Die Beschwerden der Klägerinnen gegen die NZB der Revision im Urteil des LSG werden als unzulässig verworfen.
Die Berufung der Klägerinnen gegen das Urteil des Sozialgerichts Köln vom 24.06.2011 wird zurückgewiesen. Außergerichtliche Kosten sind weder im Verfahren der Nichtzulassungsbeschwerde L 19 AS 1272/12 NZB noch im Berufungsverfahren zu erstatten. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Streitig sind Ansprüche der Klägerinnen auf Gewährung von Leistungen nach dem Sozialgesetzbuch Zweites Buch – Grundsicherung für Arbeitsuchende (SGB II) anstelle bereits gewährter Leistungen nach § 3 des Asylbewerberleistungsgesetzes (AsylbLG) für den Zeitraum vom 24.03.2010 bis 14.07.2010.
Die am 00.00.1963 geborene Klägerin zu 1) ist Mutter der am 00.00.1997 geborenen Klägerin zu 2) und wie diese serbische Staatsbürgerin.
Nach dem Inhalt der beigezogenen Ausländerakte gaben die Klägerinnen an, erstmals am 27.10.2003 zusammen mit einer weiteren Tochter der Klägerin zu 1) eingereist zu sein, weil sie arm seien und es in ihrer Heimat nichts zu essen gebe. Verfolgung hätten sie nicht erlitten und sie wollten keinen Asylantrag stellen. Eine Rückkehr in ihr Heimatland sei ihnen möglich.
Mit Ordnungsverfügung vom 11.12.2003 der Stadt L wurde die Klägerin zu 1) dauerhaft ausgewiesen und aufgefordert, die Bundesrepublik bis zum 13.01.2004 zu verlassen.
Die vor dem Verwaltungsgericht Köln hiergegen erhobene Klage wurde durch Gerichtsbescheid vom 20.09.2004 zurückgewiesen (12 K1678/04).
Ab dem 22.06.2006 hatten die Klägerinnen Duldungen nach § 60a Aufenthaltsgesetz (AufenthG). Nach erneuter Ankündigung einer Abschiebung stellten die Klägerinnen am 23.12.2008 Asylanträge mit der Begründung, im Zusammenhang mit einem Mordfall im Jahre 1990 unter Beteiligung des Ehemannes der Klägerin zu 1) und Vaters der Klägerin zu 2) drohe ihnen Blutrache seitens der Angehörigen des Mordopfers.
Mit Bescheid des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge vom 11.01.2010 wurden die Anträge auf Anerkennung als Asylberechtigte sowie das Vorliegen von Abschiebungsverboten mit Ausnahme des Abschiebungsverbotes nach § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG abgelehnt, weil die Klägerinnen als Angehörige der Volksgruppe der Roma in ihrem Herkunftsgebiet zwar benachteiligt, jedoch weder staatlicher noch nichtstaatlicher Verfolgung ausgesetzt oder von solcher bedroht seien. Ein Abschiebungsverbot nach § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG liege bezüglich Serbien vor, weil nach dem Vortrag der Klägerinnen nicht auszuschließen sei, dass ihnen Racheakte seitens der Familie des Getöteten drohten. Weitere Abschiebungsverbote auch in Bezug auf andere Staaten seien nicht ersichtlich.
Während des Asylverfahrens hatten die Klägerinnen Aufenthaltsgestattungen nach dem Asylverfahrensgesetz und erhielten Leistungen nach § 3 AsylbLG seitens der Beigeladenen ab dem 19.01.2009. Gegen die Gewährung von Leistungen nach § 3 AsylbLG anstelle der höheren Leistungen nach § 2 AsylbLG wandten sich die Klägerinnen mit einstweiligem Rechtsschutz sowie durch Klageerhebung.
Der Antrag auf einstweilige Verpflichtung der Beigeladenen zur Erbringung höherer Leistungen nach dem AsylbLG vom 14.09.2009 (L 21 AY 30/09 ER SG Köln) wurde durch Beschluss des Sozialgerichts vom 23.11.2009 abgelehnt. Die Beschwerde hiergegen hat das Landessozialgerichts Nordrhein-Westfalen durch Beschluss vom 13.01.2010 zurückgewiesen (L 20 B 53/09 AY ER). Es sprächen überwiegende Gründe für die Annahme, dass die Klägerinnen den Asylantrag bewusst erst spät und zum Zwecke der Verlängerung des Aufenthalts bei Fehlen eines zum Aufenthalt berechtigenden Grundes, mithin zwecks rechtsmissbräuchlicher Erlangung von Leistungen gestellt hätten.
Das durch Klageerhebung vom 10.09.2009 auf Gewährung höherer Leistungen nach dem AsylbLG eingeleitete Hauptsacheverfahren S 21 AY 28/09 SG Köln, ist im Hinblick auf den Ausgang des vorliegenden Rechtsstreits ruhend gestellt worden.
Am 24.03.2010 haben die Klägerinnen bei dem Beklagten Leistungen nach dem SGB II beantragt. Dieser hat die Gewährung von Leistungen nach dem SGB II mit Bescheid vom 21.07.2010 abgelehnt. Der Widerspruch hiergegen wurde mit Bescheid vom 22.09.2010 zurückgewiesen.
Am 11.10.2010 haben die Klägerinnen im vorliegenden Rechtsstreit Klage erhoben. Auch ungeachtet ihrer Leistungsberechtigung nach dem AsylbLG stünden ihnen im Hinblick auf das ausgesprochene Abschiebungsverbot, insbesondere unter Beachtung des danach zuerkannten subsidiären Schutzes im Sinne der sog. Qualifikationsrichtlinie (Richtlinie 2004/83/EG des Rates vom 29.04.2004 über Mindestnormen für die Anerkennung und den Status von Drittstaatsangehörigen oder Staatenlosen als Flüchtlinge oder als Personen, die anderweitig internationalen Schutz benötigen und über den Inhalt des zu gewährenden Schutzes, ABL.L 304 vom 30.09.2004, S. 2, 12 f. – QRL) Leistungen nach dem SGB II zu.
Nachdem den Klägerinnen zunächst am 15.07.2010 auf 5 ½ Monate befristete Aufenthaltserlaubnisse nach § 25 Abs. 3 AufenthG ausgestellt worden waren und wenig später deren Verlängerung auf mindestens ein Jahr in Aussicht gestellt worden war, hat der Beklagte einen Anspruch der Klägerinnen auf Leistungen nach dem SGB II für den Zeitraum ab dem 15.07.2010 anerkannt und Leistungen entsprechend bewilligt (Bescheide vom 11.12.2010 für den Zeitraum bis 31.12.2010, vom 16.12.2010 für den Zeitraum vom 01.01.2011 bis 30.06.2011.
Mit Urteil vom 24.06.2011 hat das Sozialgericht die auf den Zeitraum vom 24.03.2010 bis 14.07.2010 beschränkte Klage abgewiesen und weder im Tenor noch in den Entscheidungsgründen die Berufung zugelassen.
Ein Anspruch der Klägerinnen auf Leistungen nach dem SGB II für den streitigen Zeitraum bestehe nicht, weil sie leistungsberechtigt nach dem AsylbLG seien. Ein Anspruch folge insbesondere auch nicht aus einer Berücksichtigung der QRL. Hierbei könne dahinstehen, ob aus begünstigenden Regelungen dieser Richtlinie unmittelbare Ansprüche gegen Sozialleistungsträger in der Bundesrepublik Deutschland abgeleitet werden können. Denn ein subsidiärer Schutzstatus im Sinne der Richtlinie sei weder im Bescheid des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge vom 11.01.2010 festgestellt noch feststellbar.
Der Bescheid vom 11.01.2010 enthalte die ausdrückliche Feststellung, dass hinsichtlich der Klägerinnen keine europarechtlichen Abschiebungshindernisse vorlägen. Die Voraussetzungen für Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 2, 3 oder 7 S. 2 AufenthG seien nach den Ausführungen des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge nicht erfüllt. Es bestehe lediglich ein Abschiebungsverbot nach § 60 Abs. 7 S. 1 AufenthG für Serbien auf der Grundlage nationalen Rechts wegen dort drohender Blutrache. Die Voraussetzungen subsidiären Schutzes nach der QRL seien dagegen nicht erfüllt, insbesondere drohe den Klägerinnen kein ernsthafter Schaden im Sinne einer ernsthaften individuellen Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit einer Zivilperson infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen und innerstaatlich bewaffneten Konflikts i.S.v. Artikel 15 Buchst. c QRL. Denn die Gefahr für ihr Leben oder die körperliche Unversehrtheit in Serbien beruhe nicht auf willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen bewaffneten Konflikts, vielmehr auf drohender Blutrache.
Gegen das mit einer Rechtsmittelbelehrung, wonach die Berufung zulässig sei, am 04.07.2011 zugestellte Urteil haben die Klägerinnen am 04.08.2011 Berufung eingelegt. Diese wurde, nach Ablehnung der zugleich beantragten Bewilligung von Prozesskostenhilfe durch Beschluss des Senats vom 22.05.2012 wegen Unzulässigkeit der Berufung, zurückgenommen.
Am 29.06.2012 haben die Klägerinnen Nichtzulassungsbeschwerde eingelegt und beantragt, die Berufung gegen das Urteil des Sozialgerichts Köln vom 24.05.2011 – S 6 AS 4086/10 – zuzulassen.
Mit Beschluss vom 10.12.2012 (L 19 AS 1272/12 NZB) hat der Senat die Berufung zugelassen. Zu deren Begründung nehmen die Klägerinnen auf die Begründung der Nichtzulassungsbeschwerde Bezug und führen ergänzend aus, sie seien im streitigen Zeitraum nicht vollziehbar ausreisepflichtig gewesen. Die Voraussetzungen für eine Aussetzung der Abschiebung im Sinne der Erteilung einer Duldung nach § 60a Abs. 2 AufenthG hätten daher nicht vorgelegen. Nach dem ausländerrechtlich seinerzeit richtigerweise zu bescheinigenden Aufenthaltsstatus wären die Klägerinnen nicht leistungsberechtigt nach dem AsylbLG, mithin auch nicht von Leistungen nach dem SGB II ausgeschlossen gewesen.
Wegen der festgestellten Abschiebungsverbote seien die Klägerinnen europarechtlich subsidiär schutzberechtigt und im nationalen Recht- auch leistungsrechtlich – besserzustellen. Es seien ihnen die für Daueraufenthaltsberechtigte vorgesehenen Leistungen zuzuerkennen, nicht Leistungen nach dem AsylbLG. Dessen Anwendung setze nach jüngerer Rechtsprechung des Bundesverfassungsgericht (Urteil vom 18.07.2012 – 1 BVL 10/10 -) die Prognose eines nur vorübergehenden Aufenthalts im Bundesgebiet voraus. Eine dies missachtende Rechtsanwendung verletze das Gleichheitsgebot nach Art. 3 Abs. 1 des Grundgesetzes (GG).
Die Klägerinnen beantragen,
das Urteil des Sozialgerichts Köln vom 24.06.2011 abzuändern und den Beklagten unter Aufhebung des Bescheides vom 21.07.2010 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 22.09.2010 zu verpflichten, den Klägerinnen Leistungen nach dem SGB II in gesetzlicher Höhe unter Anrechnung erbrachter Leistungen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz in der Zeit vom 24.03. bis 14.07.2010 zu gewähren.
Der Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Er stützt das angefochtene Urteil.
Die Beigeladene sieht eine Leistungsberechtigung der Klägerinnen im streitigen Zeitraum ausschließlich nach dem AsylbLG. Schon den unterschiedlichen Sachverhalten nach sei die von den Klägerinnen zur Stützung ihres Begehrens angeführte Rechtsprechung des LSG NRW im Urteil vom 27.02.2012 – L 20 AY 48/08 nicht anwendbar.
Zu weiteren Einzelheiten wird auf die Akten Bezug genommen, die ihrem wesentlichem Inhalt nach Gegenstand der mündlichen Verhandlung und Beratung des Senats gewesen sind.
Entscheidungsgründe:
Die vom Senat zugelassene Berufung ist unbegründet.
Das beklagte Jobcenter ist gemäß § 70 Abs 1 SGG beteiligtenfähig (vgl. BSG Urteil vom 18.01.2011 – B 4 AS 99/10 R = JURIS Rn 11). Nach § 76 Abs. 3 S. 1 SGB II ist die gemeinsame Einrichtung als Rechtsnachfolge an die Stelle der ursprünglich beklagten Arbeitsgemeinschaft getreten.
Angefochten ist der Bescheid des Beklagten vom 21.07.2010 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 22.09.2010, mit dem es der Beklagte abgelehnt hat, den Klägerinnen auf ihren Antrag vom 24.03.2010 bis zum 14.07.2010, dem letzten Tag vor Aufnahme der Leistungsgewährung nach dem SGB II, Grundsicherungsleistungen zu bewilligen.
Zu Recht hat das Sozialgericht den Bescheid des Beklagten vom 21.07.2010 in der Gestalt des Widerspruchbescheides vom 22.09.2010 bestätigt, denn die Ablehnung der Gewährung von Leistungen nach dem SGB II für den Zeitraum vom 24.03. bis 14.07.2010 ist rechtmäßig.
Zwar erfüllte die Klägerin zu 1) nach Lebensalter, gewöhnlichem Aufenthalt in der Bundesrepublik Deutschland, bestehender Erwerbsfähigkeit und Bedürftigkeit die Leistungsvoraussetzungen für die Gewährung von Grundsicherungsleistungen nach § 7 Abs. 1 S. 1 Nrn 1 bis 4 SGB II, die als haushaltsangehöriges unverheiratetes Kind unter 25 Jahren in Bedarfsgemeinschaft mit der Klägerin zu 1) lebende Klägerin zu 2) zudem die Voraussetzung für die Gewährung von Sozialgeld nach § 23 Nr. 1 SGB II.
Die Klägerinnen waren jedoch im streitigen Zeitraum wegen ihrer Berechtigung zum Bezug von Leistungen nach dem AsylbLG nach § 7 Abs. 1 S. 2 Nr. 3 SGB II von Ansprüchen nach dem SGB II ausgenommen.
Die Leistungsberechtigung der Klägerinnen im streitigen Zeitraum nach dem AsylbLG beruht auf § 1 S. 1 Nr. 4 AsylbLG.
Leistungsberechtigt hiernach sind Ausländer, die sich tatsächlich im Bundesgebiet aufhalten und die eine Duldung nach § 60a AufenthG besitzen.
Beide Klägerinnen hielten sich im streitigen Zeitraum im Bundesgebiet auf und waren Inhaberinnen von Duldungen nach § 60a AufenthG.
Die Klägerinnen waren auch nicht nach § 1 Abs. 2 AsylbLG vom Anspruch nach diesem Gesetz ausgenommen, weil ihnen kein anderer Aufenthaltstitel mit einer Gesamtgeltungsdauer von mehr als 6 Monaten erteilt worden war.
Dabei kommt es zur Überzeugung des Senats und entgegen der Berufungsbegründung nicht auf die möglicherweise zustehenden Titel und Bescheinigungen nach dem AufenthG, vielmehr ausschließlich auf den im jeweiligen Zeitraum durch die zuständige Ausländerbehörde bereits bescheinigten aufenthaltsrechtlichen Status an.
Dies folgt bereits aus dem Wortlaut der positiven Anspruchsvoraussetzung nach § 1 Abs. 1 Nr. 4 AufenthG " eine Duldung besitzen", zudem aus der Formulierung der negativen Anspruchsvoraussetzung nach § 1 Abs 2 AsylbLG, wonach (nur) der Aufenthaltstitel von mehr als 6 Monaten einer Anspruchsberechtigung nach dem AsylbLG hindert, der " erteilt worden ist ".
Die Prüfung und Entscheidung, ob der Ausländer einen zur Leistungsberechtigung führenden Aufenthaltsstatus hat, fällt in die Zuständigkeit der mit der Erteilung von Aufenthaltstiteln und Aufenthaltsgestattungen betrauten Behörde, regelmäßig des Ausländeramtes.
Die für die Leistungsbewilligung zuständige Behörde hat insoweit kein eigenes Prüfungsrecht und ist gebunden (Adolph in Linhardt/Adolph, SGB II, SGB XII, AsylbLG, Stand November 2012, § 1 AsylbLG Rn 16, 17 unter Hinweis auf den möglichen Ausnahmefall einer Nichtigkeit des Titels).
Die Tatbestandswirkung des aktuell bescheinigten Aufenthaltsstatus für den Anspruch auf Leistungen nach § 1 Abs. 1 Nr. 4 AsylbLG wird – soweit ersichtlich – weder in der Rechtsprechung noch in der Literatur in Frage gestellt. Vielmehr wird betont, dass es wegen der uneingeschränkten Bezugnahme in § 1 Abs. 1 Nr. 4 AsylbLG auf § 60a AufenthG nicht darauf ankommt, ob die Duldung im Rahmen eines Rechtsanspruches gewährt oder dem Ausländer aufgrund einer Ermessensentscheidung erteilt worden ist (Wahrendorf in Grube/Wahrendorf, SGB XII, 4. Auflage, § 1 AsylbLG, Rn 28).
Die eindeutige gesetzliche Regelung lässt auch keinen Raum für die Argumentation, dass aufgrund der tatsächlichen Verhältnisse in Verbindung mit dem bescheinigten ausländerrechtlichen Status mit dem dauerhaften Verbleib von Personen im Inland zu rechnen ist und ihnen deshalb Ansprüche nach dem SGB II zustehen (BSG Urteil vom 13.11.2008 – B 14 AS 24/07 R zu Inhabern einer Aufenthaltserlaubnis nach § 25 Abs. 5 AufenthG 2004).
Die zugrundeliegende Systementscheidung des Gesetzgebers ist unter verfassungsrechtlichen Gesichtspunkten mehrfach höchstrichterlich geprüft und jeweils als verfassungsrechtlich unbedenklich erachtet worden (BSG Urteile vom 13.11.2008 – B 14 AS 24/07 R, vom 16.12.2008 – B 4 AS 40/07 R, vom 21.12.2009 – B 14 AS 66/08 R, vom 15.12.2010 – B 14 KG 1/09 R).
Zur Gewährung von Leistungen nach dem SGB II führen insbesondere nicht die im Schriftsatz des Klägerbevollmächtigten vom 21.01.2013 gesehenen Parallelen des vorliegenden Falles zum Urteil des Bundesverfassungsgerichts vom 18.07.2012 – 1 BvL 10/10, 1 BvL 2/11.
Die Verfolgung höherer Leistungen nach dem AsylbLG scheidet im vorliegenden Rechtsstreit bereits aus verfahrensrechtlichen Gründen aus. Denn diese Rechtsfrage war bereits durch Klageerhebung am 10.09.2009 im Verfahren S 21 AY 28/09, SG Köln rechtshängig gemacht worden, bevor am 11.10.2010 im vorliegendem Verfahren Klage erhoben wurde (Verbot der doppelten Rechtshängigkeit).
Gegenstand der beiden Verfahren beim Bundesverfassungsgericht waren allein innerhalb des AsylbLG zu gewährende höhere Leistungen. Das Bundesverfassungsgericht hat die Höhe der Geldleistungen nach § 3 AsylbLG wegen unterbliebener Anpassung der Leistungshöhe seit 1993 als evident unzureichend angesehen und den Gesetzgeber zur Nachbesserung für Zeiträume ab dem 01.01.2011 aufgefordert.
Diese Änderung liegt nach dem hier streitigen Zeitraum.
Eine Übertragbarkeit der vom Bundesverfassungsgericht a.a.O. geübten Kritik an der Ableitung der Prognose einer nur vorübergehenden Aufenthaltsdauer und eines deswegen verringerten Bedarfs ist darüber hinaus schon wegen der Unterschiedlichkeit der entschiedenen Sachverhalte zum vorliegenden Fall nicht gegeben. Bei den Klägern der beiden vom Bundesverfassungsgericht entschiedenen Fälle handelt es sich im Verfahren 1 BvL 10/10 um einen langjährig in der Bundesrepublik wohnenden irakischen Staatsangehörigen mit kurdischer Volkszugehörigkeit, der nach Vorbezug von Leistungen nach § 2 AsylbLG alleine wegen der Anhebung der Vorbezugsdauer durch das Richtlinienumsetzungsgesetz (BGBL I 2007, 1970) den höheren Leistungsanspruch verloren hatte, zum anderen im Verfahren 1 BvL 2/11 um die minderjährige Tochter einer Liberianerin, die die Vorbezugszeit für Leistungen nach § 2 AsylbLG alleine deshalb nicht erfüllte, weil sie ihren Lebensunterhalt aus selbst erzieltem Einkommen bestritten hatte. Eine Vergleichbarkeit der entschiedenen Sachverhalte zum Fall der Klägerinnen ist daher nicht zu erkennen. Weder ist den Klägerinnen ein bereits realisierter Leistungsanspruch durch nachfolgende Rechtsänderung entzogen worden noch ist die Erfüllung der Vorbezugszeit durch Zeiträume mit Entfall der Bedürftigkeit aufgrund von Erwerbstätigkeit gegeben. Die Vorbezugszeit der Klägerinnen für die Berechtigung zum Bezug nach § 2 AsylbLG steht in Frage unter dem nicht vergleichbaren Gesichtspunkt der Prüfung, ob die Vorbezugszeit deswegen als nicht erfüllt anzusehen ist, weil die Klägerinnen ihre Aufenthaltsdauer in der Bundesrepublik Deutschland rechtsmissbräuchlich verlängert haben (Beschluss des LSG NRW vom 13.01.2010 – L 20 B 53/09 AY ER und L 20 B 54/09 AY).
Ein Konflikt mit dem Gleichbehandlungsgebot nach Art.3 GG ist schon deshalb nicht gegeben.
Ein Verstoß gegen Regelungen oder Regelungsziele des Europäischen Fürsorgeabkommens scheidet aus, weil die Klägerinnen serbische Staatsbürgerinnen sind und die Republik Serbien nicht zu den Signatarstaaten des Europäischen Fürsorgeabkommens zählt (vgl. zum Ratifikationsstand (http.7/conventions.coe.int/Treatv/Commun/ChercheSiq.asp?NT=014&CM=8&DF=9/17/20 06&CL=GER).
Die im Zusammenhang mit dem Leistungsausschluss nach § 7 Abs. 1 S. 2 Nr. 2 SGB II (Ausschluss bei alleinigem Aufenthaltsrecht zum Zwecke der Arbeitsuche) sich bei EU- Bürgern ergebenden Rechtsfragen bestehen bei den Klägerinnen serbischer Nationalität gleichfalls nicht, da Serbien der EU nicht angehört.
Im Ausschluss der Klägerinnen von Leistungsansprüchen nach dem SGB II aufgrund ihrer Bezugsberechtigung nach dem AsylbLG liegt auch kein Verstoß gegen Regelungen der sogenannten QRL.
Denn die Klägerin unterfallen weder als Flüchtlinge noch als subsidiär Schutzberechtigte dem persönlichen Anwendungsbereich der QRL (1.), schließlich auch nicht als Inhaberinnen eines nationalen Status, der als subsidiärer Schutzstatus im Sinne der Begriffsbestimmung in Art. 2 Buchst. f QRL geltend könnte (2.).
1. Die Klägerinnen sind mangels Bestehens einer der Verfolgungsgründe nach Art. 10 QRL nicht Flüchtlinge im Sinne der Genfer Konvention und auch nicht als solche anerkannt.
Sie unterfallen auch nicht als sogenannte "subsidiär Schutzberechtigte" dem persönlichen Anwendungsbereich der QRL. Denn die hierfür wesentlichen Merkmale nach der QRL liegen nicht vor.
Ein Anspruch auf Behandlung als subsidiär schutzberechtigt bestünde bei Bedrohung mit einem ernsthaften Schaden aufgrund bestimmter Gegebenheiten (Art. 15 QRL; ebenso nach Art. 15 der Neufassung – Richtlinie 2011/95/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 13.12.2011; ABL. L337/9 vom 20.12.2011-).
Den Klägerinnen droht keine Verhängung oder Vollstreckung einer Todesstrafe (Art. 15 Buchst. a QRL).
Sie sind auch nicht von Folter oder unmenschlicher oder erniedrigender Behandlung oder Bestrafung eines Antragstellers im Herkunftsland i.S.v. Art. 15 Buchst. b QRL bedroht. Denn diese Übel müssen jeweils einem Staat zuzurechnen sein (Marx, Handbuch zur Qualifikationsrichtlinie, 2009, III Rn 21 f.). Die von den Klägerinnen behauptete Bedrohung geht von Privatleuten aus.
Auch droht ihnen kein ernsthafter Schaden im Sinne einer ernsthaften individuellen Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit einer Zivilperson infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen bewaffneten Konflikts (Art. 15 Buchst. c QRL).
Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts ist der Begriff des internationalen oder innerstaatlichen bewaffneten Konflikts in § 60 Abs. 7 S. 2 AufenthG und Art. 15 Buchst. c QRL unter Berücksichtigung des humanitären Völkerrechts auszulegen (BVerfG im Urteil vom 24.06.2008 – 10 C 43/07 mwN.)
Hier droht nach dem Vorbringen der Klägerinnen Blutrache unter Privatleuten und damit keine Auswirkung eines internationalen bewaffneten Konflikts i.S.d. ersten Alternative.
Wesentlich für den internen bewaffneten Konflikt i.S.d. zweiten Alternative soll die Schutzlosigkeit der unbeteiligten Zivilbevölkerung sein, weil die handelnden Akteure sich an keine Regeln gebunden fühlen und bewaffnete Konflikte jederzeit und unvorhersehbar ausbrechen können. Kennzeichnend soll weiterhin eine Erosion der zentralstaatlichen Instanzen sein (Marx, a.a.O., IV 3 Rn 66 f.). Derartige bürgerkriegsartige Verhältnisse lagen in Serbien im Jahre 2010 nicht vor. So gibt z.B. der Amnesty Report 2011 betreffend Serbien einschließlich Kosovo (zugänglich unter www.amnesty.de/jahresbericht2011/serbien-einschließlichkosovo) Hinweise auf Defizite bei der innerstaatlichen Verfolgung von Kriegsverbrechen sowie selektiven Mißbrauch des staatlichen Gewaltmonopols, keinesfalls jedoch auf bürgerkriegsähnliche Zustände mit einhergehender Besorgnis von Gewalt gegen jedermann.
Zwar kann nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes der Nachweis einer spezifischen Betroffenheit aufgrund von der persönlichen Situation innewohnenden Umständen im Einzelfall für den Nachweis eines Anspruches auf subsidiären Schutz entbehrlich sein (Urteil des EuGH in der Rechtssache C-465/07 Elgafaji, vgl. auch Schlussantrag des Generalanwalts vom 09.09.2008, (zugänglich unter www.curia.europa/EU/JURIS/Document). Dies setzte jedoch einen noch höheren -für Serbien und das Jahr 2010 nach Vorstehendem nicht feststellbaren – Grad willkürlicher Gewalt voraus, der die Annahme zuließe, dass eine Zivilperson bei eine Rückkehr in das betreffende Land alleine durch Anwesenheit einer ernstzunehmenden Bedrohung ausgesetzt wäre (Antwort des EuGH im Urteil vom 17.02.2009, in der Rechtssache C-465/07 Elgafaji auf die gestellten Vorlagefragen).
2. Die Klägerinnen genossen im streitigen Zeitraum auch keinen subsidiären Schutzstatus aufgrund der bei ihnen getroffenen Feststellungen von Abschiebungsverboten.
Denn bei den Klägerinnen war lediglich das Abschiebungsverbot nach § 60 Abs. 7 S. 1 AufenthG festgestellt worden, nicht dagegen der weitergehende Abschiebungsschutz nach § 60 Abs. 7 S. 2 AufenthG.
Aus der Historie beider Regelungen ergibt sich, dass alleine der Abschiebungsschutz nach § 60 Abs. 7 S. 2 AufenthG die Bestimmungen der QRL umsetzt und deren inhaltlichen Anforderungen an die Voraussetzungen eines subsidiären Schutzstatus entspricht, während in § 60 Abs. 7, S. 2 AufenthG der Abschiebungsschutz nach nationalem Recht geregelt wird.
Die Regelung des § 60 Abs. 7 S. 1 AufenthG, die sich bis zum Inkrafttreten des Aufenthaltsgesetzes (ab dem 01.01.2005) in § 53 Abs. 6 AuslG fand, betrifft nur den nationalen Abschiebungsschutz. Mit § 60 Abs. 7 S. 2 AufenthG hat der Gesetzgeber Art. 15 QRL in nationales Recht umgesetzt. Diese Norm knüpft an Umstände an, die nach Art. 15 QRL als ernsthafter Schaden gelten, Sie regelt den unionsrechtlichen Abschiebungsschutz. Beide Regelungen sind nicht deckungsgleich. Dies ergibt sich schon aus dem unterschiedlichen Wortlaut von § 60 Abs. 7 S. 1 AufenthG einerseits und von Art. 15 QRL bzw. von § 60 Abs. 7 S. 2 AufenthG andererseits. Darüber hinaus stehen beide Regelungen in einem Rangverhältnis. Satz 2 ist vorrangig zu prüfen, weil der Ausländer bei Vorliegen der dortigen Voraussetzungen einen zwingenden Anspruch auf Abschiebungsschutz hat, während Satz 1 lediglich ein Soll-Ermessen regelt (Deibel, Die Qualifikationsrichtlinie im Asylbewerberleistungsrecht in ZFSH/SGB 2012, 425 ff.).
Zu Unrecht beruft sich daher die Berufungsbegründung – im Anschluss an eine Äußerung des LSG NRW im Urteil vom 27.02.2012 – L 20 AY 48/08 – auf das Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 17.11.2011 – 10 C 11/10. In diesem hat das Bundesverwaltungsgericht unter ausdrücklicher Bezugnahme auf sein Urteil vom 24.06.2008 – 10 C 43/07 entschieden, dass der Anspruch auf Gewährung unionsrechtlichen Abschiebungsschutzes nach § 60 Abs. 2, 3, und 7 S. 2 AufenthG einen einheitlichen, in sich nicht weiter teilbaren Streitgegenstand bildet. Eine weitergehende Aussage lässt sich diesen Ausführungen nicht entnehmen (Deibel, a.a.O., mit weiteren Ausführungen zu den Hinweisen des BMI vom 13.10.2006).
Im erwähnten Urteil vom 24.06.2008 – 10 C 43/07 betreffend einen Antrag auf Verpflichtung zur Feststellung eines Abschiebungsverbots nach § 60 Abs. 2 bis 7 AufenthG 2004, führt das Bundesverwaltungsgericht zur Rechtslage nach Umsetzung der QRL in nationales Recht (durch das Gesetz zur Umsetzung aufenthalts- und asylrechtlicher Richtlinien der Europäischen Union – "Richtlinienumsetzungsgesetz" vom 19.08.2007, BGBl I 1970 mit Wirkung ab dem 28.08.2007) aus:
"Die für die Bestimmung des Streitgegenstands maßgeblichen Erwägungen führen jedenfalls nach Inkrafttreten des Richtlinienumsetzungsgesetzes zu einer Neubewertung. Mit diesem Gesetz hat der nationale Gesetzgeber die seit dem Zuwanderungsgesetz in § 60 Abs. 2 bis 7 AufenthG normierten ausländerrechtlichen Abschiebungsverbote geändert und in § 60 Abs. 2, 3 und 7 Satz 2 AufenthG Vorgaben der Richtlinie 2004/83/EG zum subsidiären Schutz aufgenommen (vgl. Begründung des Gesetzentwurfs der Bundesregierung zu § 60 AufenthG, BTDrucks 16/5065 S. 186). Er hat dabei die positiven Voraussetzungen des subsidiären Schutzstatus nach Art. 15 der Richtlinie als absolute Abschiebungsverbote ausgestaltet, über deren Vorliegen bei Asylbewerbern allein das Bundesamt zu entscheiden hat.
Hiervon abweichende Gesichtspunkte ergeben sich auch nicht aus der Neufassung der QRL durch die Richtlinie 2011/95/EU des Europäischen Parlamentes und des Rates vom 13. Dezember 2011, ABl. L 337/9 vom 20.12.2011. Die Voraussetzungen für die Anerkennung subsidiärer Schutzberechtigung in Art 15, 18 der Neufassung sind gleich geblieben.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG und umfasst die Kosten des vorausgegangenen Verfahrens der Nichtzulassungsbeschwerde L 19 AS 1272/12 NZB.
Ein Grund die Revision nach § 160 Abs. 2 SGG zuzulassen besteht nicht.
Erstellt am: 04.02.2014
Zuletzt verändert am: 04.02.2014