I. Die Beklagte wird unter Aufhebung ihres Bescheides vom 3. April 2006 in Fassung des Widerspruchsbescheides vom 20. Juli 2006 verurteilt, der Klägerin die Übernahme der Nebenkostennachforderung für den Zeitraum Januar 2004 bis November 2004 zu bewilligen, soweit diese angemessen ist.
II. Die Beklagte trägt die notwendigen außergerichtlichen Kosten der Klägerin.
Tatbestand:
Zwischen den Beteiligten ist die Übernahme einer Nebenkostennachforderung (Heizkostennachforderung und weitere umlagefähige Nebenkosten) in Höhe von 557,26 EUR streitig.
Die am 1980 geborene Klägerin bezieht seit dem 01.01.2005 Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem Sozialgesetzbuch, Zweites Buch (SGB II). Davor erhielt die Klägerin Leistungen nach dem Bundessozialhilfegesetz (BSHG).
Mit Schreiben vom 12.01.2006, eingegangen bei der Beklagten am 13.01.2006, beantragte die Klägerin bei der Beklagten die Übernahme einer Nebenkostennachforderung ihres Vermieters vom 21.10.2005 für den Zeitraum Januar 2004 bis Dezember 2004. Abzüglich der geleisteten Abschläge für die Monate Januar bis November seien noch Nebenkosten in Höhe von 771,87 EUR offen. Daneben habe die Klägerin auch ihre Kaltmiete für den Monat Dezember 2004 bisher nicht bezahlt. Die Klägerin wurde gebeten, den Gesamtbetrag von 1.017,29 EUR bis spätestens zum 11.11.2005 zu überweisen. Am 02.01.2006 erhielt die Klägerin eine Mahnung wegen der bisher nicht beglichenen Nebenkostenabrechnung für 2004 und der rückständigen Mietzahlung.
Den Antrag auf Übernahme der vom Vermieter geltend gemachten Forderung lehnte die Beklagte mit Bescheid vom 03.04.2006 ab. Das SGB II sei erst ab dem 01.01.2005 in Kraft. Die Abrechnung sei jedoch für das Jahr 2004 erstellt worden. Die Kosten seien also in einem Zeitraum entstanden, als das SGB II noch nicht bestanden habe und deshalb könnten diese Kosten auch nicht übernommen werden.
Dagegen legte der Bevollmächtigte der Klägerin am 02.05.2006 Widerspruch bei der Beklagten ein. Den Widerspruch begründete er damit, dass die Nachzahlungen zwar das Kalenderjahr 2004 beträfen, diese aber jedoch erst mit Schreiben vom 21.10.2005 geltend gemacht worden seien. Somit seien sie auch frühestens zu diesem Zeitpunkt fällig. Es handele sich danach um Kosten für Unterkunft und Heizung. Diese seien gemäß § 22 SGB II in Höhe der tatsächlichen Aufwendungen zu erbringen, soweit diese angemessen seien. Dass diese Kosten nicht angemessen wären, sei nicht vorgetragen worden. Mit Schreiben vom 03.05.2006 forderte die Beklagte den Bevollmächtigten auf, eine Vertretungsvollmacht bis spätestens 23.05.2006 vorzulegen.
Den Widerspruch wies die Beklagte sodann mit Widerspruchsbescheid vom 20.07.2006 als unzulässig zurück. Trotz schriftlicher Aufforderung vom 03.05.2006 unter Fristsetzung bis zum 23.05.2006 sei keine schriftliche Vollmacht vorgelegt worden, so dass das Rechtsmittel insgesamt nicht wirksam erhoben worden sei (§ 62 iVm § 13 Abs. 1 Satz 3 SGB X).
Dagegen hat der Bevollmächtigte der Klägerin unter Vollmachtsvorlage Klage zum Sozialgericht Augsburg am 18.08.2006 erhoben. Zur Klagebegründung ist vorgetragen worden, dass die behauptete Aufforderung zur Vorlage einer Bevollmächtigung im Widerspruchsverfahren dem Bevollmächtigten nicht zugegangen sei. Daher könne der Widerspruch auch nicht als nicht wirksam erhoben zurückgewiesen werden.
Mit Schriftsatz vom 31.08.2006 hat die Beklagte hierzu vorgetragen, dass mangels Vollmachtsvorlage kein wirksamer Widerspruch erhoben worden sei und daher der Widerspruch als unzulässig zurückzuweisen gewesen war, so dass es insgesamt schon an einem Vorverfahren fehle, und die Klage damit insgesamt unzulässig sei. Hilfsweise werde vorgetragen, dass die Nebenkostenabrechnung auch bei Zulässigkeit des Widerspruchs aus mehreren Gründen im Rahmen des SGB II nicht übernommen werden könne. Zum einen beziehe sich die Nebenkostenabrechnung auf den Zeitraum Januar bis Dezember 2004. Das bedeutete, die Aufwendungen für Unterkunft und Heizung für das Jahr 2004 seien tatsächlich höher gewesen, als zunächst angenommen. Bezüglich der Unterkunftskosten für das Jahr 2004 könne aber die Beklagte nicht zuständig sein, da diese damals noch nicht bestanden habe. Sollte für Zeiträume während des Bezuges von Leistungen nach dem SGB II im Nachhinein eine Nebenkostennachzahlung erforderlich sein, so könne diese Nachzahlung für den Übergangszeitraum der ersten 6 Monate voll und ab diesem Zeitpunkt bis zur Obergrenze der Angemessenheit berücksichtigt werden, da sich diese Kosten dann als laufende (wenn auch nachträglich vom Vermieter geforderte) Unterkunftskosten für die von der Abrechnung betroffenen Monate darstellten. Eine andere Betrachtungsweise würde zu ungerechtfertigten Ergebnissen führen, die allein davon abhingen, wie zutreffend die Vorauszahlungen der Nebenkosten vom Vermieter bestimmt worden seien. Aber selbst wenn man – was aus dem Gesetz nicht abzuleiten sei – allein auf die Fälligkeit der Rechnung und nicht auf den fraglichen Zeitraum, für den die Abrechnung gestellt wurde, abstelle, könne eine Übernahme der Nebenkostennachzahlung nicht erfolgen. Die Fälligkeit der Zahlung sei vom Vermieter auf den 11.11.2005 festgesetzt worden. Leistungen nach dem SGB II würden nur für Zeiten nach Antragstellung erbracht (§ 37 SGB II). Da die Übernahme erst über 2 Monate nach Ablauf der Fälligkeit der Rechnung, nämlich mit Posteingang vom 13.01.2006, erstmalig beantragt worden sei, handele es sich zu diesem Zeitpunkt der Beantragung unter keinen Umständen mehr um laufende Unterkunftskosten, sondern um Mietschulden, die grundsätzlich nicht berücksichtigt werden könnten. Die Voraussetzungen des § 22 Abs. 5 SGB II alte Fassung, die eine darlehensweise Übernahme rechtfertigen könnten, hätten ebenfalls nicht vorgelegen, da keine konkrete Arbeitsaufnahme bevorgestanden habe, die durch eine möglicherweise drohende Wohnungslosigkeit hätte verhindert werden können. Natürlich könnten auch die laut der Rechnung noch ausstehende Miete sowie die Abschlagszahlung für Dezember 2004 nicht berücksichtigt werden, da auch diese Kosten Mietschulden und nicht laufende Unterkunftskosten seien.
Hierauf hat der Bevollmächtigte der Klägerin mit Schreiben vom 28.09.2006 geantwortet, dass es sich bei der Betriebskostennachzahlung um im Jahr 2005 angefallene Kosten über Unterkunft und Heizung handele. Zu diesem Zeitpunkt sei die Beklagte bereits für die Übernahme der Kosten für Unterkunft und Heizung zuständig gewesen. Abgesehen von der Frage der tatsächlichen Fälligkeit, die im Mietrecht sehr umstritten sei und von der Beklagten in Unkenntnis dessen auf den 11.11.2005 festgesetzt worden sei, sei es nicht realistisch zu verlangen, dass die Übernahme von Nebenkostennachzahlungen vor deren Inrechnungstellung durch den Vermieter beantragt werden müsste, da es sich ansonsten um Mietschulden handeln würde. Nicht richtig sei auch die Behauptung der Beklagten, dass die Nachzahlung nicht übernommen werden könne, da diese erst nachträglich beantragt worden sei. Diese Praxis würde dazu führen, dass keinerlei Nebenkostennachzahlungen mehr übernommen werden könnten, da, bevor der Vermieter eine Nachzahlung in Rechnung stelle, der Antrag der Übernahme derselben sich schwierig gestalte. Da Betriebskostennachzahlungen von der Beklagten durchaus übernommen würden, sei davon auszugehen, dass bei diesen der Antrag auf Übernahme regelmäßig nicht vor Rechnungstelle erfolge und dies auch nicht Voraussetzung der Gewährung sei. Ein entsprechender getrennter Antrag sei ferner auch deshalb nicht notwendig, weil bereits mit dem Erstantrag bzw. mit dem jeweiligen Folgeantrag die Übernahme der Kosten der Unterkunft und Heizung beantragt worden sei. Hierzu gehöre auch die Betriebskostennachzahlung. Diese Kosten seien durch die Beklagte grundsätzlich bereits bewilligt worden. Bei der Betriebskostennachzahlung handele es sich lediglich um eine Spezifizierung in der Leistungshöhe, die lediglich dann abzulehnen sei, wenn die Angemessenheit mehr als 6 Monate überschreite.
In der mündlichen Verhandlung vom 21.11.2006 nahm der Bevollmächtigte der Klägerin sodann nach Hinweis des Gerichts seine Klage bezüglich der Nachforderung des Vermieters für den Dezember 2004 (ausstehende Kaltmiete sowie weitere Nebenkosten einschließlich der nicht bezahlten Abschlagszahlung) zurück und stellte diesbezüglich einen Antrag nach § 22 Abs. 5 SGB II neue Fassung. Zu Protokoll erklärte die Klägerin, dass sie Herrn Rechtsanwalt Zeeb für das Widerspruchsverfahren gegen den Bescheid vom 03.04.2006 bevollmächtigt habe. Sodann beantragte die Klägerin durch ihren Bevollmächtigten,
die Beklagte unter Aufhebung ihres Bescheides vom 03.04.2006 in Fassung des Widerspruchsbescheides vom 20.07.2006 zu verurteilen, ihr die Übernahme der Nebenkostennachforderung für den Zeitraum Januar 2004 bis November 2004 in Höhe der angemessenen Kosten zu bewilligen.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Zur Ergänzung des Tatbestandes wird im Übrigen auf den Inhalt der Verwaltungsakte der Beklagten und auf die Gerichtsakte verwiesen.
Entscheidungsgründe:
Die gemäß §§ 87, 90 Sozialgerichtsgesetz (SGG) frist- und formgerecht erhobene Klage ist zulässig und begründet. Durch die Erklärung der Klägerin zu Protokoll in der mündlichen Verhandlung wurde die wegen des Formmangels schwebend unwirksame Widerspruchsbegründung nachträglich geheilt (vgl. BSGE 32, 253, 254 = SozR Nr. 17 zu § 73 SGG). Eine zeitliche Befristung der Möglichkeit zur Heilung sieht § 13 Abs. 1 Satz 3 SGB X im Gegensatz zu § 73 Abs. 2 Satz 1 SGG nicht vor. Insgesamt liegt damit eine wirksame Widerspruchseinlegung vor, über die durch Widerspruchsbescheid vom 20.07.2006 entschieden worden ist bzw. hat sich aus der Klageerwiderung vom 31.08.2006 ergeben, dass es auch nach Überprüfung der Sache selbst durch die Beklagte bei einer Zurückweisung des Widerspruchs mit den in der Klageerwiderung genannten Gründen verblieben wäre (vgl. BSG SozR 1500 § 78 Nr. 8; Breith 96, 973; BVerwG 27, 185).
Die Klägerin hat einen Anspruch auf Übernahme der Nebenkostennachforderung ihres Vermieters für den Zeitraum Januar 2004 bis November 2004 in angemessener Höhe.
Nach § 22 Abs. 1 Satz 1 SGB II werden Leistungen für Unterkunft und Heizung in Höhe der tatsächlichen Aufwendungen erbracht, soweit diese angemessen sind. Dabei zählen zu den Kosten der Unterkunft bei Mietverhältnissen auch die tatsächlichen Nebenkosten. Hierunter fallen alle Mietnebenkosten, die sich aus dem Mietvertrag ergeben oder vom Vermieter auf die Mieter umgelegt werden (Lang in Eicher/Spellbrink, SGB II, § 22 Rdz 22, vgl. dazu Hoffmann in LPK/BSHG, 6. Auflage 2003, § 12 Rdnr 20 sowie Wenzel in Fichtner, BSHG, 2. Auflage 2003, § 12 Rdnr 23). Die vom Vermieter mit Schreiben vom 21.10.2005 in Rechnung gestellten Kosten gehören damit zu den in § 22 Abs. 1 Satz 1 SGB II genannten Aufwendungen für Unterkunft und Heizung. Entgegen der Ansicht der Beklagten handelt es sich bei der Nebenkostennachforderung auch nicht um Schulden, sondern um laufende Kosten von Unterkunft und Heizung. Für den Zeitraum Januar 2004 bis November 2004 hat die Klägerin nämlich die von ihr zu erbringenden Abschlagszahlungen an den Vermieter gezahlt, so dass sie in diesem Zeitraum insgesamt den Forderungen des Vermieters nachgekommen ist und deswegen bis 30.11.2004 schuldenfrei war. Die mit Schreiben vom 21.10.2005 erhobene Nebenkostennachforderung des Vermieters mit Fälligkeitsdatum zum 11.11.2005 ist sodann tatsächlich erst mit der Rechnungstellung und Fälligkeitstellung zum 11.11.2005 entstanden. Zu diesem Zeitpunkt befand sich die Klägerin jedoch im Bezug von Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II, die auch die Kosten für Unterkunft und Heizung mit beinhalteten. Damit handelt es sich bei der Nebenkostennachforderung, weil sie während des Bezuges von Arbeitslosengeld II entstanden war, um laufende Kosten von Unterkunft und Heizung und nicht um Mietschulden im Sinne von § 22 Abs. 5 SGB II (vgl. LSG Nied.-Bremen, Beschluss vom 14.09.2005, Az.: L 8 AS 125/05 ER und Beschluss vom 19.08.2005, Az.: L 7 AS 182/05 ER, FEVS 57, 437 und 467).
Die Übernahme der Nebenkostennachforderung scheitert auch nicht an dem Antragserfordernis gemäß § 37 Abs. 1 SGB II. Vielmehr ist die Nebenkostennachforderung den laufenden Unterkunfts- und Heizkosten in dem Bewilligungszeitraum vom 01.07.2005 bis 30.06.2006 (Bewilligungsbescheide vom 10.06.2005 und vom 08.12.2005) zuzuordnen. Einen Antrag auf Ubernahme der laufenden Unterkunfts- und Heizkosten für diese Zeit hatte die Klägerin bereits mit ihrem Weiterbewilligungsanträgen gestellt. Zu Recht hat der Bevollmächtigte der Klägerin insoweit auch vorgetragen, dass es deshalb keines weiteren neuen Antrags bedurfte.
Nach § 22 Abs. 1 Satz 1 SGB II besteht jedoch nur ein Anspruch auf die Übernahme der tatsächlichen Unterkunfts- und Heizkosten, soweit diese angemessen sind. Die Angemessenheit der Nebenkostennachforderung ist nach Auffassung des Gerichts, da diese ihren Entstehungsgrund im Verbrauchszeitraum von Januar 2004 bis November 2004 haben, nach den damals herrschenden Angemessenheitskriterien des BSHG zu beurteilen. Andernfalls hätte es der Vermieter durch die Bestimmung des Zeitpunktes der Rechnungstellung in der Hand, einen unangemessen hohen Verbrauch an Heizkostenenergie auf die öffentliche Hand abzuwälzen, wenn sich zwischenzeitlich für die Berechnung der Angemessenheit günstigere Kriterien für den Leistungsempfänger ergeben haben.
Insgesamt war die Beklagte daher unter Aufhebung ihres Bescheides vom 03.04.2006 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 20.07.2006 zu verurteilen, die Übernahme der Nebenkostennachforderung für den Zeitraum Januar 2004 bis November 2004 der Klägerin zu bewilligen, soweit diese angemessen ist.
Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 183, 193 SGG.
Erstellt am: 13.12.2006
Zuletzt verändert am: 13.12.2006