I. Der Widerspruchsbescheid der Beklagten vom 12. Juni 2006 wird in Satz 2 des Tenors in Ziffer 1 aufgehoben. Im Übrigen wird die Klage gegen den Bescheid vom 20. Dezember 2005 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 12. Juni 2006 abgewiesen.
II. Die Beklagte trägt 1/4 der notwendigen außergerichtlichen Kosten des Klägers.
Tatbestand:
Zwischen den Beteiligten ist die Höhe der Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes nach dem Sozialgesetzbuch Zweites (SGB II) für den Zeitraum vom 01.01.2006 bis 31.03.2006 streitig (weitere Versicherungskosten i.H. von 202,05 EUR sowie Werbungskosten i.H. von 349,03 EUR).
Der am 1943 geborene Kläger und seine am 1948 geborene Ehefrau M. beziehen seit dem 01.01.2005 von der Beklagten Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II. Sie bewohnen eine 70 qm große Mietwohnung in der K.str. in G … Im streitgegenständlichen Zeitraum übten beide eine Erwerbstätigkeit aus.
Am 16.12.2005 stellte der Kläger für sich und seine Ehefrau einen Folgeantrag auf Bewilligung von Arbeitslosengeld II. Hierbei legte er seine Verdienstabrechnungen für Juli 2005 bis November 2005 vor, ebenso die Verdienstabrechnungen seiner Ehefrau für Juni 2005 bis Oktober 2005 und eine Heizkostenabrechnung vom 09.06.2005 für die Zeit vom 01.05.2004 bis 30.04.2005. In dieser waren Gesamtkosten in Höhe von 1.254,05 EUR ausgewiesen sowie geleistete Vorauszahlung im gleichen Zeitraum in Höhe von 1.368,00 EUR. Mit Bescheid vom 20.12.2005 bewilligte die Beklagte dem Kläger und seiner Ehefrau Arbeitslosengeld II in Höhe von 848,71 EUR für die Zeit vom 01.01.2006 bis 31.03.2006. Hierbei erkannte sie Unterkunfts- und Heizkosten in Höhe von 368,06 EUR an. Des Weiteren rechnete sie bei der Ehefrau des Klägers 195,78 EUR als Einkommen aus nicht selbständiger Tätigkeit an. Bei dem Kläger selbst setzte sie ein Einkommen von 32,49 EUR an. Hiergegen legte der Kläger am 23.12.2005 Widerspruch bei der Beklagten ein. Den Widerspruch begründete er damit, dass der Bescheid vom 20.12.2005 sich wesentlich von den Berechnungen im Widerspruchsbescheid vom 09.12.2005 unterscheide. Auch sei ihm der errechnete Betrag von 243,75 EUR als Werbungskosten nicht nachvollziehbar. Den Widerspruch wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 12.06.2006 zurück. Gleichzeitig setzte sie einen Leistungsanspruch des Klägers und seiner Ehefrau auf Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes für die Zeit vom 01.01.2006 bis 28.02.2006 in Höhe von monatlich 674,59 EUR und für März 2006 i.H. von 785,34 EUR fest. Der Bescheid der Beklagten vom 20.12.2005 sei insofern zugunsten des Klägers rechtsfehlerhaft, als darin zum einen ein monatlicher Heizaufwand von 74,71 EUR und Nebenkosten von 53,35 EUR errechnet wurden, obwohl nur Heizkosten in Höhe von 56,00 EUR und Nebenkosten in Höhe von 47,50 EUR anzusetzen gewesen seien. Aus der vorgelegten Heizkostenabrechnung sei nämlich nicht der anteilige Warmwasseranteil herausgerechnet worden. Auch sei irrtümlich das an die Ehefrau des Klägers ausgezahlte Weihnachtsgeld nicht als Einnahme auf den Bedarf angerechnet worden. Der Bescheid sei daher gemäß § 45 Abs. 1 Sozialgesetzbuch Zehntes Buch (SGB X) aufzuheben gewesen. Auf eine Rückforderung der zu Unrecht bezogenen Leistungen werde jedoch aufgrund Vertrauensschutzes des Klägers verzichtet. Die vom Kläger und seiner Ehefrau zu entrichtende Kaltmiete in Höhe von 240,00 EUR sei in tatsächlicher Höhe zu übernehmen, da diese angemessen sei. Als Einkommen sei bei dem Kläger – brutto wie netto – 140,61 EUR festzustellen. Hiervon sei ein Pauschbetrag von 100,00 EUR abzusetzen. Darüber hinaus sei bei dem Kläger auch ein Freibetrag wegen Erwerbstätigkeit abzuziehen gewesen, so dass sich insgesamt anrechenbares Einkommen in Höhe von 32,49 EUR ergebe. Die Ehefrau des Klägers erziele dagegen monatliche Einkünfte in Höhe von 1.121,45 EUR. Damit komme bei ihr nicht der Freibetrag von 100,00 EUR zu tragen, sondern vielmehr seien die Absetzbeträge nach § 11 Abs. 2 Nr. 3 bis 5 SGB II, vorzunehmen. Des Weiteren ergebe sich auch für die Ehefrau des Klägers ein Freibetrag wegen Erwerbstätigkeit. Insgesamt liege daher bei der Ehefrau des Klägers ein anzurechnendes laufendes Erwerbseinkommen in Höhe von 234,59 EUR vor. Unter Anrechnung der Sonderzuwendung im November 2005 an die Ehefrau des Klägers, welche anteilig auf vier Monate verteilt anzurechnen sei, ergebe sich für die Zeit vom 01.01.2006 bis 28.02.2006 ein ungedeckter Bedarf in Höhe von monatlich 678,59 EUR und für die Zeit vom 01.01.2006 bis 31.03.2006 in Höhe von 785,34 EUR.
Dagegen hat der Kläger am 12.07.2006 Klage zum Sozialgericht Augsburg erhoben. Zur Klagebegründung hat er vorgetragen, dass im Dezember 2005 der Beklagten die Heiz- und Nebenkostenabrechnung 2004/2005 übersandt worden sei, um die tatsächlichen Kosten für 12 Monate nachzuweisen. Trotzdem werde weiter mit Kostenpauschalen gearbeitet. Ob die Warmwasserbereitung zum Leistungsspektrum zähle, das wisse er nicht. Im Jahr 2005 hätten sich die monatlichen arbeitsbedingten Fahrkosten auf 349,03 EUR belaufen. Erkennbar für ihn sei auch nicht, ob Aufwendungen für die Kfz-Haftpflichtversicherung mitberücksichtigt worden seien.
In der mündlichen Verhandlung vom 19.04.2007 beantragt der Kläger,
die Beklagte unter Abänderung ihres Bescheides vom 20.12.2005 in der Fassung des Widerspruchsbescheids vom 12.06.2006 zu verurteilen, ihm höhere Leistungen zu bewilligen.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Zur Ergänzung des Tatbestandes wird im Übrigen auf den Inhalt der Verwaltungsunterlagen der Beklagten und der Verfahrensakte Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die gemäß §§ 87, 90 Sozialgerichtsgesetz (SGG) frist- und formgerecht erhobene Klage ist zulässig und insoweit begründet als die Beklagte in ihrem Widerspruchsbescheid vom 12.06.2006 niedrigere Leistungen für den streitgegenständlichen Zeitraum für den Kläger und seine Ehefrau festgesetzt hat, als im Ursprungsbescheid vom 20.12.2005 vorgesehen. Im Übrigen war die Klage unbegründet.
Klagegenstand des Verfahrens waren entgegen dem Antrag des Klägers nicht nur seine Ansprüche gegenüber der Beklagten, sondern nach dem "Meistbegünstigungsprinzip" auch die Ansprüche seiner Ehefrau (vgl. BSG, Urteil vom 07.11.2006 – B 7b AS 8/06 R).
Zu Recht ist die Beklagte zwar davon ausgegangen, dass sie im Widerspruchsverfahren berechtigt ist, einen angefochtenen Verwaltungsakt zum Nachteil des Betroffenen zu ändern. Weil nämlich die Widerspruchsbehörde im Verwaltungsverfahren entscheidet, hat sie dieselben Befugnisse wie die Ausgangsbehörde (vgl. BSGE 53, 284, 288 = SGb 84, 115 mit Anmerkung Lücke S. 118; BSG SozR 3-3870 § 4 Nr. 5). D.h. aber auch, dass sie Bescheide nur im selben Umfang "verbößern" kann, wie die Ausgangsbehörde ihren Verwaltungsakt hätte aufheben, widerrufen oder zurücknehmen können. Es müssen also die Voraussetzungen der §§ 45 ff. vorliegen. Die von der Beklagten durchgeführte teilweise Aufhebung des Bescheids vom 20.12.2005 durch Festsetzung niedrigerer Leistungen für den streitgegenständlichen Zeitraum scheitert hier jedoch wegen Fehlens der Voraussetzungen für eine rückwirkende Aufhebung gemäß § 40 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 SGB II in Verbindung mit § 330 Abs. 2 Sozialgesetzbuch Drittes Buch (SGB III) und § 45 Abs. 2 Satz 3 SGB X. Zum einen fehlt es bereits an der notwendigen Anhörung gemäß § 24 Abs. 1 SGB X vor der erfolgten Rücknahme. Wie oben ausgeführt kann nämlich die Widerspruchsbehörde eine Rücknahme eines begünstigten Verwaltungsaktes nur unter den gleichen Voraussetzungen durchführen wie die Ausgangsbehörde. Von einer Anhörung konnte sie daher nicht absehen (vgl. § 71 VwGO und dazu Bundesverwaltungsgericht NVwZ 99, 1218; VGH Baden-Württemberg NVwZ 95, 1220; Kopp/Schenke, VwGO, § 71 Rdnr. 3 ff.). Da der Widerspruchsbescheid gleichzeitig auch die letzte Behördenentscheidung darstellt, kommt auch keine Heilung gemäß § 41 Abs. 1 Nr. 3 SGB X in Betracht. Darüber hinaus lagen auch nicht die materiell-rechtlichen Voraussetzungen für eine Rücknahme vor. Keiner der in § 45 Abs. 2 Satz 3 SGB X genannten Fallkonstellationen für die Rücknahme einer Leistungsbewilligung für die Vergangenheit sind hier gegeben, insbesondere hat der Kläger keine Angaben gemacht, die vorsätzlich oder grob fahrlässig in wesentlicher Beziehung unrichtig gewesen oder unvollständig gewesen wären (§ 45 Abs. 2 Satz 3 Nr. 2 SGB X). Auch ist dem Kläger und seiner Ehefrau nicht vorzuwerfen, dass sie die Rechtswidrigkeit des Verwaltungsaktes kannten oder infolge grober Fahrlässigkeit nicht kannten. Dies könnte allenfalls bei der nicht berechneten Sonderzuwendung der Fall sein, da diese tatsächlich in der Berechnung des Einkommens im angefochtenen Bescheid vom 20.12.2005 nicht in Erscheinung getreten ist. Allerdings hat der Kläger – insbesondere durch die Führung des Klageverfahrens nachgewiesen -, dass ihm die Berechnungsweisen der Beklagten und die Bescheiderstellung völlig unverständlich sind. Insoweit gebietet der im Rahmen des § 45 Abs. 2 Satz 3 Nr. 3 SGB X anzuwendende subjektive Fahrlässigkeitsbegriff, den Kläger auch als subjektiv schutzwürdig anzusehen. Somit lagen die Voraussetzungen für eine Rücknahme des anfänglich objektiv rechtswidrigen Bescheids vom 20.12.2005 nicht vor. Dass dieser Bescheid tatsächlich eine zu hohe Bewilligung ausgesprochen hat, ergibt sich dann aus der zutreffenden Berechnung der Bedarfssituation des Klägers und seiner Ehefrau sowie deren hierauf anzurechnendem Einkommen im Widerspruchsbescheid vom 12.06.2006. So wurde die von dem Kläger und seiner Ehefrau zu entrichtende Kaltmiete in Höhe von 240,00 EUR in tatsächlicher Höhe anerkannt. Darüber hinaus hat die Beklagte auch die tatsächlichen Heizkosten des Klägers anerkannt, wie sie sich aus der Rechnung vom 09.06.2005 ergeben. Lediglich die Kosten für die Warmwasseraufbereitung wurden aus dieser Rechnung herausgerechnet. Die Kosten für die Warmwasseraufbereitung sind nämlich bereits mit dem Regelsatz abgegolten (siehe BSG-Urteil vom 23.11.2006 – B 11b AS 1/06 R). Die Herausrechnung der Warmwasserkosten war dagegen im Bescheid vom 20.12.2006 nicht erfolgt, so dass dieser insoweit rechtsfehlerhaft war. Eine weitere Rechtsfehlerhaftigkeit des Bescheids vom 20.12.2006 ergibt sich aus der Nichtberücksichtigung der Sonderzuwendung des Arbeitgeber vom November 2005 an die Ehefrau des Klägers als einmalige Einnahme. Die dabei von der Beklagten im Widerspruchsbescheid vom 12.06.2006 vorgenommene Aufteilung der Sonderzuwendung auf vier Monate begegnet ebenfalls keinen rechtlichen Bedenken (§§ 2 Abs. 3, 2b Alg II – V). Nicht zu beanstanden ist auch die im Widerspruchsbescheid vom 12.06.2006 vorgenommene Berechnung des anrechenbaren Einkommens des Klägers und seiner Ehefrau. Der Kläger erzielt regelmäßig ein Einkommen unter 400,00 EUR, so dass anstelle der Beträge nach § 11 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 bis 5 SGB II ein Betrag von insgesamt 100,00 EUR abzusetzen war (§ 11 Abs. 2 Satz 2 SGB II). Weitere Absetzbeträge ergeben sich für den Kläger damit nicht. Weiter zu berücksichtigen war für den Kläger sodann der Freibetrag nach § 11 Abs. 2 Satz 1 Nr. 6 SGB II in Verbindung mit § 30 SGB II. Hieraus errechnet sich ein laufendes Erwerbseinkommen des Klägers in Höhe von 32,49 EUR. Anders war das anzurechnende Einkommen der Ehefrau im streitgegenständlichen Zeitraum zu berechnen. Die Ehefrau des Klägers erzielte nämlich darin ein regelmäßiges Einkommen über 400,00 EUR, so dass die Absetzbeträge des § 11 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 bis 5 SGB II anzusetzen waren. Danach konnte von dem Einkommen der Ehefrau ein Pauschbetrag in Höhe von 30,00 EUR abgesetzt werden für eine angemessene private Versicherung. Mit diesem Pauschbetrag sind alle von der Ehefrau des Klägers zu leistenden privaten Versicherungsbeträge abgegolten, also ihre Hausratversicherung, private Haftpflichtversicherung, Sterbekasse, Unfallversicherung und die private Kfz-Haftpflichtversicherung. Die tatsächlichen Kosten hierfür können im Rahmen des § 11 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 SGB II nicht geltend gemacht werden. § 3 Abs. 1 Nr. 1 Alg II – V, der die Höhe der abzusetzenden Versicherungsbeiträge bestimmt sieht anders als § 3 Abs. 1 Nr. 3 Alg II – V keine Möglichkeit zum Nachweis höherer Kosten vor (so auch LG Saarland vom 28.01.2005, S 21 ER 1/05 AS und Schmidt in Oestreicher, SGB II, § 11 RdNr. 76, offen gelassen im BSG-Urteil vom 23.11.2006 – B 11b AS 3/06 R). Auch konnte von dem Einkommen der Ehefrau nur die monatliche Werbungskostenpauschale in Höhe von 15,33 EUR zuzüglich 0,20 EUR für jeden zurückgelegten Entfernungskilometer der kürzesten Straßenverbindung abgesetzt werden, da höhere Werbungskosten der Ehefrau diesbezüglich nicht nachgewiesen wurden. Wie der Kläger selbst vorgetragen hatte, wird das Kfz sowohl von ihm als auch von seiner Ehefrau für die Fahrt von der Wohnung zur Arbeit benutzt. Ein Nachweis für die auf die Ehefrau entfallenden Fahrtkosten (Fahrten mit Tankbelegen) ist vom Kläger nicht vorgelegt worden. Zuletzt war bei der Ehefrau dann auch, wie von der Beklagten im Widerspruchsbescheid vom 12.06.2006 berechnet, der Erwerbstätigenfreibetrag nach § 11 Abs. 2 Satz 1 Nr. 6 SGB II in Verbindung mit § 30 SGB II mitzuberücksichtigen. Insgesamt standen dem Kläger und seiner Ehefrau daher keine höheren Leistungen als mit Bescheid vom 20.12.2005 bewilligt zu, sondern vielmehr entsprechend der Berechnung im Widerspruchsbescheid vom 12.06.2006 geringere Leistungen. Wie oben ausgeführt konnte der Bewilligungsbescheid vom 20.12.2005 jedoch nicht mehr zurückgenommen werden.
Der 2. Satz in Ziffer 1 des Tenor des Widerspruchsbescheids vom 12.06.2006 war daher aufzuheben und im Übrigen die Klage als unbegründet abzuweisen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Erstellt am: 04.05.2007
Zuletzt verändert am: 04.05.2007