Die Berufung des Klägers gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Dortmund vom 14.5.2019 wird zurückgewiesen. Kosten sind auch im zweiten Rechtszug nicht zu erstatten. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Der Kläger begehrt höhere Altersrente für besonders langjährig Versicherte unter Bewertung seiner im Beitrittsgebiet zurückgelegten Beitragszeiten nach dem Fremdrentengesetz (FRG).
Der am 00.00.1951 in P/Sachsen geborene Kläger legte im Zeitraum 16.4.1968-19.5.1989 Versicherungszeiten im Gebiet der ehemaligen DDR zurück. Zum 26.7.1989 siedelte er in die Bundesrepublik über.
Auf seinen Antrag vom 25.3.2015 bewilligte ihm die Beklagte beginnend ab dem 1.10.2015 Altersrente für besonders langjährig Versicherte in Höhe von (netto) 1.363,92 EUR monatlich. Die Regelungen des FRG fanden bei der Berechnung der Rentenhöhe keine Anwendung (Bescheid vom 13.8.2015). Es erfolgte der Hinweis, dass "Beiträge im Beitrittsgebiet gezahlt (wurden), die ggf. auf das beitragspflichtige Entgelt begrenzt wurden. Die zu berücksichtigenden Entgelte werden für die Rentenberechnung durch Vervielfältigung mit einem das Verhältnis zwischen dem Durchschnittsentgelt aller Versicherten in den alten Bundesländern und dem Durchschnittsverdienst aller Versicherten im Beitrittsgebiet wiedergebenden Faktor angehoben."
Dagegen legte der Kläger Widerspruch ein, zu dessen Begründung er im Wesentlichen angab: Der Rentenbescheid bringe eine Aberkennung seiner Staatsbürgerschaft "als Bundesbürger" zum Ausdruck. Er sei 1989 Bundesbürger geworden und daher im Juli 1989 in das Rentensystem der Bundesrepublik Deutschland eingegliedert worden. Ihm habe ein Fremdrentenanspruch nach dem damals gültigen FRG zugestanden. Es sei für ihn nicht nachvollziehbar, nach welchem Gesetz die Bundesrepublik berechtigt sei, seine Staatsbürgerschaft als Bundesbürger in eine "Beitritts-Staatsbürgerschaft der DDR" umzuwandeln. Er sei von der Beklagten entgegen den damaligen Gesetzen über die berufliche Gleichstellung als Hilfsarbeiter eingestuft worden. Dies sei diskriminierend und komme einer Enteignung seines Eigentums gleich. Ihm stehe eine um mindestens 155,00 EUR höhere Rentenleistung zu (Schreiben vom 7.9.2015).
Die Beklagte wies den Widerspruch zurück: Soweit gerügt werde, dass eine Einstufung als Hilfsarbeiter erfolgt sei, könne dies im Hinblick auf die in § 64 des Sechsten Buches des Sozialgesetzbuches (SGB VI) niedergelegte gültige Rentenformel zur Berechnung einer Rente nicht nachvollzogen werden. Danach ergebe sich der Monatsbetrag einer Rente, wenn
1. die unter Berücksichtigung des Zugangsfaktors ermittelten persönlichen Entgeltpunkte,
2. der Rentenartfaktor und
3. der aktuelle Rentenwert mit ihrem Wert bei Rentenbeginn miteinander vervielfältigt werden.
Die Rentenformel sei dem Kläger im Rahmen des Rentenbescheides vom 13.8.2015 ausführlich dargestellt worden. Ausgangspunkt für die Berechnung der Rente sei somit die Höhe der ermittelten persönlichen Entgeltpunkte. Daraus folge, dass die Frage, welche Tätigkeiten im Einzelnen während eines Erwerbslebens ausgeübt worden seien, für die Frage nach der Höhe einer Rente allenfalls von mittelbarem Interesse sei, da sich die Höhe der Renten ausschließlich nach der Höhe der im Verlaufe des Erwerbslebens erzielten Verdienste richte. Unabhängig davon sei entgegen der Annahme des Klägers eine Beurteilung als Hilfsarbeiter weder im Rahmen der Rentenberechnung noch an anderer Stelle vorgenommen worden. Der weitere Einwand des Klägers, dass die von ihm aufgeworfene Frage unbeantwortet geblieben sei, ob aktuell bzw. im Juli 1989 ein Anspruch auf Rente nach den Vorschriften des FRG bestanden habe, sei nicht nachvollziehbar. Dem Kläger sei diese Fragestellung bereits mehrfach detailliert und ausführlich beantwortet worden. Vom Kläger seien keine nach dem FRG zu berücksichtigenden Zeiten zurückgelegt worden und somit sei die ihm nunmehr gewährte Altersrente nicht als Fremdrente gezahlt worden. Darüber hinaus sei der Kläger darauf hingewiesen worden, dass im Hinblick auf den für ihn frühestmöglichen Beginn einer Altersrente die Frage, ob im Jahr 1989 ein Rentenanspruch bestanden habe, völlig unerheblich sei. Schließlich werde darauf aufmerksam gemacht, dass die vom Kläger aufgeworfene Frage nach dem Austausch der deutschen Staatsangehörigkeit in die "Beitritts-Staatsbürgerschaft der DDR" unbedeutend sei. Rechtliche Überlegungen zur Frage der Staatsbürgerschaft seien nicht Gegenstand eines Rentenbescheides und diese würden daher nicht durch den Rentenversicherungsträger beantwortet (Widerspruchsbescheid vom 30.9.2015).
Der Kläger hat am 28.10.2015 Klage erhoben und sein bisheriges Vorbringen wiederholt und vertieft. Ihm sei eine monatliche höhere Rente zu leisten. Seine Versicherungszeiten in der ehemaligen DDR seien als Zeiträume mit FRG-Bezug (höher) zu bewerten. Mit seiner Ausreise aus der DDR habe er seine damalige DDR-Staatsbürgerschaft als auch seinen Ansprüche gegen den Rentenversicherungsträger der DDR verloren. Nach der geltenden Rechtslage werde er rentenrechtlich wieder dem Beitrittsgebiet zugewiesen. Hierdurch entstehe ihm eine Rentenkürzung iHv 35 %. Berechtigte nach dem FRG seien bessergestellt. Dies sei im Lichte des Art 3 Grundgesetz (GG) nicht zu rechtfertigen.
Die Beklagte hat auf ihre Ausführungen im streitigen Bescheid Bezug genommen.
Das Sozialgericht (SG) hat das Klageverfahren mit Blick auf das beim Bundesverfassungsgericht (BVerfG) anhängige Verfahren mit dem Az 1 BvR 713/13 ruhend gestellt (Beschluss vom 14.11.2016). Nach Vorliegen des (Nichtannahme-)Beschlusses des BVerfG vom 13.12.2016 hat das SG das Verfahren wieder aufgenommen (Az S 6 KN 187/17 WA).
Nachdem die Beteiligten zu einer Entscheidung durch Gerichtsbescheid angehört worden sind, hat das SG die Klage abgewiesen: Der Kläger habe keinen Anspruch auf Gewährung einer höheren Altersrente. Zutreffend sei die streitige Altersrente für besonders langjährig Versicherte nicht nach Maßgabe der rechtlichen Regelungen des FRG berechnet worden. Das SG hat sich den Ausführungen im Bescheid vom 13.8.2015 und im Widerspruchsbescheid vom 30.9.2015 angeschlossen und ergänzend darauf verwiesen, dass das BVerfG in dem Nichtannahmebeschluss (Az 1 BvR 713/13) vom 13.12.2016 (erneut) ausführlich und eindeutig klargestellt habe, dass Rentenanwartschaften, die in der DDR begründet wurden und im Zeitpunkt ihres Beitritts zur Bundesrepublik bestanden, am Schutz des Art 14 GG nur in der Form teilnähmen, die sie auf Grund des Einigungsvertrages erhalten hätten. Das BVerfG habe (erneut) dargelegt, dass die vom Bundesgesetzgeber unter Berücksichtigung der Regelung des Art 30 Abs 5 S 1 des Einigungsvertrages gesetzlich geregelte Umsetzung der Rentenüberleitung (§ 259 a Abs 1 S 1 Nr 1 SGB VI) mit dem Grundgesetz in Einklang stehe (Gerichtsbescheid vom 14.5.2019, dem Kläger am 27.5.2019 zugestellt).
Der Kläger hat am 13.6.2019 Berufung eingelegt: Er habe in prozessualer Hinsicht einer Entscheidung durch Gerichtsbescheid nicht zugestimmt. Ferner sei er in Bezug auf die Berechnung seiner Altersrente wie ein "polnischer Übersiedler" zu behandeln, der ebenfalls keine Beiträge in die (westdeutsche) Rentenversicherung entrichtet habe, aber "bis zu 40 % mehr" bekomme. Gleichermaßen wie bei Berechtigten nach dem FRG seien bei ihm westdeutsche Vergleichswerte zugrunde zu legen. Auch bei den Berechtigten nach dem FRG werde nicht auf die in den Herkunftsländern tatsächlich gezahlten Entgelte abgestellt. Dies stelle eine nicht zu rechtfertigende Ungleichbehandlung dar. Dies könne auch nicht auf den Einigungsvertrag zurückgeführt werden, da sich dieser nicht auf den Personenkreis der bereits vor der Wende übergesiedelten ehemaligen DDR-Bürger beziehe. Eine neuerliche Ungleichbehandlung werde durch den sog. Globalen Pakt für sichere, geordnete und reguläre Migration der Vereinten Nationen (kurz: UN-Migrationspakt) herbeigeführt, wonach Migranten gleiche Rechte wie die inländische Bevölkerung zugesichert bekämen. Ergänzend hat der Kläger auf eine Große Anfrage des Deutschen Bundestages vom 28.6.2019 (BT-Drs. 19/11250) Bezug genommen.
Der Kläger beantragt,
den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Dortmund vom 14.5.2019 zu ändern und dem Kläger unter Abänderung des Bescheides vom 13.8.2015 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 30.9.2015 höhere Altersrente für besonders langjährig Versicherte unter Bewertung der Zeiten im Beitrittsgebiet nach dem FRG zu gewähren.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie hat auf die erstinstanzlichen Entscheidungsgründe Bezug genommen.
Mit Beschluss vom 15.8.2019 hat der Senat die Berufung dem Berichterstatter übertragen.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Gerichtsakte sowie die Verwaltungsakte der Beklagten Bezug genommen, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen sind.
Entscheidungsgründe:
Die Berufung des Klägers hat keinen Erfolg.
Die gem. §§ 143, 144 Abs 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) statthafte Berufung ist zulässig; sie ist unter Beachtung der maßgeblichen Form- und Fristvorschriften (§ 151 Abs 1 SGG) eingelegt worden. Die Berufung ist jedoch unbegründet. Das SG hat die Klage zu Recht abgewiesen. Der Rentenbescheid vom 13.8.2015 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 30.9.2015 ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten (§ 54 Abs 2 Satz 1 SGG). Der Kläger hat gegen die Beklagte keinen Anspruch auf höhere Altersrente. Zutreffend hat die Beklagte die in der Zeit vom 16.4.1968-19.5.1989 im Beitrittsgebiet zurückgelegten Zeiten als Beitragszeiten nach § 248 Abs 3 SGB VI berücksichtigt und für sie entsprechende Entgeltpunkte nach § 256a SGB VI – und nicht aufgrund der Tabellen 1 bis 16 zum FRG – ermittelt. Nach § 259a Abs 1 S 1 Nr 1 SGB VI finden die FRG-Tabellen ua Anwendung, wenn die Versicherten vor dem 1.1.1937 geboren sind und ihren gewöhnlichen Aufenthalt am 18.5.1990 im Gebiet der Bundesrepublik Deutschland ohne das Beitrittsgebiet gehabt haben, während die Entgeltpunkte zur Bestimmung der Rentenhöhe bei später Geborenen – wie dem 1951 geborenen Kläger – immer nach §§ 256a bis 256c SGB VI zu ermitteln sind. Der Wortlaut des § 259a Abs 1 S 1 SGB VI ist eindeutig. Auch das BVerfG hat in dem Nichtannahmebeschluss vom 13.12.2016 (1 BvR 713/13) ausgeführt, dass § 259a SGB VI (nur) für alle Versicherten gilt, die vor dem 1.1.1937 geboren sind.
Im Übrigen schließt sich der Senat den Ausführungen des Sozialgerichts nach Prüfung der Sach- und Rechtslage an und sieht aus diesem Grund insoweit von einer weiteren Darstellung der Entscheidungsgründe ab (vgl. § 153 Abs 2 SGG). Lediglich ergänzend wird ausgeführt, dass das sozialgerichtliche Verfahren an keinem Verfahrensmangel wie zum Beispiel an einem Gehörsverstoß im Sinne von § 62 SGG i.V.m. Art 103 GG leidet. Denn dem Kläger wurde seitens des Sozialgerichts ausreichend Gelegenheit geboten, sein Begehren vorzutragen. Dies hat der Kläger auch genutzt. Entgegen seiner Ansicht bestand erstinstanzlich kein Anspruch auf Durchführung eines Verhandlungstermins. Der Gesetzgeber hat vielmehr durch die Norm des § 105 SGG die Möglichkeit geschaffen, Rechtsstreitigkeiten, die keine besonderen Schwierigkeiten tatsächlicher oder rechtlicher Art aufweisen und in denen der Sachverhalt geklärt ist, durch Gerichtsbescheid zu entscheiden. Einzige Vorgabe seitens des Gesetzgebers gemäß Satz 2 der Norm ist, dass die Beteiligten vorab zu hören sind. Dieser Anhörungspflicht ist das Sozialgericht durch sein Schreiben vom 7.12.2017, dem Kläger am 11.12.2017 zugestellt, nachgekommen.
Zum weiteren Vorbringen des Klägers ist anzumerken: Die Tatsache, dass § 259a SGB VI Gegenstand von politischen Diskussionen ist oder war, kann nicht zur Begründung der Verfassungswidrigkeit des § 259a SGB VI herangezogen werden. Wie bereits dargelegt, besteht im Rentenrecht ein weiter Gestaltungsspielraum für den Gesetzgeber. Die politische Diskussion hierzu bringt keinen Erkenntnisgewinn für die verfassungsrechtliche Dimension.
Auch der UN-Migrationspakt ist nicht geeignet, den Kläger unter dem Gesichtspunkt der Gleichbehandlung gegenüber Dritten schlechter zu stellen, da der Migrationspakt – ungeachtet seiner politischen Wirkungen – nicht geeignet ist, Rechtswirkungen für den Kläger herbeizuführen, da er rechtlich unverbindlich ist und keine unmittelbaren Rechtswirkungen in den unterzeichnenden Staaten erzeugt. Der Migrationspakt schafft daher auch keinen neuen Rechtsrahmen und enthält keine eigenständigen Verpflichtungen der Bundesrepublik Deutschland, die sich nachteilig für den Kläger auswirken können (vgl BVerfG, Beschluss vom 7.12.2018 – 2 BvQ 105/18).
Auch der Senat war nicht gehalten, den Rechtsstreit gemäß Art 100 GG auszusetzen und dem Bundesverfassungsgericht vorzulegen. Die Regelungen der §§ 256a, 259a SGB VI verstoßen nicht gegen das Grundgesetz (vgl hierzu grundlegend BSG, Urteil vom 14.12.2011, Az B 5 R 36/11 R). Es begegnet keinen verfassungsrechtlichen Bedenken, dass auch vor dem 19.5.1990 in die Bundesrepublik Zugezogene durch §§ 256a, 259a SGB VI nunmehr vom Anwendungsbereich des FRG ausgenommen und im Zuge der Angleichung der Lebensverhältnisse den allgemeinen Bewertungsvorschriften des einheitlichen Rentenrechts in beiden Teilen Deutschlands unterworfen werden. Sofern der Kläger eine Ungleichbehandlung iSv Art 3 Abs 1 GG darin erblickt, dass seine Erwerbsbiographie rentenrechtlich schlechter bewertet werde, als bei einem Übersiedler aus Polen oder der ehemaligen Sowjetunion, der von der Anwendung des FRG profitiere, ist dem Kl. zunächst entgegen zu halten, dass keine empirischen Belege für diese Behauptung vorliegen. Im Übrigen gilt, dass dem Gesetzgeber ein großer Gestaltungsspielraum bei der Bewältigung der historisch einmaligen Aufgabe einer Überleitung von Rentenansprüchen im Zuge der Schaffung eines nach der Wiedervereinigung einheitlichen Rentenrechts zukam (vgl BSG, Urteil vom 12.4.2017 – B 13 R 25/14 R). Der Gesetzgeber wählte den Grundsatz, die west- und ostdeutschen Erwerbsbiographien rentenrechtlich an den tatsächlich gezahlten Entgelten auszurichten. Damit wählte der Gesetzgeber eine einheitliche Verfahrensweise, die das Funktionieren einer Massenverwaltung wie der gesetzlichen Rentenversicherung sicherte, wodurch eine – vom Kl. behauptete – Ungleichbehandlung gerechtfertigt wäre (vgl Bayerisches Landessozialgericht, Urteil vom 6. August 2014 – L 20 R 332/12).
Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 183 S 1, 193 Abs 1 S 1 SGG.
Gründe, die Revision zuzulassen, liegen nicht vor, § 160 Abs 2 SGG. Maßgeblich für die Entscheidung sind die konkreten Umstände des Einzelfalls.
Erstellt am: 01.04.2020
Zuletzt verändert am: 01.04.2020