei zu wohnen. Hinzu komme, dass für diese Übereignung kein Anlass bestanden habe. Insbesondere könne nicht anerkannt werden, dass jetzt die Tilgungsleistungen nicht "mehr" haben erbracht werden können und daher aufgrund der Sicherung des Darlehens im Grundbuch eine Übereignung unumgänglich gewesen sei. Denn auch zuvor habe der Kläger keinerlei Tilgungsleistungen erbracht, ohne dass dies irgendwelche Konsequenzen gehabt hätte. Wie aus dem notariellen Übereignungsvertrag hervorgehe, habe der Kläger ursprünglich ein Darlehen in Höhe von 80.000,00 EUR von seiner Mutter erhalten, welches auch im Grundbuch gesichert worden sei. Allerdings stehe eben im gleichen Vertrag, dass die Mutter als "Gegenleistung" auf ihren "Darlehensanspruch in Höhe von 80.000,00 EUR" verzichte. Da der Darlehensanspruch 1 1/2 Jahre nach der Gewährung des Darlehens immer noch unverändert hoch sei, sei davon auszugehen, dass eine Rückzahlung des Darlehens nie gewollt gewesen sei. Dies bestätige auch Nr. 2 des Vertrages vom 04.03.2004, der besage, dass das Darlehen unverzinslich sei und nur nach Ziffer II 2. dieser Urkunde zurückzuzahlen sei. Keiner der in Nr. II 2. genannten Gründe sei hier eingetreten, sodass hier dahinstehen könne, ob überhaupt eine derartige Vereinbarung wirksam getroffen worden sei. Im Ergebnis ließe sich daher sagen, dass das Vermögen in der Absicht vermindert worden sei, durch den Abschluss eines Mietvertrages die Voraussetzungen für die Bewilligung von Leistungen für Unterkunft und Heizung herbeizuführen.
Dagegen hat der Kläger am 02.05.2006 durch seinen Bevollmächtigten Klage zum Sozialgericht Augsburg erhoben. Zur Klagebegründung ist weiter ausgeführt worden, dass auch nach dem Vortrag der Beklagten die Sanktion nicht gerechtfertigt sei. § 31 Abs. 4 Nr. 1 SGB II setze voraus, dass der Kläger ein Einkommen oder Vermögen in der Absicht vermindere, um so die Voraussetzungen für die Gewährung oder Erhöhung des Alg II herbeizuführen. Die Minderung des Einkommens bzw. des Vermögens müsse in subjektiver Hinsicht absichtlich geschehen. Ein solches absichtliches Verhalten im Sinne eines bewusst erstrebten bzw. bezweckten Erfolges sei jedoch ausgeschlossen, wenn es auf "einleuchtenden Gründen familiärer, persönlicher oder wirtschaftlicher Art" beruhe (OVG Rheinland-Pfalz, FEVS 18 (1971), 232, 237). Beim Kläger liege mit Sicherheit keine Absicht vor. Ziel der Übertragung der Wohnung war die Abgeltung des Darlehens bei der Mutter des Klägers und sicherlich nicht die Erlangung eines höheren Anspruchs auf Alg II.
In der mündlichen Verhandlung vom 05.12.2006 hat der Kläger eine zwischen ihm und seiner Mutter geschlossene Vereinbarung vom 09.04.2004 vorgelegt. Hierin habe er sich zur Zahlung von monatlich 250,00 EUR an seine Mutter zur teilweisen Darlehensrückzahlung verpflichtet. Außerdem erhalte die Mutter die Gelder aus der beantragten Eigenheimzulage, ebenfalls als Abschlag Gesamtsumme. Die Gelder seien monatlich überwiesen worden.
In der mündlichen Verhandlung vom 05.12.2006 beantragt der Kläger durch seinen Bevollmächtigten,
den Bescheid der Beklagten vom 12.01.2006 in Fassung des Widerspruchsbescheids vom 02.03.2006, soweit er die Sank- tion betrifft, aufzuheben.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Zur Ergänzung des Tatbestandes wird auf die Verwaltungsakte der Beklagten sowie der Gerichtsakte Bezug genommen, insbesondere auf das darin enthaltene Protokoll zur mündlichen Verhandlung vom 05.12.2006 und der darin niedergelegten Zeugeneinvernahme.
Entscheidungsgründe:
Die gemäß §§ 87, 90 Sozialgerichtsgesetz (SGG) frist- und formgerecht erhobene Klage ist zulässig und begründet.
Die Beklagte hat zu Unrecht durch Bescheid vom 12.01.2006 das Alg II des Klägers für den Zeitraum vom 01.02.2006 bis 30.04.2006 um 30 % der Regelleistung abgesenkt.
Die Beklagte kann ihre Sanktion nicht auf § 31 Abs. 4 Nr. 1 SGB II stützen. Danach gelten die Abs. 1 und 3 des § 31 SGB II entsprechend, wenn der erwerbsfähige Hilfebedürftige nach Vollendung des 18. Lebensjahres sein Einkommen oder Vermögen in der Absicht vermindert, um die Voraussetzungen für die Gewährung oder Erhöhung des Alg II herbeizuführen. Ein solches absichtliches Verhalten des Klägers konnte durch die Beklagte nicht nachgewiesen werden. Aus der Beweisaufnahme hat sich nämlich ergeben, dass die Mutter, die Zeugin Sch., dem Kläger ihre für die Alterssicherung angesparten 80.000,00 EUR zum einen zum Kauf der Wohnung überlassen hatte, damit er selbst eine finanzielle Absicherung erhalte, zum anderen aber auch um ihre Angelegenheiten im Wege einer vorweggenommenen Erbfolge zu regeln sowie sich zu ihrer Rente in Höhe von 612,00 EUR durch die Rückzahlungsraten des Sohnes in Höhe von monatlich 250,00 EUR ein "Zubrot" zu erwirtschaften. Damit war die darlehensweise Gewährung der 80.000,00 EUR sowohl für die Existenzsicherung des Klägers als auch für die Existenzsicherung der Zeugin Sch. gedacht. Die Übereignung der Eigentumswohnung an die Zeugin mit entgeltlicher Überlassung vom 29.07.2005 diente daher, da der Kläger zu diesem Zeitpunkt seinen Darlehensverpflichtungen in Höhe von 250,00 EUR monatlich nicht mehr nachkommen konnte, der Durchsetzung der Altersabsicherung der Zeugin Sch., die auf die monatlichen Ratenzahlungen angewiesen war. Die Zeugin Sch. hatte auch einen Anspruch auf Übereignung der Eigentumswohnung wegen der Darlehensgewährung. Zwar lag tatsächlich keiner der in der Buchhypothek vom 04.03.2004 genannten Kündigungsgründe vor. Der Anspruch auf Übereignung des Eigentums wegen des gewährten Darlehens ergibt sich jedoch aus III. der genannten Hypothek, in der sich der Kläger der sofortigen Zwangsvollstreckung aus dieser Urkunde unterworfen hatte. Nach der Aussage des Zeugen E. ist diese Klausel unter III. so zu verstehen, dass der Darlehensgeber bei einem Verzug der Darlehensrückzahlungsverpflichtungen ohne gerichtliches Verfahren berechtigt ist, in das Grundstück zu vollstrecken und als auch gegen den Darlehensnehmer persönlich. Diese Vollstreckungsmöglichkeit ist auch nicht dadurch ausgeschlossen, dass keiner der unter II. benannten Kündigungsgründe vorgelegen hat. Angesichts der rechtlichen Möglichkeit der Zeugin Sch., eine Übereignung der Eigentumswohnung an sich zu erreichen wegen Zahlungsverzugs des Klägers und dem durch die Beweisaufnahme erbrachten Nachweises, dass die Darlehensgewährung an den Kläger auch der Alterssicherung der Zeugin Sch. gedient hat, kann nicht die Rede davon sein, dass der Kläger die Eigentumswohnung an seine Mutter in erster Linie deshalb übereignet hat, um höhere SGB-II-Leistungen zu erhalten. Vielmehr diente die Übereignung an die Mutter primär dazu, deren Alterssicherung nicht zu gefährden. Da also nicht die Erlangung von höheren Alg-II-Bezügen als das alles andere dominierende Ziel angestrebt worden ist, ist der Tatbestand des § 31 Abs. 4 Nr. 1 SGB II nicht erfüllt (vgl. Ricksen in Eicher/Spellbrink, SGB II, § 31 Rdz. 28).
Der Bescheid der Beklagten vom 12.01.2006 in Fassung des Widerspruchsbescheids vom 02.03.2006 war daher aufzuheben.
Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 183, 193 SGG.
Erstellt am: 02.02.2007
Zuletzt verändert am: 02.02.2007