Die Berufung des Kläges gegen das Urteil des Sozialgerichts Gelsenkirchen vom 25. Oktober 2000 wird zurückgewiesen. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten darüber, in welcher Höhe dem Kläger Altersrente wegen Arbeitslosigkeit bzw. Regelaltersrente zusteht.
Die Ehe des am 00.00.1935 geborenen Klägers mit der im April 1940 geborenen W. B. wurde durch Urteil vom 04.01.1979 – rechtskräftig seit 18.04.1979 – geschieden. Im Zuge des durchgeführten Versorgungsausgleichs wurde von dem zu jener Zeit bei der BfA bestehenden Versicherungskonto des Klägers auf das ebenfalls bei der BfA bestehende Versicherungskonto der geschiedenen Ehefrau Rentenanwartschaften in Höhe von 249,– DM monatlich übertragen. Während der Ehe wurden vier Kinder geboren (März 1963, März 1964, Juni 1974 und Juni 1976), wobei hinsichtlich des am 03.06.1976 geborenen Kindes J.-J. die Nichtehelichkeit durch rechtskräftiges Urteil festgestellt worden ist.
Die geschiedene Ehefrau bezog bis zu ihrem Tod am 27.04.1990 keine Leistungen aus der gesetzlichen Rentenversicherung; nach ihrem Tod wurde den beiden letztgeborenen Kindern J. und J.-J. ausweislich der beigezogenen Versichertenakten der geschiedenen Ehefrau Waisenrenten bewilligt.
Der Kläger erhielt seit dem 01.04.1995 Altersrente wegen Arbeitslosigkeit. Im März 1998 stellte er Antrag auf ungeminderte Zahlung seiner Rente, den die Beklagte unter Hinweis auf die an J. und J.-J. gezahlten Halbwaisenrenten durch Bescheid vom 03.04.1998 ablehnte, weil diese Leistungen den in § 4 Abs. 2 des Versorgungsausgleichshärteregelungsgesetzes (VAHRG) vorgesehenen Grenzbetrag überschritten. Das Widerspruchsverfahren blieb erfolglos (Widerspruchsbescheid vom 04.09.1998).
Im Klageverfahren äußerte der Kläger unter anderem Zweifel am tatsächlichen Zufluss der Leistungen in dem von der Beklagten zu Grunde gelegten Umfang. Auch seien die Kranken- und Pflegeversicherungsbeiträge zu Unrecht bei der Berechnung des Grenzbetrages berücksichtigt worden, weil solche Leistungen bei Inkrafttreten der Regelung noch nicht vorgesehen gewesen seien. Auch seien ihm die unterschiedlichen Berechnungsweisen einmal bis zum 31.12.1991 und ab dem 01.01.1992 nicht nachvollziehbar. Letztlich sehe er nicht ein, weshalb auch die Halbwaisenrente an J.-J. berücksichtigt werde, dessen Nichtehelichkeit rechtskräftig festgestellt worden sei.
Mit Bescheid vom 07.04.2000 bewilligte die Beklagte Regelaltersrente.
Der Kläger hat beantragt,
die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 03.04.1998 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 04.09.1998 unter Einbeziehung des Bescheides vom 07.04.2000 zu verurteilen, ihm die Altersrente wegen Arbeitslosigkeit bzw. die Regelaltersrente ungemindert auszuzahlen.
Die Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Durch Urteil vom 25.10.2000 hat das Sozialgericht die Klage abgewiesen. Die an die Waisen geflossenen Leistungen seien zu berücksichtigen, weil es im Rahmen des § 4 Abs. 2 VAHRG allein darauf ankomme, ob der Ausgleichsberechtigte oder seine Hinterbliebenen Leistungen aus dem mit dem Versorgungsausgleich erworbenen Anrecht erhielten. Es sei unerheblich, ob die Hinterbliebenen des Ausgleichsberechtigten auch in einem verwandschaftlichen oder sonstigen Beziehungsverhältnis zu dem Ausgleichsverpflichteten stünden. Zweifel an der Verfassungsmäßigkeit dieser Regelung ergäben sich nicht. Unter Berücksichtigung der im Zeitraum vom 27.04.1990 bis 31.08.1996 an die beiden Kinder J. und J.-J. geflossenen Halbwaisenrenten ergäbe sich ein Gesamtbetrag in Höhe von insgesamt 30.801,54 DM, der aus dem mit dem Versorgungsausgleich erworbenen Anwartschaftsrecht der geschiedenen Ehefrau des Klägers gezahlt worden sei. Dieser Gesamtbetrag sei auch nicht um die darin enthaltenen Aufwendungen für die Kranken- und Pflegeversicherung zu kürzen, weil unter dem Begriff der Leistung im Sinne des § 4 Abs. 2 VAHRG alle mit der Rentenanwartschaft verbundenen Regelleistungen fielen. Schließlich lasse sich der Berechnung der auf der übertragenen Rentenanwartschaft beruhenden Leistungen kein Rechenfehler entnehmen.
Unter Hinweis auf seine im erstinstanzlichen Verfahren vorgetragene Begründung hat der Kläger Berufung eingelegt. Aus den Rentenanwartschaften der geschienen Ehefrau seien allenfalls nur geringfügige Leistungen gewährt worden. Entgegen der Auffassung des Sozialgerichts seien nämlich die an das nichteheliche Kind J.-J. gewährten Leistungen bei der Prüfung der Voraussetzungen des § 4 Abs. 2 VAHRG nicht zu berücksichtigen. Nach der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts (BVerfGE 53,297) habe das VAHRG Härten beseitigen sollen, die sich nach Durchführung des Versorgungsausgleichs nachträglich ergeben könnten. Die Gewährung einer Halbwaisenrente stelle eine solche nachträglich eintretende Härte dar, wenn schwere "personale" Verfehlungen, wie etwa die Unterschiebung eines nichtehelichen Kindes, vorlägen.
Der Kläger beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Gelsenkirchen vom 25. Oktober 2000 zu ändern und nach dem Klageantrag zu entscheiden.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie hält das erstinstanzliche Urteil für zutreffend.
Wegen weiterer Einzelheiten wird auf den Inhalt der Streit- und Beklagtenakten sowie den der Versichertenakte der geschiedenen Ehefrau des Klägers, W. B., hingewiesen.
Entscheidungsgründe:
Die Berufung ist nicht begründet.
Das Sozialgericht hat die Klage zu Recht abgewiesen, denn der Kläger ist durch die angefochtenen Bescheide nicht im Sinne des § 54 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) beschwert. Er hat keinen Anspruch auf ungekürzte Auszahlung der Alterrente wegen Arbeitslosigkeit bzw. der Regelaltersrente, weil die Vorasusetzungen des § 4 VAHRG nicht erfüllt sind.
Nach § 4 Abs.2 iVm Abs.1 VAHRG findet bei einem nach § 1587b Abs.1 oder 2 des Bürgerlichen Gesetzbuchs (BGB) zu Lasten des Versicherten durchgeführten Versorgungsausgleich ein "Rückausgleich" statt, wenn der Berechtigte gestorben ist, ohne vorher Leistungen aus dem im Versorgungsausgleich erworbenen Anrecht erhalten zu haben oder wenn lediglich Leistungen gewährt werden bzw. worden sind, die einen bestimmten Grenzbetrag nicht überschreiten. Anzuwenden ist hier § 4 Abs.2 VAHRG, weil seit dem Tod der geschiedenen Ehefrau des Klägers Leistungen aus deren im Versorgungsausgleich erworbenen Anrecht gewährt wurden und werden. Dass den Kindern J.-J. und J. Halbwaisenrenten zugeflossen sind und weiter an J.-J. gezahlt werden, unterliegt keinem Zweifel. J. wurde durch Bescheid vom 11.02.1993 Halbwaisenrente in Höhe von monatlich 198,86 DM, beginnend am 01.07.1992 bewilligt. Die Zahlungen wurden zum Ende des Monats Februar 1995 eingestellt. J.-J. erhielt auf Grund eines Bescheides vom 28.02.1991 ab 27.04.1990 Halbwaisenrente, die zunächst zum Monat Juli 1997 eingestellt, jedoch durch Bescheid vom 17.04.2001 weiter bewilligt wurde bis zum 30.06.2003, weil ärztlicherseits festgestellt worden war, dass ein langfristig angelegter Betreuungsbedarf besteht. Vor diesem Hintergrund sind die Zweifel des Klägers am tatsächlichen Zufluss von Rentenleistungen nicht begründet.
Die aufgrund der übertragenen Rentenanwartschaften gewährten Leistungen überschreiten den Grenzbetrag von zwei Jahresbeträgen im Sinne der Vorschrift des § 4 Abs.2 VAHRG. Selbst wenn – wie der Kläger meint – das zugrundeliegende Zahlenwerk einer Korrektur bedürfte, braucht dem nicht weiter nachgegangen zu werden, weil allein der Umstand, dass aus den Anwartschaften noch fortlaufend Leistungen an J.-J. erbracht werden, die bis zum Ende der Leistungsgewährung im Juni 2003 den maßgeblichen Grenzwert jedenfalls überschreiten.
Die von der BfA an die Halbwaise J.-J. erbrachten Leistungen sind entgegen der Auffassung des Klägers auch zu berücksichtigen.
Der Senat vermag nicht zu erkennen, dass die Zahlungen an das nichteheliche Kind J.-J. in verfassungswidriger Weise berücksichtigt worden wären.
Mit den unter § 4 Abs.2 VAHRG bezeichneten Leistungen sind nicht nur solche an den Ausgleichsberechtigten selbst gemeint, sondern auch die nach dessen Tod an dritte Personen, z.B. Hinterbliebene, zu erbringenden Leistungen (Palandt 60. neubearbeitete Aufl.Anhang zu § 1587b (VAHRG 4) Rdnr.5 unter Hinweis auf VGH Kassel NJW 97, 1323). Das ergibt sich aus dem nicht grundlos differenzierenden Gesetzeswortlaut: Während Abs.1 der Vorschrift ausdrücklich auf die Person des Berechtigten abstellt, wird in Abs.2 der Empfänger der Leistung nicht genannt, was bereits darauf schließen läßt, dass als solcher nicht nur der Ausgleichsberechtigte selbst, sondern auch eine dritte Person in Betracht kommen kann. Diese Schlussfolgerung wird schließlich bestätigt durch die Verwendung der Worte "wurden oder werden" in § 4 Abs.2 VAHRG, weil sich letzteres ersichtlich auf die Zeit nach dem Tod des Berechtigten bezieht, er aber in dieser Zeit als Empfänger der Leistung notwendigerweise nicht mehr in Betracht kommt. Damit ist § 4 Abs.2 VAHRG dahin auszulegen, dass dem Grenzbetrag nicht nur die dem Ausgleichsberechtigten selbst, sondern auch die einem Dritten tatsächlich erbrachten Leistungen gegenüberzustellen sind (so BSG vom 14.02.1990, BSGE 66, 192, 196 ff.) Unerheblich ist auch, ob zwischen dem Ausgleichsverpflichteten und dem rentenbeziehenden Hinterbliebenen einer ausgleichsberechtigten Ehefrau ein Verwandschaftsverhältnis oder sonstige Rechtsbeziehungen bestehen (vgl. insoweit VGH Bayern Urteil vom 15.05.1996 Az.: 3 B 95.3521, DÖD 1997, Seite 201 – 202 unter Hinweis auf dessen Senatsurteil vom 07.06.1995 3 B 94.834).
Vor dem Hintergrund, dass der grundsätzlich durch Art.6 Abs.1 und Art.3 Abs.2 Grundgesetz (GG) legitimierte Versorgungsausgleich nach §§ 76 und 86 des Sechsten Buchs des Sozialgesetzbuchs (SGB VI) nach seiner Durchführung zu zwei selbstständigen Versicherungsverhältnissen führt und der geschiedenen Ehefrau durch das erste Reformgesetz des Ehe- und Familienrechts vom 14.06.1976 eine eigenständige soziale Sicherung verschafft werden sollte, ist es nur konsequent, die Selbstständigkeit des dadurch entstandenen Versicherungsrechts so weit fortzuführen, dass dieses selbstständige Rentenrecht auch weiter grundsätzlich von den Versorgungsanwartschaften des Klägers getrennt und unabhängig bleibt (so auch BVerfG, Urteil vom 05.07.1989, 1 BvL 11/87, 1 BvR 1053/87, 1 BvR 556/88 in BerfGE 80, 297 ff). Insoweit bestimmt das Rentenrecht, welche Leistungen § 4 Abs.2 VAHRG erfasst und wer als Hinterbliebener nach dem Tod der geschiedenen Ehefrau an deren (durch den Versorgungsausgleich ggf. auch durch eigene Beitragsleistung begründeten) Rentenrecht teilhaben kann. Da auch das nichteheliche Kind Jan-Joachum "Hinterbliebener" der verstorbenen geschiedenen Ehefrau ist, sieht der Senat keinen Grund, diese Halbwaisenrentenleistungen unberücksichtigt zu lassen.
Soweit sich der Kläger auf Billigkeitsgrundsätze beruft, so zeigt die Entstehungsgeschichte des VAHRG, dass der Gesetzgeber eine Erweiterung der Möglichkeit einer nachträglichen Suspendierung des Versorgungsausgleichs ausdrücklich auf die im Urteil des Bundesverfassungsgerichts vom 23.02.1980 – 1 BvL 17/77 – (BVerfGE 53, 257) aufgezählten Fälle und nicht etwa für alle denkbaren Fälle einer Belastung des Ausgleichsverpflichteten, der eine entsprechende Begünstigung des Ausgleichsberechtigten nicht oder noch nicht gegenübersteht, hat beschränken wollen; vor allem sollte keine allgemein geltende Billigkeitsregelung eingeführt werden. Letzteres ist um so weniger anzunehmen, als Billigkeitserwägungen schon bei der Frage, ob überhaupt ein Versorgungsausgleich durchzuführen ist, anzustellen sind (vgl. § 1587c BGB) und somit für eine Berücksichtigung bei der rentenrechtlichen Umsetzung des Versorgungsausgleichs kein Raum mehr ist. Das wiederum wird bestätigt durch die durch das Gesetz über weitere Maßnahmen auf dem Gebiet des Versorgungsausgleichs vom 08.12.1986 eingefügte Regelung des § 10a VAHRG, wonach unter den dort genannten Voraussetzungen allenfalls das Familiengericht auf Antrag zur nachträglichen Abänderung seine Entscheidungen über den Versorgungsausgleich befugt ist, nicht aber spätere Änderungen der für diese Entscheidungen maßgeblichen rechtlichen und tatsächlichen Verhältnisse beim rentenrechtlichen Vollzug eines rechtskräftig durchgeführten Splittings Berücksichtigung finden können (vgl. zu allem BSG vom 08.12.1988 Az.: 1 RA 35/86 SozR 2200 § 1304 a Nr. 15).
Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 SGG.
Der Senat hat die Revision ist nicht zugelassen, weil die Voraussetzungen des § 160 Abs. 1 und 2 SGG nicht vorliegen.
Erstellt am: 26.04.2006
Zuletzt verändert am: 26.04.2006