I. Die Klage gegen den Bescheid vom 16. Mai 2006 in Fassung des Widerspruchsbescheides vom 2. August 2006 wird abgewiesen.
II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
Tatbestand:
Zwischen den Beteiligten ist eine Weiterbewilligung von Einstiegsgeld für den Zeitraum 01.07.2006 bis 31.12.2006 streitig.
Die am 1970 geborene Klägerin bezieht von der Beklagten seit dem 01.01.2005 Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem Sozialgesetzbuch, Zweites Buch (SGB II).
Am 16.12.2005 beantragte die Klägerin bei der Beklagten Einstiegsgeld nach § 16 Abs. 2 iVm § 29 SGB II. Hierbei gab sie an, hauptberuflich eine selbstständige Tätigkeit im Bereich Marketing und Design, insbesondere Web-Design, Werbung/Werbeplattform im Internet ausüben zu wollen. Weiter legte sie eine von ihr angefertigte Berechnung des zu erwartenden Bruttoeinkommens vor. Mit Bescheid vom 13.01.2006 bewilligte die Beklagte der Klägerin für die Zeit vom 01.01.2006 bis 30.06.2006 Einstiegsgeld in Höhe von monatlich 207,00 EUR. Der Bescheid enthielt den Hinweis, gegebenenfalls rechtzeitig vor Ablauf der Bezugsfrist einen Verlängerungsantrag zu stellen.
Am 26.04.2006 beantragte die Klägerin eine Weiterbewilligung ihres Einstiegsgeldes um weitere 6 Monate. Mit Bescheid vom 16.05.2006 lehnte die Beklagte eine Verlängerung des Einstiegsgeldes ab mit der Begründung, dass dieses nur maximal für 6 Monate bewilligt werde. Gegen diesen Bescheid legte die Klägerin am 15.05.2006 Widerspruch bei der Beklagten ein. Zur Widerspruchsbegründung trug sie vor, dass sie einen Nachweis über die monatlichen Einnahmen und Ausgaben, welchen sie regelmäßig monatlich zum 24. erstelle, immer zeitgerecht eingereicht habe. Eine Änderung ihrer Verhältnisse, die für die Leistung des Einstiegsgeldes erheblich seien, läge nicht vor. Den Widerspruch wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 02.08.2006 zurück. Das Einstiegsgeld sei eine Kann-Leistung. Auf sie bestehe kein Rechtsanspruch. Einstiegsgeld könne nur im Rahmen der verfügbaren Haushaltsmittel nach pflichtgemäßem Ermessen erbracht werden. Im Rahmen des auszuübenden Ermessens sei zu erwägen, ob im betreffenden Einzelfall eine Förderung erfolgen solle, gegebenenfalls für welche Dauer und in welcher Höhe. Die Beklagte gewähre das Einstiegsgeld im Regelfall für 6 Monate, um diese Leistung trotz begrenzter Haushaltsmittel möglichst vielen Antragstellern zur Verfügung stellen zu können. Nur in besonders gelagerten Ausnahmefällen könne im Rahmen einer Einzelfallentscheidung eine längere Leistungsgewährung erfolgen. Die Gewährung des Einstiegsgeldes sei im Widerspruchsverfahren eingehend überprüft worden. Danach sei die Förderung für 6 Monate der Situation der Klägerin angemessen, ein besonders gelagerter Ausnahmefall sei nicht gegeben. Eine Verlängerung des Einstiegsgeldes um weitere 6 Monate komme daher nicht in Betracht. Zudem bestünden aufgrund der geringen Einnahmen erhebliche Zweifel an den Erfolgsaussichten der selbstständigen Tätigkeit. Laut Umsatz- und Rentabilitätsvorschau vom 14.12.2005 für das Jahr 2006 rechnete die Klägerin mit Bruttoeinnahmen aus ihrer selbstständigen Tätigkeit in Höhe von 7.200,00 EUR und Aufwendungen für die Anschaffung von Hard- und Software in Höhe von 3.620,00 EUR sowie mit Betriebsausgaben in Höhe von 3.580,00 EUR. Aus den zur Prüfung des Anspruches auf Arbeitslosengeld II eingereichten Aufstellungen über Einnahmen und Ausgaben für die Monate Januar bis Juni 2006 sei jedoch ersichtlich, dass die Klägerin dieses erwartete Ergebnis bei weitem nicht erreichen werde. Anstelle wöchentlicher Bruttoeinnahmen von 150,00 EUR erziele die Klägerin in den Monaten Januar bis Juni 2006 regelmäßig nur Bruttoeinnahmen in Höhe von monatlich 200,00 EUR. Die geringen Einnahmen werden die Kosten für die Anschaffung der Hard- und Software und die Betriebsausgaben nicht decken können. Es bestehe keine Aussicht, durch die selbstständige Tätigkeit die Hilfebedürftigkeit entscheidend zu verringern bzw. auf Dauer überwinden zu können.
Dagegen hat die Klägerin am 31.08.2006 Klage zum Sozialgericht Augsburg erhoben. Zur Klagebegründung ist ausgeführt worden, dass die Klägerin das Einstiegsgeld dringend benötige, um die von ihr begonnene selbstständige Tätigkeit fortführen zu können. Im vorliegenden Fall habe die Klägerin einen Rechtsanspruch auf Bezahlung des Einstiegsgeldes. Die Klägerin habe bereits bei Beantragung der Leistung eine Umsatz-/Rentabilitätsvorschau bei der Beklagten abgegeben, der zu entnehmen war, dass voraussichtlich im Jahr 2006 kein Gewinn erwirtschaftet werde. Der Beklagten sei daher klar gewesen, dass die Klägerin auf das Einstiegsgeld angewiesen sein würde, um ihre selbstständige Tätigkeit überhaupt beginnen zu können. Dementsprechend sei der Klägerin im Bewilligungsbescheid empfohlen worden, rechtzeitig einen Antrag auf Verlängerung der Zahlung von Einstiegsgeld zu stellen. Der auf Antrag der Klägerin ergangene Bescheid lasse in keiner Weise erkennen, dass seitens der Beklagten in irgendeiner Weise ein Ermessen ausgeübt worden sei. Vielmehr lasse der Bescheid erkennen, dass die Beklagte offensichtlich davon ausgegangen sei, Einstiegsgeld überhaupt nur für 6 Monate bezahlen zu müssen, obwohl der Gesetzgeber eine maximale Bezugsdauer von 24 Monaten vorgesehen habe. Auch die im Widerspruchsbescheid enthaltene Begründung könne nicht überzeugen. Sofern die Beklagte auf die verfügbaren Haushaltsmittel abstelle, entbehre der Widerspruchsbescheid jeglichen Hinweises darauf, in welcher Weise die Haushaltsmittel ausgeschöpft seien bzw. wieviel Geld aus diesen Haushaltsmitteln für Einstiegsgelder aufgewandt werden müssten. Des Weiteren könnten auch nicht die von der Beklagten geäußerten Zweifel an den Erfolgsaussichten der selbstständigen Tätigkeit überzeugen. Selbstverständlich könne die Klägerin vor Aufnahme ihrer selbstständigen Tätigkeit lediglich eine grobe Prognose über die von ihr vorgestellten Umsatzziele abgeben.
In der mündlichen Verhandlung vom 21.11.2006 beantragt die Klägerin durch ihren Bevollmächtigten,
die Beklagte unter Aufhebung ihres Bescheides vom 16.05.2006 in Fassung des Widerspruchsbescheides vom 02.08.2006 zu verurteilen, ihr für den Zeitraum vom 01.07.2006 bis 31.12.2006 weiter ein monatliches Einstiegsgeld in Höhe von 207,00 EUR zu bewilligen.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Zur Ergänzung des Tabestandes wird im Übrigen auf den Inhalt der Verwaltungsakte der Beklagten und auf die Gerichtsakte verwiesen.
Entscheidungsgründe:
Die gemäß §§ 87, 90 Sozialgerichtsgesetz (SGG) frist- und formgerecht erhobene Klage ist zulässig, jedoch unbegründet.
Die Klägerin hat in dem streitgegenständlichen Zeitraum vom 01.07.2006 bis 31.12.2006 keinen Anspruch auf Weiterbewilligung von Einstiegsgeld.
Nach § 29 Abs. 1 Satz 1 SGB II kann zur Überwindung von Hilfebedürftigkeit erwerbsfähigen Hilfebedürftigen, die arbeitslos sind, bei Aufnahme einer sozialversicherungspflichtigen oder selbstständigen Erwerbstätigkeit ein Einstiegsgeld erbracht werden, wenn dies zur Eingliederung in den allgemeinen Arbeitsmarkt erforderlich ist. Aus § 29 Abs. 1 Satz 1 SGB II ergeben sich damit zwei Voraussetzungen für die Bewilligung von Einstiegsgeld. Zum einen muss dies zur Überwindung der Hilfebedürftigkeit geschehen. Daraus ist zu folgern, dass ebenso wie bei § 30 BSHG eine Förderung ausgeschlossen ist, wenn die angestrebte Tätigkeit keinerlei berechtigte Chancen und Hoffnung zulässt, dass sie auf Dauer dazu führen wird, die Hilfebedürftigkeit des Leistungsempfängers und der Bedarfsgemeinschaft zu beenden (Spellbrink in: Eicher/Spellbrink, SGB II, § 29 Rdz 15 und 25 mit weiteren Nachweisen). Auch unter Geltung des § 30 Abs. 2 BSHG ging man davon aus, dass hierfür die Stellungnahme einer Industrie- und Handelskammer etc. über die Tragfähigkeit der Existenzgründung einzuholen ist (so Brühl, LPK-BSHG § 30 Rdnr 4; Faselt in Fichtner/Wenzel, BSHG, § 30 Rdnr 5; Schellhorn/ Schellhorn, BSHG, § 30 Rdnr 4f). Einen berechtigten Grund dafür, dass im Rahmen des § 29 SGB II bei der Förderung von Existenzgründungen auf die Einholung einer solchen Stellungnahme verzichtet werden könne, gibt es nicht. In der Literatur wird sogar darüber hinausgehend die Einholung eines Fachgutachtens gefordert, da nur so die wirtschaftliche Tragfähigkeit einer geplanten Existenzgründung zuverlässig eingeschätzt werden könne (Spellbrink aaO). Dies mag zwar zu einem erhöhten Verwaltungsaufwand führen, ist aber nach Auffassung des Gerichts unvermeidlich, da die Beurteilung der wirtschaftlichen Tragfähigkeit einer geplanten Existenzgründung in der Regel die Kompetenz des Fallmanagers überschreiten wird, und damit nur so die willkürliche Vergabe von Einstiegsgeld und der damit verbundenen Verschleuderung von Steuergeldern vorgebeugt werden kann. Dies ist auch im Interesse der Antragsteller, da dadurch vermieden werden kann, dass sie anstelle von zielführenden Eingliederungsmaßnahmen Leistungen erhalten, die im Einzelfall nicht nur nicht geeignet sind, ihre Hilfebedürftigkeit zu beseitigen, sondern ihre Hilfebedürftigkeit nur noch erhöhen, weil oft zur Aufnahme der selbstständigen Tätigkeit nicht mehr ohne Weiteres abzutragende Schulden gemacht werden. Weitere Tatbestandsvoraussetzung für die Bewilligung von Einstiegsgeld ist, dass dieses zur Eingliederung in den allgemeinen Arbeitsmarkt erforderlich ist. Im Allgemeinen juristischen Sprachgebrauch und auch in dem verfassungsrechtlichen Verständnis von Erforderlichkeit als Ausprägung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes ist eine Maßnahme dann erforderlich, wenn es keine denkbaren, weniger belastenden (d.h. weniger kostspieligen) Maßnahmen gibt, mit denen das gleiche Ziel erreicht werden kann. Dies bedeutet, dass das Einstiegsgeld eine gewisse ultima ratio darstellt, die erst dann zum Zuge kommen darf, wenn eine Eingliederung des Betroffenen in den allgemeinen Arbeitsmarkt (also nicht in einen speziellen Arbeitsmarkt für besondere Qualifikation etc.) anders (billiger) nicht erreicht werden kann (so Spellbrink in: Eicher/Spellbrink, SGB II, § 29 Rdz 26). Beide der oben genannten Voraussetzungen liegen nach Überzeugung des Gerichts bei der Klägerin nicht vor. So hat die Klägerin anstelle der von ihr erwarteten wöchentlichen Bruttoeinnahmen von 150,00 EUR tatsächlich in den Monaten Januar bis Juni 2006 nur Bruttoeinnahmen in Höhe von 200,00 EUR monatlich erzielt. Sie ist damit weit hinter ihrer eigenen Einnahmeneinschätzung zurückgeblieben. Sodann hat die Klägerin weder nach Hinweis des Gerichts durch Schreiben vom 15.09.2006 (Az. S 6 AS 714/06 ER) noch in der mündlichen Verhandlung Nachweise dafür vorgelegt, dass es sich bei ihrer Tätigkeit als Web-Designerin und Vermarkterin von Musik, elektronischen Büchern und Printmedien um eine wirtschaftlich tragfähige Existenzgründung handelt, die auf Dauer ihre Hilfebedürftigkeit beseitigen werde. Weder wurden Kundenlisten noch Bestellungen oder Aufträge vorgelegt. Es liegen damit keinerlei begründete Anhaltspunkte dafür vor, dass die Klägerin durch ihre Tätigkeit ihre Hilfebedürftigkeit werde überwinden können. Darüber hinaus ergibt sich nach dem ermittelten Sachverhalt für das Gericht auch nicht, dass hier die Bewilligung von Einstiegsgeld an die Klägerin erforderlich war bzw. ist, um sie in den allgemeinen Arbeitsmarkt einzugliedern. Die Klägerin ist nämlich noch relativ jung und gut ausgebildet (gelernte Bankkauffrau und Medien- und Marketingfachwirtin BAW). Ihre Tochter ist 4 1/2 und damit in einem Alter, in dem sie einen Kindergarten besuchen kann (s. § 10 Abs. 1 Nr. 3 SGB II). Es drängen sich dem Gericht daher keine Hinderungsgründe auf, warum die Klägerin nicht durch andere vorrangige Maßnahmen der Beklagten in den allgemeinen Arbeitsmarkt wieder eingegliedert werden könne. Nach dem Akteninhalt wurden solche wohl auch überhaupt nicht geprüft. Da die Tatbestandsvoraussetzungen für eine Bewilligung von Einstiegsgeld vorliegend nicht erfüllt sind kann von der Beklagten auch kein Ermessen dahingehend ausgeübt werden, ob ein solches in dem Bewilligungszeitraum vom 01.07.2006 bis 31.12.2006 weiter bewilligt wird. Ein Ermessen steht der Beklagten bezüglich einer Bewilligung von Einstiegsgeld nämlich erst dann zu, wenn auch die tatbestandlichen Voraussetzungen für eine Bewilligung gegeben sind.
Die Klägerin kann ihren Rechtsanspruch auf Weiterbewilligung auch nicht aus der erstmaligen Bewilligung für den Zeitraum 01.01.2006 bis 30.06.2006 herleiten. Das Gericht geht zwar davon aus, dass die Beklagte der Klägerin tatsächlich das Einstiegsgeld bewilligt hat, ohne hierbei die von Gesetzes wegen zu beachtenden Tatbestandsvoraussetzungen zu prüfen und auch ihre Ablehnung (Bescheid vom 16.05.2006) einer Weiterbewilligung fälschlicherweise mit einer Ermessensreduzierung auf null begründet hat. Die Verwaltungspraxis der Beklagten, Einstiegsgeld immer nur für 6 Monate zu bewilligen, ist nämlich mit den gesetzlichen Vorgaben nach § 29 SGB II nicht vereinbar. Nach § 29 Abs. 2 Satz 1 SGB II kommt eine Bewilligung bis zu 24 Monaten in Betracht, was auch bei der Ermessensausübung mit zu berücksichtigen ist. Dass bei der Klägerin wohl rechtswidrigerweise eine Bewilligung stattgefunden hat bedeutet jedoch nicht, dass die Klägerin aus Vertrauensschutzgründen weiterhin auch für den Folgezeitraum Einstiegsgeld erhält. Vertrauensgesichtspunkte sind von Gesetzes wegen bei der Aufhebung von Bewilligungen (hier: § 45 SGB X iVm § 330 SGB III und § 40 Abs. 1 SGB II) zu berücksichtigen, jedoch nicht bei der Frage, ob eine erneute Bewilligung zu erfolgen hat. Da nämlich die Bewilligung der Leistungen im SGB II nach § 41 Abs. 1 Satz 3 jeweils für 6 Monate erfolgen soll, wird das Einstiegsgeld als Dauerzuschuss jeweils auch nur für 6 Monate gemeinsam mit dem Alg II erbracht. Nach Ablauf des Bewilligungszeitraumes sind sodann die Voraussetzungen für die Gewährung des Einstiegsgeldes erneut zu prüfen (vgl. Spellbrink aaO, § 29 Rdz 30). Danach hat die Beklagte unabhängig von einer vorherigen Bewilligung nach Ablauf der 6 Monate erneut zu prüfen, ob auch in dem Weiterbewilligungszeitraum die tatbestandlichen Voraussetzungen für die Leistung von Einstiegsgeld gegeben sind. Insbesondere im Hinblick auf die enge Zweckbindung des Einstiegsgeldes, nämlich die Überwindung der Hilfebedürftigkeit auf Dauer durch die selbstständige Existenz, ist sogar eine sofortige Einstellung der Zuschusszahlung bei Scheitern der geförderten Erwerbstätigkeit auch innerhalb des Bewilligungszeitraumes von 6 Monaten gemäß § 41 Abs. 1 Satz 3 SGB II möglich (insoweit liegt hier eine andere Rechtslage vor als beim Existenzgründungszuschuss nach § 421l Abs. 3 SGB III – s. Spellbrink in: Eicher/Spellbrink, SGB II, § 29 Rz 34).
Wegen der offensichtlichen Ungeeignetheit der Tätigkeit der Klägerin, ihre Hilfebedürftigkeit zu überwinden, war ihr daher für den Bewilligungszeitraum vom 01.07.2006 bis 31.12.2006 das Einstiegsgeld zu versagen.
Insgesamt war die Klage daher als unbegründet abzuweisen.
Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 183, 193 SGG.
Erstellt am: 05.12.2006
Zuletzt verändert am: 05.12.2006