Die Berufung des Klägers gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Dortmund vom 02.03.2007 wird zurückgewiesen. Die Beteiligten haben einander auch im Berufungsverfahren keine Kosten zu erstatten. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Streitig ist die Gewährung von Altersrente (Regelaltersrente) aus der deutschen gesetzlichen Rentenversicherung (GRV).
Der am 00.00.1940 geborene Kläger ist türkischer Staatsangehöriger. Er lebt in der Türkei. In der Zeit seiner versicherungspfichtigen Beschäftigung in der Bundesrepublik Deutschland von August 1968 bis August 1989 wurden im Wesentlichen Pflichtbeiträge zur Rentenversicherung der Arbeiter – Seekasse – entrichtet.
Am 30.09.1991 beantragte er von seinem türkischen Wohnsitz aus die anteilige Erstattung der zur GRV entrichteten Pflichtbeiträge. Mit Bescheid vom 16.03.1992 erstattete die Seekasse antragsgemäß hälftige Anteile aller Pflichtbeiträge von August 1968 bis August 1989 in Höhe von insgesamt DM 30.587,79. Dieser Bescheid wurde dem Kläger mit Einschreiben/Rückschein am 30.03.1992 in der Türkei zugestellt. Der Bescheid enthielt den Hinweis, dass die Erstattungssumme an den Kläger überwiesen werde. Der Bescheid wurde bestandskräftig.
Nach seiner Rückkehr in die Türkei hat der Kläger dort keine, in der türkischen Sozialversicherung einer Pflichtversicherung unterliegende Zeiten zurückgelegt.
Mit Schreiben vom 01.07.2004 beantragte er die Gewährung von Altersrente.
Mit Bescheid vom 06.10.2004 lehnte die Beklagte diesen Antrag ab. Der Kläger habe keinen Anspruch auf Regelaltersrente. Er erfülle die erforderliche Wartezeit nicht. Auf diese anrechenbare Zeiten seien nach der erfolgten Beitragserstattung nicht mehr vorhanden. Nach der durchgeführten Beitragserstattung seien keine weiteren rentenrechtlichen Zeiten zurückgelegt worden.
Der dagegen erhobene Widerspruch wurde zurückgewiesen (Widerspruchsbescheid vom 07.09.2005).
Dagegen hat der Kläger zum Sozialgericht Dortmund (SG) Klage erhoben.
Die Beklagte hat die angefochtenen Entscheidungen verteidigt.
Mit Gerichtsbescheid vom 02.03.2007 hat das SG die Klage abgewiesen. Der Kläger habe keinen Anspruch auf die Gewährung von Altersrente aus der GRV, da er die erforderliche allgemeine Wartezeit nicht erfülle.
Dagegen hat der Kläger Berufung eingelegt.
Im Termin zur mündlichen Verhandlung am 29.05.2008 ist für den Kläger niemand erschienen.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie verteidigt die angefochtene Entscheidung.
Für die Einzelheiten im Übrigen wird auf den Inhalt der Gerichts- und Verwaltungsakten der Beklagten Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Der Senat kann entscheiden, obwohl für den Kläger zum Termin niemand erschienen ist. Der Kläger ist mit ordnungsgemäß erfolgter Ladung auf diese Möglichkeit hingewiesen worden.
Nach dem Vorbringen des Klägers ist davon auszugehen, dass er geltend macht, Anspruch auf die Gewährung von Altersrente, insbesondere Regelaltersrente aus der GRV zu haben.
Die zulässige Berufung ist nicht begründet. Das SG hat die Klage zu Recht abgewiesen. Ein Anspruch des Klägers auf Altersrente, insbesondere Regelaltersrente aus der GRV, besteht nicht. Ansprüche auf Altersrente für Versicherte setzen u.a. die Erfüllung einer Wartezeit voraus (§§ 35 ff Sozialgesetzbuch Sechstes Buch – SGB VI -). Nach der hier einzig als Anspruchsgrundlage in Betracht kommenden Vorschrift des § 35 SGB VI erhält Regelaltersrente, wer das 65. Lebensjahr vollendet und die allgemeine Wartezeit erfüllt hat. Zwar hat der Kläger im Jahre 2005 das 65. Lebensjahr vollendet, jedoch nicht die allgemeine Wartezeit erfüllt. Die allgemeine Wartezeit beträgt für die Regelaltersrente 5 Jahre (§ 50 Abs 1 SGB VI). Für die Erfüllung der Wartezeit erforderliche Kalendermonate mit Beitragszeiten (§§ 51 Abs 1 und 4, 54 f SGB VI) liegen bei dem Kläger nicht mehr vor. Aus den von ihm während seiner Berufstätigkeit in der Bundesrepublik Deutschland von August 1968 bis August 1989 entrichteten Pflichtbeiträge zur GRV kann er heute keine Rechte mehr herleiten, da ihm diese Beiträge 1992 erstattet worden sind. Durch diese Beitragserstattung ist das bis dahin bestanden habende Versicherungsverhältnis aufgelöst worden. Ansprüche aus den bis zur Erstattung zurückgelegten rentenrechtlichen Zeiten bestehen daher nicht mehr (§ 210 Abs 6 Satz 2 und 3 SGB VI sowie § 1303 Abs 7 Reichsversicherungsordnung – RVO – ).
Für den Senat steht mit an Sicherheit grenzender, vernünftige Zweifel ausschließender Wahrscheinlichkeit (Beweismaßstab des Vollbeweises) fest, dass die Voraussetzungen für eine wirksame Beitragserstattung – (1) ein Erstattungsantrag, (2) ein Erstattungsbescheid und (3) außerdem eine rechtswirksame, befreiende Bewirkung der Leistung (= Erfüllung des Erstattungsanspruchs entsprechend § 362 des Bürgerlichen Gesetzbuches) erfüllt sind.
Auf seinen Antrag vom 30.09.1991 hin hat die Beklagte dem Kläger mit Bescheid vom 16.03.1992 Beiträge in Höhe von 30587,79 DM erstattet. Der Bescheid ist dem Kläger – ausweislich des sich in der Verwaltungsakte befindlichen Rückscheins – am 30.03.1992 zugestellt worden.
Die Beigeladene hat ihre Erstattungsschuld auch erfüllt. Zur Überzeugung des Senats steht fest, dass der auf Grund des Erstattungsbescheids geschuldete Erstattungsbetrag auch tatsächlich in die Verfügungsgewalt des Versicherten gelangt ist und die Beigeladene damit die Leistung nach antragsgemäßer Entscheidung auch bewirkt hat. Diese Überzeugung leitet der Senat aus einem Beweis des ersten Anscheins her (sog. prima facie – Beweis). Diese Beweisregel gilt auch im sozialgerichtlichen Verfahren (BSGE 8, 245, 247; 12, 242, 246; 19, 52, 54; Leitherer in: Meyer-Ladewig u.a. SGG. Kommentar. 8. Auflage 2005. § 128 Rdnr 9 mwN; Pawlak in: Hennig. SGG. Stand August 2007. § 128 Rdnr 96; Zeihe. Das SGG und seine Anwendung. Stand Mai 2007. 3.G. vor § 103). Sie besagt, dass bei typischen Geschehensabläufe auf eine Tatsache geschlossen werden kann, die nach der allgemeinen Lebenserfahrung regelmäßig Folge eines solchen Geschehensablaufs ist (BSG in: Breithaupt 1999, 357, 362; Leitherer aaO Rdnr 9a). Dabei wird der (Voll-)Beweis einer Tatsache vermutet, so lange nicht Tatsachen erwiesen sind, die den vermuteten typischen Geschehensablauf in Zweifel ziehen (vgl Leitherer. aaO. Rndnr 9e mwN; Pawlak. aaO. Rdnrn 94, 99). Ein durch bewilligenden Bescheid abgeschlossenes Verwaltungsverfahren zur (vollständigen) Beitragserstattung lässt typischerweise den Schluss zu, dass die geschuldete Leistung auch bewirkt worden ist (Landessozialgericht (LSG) NRW, Urteil vom 03.06.2005, Aktenzeichen (Az) L 4 RJ 12/03; LSG Hamburg, Urteil vom 27.04.2006, Az L 6 RJ 89/04 mwN). Dies muss jedenfalls gelten, wenn die Leistungsbewirkung nicht substantiiert bestritten worden ist und sich auch sonst keine Anhaltspunkte dafür ergeben, dass die Leistungserbringung nicht zeitnah erfolgt ist (wie etwa zeitnahe Nachfragen des Versicherten, wo das Geld bleibe, vgl LSG NRW, Urteile vom 17.02.1997, Az L 4 J 16/95, und vom 03.06.2005 aE, Az L 4 RJ 12/03, Bay. LSG, Urteile vom 14.05.2002, Az L 19 RJ 3/02, und 08.12.2004, Az L 19 RJ 203/03). So liegt der Fall hier. Eine Beitragserstattung wird regelmäßig mit den Ziel beantragt, zeitnah einen (idR höheren) Geldbetrag zur weiteren Verfügung zu erhalten. Ist ein solches Beitragserstattungsverfahren dokumentiert und bestehen keinerlei Zweifel, dass der verfolgte Zweck erfüllt worden ist, darf regelmäßig auf ein ordnungsgemäß durch Bewirken der Leistung abgeschlossenes Verfahren geschlossen werden. Es entspricht nämlich der allgemeinen Lebenserfahrung, dass derjenige, der einen bestandskräftigen Bescheid über eine Zahlung von (damals) ca. 30.000 DM in Händen hält, aber das Geld nicht bekommt, sich nach dem Verbleib des Geldes erkundigt. Solche Nachfragen oder sonstige Schwierigkeiten bei der Abwicklung sind aber weder behauptet noch sonst ersichtlich. Die Kläger hat während des gesamten Verfahrens mit keinem Wort bestritten, dass eine Beitragserstattung erfolgt ist.
Sonstige Tatbestände, die abgesehen von den Zeiten, für die die Beiträge erstattet worden sind, die Erfüllung der allgemeinen Wartezeit begründen könnten, sind nicht ersichtlich, insbesondere nicht solche der vorzeitigen Wartezeiterfüllung im Sinne von § 53 SGB VI.
Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 183 Sätze 1 und 3, 193 Abs 1 Satz 1 SGG.
Anlass, die Revision zuzulassen, besteht nicht, § 160 Abs 2 SGG. Maßgeblich für die Entscheidung sind die konkreten Umstände des Einzelfalls.
Erstellt am: 02.07.2008
Zuletzt verändert am: 02.07.2008