I. Der Bescheid vom 27. Februar 2006 in Fassung des Widerspruchsbescheides vom 8. Juni 2006 wird aufgehoben. Die Beklagte wird verurteilt, an den ehemaligen Vermieter der Klägerin Mietzinsen in Höhe von 641,77 EUR zu überweisen und der Bedarfsgemeinschaft "R." für den Zeitraum 1. März 2006 bis 15. März 2006 die Regelleistungen zu bewilligen.
II. Die Beklagte trägt 3/4 der notwendigen außergerichtlichen Kosten der Klägerin.
Tatbestand:
Zwischen den Beteiligten ist ein Anspruch auf Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem Sozialgesetzbuch, Zweites Buch (SGB II) streitig und zwar für die Zeit vom 01.02.2006 bis 28.02.2006 Leistungen für Unterkunft und Heizung sowie für den Zeitraum 01.03.2006 bis 15.03.2006 Leistungen für Unterkunft und Heizung sowie die Regelleistung.
Die am 1970 geborene Klägerin stellte am 18.01.2006 bei der Beklagten einen Antrag auf Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II für sich und ihre Familienmitglieder, Ehemann D. A., geboren 1971 und Sohn, A. R., geboren 1999. Am 20.01.2006 forderte die Beklagte noch fehlende Unterlagen bei der Klägerin an (Heizkostennachweis, Einstellungsbescheid der ARGE Augsburg-Stadt sowie Girokontoauszüge im Original 3 Monate rückwirkend ab Antragstellung lückenlos und bis zur Vorlage der Unterlagen). Für die Vorlage wurde eine Frist bis spätestens 04.02.2006 gesetzt. Am 26.01.2006 teilte die Klägerin daraufhin mit, dass sie über keine Heizkostenabrechnung verfüge, da sie mit Öl heize. Mit weiterem Schreiben vom 08.02.2006 forderte die Beklagte sodann die Klägerin nochmals auf, ihren Mitwirkungsverpflichtungen nachzukommen und deshalb bis spätestens 20.02.2006 den Einstellungsbescheid der ARGE Augsburg sowie Girokontoauszüge rückwirkend 3 Monate ab Antragstellung vorzulegen sowie eine Heizölrechnung als Heizkostennachweis. Sollte bis zu dem genannten Termin keine Antwort der Klägerin vorliegen, würden die Leistungen ganz versagt werden (§§ 60 und 66 SGB I). Hierauf antwortete die Klägerin, dass sie noch kein Öl bestellt habe und deshalb keine Rechnung vorlegen könne. Sie habe auch keine Originale ihrer Kontoauszüge mehr. Eine Neubeantragung der Auszüge würde ca. 1 bis 2 Wochen dauern und Gebühren kosten. Sie werde aber die Kontoauszüge schnellstens beantragen und auch vorlegen. Mit Schreiben vom 20.10.2006 bestätigte die ARGE für Beschäftigung Augsburg-Stadt der Beklagten, dass aufgrund des Umzuges der Bedarfsgemeinschaft zum 01.02.2006 für den Monat Februar 2006 nur noch die Regelleistung für die gesamte Bedarfsgemeinschaft übernommen würde. Die Miete für den Monat Februar 2006 sei von der Beklagten zu übernehmen. Ab dem 01.03.2006 sei die Beklagte komplett für die Klägerin zuständig. Mit Bescheid vom 27.02.2006 lehnte die Beklagte den Antrag der Klägerin ab. Die mit Schreiben vom 08.02.2006 angeforderten fehlenden Nachweise (Girokontoauszüge) seien trotz Belehrung über die Rechtsfolgen nicht vorgelegt worden. Dadurch sei die Klägerin ihren Mitwirkungspflichten nicht nachgekommen und habe die Aufklärung des Sachverhalts erheblich erschwert. Die Anspruchsvoraussetzungen hätten daher nicht geprüft werden können. Grundlage für diese Entscheidung seien die §§ 60 und 66 SGB I. Falls die Klägerin die Mitwirkung noch nachhole und die Anspruchsvoraussetzungen erfülle, werde geprüft, ob die Leistungen ganz oder teilweise nachgezahlt werden könnten. Am 16. März 2006 legte die Klägerin die geforderten Girokontoauszüge vor. Mit Bescheid vom 28.03.2006 bewilligte die Beklagte der Klägerin und ihren Familienmitgliedern anschließend Leistungen für die Zeit vom 16.03.2006 bis 31.03.2006 in Höhe von 593,34 EUR (bestehend aus anerkannten monatlichen Kosten für Unterkunft und Heizung in Höhe von 233,33 EUR sowie Regelleistungen in Höhe von 442,14 EUR) sowie für die Zeit vom 01.04.2006 bis 31.08.2006 Leistungen in Höhe von insgesamt 1.112,50 EUR.
Am 27.03.2006 legte der Bevollmächtigte der Klägerin gegen den Ablehnungsbescheid der Beklagten vom 27.02.2006 Widerspruch ein. Hierbei führt er aus, dass die Klägerin und ihr Ehemann derzeit Schwierigkeiten mit ihrem Vermieter, Herrn G., wegen fehlender regelmäßiger Mietzahlungen hätten. Es werde davon ausgegangen, dass die mangelnde Mitwirkung darin gesehen worden sei, dass Kontoauszüge nicht vorgelegt worden seien. Das kontoführende Institut sei erst nach Mitwirkung eines Mitarbeiters des Bevollmächtigten bereit gewesen, die Originalbelege zur Verfügung zu stellen. Nun seien sie auch vorhanden. Da die Kündigung des Mietverhältnisses drohe, werde gebeten, die Angelegenheit vordringlich zu behandeln, damit auf Seiten des Vermieters eine Besänftigung eintrete, indem dieser den ihm zustehenden Mietzins nachträglich und in Zukunft regelmäßig erhalte.
Den Widerspruch wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 08.06.2006 zurück. Die mit Schreiben vom 08.02.2006 nachgeforderten Girokontoauszüge seien nicht fristgerecht vorgelegt worden. Mit Posteingang vom 13.02.2006 sei von der Klägerin zwar mitgeteilt worden, dass die Anforderung der Kontoauszüge umgehend erfolgt sei, aber ca. 1 bis 2 Wochen dauern würde. Dennoch seien die Kontoauszüge erst mit Posteingang vom 16.03.2006 vorgelegt worden. Eine weitere Erklärung bzw. Beantragung einer Fristverlängerung vor Fristablauf sei nicht erfolgt. Ein wichtiger Grund für die Nichtvorlage sei nicht ersichtlich (§ 65 SGB I). Denn selbst wenn die Anforderung der Kontoauszüge einige Zeit in Anspruch genommen hätte, hätten die Kontoauszüge spätestens bis zum Ende der zweiten Frist vorgelegt werden können. Denn die Kontoauszüge seien bereits mit Schreiben vom 20.01.2006 unter Fristsetzung bis zum 04.02.2006 erstmals angefordert und auch damals nicht vorgelegt worden. Die zweite Fristsetzung sei erfolgt, um der Klägerin die Möglichkeit zu geben, ihren Mitwirkungspflichten doch noch nachzukommen. Auf die möglichen Rechtsfolgen sei mehrfach, insbesondere in den jeweiligen Unterlagenforderungsschreiben schriftlich hingewiesen worden. Für die Zeit vor dem 16.03.2006 komme eine Nachzahlung gemäß § 67 SGB II nicht in Betracht. Die Entscheidung über die rückwirkende Leistung stehe in dem pflichtgemäßen Ermessen der Beklagten. Da es sich bei den Leistungen nach dem SGB II um Sozialleistungen handele, die auf der Hilfebedürftigkeit des Antragstellers und der mit ihm in einer Bedarfsgemeinschaft lebenden Personen beruhten, müsse bei unentschuldigter Nichtvorlage von Unterlagen davon ausgegangen werden, dass Hilfebedürftigkeit nicht gegeben sei. Vielmehr liege die Annahme nahe, dass noch Selbsthilfemöglichkeiten im Sinne von § 3 Abs. 3 SGB II bestanden hätten. Da aufgrund dieser Situation die Hilfebedürftigkeit vor dem 16.03.2006 trotz mehrfacher Aufforderungen nicht nachgewiesen worden sei, bestehe für diese Zeit kein Anspruch auf Leistungen nach dem SGB II. Schon deshalb käme eine rückwirkende Zahlung nicht in Betracht. Es sei davon auszugehen, dass der Bedarf anderweitig habe gedeckt werden können. Aber auch im Rahmen einer Ermessensentscheidung bei Würdigung aller Besonderheiten des Einzelfalles überwiege das Interesse der Allgemeinheit am maßvollen Umgang mit Steuergeldern. Da kein wichtiger Grund ersichtlich sei, warum die Unterlagen nicht rechtzeitig eingereicht worden seien, könne auch deshalb keine rückwirkende Zahlung erfolgen. Durch diese Entscheidung soll keine "Sanktionierung" der fehlenden Mitwirkung erfolgen. Vielmehr sei im Hinblick auf die Zwecksetzung des SGB II, nämlich Sozialleistungen bei Hilfebedürftigkeit zu erbringen, im Regelfall eine rückwirkende Zahlung nicht möglich. Da keine gegensätzlichen Anhaltspunkte dafür vorlägen, sei davon auszugehen, dass bei tatsächlicher Hilfebedürftigkeit, also insbesondere bei fehlenden Selbsthilfemöglichkeiten, im Interesse einer baldigen Entscheidung über den Antrag die Unterlagen fristgerecht vorgelegt worden wären.
Dagegen hat der Bevollmächtigte der Klägerin am 13.07.2006 Klage zum Sozialgericht Augsburg erhoben.
Zuvor hatte der ehemalige Vermieter der Klägerin, Herr G., der Beklagten am 11.07.2006 mitgeteilt, dass er den Mietvertrag mit der Klägerin gekündigt habe.
Am 08.11.2006 hat der Bevollmächtigte dem Gericht mitgeteilt, dass die Klägerin nunmehr aus der P.-Str. in F. in die C.-Str. in A. umgezogen sei. In der mündlichen Verhandlung vom 13.02.2007 hat die Klägerin angegeben, dass sie bei ihrem früheren Vermieter, Herrn G., noch Mietschulden für die Zeit von Februar 2006 bis Mitte März 2006 habe.
In der mündlichen Verhandlung vom 13.02.2007 beantragt die Klägerin durch ihren Bevollmächtigten,
den Bescheid der Beklagten vom 27.02.2006 in Fassung des Widerspruchsbescheides vom 08.06.2006 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, ihr Leistungen für den Zeitraum 01.02.2006 bis 15.03.2006 zu bewilligen.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Zur Ergänzung des Tatbestandes wird auf den Inhalt der Leistungsakte der Beklagten sowie der Klageakte Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die gemäß §§ 87, 90 Sozialgerichtsgesetz (SGG) frist- und formgerecht erhobene Klage ist zulässig. Zwar ist bei einer Leistungsablehnung/-versagung nach § 66 SGB I grundsätzlich der Ablehnungs-/Versagungsbescheid nur mit einer isolierten Anfechtungsklage angreifbar, da über den Leistungsanspruch als solchen nicht entschieden wurde (BSG SozR 1200 § 66 Nr. 13; BSG 76, 16), so dass insoweit eine Klage auf Leistung nicht zulässig ist. Das BSG hat in seiner Rechtsprechung jedoch auch die Auffassung vertreten, dass eine Leistungsklage dann zulässig sei, wenn der Kläger geltend mache, dass alle Leistungsvoraussetzungen ohne die Mitwirkungshandlungen feststünden (BSG 24.11.1987, 3 RK 11/87; 17.02.2004, B 1 KR 4/02 R, SozR 4-1200 § 66 Nr. 1). Dieser Rechtsprechung wird jedoch in der Literatur entgegen gehalten, dass ein solcher Vortrag keine Ausnahme von dem Grundsatz rechtfertige, dass ein Verwaltungsakt über die begehrte Leistung (nicht nur über die Versagung) vorliegen müsse. Nach Ansicht des Gerichts ist dieser Streit für die Zulässigkeit der von der Klägerin erhobenen Anfechtungsklage kombiniert mit einer Leistungsklage nicht relevant, da die Beklagte endgültig einen Leistungsanspruch der Klägerin und der mit ihr in Bedarfsgemeinschaft lebenden Mitglieder dadurch abgelehnt hat, dass sie eine rückwirkende Leistungserbringung nach § 67 SGB I ausgeschlossen hat. Insoweit liegt in dem Widerspruchsbescheid der Beklagten vom 08.06.2006 eine endgültige Entscheidung der Beklagten darüber vor und nicht nur eine vorläufige, dass der Klägerin die begehrte Leistung versagt wird. Der Klageantrag war daher sowohl nach der vom BSG vertretenen Auffassung als auch nach der davon abweichenden Meinung zulässig.
Gegenstand des Verfahrens sind sodann nicht allein der Leistungsanspruch der Klägerin gegenüber der Beklagten im streitgegenständlichen Zeitraum, sondern auch die Leistungsansprüche der mit ihr in Bedarfsgemeinschaft lebenden Familienmitglieder. Insoweit war der Klageantrag nach dem sog. "Meistbegünstigungsprinzip" unabhängig von seinem Wortlaut unter Berücksichtigung des wirklichen Willens auszulegen (siehe hierzu BSG Urteil vom 07.11.2006, Az. B 7 B AS 8/06 R). Die Vertretungsbefugnis der Klägerin für ihren Ehegatten und ihren Sohn kann aus § 73 Abs. 2 Satz 2 SGG abgeleitet werden.
Die Klage ist auch begründet. Die Beklagte war nämlich nicht berechtigt, für die Bedarfsgemeinschaft "R." Leistungen für Unterkunft und Heizung für den Zeitraum vom 01.02.2006 bis 15.03.2006 und die Regelleistungen für die Zeit vom 01.03.2006 bis 15.03.2006 endgültig abzulehnen.
Nach § 66 Abs. 1 Satz 1 SGB I ist eine Ablehnung von Sozialleistungen dann zulässig, wenn der Leistungsberechtigte seinen Mitwirkungspflichten nicht nachkommt und die Aufklärung des Sachverhalts hierdurch wesentlich erschwert wird. Unstreitig wurde die Sachverhaltsaufklärung durch die Klägerin dadurch erschwert, dass sie die geforderten Girokontoauszüge nicht fristgerecht vorgelegt hat. Für eine Ablehnung nach § 66 Abs. 1 SGB I ist es dabei unerheblich, ob die Mitwirkungspflichten schuldhaft verletzt werden oder nicht (BSG vom 22.02.1995, 4 RA 44/94 – in BSG 76, 16). Vorliegend konnte die Beklagte daher Leistungen an die Bedarfsgemeinschaft "R." zunächst ablehnen. § 66 SGB I stellt aber nur eine Rechtsgrundlage für eine vorläufige Leistungsablehnung oder Versagung dar. Aus § 67 SGB I ergibt sich nämlich, dass bei Nachholung der Mitwirkung und bei Feststellung der Leistungsberechtigung des Antragstellers der Leistungsträger darüber zu entscheiden hat, ob die abgelehnte Leistung nachträglich ganz oder teilweise erbracht werden kann. Diese Entscheidung steht im pflichtgemäßen Ermessen des Leistungsträgers. Nach Auffassung des Gerichts hätte hier die Beklagte jedoch ihr pflichtgemäßes Ermessen im Sinne einer Ermessensreduzierung "auf null" dahingehend ausüben müssen, dass sie nachträglich Leistungen für Unterkunft und Heizung für die Zeit vom 01.02.2006 bis 15.03.2006 für die Bedarfsgemeinschaft übernimmt und ihr auch nachträglich die Regelleistungen für die Zeit vom 01.03.2006 bis 15.03.206 bewilligt. Bei der Ausübung des Ermessens hat die Beklagte nämlich der Zielsetzung der Vorschrift Rechnung zu tragen, die ihr ein Ermessen einräumt. Ziel der §§ 66, 67 SGB I ist es aber, den Berechtigten zur Mitwirkung zu bewegen, nicht jedoch ihn mit dem endgültigen Verlust von Leistungsansprüchen zu bestrafen. Regelmäßig sind daher unter Beachtung der Beginnvorschrift des § 37 SGB II, sofern die Leistungsvoraussetzungen vorliegen, Leistungen ab Antragstellung zu erbringen. Etwas anderes kann dann gelten, wenn die Mitwirkung allerdings unangemessen lange nach der ausgesprochenen Ablehnung nachgeholt wird (vgl. hierzu BSG vom 14.12.1994, 4 RA 42/94 – in SozR 1200 § 39 Nr. 1) oder aber berechtigterweise davon ausgegangen werden kann, dass der Antragsteller in dem vorhergehenden Zeitraum aufgrund ausreichender Selbsthilfemöglichkeiten nicht hilfebedürftig gewesen ist. Dabei wird dem Zweck der Leistungen nach dem SGB II insoweit Rechnung getragen, dass diese grundsätzlich nur zur Deckung eines aktuellen Bedarfs dienen (BSG, Urteil vom 07.11.2006, B 7b AS 8/06 R). Keiner dieser beiden genannten Ausnahmefälle ist hier jedoch gegeben. Zum einen hat die Klägerin die angeforderten Girokontoauszüge nach Erhalt des Ablehnungsbescheides in angemessener Zeit vorgelegt; dies insbesondere deshalb, da der Vortrag des Bevollmächtigten, die Klägerin habe die Originale nochmals beantragen müssen, einen nachvollziehbaren Entschuldigungsgrund darstellt. Entgegen der Ansicht der Beklagten ist auch von einer Hilfebedürftigkeit der Bedarfsgemeinschaft "R." in dem Zeitraum 01.02.2006 bis 15.03.2006 auszugehen. So sind die Mietschulden der Bedarfsgemeinschaft bereits durch das Schreiben des ehemaligen Vermieters Herrn G. vom 21.03.2006 (Bl. 51 der Verwaltungsakte) nachgewiesen. Die Hilfebedürftigkeit im streitgegenständlichen Zeitraum bezogen auf die Unterkunfts- und Heizkosten der Bedarfsgemeinschaft steht damit fest. Diese wirkt zudem bis heute in Form von Mietschulden fort. Gleiches ist für die Regelleistung für die Zeit vom 01.03.2006 bis 15.03.2006 festzustellen. Aus den vorgelegten Girokontoauszügen für diesen Zeitraum ergab sich kein Einnahmezufluss der Bedarfsgemeinschaft. Auch sonstiges Vermögen war nicht zu ermitteln. Dass die Bedarfsgemeinschaft trotz der fehlenden Einnahmen in der Lage war, die Zeit vom 01.03.2006 bis 15.03.2006 zu überbrücken, z.B. wie vorgetragen, durch die Annahme von Nahrungsmitteln karitativer Einrichtungen, kann vorliegend nicht dazu führen, dass der grundsätzliche bestehende Rechtsanspruch auf Alg II erlischt. Hier ist nämlich zu berücksichtigten, dass der im BSHG vom Bundesverwaltungsgericht entwickelte Grundsatz "keine Sozialhilfe für die Vergangenheit" nicht ohne weiteres auf das SGB II übertragen werden kann. Während nämlich im früheren Sozialhilferecht der Bedarfsdeckungsgrundsatz durch den Individualisierungsgrundsatz konkretisiert wurde (Rothkegel ZFSH/SGB 2000, 259, 270; Berlit info also 2003, 195, 203), wurde der Individualisierungsgrundsatz durch die Pauschalierung von Leistungen weitgehend aufgeweicht (s. BT-Drucks 15/1514, S. 1 und S. 49 zu § 29). Durch diese Pauschalierung ist der Hilfebedürftige gezwungen, vergangenheits- und zukunftsorientiert zu haushalten, z.B. Rücklagen für Ersatzanschaffungen zu tätigen. Diese Möglichkeit wird ihm jedoch genommen, wenn man Leistungen generell für die Vergangenheit ablehnt mit der Begründung, es bestehe dafür jetzt kein aktueller Bedarf mehr. Im hier zu entscheidenden Fall ist mangels anderer Anhaltspunkte davon auszugehen, dass durch die Ablehnung der Regelleistungen für die Zeit vom 01.03.2006 bis 15.03.2006 nicht sämtliche von der Regelleistung nach § 20 SGB II umfasste Bedarfe im März 2006 haben gedeckt werden können. Hieraus folgt auch, dass keine Rückstellungen im März 2006 für beabsichtigte Ersatzbeschaffungen haben getätigt werden können. Es bestand daher im streitgegenständlichen Zeitraum eine Hilfebedürftigkeit, die sich ebenfalls bis heute auswirkt.
Nicht sachgerecht erscheint dem Gericht in diesem Zusammenhang auch die Auffassung der Beklagten, dass von einer fehlenden Mitwirkung grundsätzlich auf eine fehlende Hilfebedürftigkeit geschlossen werden könne. Diese Annahme lässt völlig außer Acht, dass es auch dem "Organisiertesten" passieren kann, über vorzulegende Unterlagen nicht fristgerecht verfügen zu können, so dass er seiner Mitwirkungspflicht erst verspätet nachkommen kann. Der von der Beklagten gezogene Schluss kommt wohl nur dann in Betracht, wenn tatsächlich die Mitwirkung erst unangemessen spät nachgeholt wird (s. hierzu oben genannte BSGE).
Auch der Hinweis auf die Verpflichtung zur sparsamen Verwendung von Haushaltsmitteln ist vorliegend kein durchgreifendes Ermessenskriterium. Die hier streitgegenständlichen Leistungen nach dem SGB II (Regelleistungen und angemessene Kosten der Unterkunft und Heizung) dienen nämlich der soziokulturellen Existenzsicherung des Hilfebedürftigen, d.h. deren Höhe bestimmt sich am Nötigsten für die Lebensunterhaltung. Zu dieser Bedarfsdeckung besteht eine grundgesetzliche Verpflichtung, so dass die Ausgaben hierfür von vornherein keine Verschleuderung von öffentlichen Geldern darstellen können.
Insgesamt war somit der Bescheid der Beklagten vom 27.02.2006 in Fassung des Widerspruchsbescheides vom 08.06.2006 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, den ausstehenden Mietzins für die Zeit vom 01.02.2006 bis 15.03.2006 zu übernehmen sowie an die Bedarfsgemeinschaft die Regelleistungen für den Zeitraum 01.03.2006 bis 15.03.2006 nachträglich zu bewilligen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Erstellt am: 27.02.2007
Zuletzt verändert am: 27.02.2007