Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil des Sozialgerichts Dortmund vom 30.3.2016 geändert. Die Beklagte wird unter Abänderung des Bescheides vom 24.4.2013 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 19.7.2013 verurteilt, den Bescheid vom 24.7.2009 zurückzunehmen und an den Kläger 10.207,69 EUR zu zahlen. Die Beklagte hat dem Kläger die außergerichtlichen Kosten aus beiden Rechtszügen zu erstatten. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Streitig ist die Erstattung von Beiträgen.
Der am im 1940 geborene und im 2018 verstorbene I H (im Folgenden: Versicherter) war türkischer Staatsangehöriger und lebte zuletzt in der Türkei. Er war vom 18.1.1966 bis zum 31.5.1981 in der Bundesrepublik Deutschland – wohl überwiegend im Steinkohlebergbau – versicherungspflichtig beschäftigt. In dieser Zeit entrichtete er Arbeitnehmerbeiträge zur gesetzlichen Rentenversicherung in Höhe von insgesamt DM 19.964,50. Vom 27.7.1981 bis zum 13.8.1982 erhielt er Lohnersatzleistungen vom Arbeitsamt. Nachfolgend kehrte der Versicherte (auf Dauer) wieder in die Türkei zurück.
Bei der Beklagten sind in Bezug auf den Versicherten neben Daten zu den oben gemachten Angaben auch die folgenden Daten (nur noch) elektronisch gespeichert:
"Beitragserstattung
1830 Antrag auf Beitragserstattung
(Im Original: Tabelle)
Aus einem vom Versicherten im Jahr 2008 vorgelegten, an ihn gerichteten Schreiben der Beklagten vom 22.9.2004, in dem sie auf ihr früheres Schreiben vom 20.2.2004 Bezug nimmt, ergibt sich, dass er sich bereits um diese Zeit mit einem Begehren an die Beklagte gewandt hatte, das diese als Antrag auf Beitragserstattung gewertet hat. Im Schreiben vom 22.9.2004 ist (u.a.) ausgeführt, dass dem Versicherten die von ihm vom 18.1.1966 bis 31.5.1981 entrichteten Beiträge mit Bescheid vom 8.3.1983 erstattet worden seien. Einen Abdruck des Bescheides habe sie, die Beklagte, an die Sosyal Sigortala Kurumu Genel Müdürlügü (im Folgenden: SSK) in Ankara gesandt. Durch die Erstattung sei das Versicherungsverhältnis aufgelöst worden.
Aus einem weiteren, ebenfalls vom Versicherten vorgelegten, an ihn gerichteten Schreiben der Beklagten vom 2.5.2005 ergibt sich, dass er sich mit Schreiben vom 14.2.2005 erneut wegen einer Beitragserstattung an die Beklagte gewandt hat, und diese (u.a.) erwidert hat, da vom Versicherten immer die gleichen Einwände erhoben würden, in Zukunft derartige Anfragen nicht mehr zu beantworten.
Der Beklagten liegen keine Aktenunterlagen zu diesen Vorgängen und zu der im Schreiben vom 22.9.2004 behaupteten Beitragserstattung vor.
In den (im Jahr 2008 angelegten) Verwaltungsakten der Beklagten findet sich zu Beginn (auf Bl.2ff) ein bei der SSK Ankara gestellter und von dort an die Beklagte weitergeleiteter Antrag des Versicherten (vom 16.6. bzw. 2.7.2008) auf Erstattung der von ihm gezahlten Beiträge. Unter Bezugnahme auf die von ihm vorgelegte Kopie des Schreibens der Beklagten vom 22.9.2004 führte er dazu aus, dass er keinen Beitragserstattungsbetrag in Höhe von DM 19.964,50 erhalten habe. Die Beklagte forschte in ihren Archiven nach Aktenunterlagen, fand solche aber nicht und ging fortan davon aus, dass die den Versicherten betreffenden Aktenvorgänge vernichtet worden seien. Den Antrag vom 2.7.2008 lehnte die Beklagte ab, weil sich aus ihren (elektronisch gespeicherten) Daten ergebe, dass die vom Versicherten in der Zeit vom 18.1.1966 bis zum 31.5.1981 zur deutschen gesetzlichen Rentenversicherung entrichteten Arbeitnehmerbeiträge bereits mit Bescheid vom 8.8.1983 in Höhe von DM 19.964,50 erstattet worden seien (Bescheid vom 24.7.2009, dem Versicherten bekannt gegeben am 11.8.2009).
Im Februar 2012 meldete sich für den Kläger (unter einer Adresse in München) ein Bevollmächtigter mit einem Antrag auf Herausgabe von Unterlagen (Antragskopien) bzw. die Erteilung von Auskünften zwecks Nachforschung hinsichtlich der behaupteten Beitragserstattung vom 8.8.1983. Der Versicherte habe weder einen Antrag vor dem vermeintlichen Erstattungszeitpunkt gestellt noch seien ihm Beiträge erstattet worden. Es sei davon auszugehen, dass die Beiträge unberechtigt an eine andere Person ausgezahlt worden seien. Die Generaldirektion der SSK in Ankara und die Filialdirektion in Izmir hätten bestätigt, dass dort keine Beiträge eingegangen seien. Darüber hinaus reiche die Behauptung der Beklagten, die Beiträge seien erstattet worden, nicht aus. Nachdem die Beklagte die Erstattung vorgenommen haben will, sei sie auch für die Erbringung des Nachweises verantwortlich (Schreiben vom 22.2.2012). Die Beklagte erwiderte, dass die Zustellung des Bescheides vom 24.7.2009 an den Versicherten durch die türkische Post am 11.8.2009 erfolgt sei. Da innerhalb der Frist von 3 Monaten kein Widerspruch eingelegt worden sei, sei der Bescheid "rechtskräftig" geworden (Schreiben vom 23.3.2012). Einen Bescheid erteilte sie nicht.
Mit Schreiben vom 6.2.2013 meldete sich bei der Beklagten die jetzige Prozessbevollmächtigte für den Versicherten und führte aus, dieser habe keinen Antrag auf Beitragserstattung gestellt und er auch keinen Beitragserstattungsbescheid erhalten. Frühere Fragen danach, an welchen Empfänger die Beitragserstattung gezahlt worden sei, seien ebenso wie entsprechende aktuelle Anfragen von der Beklagten nicht beantwortet worden. Solange die Beklagte nicht den Nachweis darüber erbringen könne, an wen die Beiträge in Höhe von 19.964,50 DM gezahlt oder von wem dieser Betrag in Empfang genommen worden sei, müsse seinem Antrag stattgegeben und die Beiträge an ihn ausgezahlt werden (Schreiben vom 6.2. und 28.3.2013). Die Beklagte forschte ohne Erfolg erneut nach Aktenunterlagen und vermutete deshalb weiter, der Vorgang aus 1983 sei bereits vernichtet worden.
Den Erstattungsantrag vom 6.2.2013 lehnte sie ab: Der Bescheid vom 24.7.2009 sei rechtmäßig. Auf Grund eines Antrages vom 11.4.1983 seien dem Versicherten die für die Zeit vom 18.1.1966 bis zum 31.5.1981 entrichteten Beitragsanteile zur deutschen Rentenversicherung in Höhe von insgesamt 19.964,50 DM bereits mit Bescheid vom 8.8.1983 erstattet worden. Dieser Bescheid sei bindend geworden. Die Beitragserstattung werde nur auf schriftlichen Antrag des Versicherten vorgenommen. Für die Prüfung, ob die Voraussetzungen für die Beitragserstattung erfüllt seien, würden ggf. bestimmte Daten und Unterlagen (u.a. die Bankverbindung und der Pass) beim Versicherten angefordert. Der Antrag auf Beitragserstattung und die Zahlungserklärung seien vom Versicherten zu unterschreiben. Sofern ein Bevollmächtigter vorhanden sei, werde die Bewilligung der Beitragserstattung nur vorgenommen, sofern auch eine Vollmacht des Versicherten im Original vorliege. Ohne Unterschrift des Versicherten werde die Beitragserstattung nicht durchgeführt. Des Weiteren würden Bescheide ins Ausland per Einschreiben/Rückschein versandt. Es werde daher davon ausgegangen, dass der Versicherte den Antrag auf Beitragserstattung am 11.4.1983 tatsächlich gestellt und den Bescheid vom 8.8.1983 sowie den Betrag von DM 19.964,50 auch tatsächlich erhalten habe (Bescheid vom 24.4.2013, gestützt auf § 44 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X)). Den Widerspruch des Versicherten wies die Beklagte zurück: Das Vorliegen einer Entscheidung über ein durch Antrag geltend gemachtes Begehren durch Bescheid, vor allem aber die Erfüllung einer durch Bescheid festgestellten Forderung sei eine rechtsvernichtende Einwendung, für die generell der Schuldner (hier der Rentenversicherungsträger) die Beweislast trage. Die vorliegende Beweislage spreche dafür, dass über den Antrag auf Beitragserstattung bereits bestandskräftig entschieden und die Beitragserstattung auch an den Versicherten ausgezahlt worden sei. Dies ergebe sich aus einem Beweis des ersten Anscheins. Der Anscheinsbeweis gelte auch für die Wirksamkeit von Beitragserstattungen. Er sei zulässig und gegeben, wenn ein feststehender Lebenssachverhalt typischerweise bestimmte Folgen auslöse, ohne dass eine atypische Situation nachgewiesen sei, die die Grundlagen für den Anscheinsbeweis erschüttere. Der Antrag, der Bescheid und die Belege über die Auszahlung und den Erhalt des Geldes seien auf Grund des Zeitablaufs zwischenzeitlich nicht mehr zu erlangen, weil mittlerweile sämtliche Unterlagen vernichtet worden seien. Aus dem über den Versicherten geführten elektronischen Versicherungskonto lasse sich jedoch zweifelsfrei auf die Durchführung eines Erstattungsverfahrens und die Auszahlung des Geldes schließen. Die dort gespeicherten Angaben ließen den Schluss zu, dass im Jahr 1983 – mangels anderweitiger Anhaltspunkte durch den Versicherten selbst – ein Antrag auf Beitragserstattung gestellt worden sei, dass der Rentenversicherungsträger über diesen Antrag mit Bescheid vom 8.8.1983 bestandskräftig entschieden habe und dem Versicherten die von ihm getragenen Beitragsanteile in Höhe von 19.964,50 DM erstattet worden seien. Ohne einen solchen Antrag bestehe nämlich für den Rentenversicherungsträger keine Veranlassung zur Durchführung eines Beitragserstattungsverfahrens. Es widerspreche auch nicht dem üblichen Geschehensablauf, dass der Versicherte den Antrag auf Beitragserstattung erst zwei Jahre nach seiner Rückkehr in die Türkei gestellt habe. Der Umstand, dass der Versicherte sich jetzt der Mühe unterziehe, eine Beitragserstattung auch unter Inanspruchnahme aller rechtlichen Instanzen, auch im strafrechtlichen Bereich, sowie mit Wendung an die Presse zu erhalten, vermöge keinen atypischen Geschehensablauf zu begründen (Widerspruchsbescheid vom 19.7.2013).
Der Versicherte hat dagegen am 26.8.2013 Klage erhoben und unter Wiederholung seines Vorbringens weiter eine Erstattungsforderung von 19.964,50 DM (das entspricht umgerechnet 10.207,69 EUR) geltend gemacht.
Die Beklagte hat ihre Entscheidung, den Bescheid vom 24.7.2009 nicht zurückzunehmen, weiter für richtig gehalten.
Das Sozialgericht (SG) hat die Klage abgewiesen: Das Gericht habe keinen Zweifel daran, dass dem Kläger die Beiträge auf seinen Antrag hin erstattet worden seien und er die Erstattungsleistung auch erhalten habe. Der Vorgang der Beitragserstattung ergebe sich für das Gericht schlüssig und nachvollziehbar aus dem Gesamtkontospiegel der Beklagten. Die in dem maschinellen Versicherungskonto (verschlüsselt) eingetragenen Datensätze rechtfertigten hinsichtlich der Beitragserstattung im Jahr 1983 die Annahme der Vermutung, dass das Beitragserstattungsverfahren seinerzeit, also im Jahr 1983, ordnungsgemäß und abschließend durchgeführt worden sei. Der Kläger habe demgegenüber keine tatsächlichen Umstände vorgetragen, die diesbezüglich Anlass zu Zweifeln geben könnten. Allein die pauschale Behauptung, er habe nie einen Erstattungsantrag gestellt, nie einen Erstattungsbescheid und auch keine Erstattungsleistung erhalten, sei insoweit nicht genügend. Bei Fällen der vorliegenden Art sei es ausreichend, wenn die einzelnen Schritte eines Beitragserstattungsverfahrens, also die Stellung eines Erstattungsantrages und der Erlass eines Erstattungsbescheides in dem maschinellen Versicherungskonto – wie hier – schlüssig und nachvollziehbar dokumentiert seien. Die tatsächliche Durchführung der Beitragserstattung könne vermutet werden, wenn sich ein Versicherter nach Stellung eines Erstattungsantrages mehrere Jahrzehnte nicht bei dem angegangenen Versicherungsträger gemeldet und nach dem Stand der Bearbeitung bzw. nach dem Verbleib der Erstattungsleistung erkundigt habe (mit Einverständnis der Beteiligten ohne mündliche Verhandlung ergangenes Urteil vom 30.3.2016, zugestellt am 14.4.2016).
Mit seiner Berufung vom 17.5.2016 (Pfingstdienstag) hat der Versicherte vorgetragen, die Daten im Versicherungskonto könnten beliebig eingetragen werden. Es könne nicht unterstellt werden, dass Eintragungen im Versicherungskonto regelmäßig "der Sach- und Rechtslage entsprechen", nur weil Sachbearbeiter Sach- und Rechtskenntnis hätten. Fakt sei, dass damals kein Antrag auf Beitragserstattung gestellt worden sei, dass kein Geld ausbezahlt worden sei, dass ein entsprechender Bescheid an den Versicherten nie ergangen sei und dass der Rentenversicherungsnehmer verpflichtet sei, Nachweise hierüber zu führen und ggf. vorzulegen. Nicht nachvollziehbar seien die Ausführungen, dass eine Vergleichbarkeit zwischen Geschehensabläufen bei ähnlichen Sachverhalten dafür spreche, dass im vorliegenden Einzelfall tatsächlich eine Beitragserstattung durchgeführt worden sei. Der Zeitrahmen, nämlich behauptete Beitragserstattung im April 1983, dokumentiere nicht eine Auszahlung an den Versicherten, sondern nur, dass insofern das System der Beklagten funktioniert habe, nämlich dass keine Beitragsauszahlung erfolgen könne, bevor die entsprechende Wartefrist erfüllt sei. Dies sage nichts dazu aus, wer diesen Auszahlungsvorgang an wen und auf welcher Grundlage in Gang gesetzt habe bzw. ob er tatsächlich in Gang gesetzt worden sei. Der Versicherte habe in der Türkei beim zuständigen Sozialversicherungsträger vorgesprochen, der einen Zahlungseingang nicht habe bestätigen können.
Der Versicherte ist während des Berufungsverfahrens verstorben. Er wurde von seiner Ehefrau (T H) zu ¼ und seinen Kinder (T, I, S und J H) zu je 3/16 beerbt (Erbschein Amtsgericht L/Türkei vom 28.3.2018). Mit notariellem Vertrag vom 21.5.2018 haben die übrigen Miterben ihre Erbteile auf den Kläger (S H) übertragen.
Der Kläger beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Dortmund vom 30.3.2016 zu ändern und die Beklagte unter Abänderung des Bescheides vom 24.4.2013 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 19.7.2013 zu verurteilen, den Bescheid vom 24.7.2009 zurückzunehmen und an ihn 10.207,69 EUR zu zahlen.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie hat ausgeführt, dass die Speicherung der Daten im elektronischen Versicherungskonto nicht nur ein Hinweis für einen intern abgelaufenen Verwaltungsvorgang darstelle. Eintragungen seien nur dann vorgenommen worden, wenn nach den vorliegenden Unterlagen erkennbar ein Antrag auf Beitragserstattung vorgelegen habe und bei Erfüllung der Voraussetzungen ein Bescheid über die Beitragserstattung zu erteilen gewesen sei. In diesem Zusammenhang sei auch zu beachten, dass für die sogenannte Freigabe des elektronischen Arbeitsauftrages (Auszahlung des Erstattungsbetrages) weitere Personen mit Rechts- und Sachkenntnis eingebunden worden seien, die sicherlich dazu in der Lage gewesen seien zu beurteilen, ob ein Antrag auf Beitragserstattung vorgelegen habe und ob diesem Antrag habe entsprochen werden können. Deshalb müsse davon ausgegangen werden, dass die Eintragungen im Versicherungskonto regelmäßig der Sach- und Rechtslage entsprächen, und im vorliegenden Einzelfall daher tatsächlich ein Antrag auf Beitragserstattung gestellt und dieses Verfahren mit einem Bescheid über eine Beitragserstattung abgeschlossen worden sei. Vorliegend sei aus dem Versicherungskonto eben nicht nur der Antrag auf Beitragserstattung erkennbar. Ebenfalls ließen sich nach Freigabe des elektronischen Arbeitsauftrages für die Auszahlung des Betrages der Zeitraum der Erstattung und die Höhe des zu erstattenden Betrages erkennen. Dieser sich mit den genannten Angaben bildende Programmschlüssel, bilde sich automatisch, ausgelöst durch die Freigabe des elektronischen Arbeitsauftrages für die Auszahlung des Betrages. Es sei auch nicht unüblich gewesen, dass in ihr Herkunftsland zurückkehrende Versicherte sich, etwa zum Aufbau einer Existenz, die von ihnen getragenen Beiträge zur Rentenversicherung erstatten ließen. Erst mit dem Gesetz zur Förderung der Rückkehrbereitschaft von Ausländern sei die für die Beitragserstattung zu beachtende Wartefrist von 2 Jahren ab dem 1.12.1983 zeitweise ausgesetzt worden. Für den bereits im Jahr 1981 in die Türkei zurückgekehrten Versicherten habe diese Frist noch gegolten und sei erst im Jahr 1983 abgelaufen gewesen. Der Versicherte sei bis Mai 1981 im Steinkohlebergbau beschäftigt gewesen. Die Eintragungen im Versicherungskonto entsprechen damit einem typischen Geschehensablauf. Darüber hinaus sei die Beitragserstattung an die in die Türkei zurückgekehrten türkischen Versicherten nach einem standardisierten Verfahren erfolgt. Anträge auf Beitragserstattung hätten nur mit dem sogenannten Formblatt "T" und den dort genannten Anlagen gestellt werden dürfen. Der Antrag sei von dem Versicherten (oder einem Bevollmächtigten) auszufüllen und bei der für seinen Wohnsitz zuständigen Zweigstelle der türkischen Sozialversicherungsanstalt abzugeben gewesen. Diese Stelle habe die Entgegennahme des Erstattungsantrages bestätigt und den Antrag unmittelbar an die frühere Bundesknappschaft (Rechtsvorgängerin der Beklagten) weitergeleitet. Die Erstattungszahlungen seien zwar nicht einheitlich über eine türkische Stelle (wie zum Beispiel eine türkische Bank oder den türkischen Sozialversicherungsträger) erfolgt, allerdings habe der türkische Sozialversicherungsträger regelmäßig eine Durchschrift des maschinell erstellten Beitragsbescheides erhalten. Da eine Beantragung der Beitragserstattung nur mit dem Formblatt "T" bei Bestätigung der Antragstellung durch die türkische Sozialversicherungsanstalt möglich gewesen sei, dürfte es nahezu ausgeschlossen sein, dass die damals zuständige Fachabteilung der ehemaligen Bundesknappschaft im Jahr 1983 in dem vorliegenden Einzelfall irrtümlich von einem Antrag auf Beitragserstattung ausgegangen sei. Vor diesem Hintergrund müsse den gespeicherten Daten zwingend ein rechtswirksamer Antrag auf Beitragserstattung zu Grunde gelegen haben. Damit sei auch unter Zugrundelegung eines engeren Maßstabes in dem vorliegenden Einzelfall der Nachweis der Beitragserstattung erbracht.
Der Senat hat die Beklagte mit Verfügung vom 20.4.2017 ergebnislos aufgefordert, von der SSK etwaig vorhandene streiterhebliche Unterlagen beizuziehen. Ferner hat der Senat die Deutsche Rentenversicherung (DRV) Nordbayern als (weitere) Verbindungsstelle der deutschen Rentenversicherung zum türkischen Rentenversicherungsträger um Amtshilfe ersucht und gebeten, alle beim türkischen Sozialversicherungsträger noch verfügbaren Unterlagen in Bezug auf eine 1983 durchgeführte Beitragserstattung des Versicherten beizuziehen. Die DRV Nordbayern hat dem Senat mitgeteilt, dass sie nicht weiterhelfen könne.
Wegen der Darstellung der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes nimmt der Senat auf die Gerichtsakten und die Verwaltungsakten der Beklagten Bezug, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen sind.
Entscheidungsgründe:
A. Die nach den §§ 143, 144 Abs 1 Satz 1 Nr 1, 151 Abs 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) form- und fristgerecht (§§ 87 Abs 2 iVm Abs 1 Satz 1, 64 Abs 2 Satz 1 iVm Abs 3 SGG) eingelegte Berufung ist zulässig und begründet.
Der angefochtene Bescheid vom 24.4.2013 (in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 19.7.2013, § 95 SGG) ist rechtswidrig und verletzt den Kläger, der als Rechtsnachfolger in das Verfahren eingetreten ist (in Folgenden I.), in seinen Rechten. Die Beklagte hat zu Unrecht abgelehnt, den Bescheid vom 24.7.2009 zurückzunehmen und dem Kläger Beiträge in Höhe von 10.207,69 EUR zu erstatten. Die Klage ist entgegen der Auffassung des SG zulässig und begründet. Der Kläger hat einen Anspruch auf Zurücknahme des Bescheides vom 24.7.2009 und Erstattung von Beiträgen des Versicherten zur gesetzlichen Rentenversicherung in Höhe von 10.207,69 EUR, § 44 Abs 1 SGB X (im Folgenden II).
I. Der Kläger kann als Rechtsnachfolger des Versicherten die Erstattungsforderung geltend machen.
Der geltend gemachte Anspruch ist nicht mit dem Tod des Versicherten erloschen, weil im Zeitpunkt des Todes ein (noch nicht bestandskräftig abgeschlossenes) Verwaltungsverfahren anhängig war, § 59 Satz 2 SGB I.
Die Rechtsnachfolge des Versicherten bestimmt sich hier nach § 58 Satz 1 Erstes Buch Sozialgesetzbuch (SGB I). Der Kläger ist alleiniger (Voll-)Erbe des Versicherten geworden. Insoweit ist nach § 14 des deutsch-türkischen Nachlassabkommens vom türkischen Recht auszugehen (Konsularvertrag zwischen der Türkischen Republik und dem Deutschen Reich vom 28.5.1929, RGBl. 1930 II S. 747; 1931 II S. 538; BGBl. 1952 II S. 608). Der Kläger ist nach dem Erbschein des Amtsgerichts Kiraz/Türkei vom 28.3.2018, der nach § 17 des deutsch-türkischen Nachlassabkommens einen Nachweis der Erbberechtigung darstellt, zunächst Miterbe zu 3/16 geworden. Mit notariellem Vertrag vom 21.5.2018 haben ihm die übrigen Miterben ihre Erbteile – auch in Bezug auf Ansprüche gegen Träger der Rentenversicherung – dann vollständig übertragen.
Eine (kraft Gesetzes vorrangige) Sonderrechtsnachfolge nach § 56 SGB I ist nicht eingetreten, da es sich bei einer Beitragserstattung nicht um laufende Geldleistungen, sondern um eine einmalige Geldleistung handelt (so auch: Bayerisches Landessozialgericht (LSG), Urteil vom 5.4.2007, Aktenzeichen (Az) L 14 R 4041/04).
II. Der Kläger hat einen Anspruch auf Zurücknahme des Bescheides vom 24.7.2009 und Erstattung von Beiträgen des Versicherten zur gesetzlichen Rentenversicherung in Höhe von 10.207,69 EUR, § 44 Abs 1 Satz SGB X.
Gemäß § 44 Abs 1 S 1 SGB X ist, soweit sich im Einzelfall ergibt, dass bei Erlass eines Verwaltungsaktes das Recht unrichtig angewandt oder von einem Sachverhalt ausgegangen worden ist, der sich als unrichtig erweist, und soweit deshalb Sozialleistungen zu Unrecht nicht erbracht oder Beiträge zu Unrecht erhoben worden sind, der Verwaltungsakt, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, mit Wirkung für die Vergangenheit zurückzunehmen.
Die Voraussetzungen des § 44 Abs 1 S 1 SGB X sind erfüllt. Der einen Erstattungsanspruch ablehnende Bescheid vom 24.7.2009 ist rechtswidrig und deshalb zurückzunehmen, weil dem Versicherten der streitige Erstattungsanspruch bereits damals zustand (1.). Die Beklagte kann dagegen nicht mit Erfolg einwenden, das Versicherungsverhältnis sei durch eine in der Vergangenheit bereits vollzogene Beitragserstattung erloschen (2.)
1. Der – in der Höhe zu Recht von den Beteiligten übereinstimmend mit 10.207,69 EUR (= 19.964,50 DM) bezifferte – Erstattungsanspruch des Versicherten folgt aus § 210 Abs 1 Nr 1, Abs 2, 3 S 1 SGB VI. Danach werden Beiträge zur (deutschen) gesetzlichen Rentenversicherung auf Antrag solchen Versicherten erstattet, die nicht versicherungspflichtig sind und nicht das Recht zur freiwilligen Versicherung haben (a.). Weitere Voraussetzungen sind, dass seit dem Ausscheiden aus der Versicherungspflicht 24 Kalendermonate abgelaufen sind und dass seither nicht erneut Versicherungspflicht eingetreten ist, § 210 Abs 2 SGB VI (b.). Ohne Belang ist, ob der Versicherte zum Zeitpunkt der Antragstellung stattdessen einen Anspruch auf Regelaltersrente (§ 235 SGB VI) hätte geltend machen können (c.). Aufgrund der Rechtswidrigkeit des Bescheides vom 24.7.2009 hat die Beklagte damals zu Unrecht eine Sozialleistung nicht erbracht (d.).
a. Die tatbestandlichen Voraussetzungen des § 210 Abs 1 Nr 1, Abs 2, 3 S 1 SGB VI sind hier gegeben.
Der Versicherte hat mit Schreiben vom 2.7.2008 gegenüber dem zuständigen türkischen Sozialversicherungsträger den erforderlichen (gestaltenden) Antrag auf Beitragserstattung geltend gemacht ("Ich bitte um entsprechende Veranlassung, dass ( …) die Beiträge an mich ausgezahlt werden."). Dieser Antrag gilt als bei der Beklagten gestellt, Art. 46 des Abkommens zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Republik Türkei über Soziale Sicherheit vom 30.4.1964 (BGBl. 1965 II, S. 1170) idF des Änderungsabkommens vom 28.5.1969 (BGBl. 1972 II, S. 2) und des Zwischenabkommens vom 25.10.1974 (BGBl. 1975 II, S. 374) und des Zusatzabkommens vom 2.11.1984 (BGBl. II 1986, S. 1040; im Folgenden: DTSVA). Da der Antrag keine wiederkehrende, sondern eine einmalige Leistung betrifft (vgl BSG SozR 4-2600 § 210 Nr 2 RdNr 10), ist für seine rechtliche Beurteilung (und seine rechtsgestaltende Wirkung) allein die Sach- und Rechtslage zum Zeitpunkt der wirksamen Antragstellung maßgeblich; spätere Änderungen sind nicht mehr zu berücksichtigen (stRspr, vgl BSGE 86, 262, 265 = SozR 3-2600 § 210 Nr 2 S 5 mwN; BSG SozR 4-2600 § 210 Nr 2 RdNr 15).
Der Versicherte war aufgrund der für ihn in den Jahren 1966 bis 1981 gezahlten Pflichtbeiträge zur knappschaftlichen Rentenversicherung "Versicherter" iS der Vorschrift. Der Versicherte war 2013 auch in der deutschen Rentenversicherung "nicht versicherungspflichtig".
Er hatte bei Antragstellung auch nicht das Recht zur freiwilligen Versicherung in der gesetzlichen Rentenversicherung, § 210 Abs 1 Nr 1 Halbsatz 2 SGB VI. Nach § 7 Abs 1 S 1 SGB VI (in der bis heute unverändert geltenden Fassung des Rentenreformgesetzes 1992 (RRG 1992) vom 18.12.1989, BGBl I 2261) können sich alle Personen, die "nicht versicherungspflichtig" sind, für Zeiten von der Vollendung des 16. Lebensjahres an freiwillig versichern. Dies gilt nach dem persönlichen und räumlichen Anwendungsbereich der Versicherung nur für Personen, die ihren Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt im Inland haben (§ 3 Abs 1 Nr 2 Viertes Buch Sozialgesetzbuch (SGB IV)) und für Deutsche, die ihren gewöhnlichen Aufenthalt im Ausland haben (§ 7 Abs 1 S 2 SGB VI). Der Versicherte hatte 2008 weder seinen Wohnsitz in der Bundesrepublik noch besaß er die deutsche Staatsangehörigkeit. Der Versicherte ist auch nach dem DTSVA nicht mit einem deutschen Versicherten im Ausland gleichzustellen, Art 4 a) DTSVA. Nr 5d) Satz 1 des Schlussprotokolls zum DTSVA schließt nämlich die den deutschen Staatsangehörigen gleichgestellten türkische Staatsangehörigen von dem Recht auf freiwillige Versicherung in der deutschen Rentenversicherung ausdrücklich aus, solange sie sich – wie der Versicherte – gewöhnlich außerhalb des Gebietes der Bundesrepublik Deutschland aufhalten.
Der Versicherte konnte ein Recht auf freiwillige Versicherung auch nicht aus dem sozialrechtlichen Diskriminierungsverbot herleiten, wie es in dem von der Republik Türkei und der Europäischen Gemeinschaft sowie deren Mitgliedstaaten am 12.9.1963 in Ankara unterzeichneten Assoziierungsabkommen verankert ist (im Namen der Gemeinschaft geschlossen, gebilligt und bestätigt durch Beschluss 64/732/EWG des Rates vom 23.12.1963 (ABl 1964, Nr 217, S 3685) auf der Grundlage von Art 238 des EWG-Vertrags (jetzt Art 217 AEUV) einschließlich des Zusatzprotokolls vom 23.11.1970, im Namen der Gemeinschaft geschlossenen, gebilligt und bestätigt durch die Verordnung (EWG) Nr 2760/72 des Rates vom 19.12.1972 (ABl 1972, L 293, S 1)). Denn dieses Abkommen und die auf seiner Grundlage getroffenen Beschlüsse des Assoziationsrats statuieren lediglich ein sozialrechtliches Diskriminierungsverbot für die sich innerhalb der Europäischen Union legal aufhaltenden Arbeitnehmer und Bewohner der Türkei. Türkische Staatsangehörige mit Wohnsitz in der Türkei werden vom persönlichen Anwendungsbereich dieses Abkommens nicht erfasst (vgl. BSG, Urteil vom 25.2.2015, Az B 3 P 6/13 R; Hessische LSG, Urteil vom 9.11.2017, Az L 1 KR 210/17).
b.) Schließlich sind seit dem Ausscheiden aus der Versicherungspflicht 24 Monate abgelaufen, ohne dass (bis 2013) erneut Versicherungspflicht eingetreten ist, § 210 Abs 2 SGB VI.
c.) Der Versicherte war nicht von einer Beitragserstattung ausgeschlossen, weil er zum Zeitpunkt der Antragstellung bereits die allgemeine Wartezeit erfüllt hatte und deshalb einen Anspruch auf Regelaltersrente hatte, § 235 SGB VI. § 210 Abs 1 Nr 1 SGB VI begründet – anders als § 210 Abs 1 Nr 2 SGB VI – seinem eindeutigen und klaren Wortlaut nach, (bereits) dann einen Anspruch auf Beitragserstattung, wenn der Versicherte nicht versicherungspflichtig ist und nicht das Recht zur freiwilligen Versicherung hat. Diese Vorschrift steht danach nicht unter der (ungeschriebenen) Bedingung, dass der Versicherte im Zeitpunkt der Antragstellung von einem Rentenbezug ausgeschlossen sein muss. Eine solche Auslegung würde die durch den Wortlaut gesetzte Grenze überschreiten (vgl hierzu BVerfG, Beschl vom 11.6.1958 , Az 1 BvL 149/52 = BVerfGE 8, 28; Beschl vom 11.6.1980, Az 1 PBvU 1/79 = BVerfGE 54, 277; Beschluss vom 24.5.1995, Az 2 BvF 1/92 = BVerfGE 93, 37; Larenz/Canaris, Methodenlehre der Rechtswissenschaft, 3. Aufl. 1995, S. 143 m.w.N.) und wäre selbst unter Berücksichtigung eines entsprechenden gesetzgeberischen Willens nicht zulässig (vgl Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg, Urteil vom 9.9.2013, Az 1 S 1077/13, Juris Rn 19; Larenz/Canaris, Methodenlehre der Rechtswissenschaft, 3. Aufl. 1995, S. 143 mwN). Für eine rechtssystematische oder teleologische Auslegung gegen den Wortlaut dahingehend, dass ein Anspruch auf Beitragserstattung im Verhältnis zur Altersrente subsidiär ist, findet sich im Gesetz kein Anknüpfungspunkt. Nach dem Gesetzeszweck ist eine Beitragserstattung eine besondere Billigkeitsregelung, die dem Versicherten das Gefühl ersparen soll, seine Beiträge "umsonst" geleistet zu haben (so BVerfG (Kammer) Beschluss vom 24.11.1986, Az 1 BvR 772/85). Dies besagt aber nicht, dass die Ansprüche nicht alternativ geltend gemacht werden können.
d.) Die Rechtswidrigkeit des Bescheides vom 24.7.2009 war ursächlich dafür ("soweit deswegen"), dass Sozialleistungen nicht erbracht worden sind. Der (einmalige) Anspruch auf Beitragserstattung ist eine Sozialleistung im Sinne des § 44 Abs 1 Satz 1 SGB X. Das folgt aus §§ 11 Satz 1, 23 Abs 1 Nr 1 d) SGB I.
2. Die Beklagte kann gegen den Erstattungsanspruch nicht mit Erfolg einwenden, das auf der Beschäftigung von 1966 bis 1981 beruhende Versicherungsverhältnis sei bereits durch eine 1983 wirksam erfolgte Beitragserstattung aufgelöst worden, § 210 Abs 6 S 2 SGB VI.
Nach dem Gesamtergebnis des Verfahrens steht zur Überzeugung des Senats nicht mit an Sicherheit grenzender, vernünftige Zweifel ausschließender Wahrscheinlichkeit fest, dass 1983 ein Verfahren zur Beitragserstattung stattgefunden hat. Die verbleibenden (Rest-)Zweifel wirken sich nach dem Grundsatz der objektiven Beweislast zu Lasten der Beklagten aus. Dieser Grundsatz besagt, dass der Nachteil der Nichterweislichkeit von Tatsachen sich zu Lasten desjenigen auswirkt, der aus diesen Tatsachen Rechtsfolgen herleitet. Dies ist hier die Beklagte, die gegen den Erstattungsanspruch des Versicherten – rechtsvernichtend – einwendet, das Versicherungsverhältnis sei 1983 durch Beitragserstattung aufgelöst worden und damit erloschen (stRspr. des Senats, vgl insbesondere die Urteile vom 14.6.2016, Az L 18 KN 33/12 und L 18 KN 31/14, sowie vom 19.8.2014, Az L 18 KN 45/11).
Eine rechtswirksame Beitragserstattung setzt voraus, dass nachweislich (1) ein Erstattungsantrag, (2) ein wirksamer Erstattungsbescheid und (3) eine rechtswirksame, befreiende Bewirkung der Leistung (= Erfüllung des Erstattungsanspruchs entsprechend § 362 BGB) vorliegen. Für die ordnungsgemäße und wirksame Durchführung einer Beitragserstattung trägt die Beklagte – wie sie selbst einräumt – die objektive Beweislast (vgl dazu, besonders zur Beweislast: BSGE 80, 41 ff = SozR 3-2200 § 1303 Nr 6; vgl auch LSG NRW, Beschluss vom 21.9.2003, Az L 2 KN 19/03, und Urteil vom 16.8.2007, Az L 2 KN 259/06; stRspr des Senats, vgl Urteile vom 13.9.2011, Az L 18 (2) KN 223/07, vom 15.11.2011, Az L 18 (2) KN 42/08, L 18 KN 30/10 und L 18 (2) KN 239/09, vom 24.4.2012, Az L 18 KN 82/10, vom 29.4.2014, Az L 18 KN 21/11, L 18 KN 120/12 und vom 6.5.2014, Az L 18 KN 210/11, vom 19.8.2014, Az L 18 KN 63/10 und L 18 KN 45/11, vom 14.6.2016, Az L 18 KN 33/12, L 18 KN 31/14). Es kann offen bleiben, ob die rechtsgestaltende Wirkung der Beitragserstattung aus dem Erstattungsantrag oder aus dem Erstattungsbescheid folgt (LSG NRW, Urteil vom 18.10.2001, Az L 2 KN 64/01 mwN) und unter welchen Voraussetzungen sich die Beklagte bei nicht erwiesener Erfüllung der Erstattungsforderung nach Treu und Glauben darauf nicht (mehr) berufen kann. Denn hier ist weder erwiesen, dass der Versicherte 1983 einen Antrag auf Erstattung der Beiträge gestellt hat noch dass die Beklagte 1983 einen Erstattungsbescheid erlassen, dem Versicherten wirksam bekannt gegeben und ihre Erstattungsschuld erfüllt hat. Allein aufgrund der im Versicherungskonto elektronisch gespeicherten Daten (dem so genannten "Gesamtkontospiegel") steht nicht mit der erforderlichen, an Sicherheit grenzenden, vernünftige Zweifel ausschließenden Wahrscheinlichkeit (Beweismaßstab des Vollbeweises) fest, dass die drei genannten Voraussetzungen erfüllt sind. Dies gilt selbst dann, wenn man zugunsten der beweisbelasteten Beklagten ergänzend die Grundsätze des Beweises des ersten Anscheins (sog. prima facie-Beweis) heranzieht. Diese Beweisregel gilt auch im sozialgerichtlichen Verfahren (BSGE 8, 245, 247; 12, 242, 246; 19, 52, 54; Humpert in: Jansen. Sozialgerichtsgesetz. 4. Aufl. 2012, § 128 Rdnr 7 mwN; Keller in: Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer/Schmidt. SGG. 12. Aufl 2017. § 128 RdNr 9 mwN; Pawlak in Hennig. SGG. Stand September 2019. § 128 RdNr 96; Zeihe/Hauck. Das SGG und seine Anwendung. Stand August 2019. 3.G. vor § 103; stRspr des Senats, vgl Urteile vom 13.9.2011, Az L 18 (2) KN 223/07, vom 15.11.2011, Az L 18 KN 30/10, L 18 (2) KN 42/08 und L 18 (2) KN 239/09, vom 24.4.2012, Az L 18 KN 32/10, vom 29.4.2014, Az L 18 KN 21/11 und L 18 KN 120/12, vom 6.5.2014, Az L 18 KN 210/11, vom 19.8.2014, Az L 18 KN 63/10 und L 18 KN 45/11, vom 14.6.2016, Az L 18 KN 33/12, L 18 KN 31/14). Sie besagt, dass bei typischen Geschehensabläufen auf eine Tatsache geschlossen werden kann, die nach der allgemeinen Lebenserfahrung regelmäßig Folge eines solchen Geschehensablaufs ist (BSG in: Breithaupt 1999, 357, 362; Keller. AaO. RdNr 9a). Dabei wird der (Voll)Beweis einer Tatsache vermutet, solange nicht Tatsachen erwiesen sind, die den vermuteten typischen Geschehensablauf in Zweifel zu ziehen geeignet sind (vgl Humpert. AaO; Keller. AaO. RdNr 9e mwN; Pawlak. AaO. RdNrn 94, 99). Ein nachweislich durch eigenen Antrag eingeleitetes und durch bewilligenden Bescheid abgeschlossenes Verwaltungsverfahren zur (vollständigen) Beitragserstattung lässt bei Fehlen entgegenstehender Tatsachen typischerweise den Schluss zu, dass die geschuldete Leistung auch bewirkt worden ist (stRspr des Senats, vgl Urteil vom 14. Juni 2016 – L 18 KN 31/14; Urteile vom 13.9.2011, Az L 18 (2) KN 223/07, vom 15.11.2011, Az L 18 (2) KN 42/08, L 18 KN 30/10 und L 18 (2) KN 239/09, vom 24.4.2012, Az L 18 KN 82/10, vom 29.4.2014, Az L 18 KN 21/11 und L 18 KN 120/12, vom 6.5.2014, Az L 18 KN 210/11, vom 19.8.2014, Az L 18 KN 63/10 und L 18 KN 45/11, außerdem: LSG NRW, Urteile vom 3.6.2005, Az L 4 RJ 12/03, sowie vom 22.11.2007, Az L 2 KN 140/06; LSG Hamburg, Urteil vom 27.4.2006, Az L 6 RJ 89/04 mwN). Letzteres muss jedenfalls dann gelten, wenn die Leistungsbewirkung nicht substantiiert bestritten worden ist und sich auch sonst keine Anhaltspunkte dafür ergeben, dass die Leistungserbringung nicht zeitnah erfolgt ist (wie etwa zeitnahe Nachfragen des Versicherten, wo das Geld bleibe, vgl LSG NRW, Urteile vom 17.2.1997, Az L 4 J 16/95, und vom 3.6.2005, Az L 4 RJ 12/03; Bayerisches LSG, Urteile vom 14.5.2002, Az L 19 RJ 3/02, und vom 8.12.2004, Az L 19 RJ 203/03). Auch von einem solchen typischen Geschehensablauf kann hier nicht ausgegangen werden, weil es bereits an Urkunden (oder sonstigen Beweismitteln) fehlt, die einen Erstattungsantrag des Versicherten belegen.
Urkundliche Unterlagen zu dem von der Beklagten behaupteten Erstattungsverfahren (zB Antrag(sformular), Erstattungsbescheid) finden sich in den Akten nicht; dies gilt gleichermaßen für Nachweise über den Zugang eines Erstattungsbescheides sowie die Auszahlung bzw Überweisung des Erstattungsbetrages. Die Beklagte stützt sich zum Nachweis eines ordnungsgemäß durchgeführten Erstattungsverfahrens deshalb im Kern auf die im elektronischen Versicherungskonto des Versicherten gespeicherten Daten. Diese Daten allein genügen zur Überzeugung des Senats aber nicht, eine vollständige wirksame Beitragserstattung mit der erforderlichen, an Sicherheit grenzenden, vernünftige Zweifel ausschließenden Wahrscheinlichkeit zu beweisen (grundlegend bereits: Urteil des Senats vom 19.8.2014, Az. L 18 KN 45/11, s dazu den die Nichtzulassungsbeschwerde der Beklagten zurückweisenden Beschluss des BSG vom 2.4.2015, Az B 13 R 361/14 B). Sie lassen bestenfalls den Schluss auf einen intern abgelaufenen Verwaltungsvorgang zu und (im Übrigen) allenfalls als möglich erscheinen, dass (außerdem) verfahrenseinleitend ein wirksamer Erstattungsantrag des betroffenen Versicherten gestellt und ein Erstattungsbescheid an ihn ergangen ist (vgl Urteile des Senats vom 24.4.2012, Az L 18 KN 82/10, vom 29.4.2014, Az L 18 KN 21/11 und L 18 KN 120/12, vom 6.5.2014, Az L 18 KN 210/11, und vom 19.8.2014, Az L 18 KN 63/10 und grundlegend: L 18 KN 45/11; zuvor insbesondere Urteile des 2. Senats des LSG NRW vom 16.12.2010, Az L 2 KN 169/09, vom 22.11.2007, Az L 2 KN 140/06, und vom 16.8.2007, Az L 2 KN 259/06). Zum Nachweis der wirksamen Antragstellung durch den Versicherten, des Zugangs eines Erstattungsbescheids und der Erfüllung der Erstattungsforderung bedarf es in der Regel (mindestens) weiterer feststehender Hilfstatsachen, die den Schluss auf die maßgeblichen Haupttatsachen (Antragstellung, Zugang eines Erstattungsbescheides, Leistung mit befreiender Wirkung an den – ehemaligen – Versicherten) zulassen.
Der abweichenden Auffassung des Bayerischen LSG (zB Urteil vom 17.7.2013, Az L 13 R 275/12 sowie Urteil vom 18.11.2009, Az L 13 R 559/08) schließt sich der Senat weiter nicht an, weil diese Rechtsprechung nicht erklärt, inwiefern sich aus elektronisch gespeicherten Daten nach den maßgeblichen prozessualen Beweisgrundsätzen im Wege des Strengbeweises (vgl dazu M. Kühl in: Breitkreutz-Fichte. SGG. Kommentar. 2. Aufl. 2014, § 118 Rdnr 2) die Antragstellung, die Bekanntgabe des darin erwähnten Bescheids und die Erfüllung des festgestellten Erstattungsanspruchs ergeben sollen.
Der Ausdruck des Gesamtkontospiegels, also der in dem von der Beklagten geführten elektronischen Versicherungskonto des Versicherten gespeicherten Daten, ist keine öffentliche Urkunde, aus der sich die genannten Haupttatsachen ergeben, weder eine öffentliche Urkunde über Erklärungen nach § 118 Abs 1 S 1 SGG iVm § 415 Abs 1 ZPO noch eine öffentliche Urkunde über eine amtliche Entscheidung nach § 417 ZPO. Allein mit einem solchen Ausdruck kann nicht bewiesen werden, dass die dort gespeicherten Vorgänge (Datum eines Antrags sowie eines Bescheids, Erstattungszeitraum sowie -betrag) so wie dort gespeichert stattgefunden haben. Der Ausdruck kann insoweit keine Urkunde sein, weil es sich lediglich um einen "Ausdruck" handelt, der (allenfalls) dokumentiert, dass die entsprechenden Daten elektronisch gespeichert sind. Zur objektiven Richtigkeit der Daten besagt er nichts. Urkunden in diesem Sinne können nur schriftliche Dokumente sein, von denen ein Original existiert bzw. existiert hat, vgl § 435 ZPO. Beweiskraft kann einer Urkunde nur zukommen, wenn sie echt ist oder dies vermutet wird (§§ 437 ff ZPO; vgl Huber in: Musielak/Voit. ZPO. 16. Aufl 2019. § 415 RdNr 2). Diese Anforderungen kann ein (beliebig wiederholbarer) Ausdruck elektronisch gespeicherter Daten von vornherein nicht erfüllen.
Der Ausdruck des Gesamtkontospiegels steht auch nicht – selbst wenn er mit einem Beglaubigungsvermerk versehen wäre – nach § 416a ZPO einer öffentlichen Urkunde in beglaubigter Abschrift gleich. Nach dieser Vorschrift steht der mit einem Beglaubigungsvermerk versehene Ausdruck eines öffentlichen elektronischen Dokuments gemäß § 371a Abs 3 ZPO einer öffentlichen Urkunde in beglaubigter Abschrift gleich, wenn ihn eine öffentliche Behörde innerhalb der Grenzen ihrer Amtsbefugnisse oder eine mit öffentlichem Glauben versehene Person innerhalb des ihr zugewiesenen Geschäftskreises in der vorgeschriebenen Form erstellt hat. Bei dem elektronischen Gesamtkontospiegel, also den in dem Versicherungskonto gespeicherten Daten, handelt es sich gerade nicht um ein öffentliches elektronisches Dokument nach § 371a Abs 3 S 1 ZPO. Danach sind öffentliche elektronische Dokumente (nur) elektronische Dokumente, die von einer öffentlichen Behörde innerhalb der Grenzen ihrer Amtsbefugnisse oder von einer mit öffentlichem Glauben versehenen Person innerhalb des ihr zugewiesenen Geschäftskreises in der vorgeschriebenen Form erstellt worden sind. Die Regelung des § 416a ZPO soll gewährleisten, dass der Beweis durch Urkunden in Papierform auch dann geführt werden kann, wenn das Originaldokument (nur) in elektronischer Form besteht. Die Vorschrift bestimmt, unter welchen Voraussetzungen dem Papier-Ausdruck eines bestimmten elektronischen Dokuments die Wirkungen einer Urkunde zukommen können (Huber. AaO. § 416a RdNr 1). Daraus ergibt sich, dass ein öffentliches elektronisches Dokument iS der § 371a Abs 3 S 1 und § 416a ZPO mit Ausnahme der Schriftlichkeit die Merkmale einer öffentlichen Urkunde iS der §§ 415, 417 f ZPO erfüllen muss, um mit diesen gleichgestellt werden zu können. Dies ist bei dem elektronischen Gesamtkontospiegel nicht der Fall (LSG NRW, Urteil vom 14.6.2016, Az L 18 KN 31/14).
Der elektronische Gesamtkontospiegel kann keiner öffentlichen Urkunde über Erklärungen nach § 415 Abs 1 ZPO gleichgestellt werden. Die Beweiskraft nach dieser Vorschrift erstreckt sich darauf, dass die Erklärung samt dem niedergelegten Inhalt und den Begleitumständen (Zeit, Ort, Behörde, Urkundsperson) zutreffend und vollständig so wie beurkundet, bzw – bei öffentlichen elektronischen Dokumenten – gespeichert, und nicht anders abgegeben wurde (Huber. AaO. § 415 RdNr 10).
Daten mit dieser Aussagekraft über bei der Beklagten abgegebene Erklärungen enthält der elektronische Gesamtkontospiegel vorliegend nicht. Der Kontospiegel gibt lediglich die Daten "Antrag 11.4.1983" wieder. Dies stellt die bloße Angabe dar, dass an dem genannten Datum eine Erklärung gegenüber der Beklagten bzw ihrer Rechtsvorgängerin, der Bundesknappschaft, abgegeben worden sein soll. Der tatsächliche Inhalt der Erklärung, der die Bewertung zulässt, es handele sich rechtlich um einen Antrag auf Erstattung der zur gesetzlichen Rentenversicherung entrichteten Beiträge, ist dem Gesamtkontospiegel gerade nicht zu entnehmen. Auch aus dem Umstand, dass die Beklagte diesen Antrag unter der "Schlüsselnummer" 1830, die nach Angabe der Beklagten für die Speicherung von Beitragserstattungsverfahren gebraucht wird, gespeichert hat, kann nicht auf den Inhalt der abgegebenen Erklärung geschlossen werden. Vielmehr muss sich aus dem öffentlichen elektronischen Dokument selbst die Erklärung mitsamt dem niedergelegten Inhalt ergeben, damit sich die Beweiskraft nach § 415 Abs 1 ZPO hierauf erstrecken kann. Darüber hinaus geht die Zuweisung zu dieser "Schlüsselnummer" nicht auf den Erklärenden, sondern auf die Beklagte zurück. Sie kann deshalb auch auf einer unzutreffenden Wertung einer Erklärung beruhen. Daneben ergibt sich aus den Daten des elektronischen Gesamtkontospiegels auch nicht, wer den etwaigen "Antrag" gestellt haben soll, ob dies der Versicherte persönlich, ein Bevollmächtigter oder eine – uU nicht wirksam bevollmächtigte – dritte Person war. Da der Versicherte nur bis 1981 in Deutschland beschäftigt war, längstens bis 1982 in Deutschland gelebt hat und seither (bis zu seinem Tode) dauerhaft in der Türkei lebte, liegt nahe, dass er sich im Zeitpunkt der behaupteten Antragstellung in der Türkei aufhielt, so dass durchaus denkbar erscheint, dass ein Dritter für ihn den (etwaigen) Antrag gestellt haben könnte. In diesem Fall müsste die Beklagte nachweisen, dass diese dritte Person ordnungsgemäß vom Versicherten bevollmächtigt worden ist. Die Person des Erklärenden sowie mögliche Vollmachten des Versicherten lassen sich den gespeicherten Daten nicht entnehmen, so dass eine wirksame, dem Versicherten zurechenbare Antragstellung dem elektronischen Gesamtkontospiegel nicht mit der erforderlichen Sicherheit zu entnehmen ist (LSG NRW, Urteil vom 14.6.2016 – L 18 KN 31/14).
Dem elektronischen Gesamtkontospiegel kann auch nicht die Beweiskraft von öffentlichen Urkunden über amtliche Anordnungen, Verfügungen oder Entscheidungen nach § 417 ZPO zukommen, da er keine amtliche Entscheidung iS eines Verwaltungsakts ist. Im hier maßgeblichen Zusammenhang sind ihm lediglich die Daten "Bescheid 8.8.1983", "Erstattung von 18.1.1966-31.5.1981", "Erstattungsbetrag 834,00 DM" zu entnehmen. Die Höhe des streitigen Erstattungsbetrages von (ehemals) DM 19.964,40 kann ihm nicht ausdrücklich entnommen werden, sondern nur im Wege der Addition des Erstattungsbetrages mit dem nicht näher erläuterten, an anderer Stelle befindlichen Datenzusatz "019130,50". Dies reicht nicht aus, um den elektronischen Gesamtkontospiegel einer öffentlichen Urkunde nach § 417 ZPO gleichstellen zu können. Die Beweiskraft nach dieser Vorschrift umfasst, dass die Anordnung, Verfügung oder Entscheidung tatsächlich erlassen wurde und hierbei den Inhalt hat, der sich aus der Urkunde ergibt, und unter den in der Urkunde angegebenen Umständen ergangen ist, also Beweis erbringt auch hinsichtlich Ort und Zeit (Krafka in: BeckOK ZPO. Stand: 1.9.2019. § 417 RdNr 5). Aus dem elektronischen Gesamtkontospiegel lässt sich nicht entnehmen, ob die dort gespeicherten Daten zuverlässige, sichere Rückschlüsse auf ihren Wahrheitsgehalt zulassen. Mit der Aktenlage nicht (ganz) übereinstimmende Angaben in einem Gesamtkontospiegel hat der Senat in zahlreichen anderen Verfahren feststellen können (vgl zB das bereits mehrfach erwähnte Senatsurteil vom 19.8.2014, Az L 18 KN 45/11). Auch vorliegend finden sich keine elektronisch gespeicherten Angaben (Antragsdatum; Bescheiddatum) über frühere Erstattungsanträge des Versicherten aus 2003-2005, obwohl nach den vom Versicherten vorgelegten Schreiben der Beklagten offensichtlich ein Erstattungsbegehren im Raum stand. Vor diesem Hintergrund ist der Senat nicht davon überzeugt, dass sich aus der bloßen Speicherung von Daten in einem elektronischen Gesamtkontospiegel mit der nötigen Sicherheit entnehmen lässt, dass ein vollständiges Beitragsverfahren stattgefunden hat, zumal sich darin grundsätzlich keine Angaben zur Bekanntmachung eines Erstattungsbescheides und Bewirkung der Leistung finden lassen (LSG NRW, Urteil vom 14.6.2016 – L 18 KN 31/14). Selbstverständlich sind die elektronisch gespeicherten Daten positiv ergiebige Hilfstatsachen, die den Schluss zulassen, dass ein Beitragsverfahren stattgefunden hat. Aber bereits die Formulierungen der Beklagte "Die Beweislage spreche dafür, [ ]" oder des SG "[ ] rechtfertigen die Annahme der Vermutung [ ]" lassen erkennen, dass sich eine an Sicherheit grenzende Wahrscheinlichkeit daraus nicht ergibt.
Im Wege des Augenscheinbeweises kann dem Ausdruck des elektronischen Gesamtkontospiegels allenfalls entnommen werden, dass Bedienstete (oder Beauftragte) der Beklagten die von der Beklagten in Bezug genommenen Daten irgendwann eingegeben und gespeichert haben. Den sicheren Schluss auf die entscheidungserheblichen Tatsachen lässt die Inaugenscheinnahme des elektronischen Gesamtkontospiegel bzw der Ausdrucke nicht zu. Es kann daraus bestenfalls der – allenfalls wahrscheinliche, da Eingabefehler nie ganz auszuschließen sind – Schluss gezogen werden, dass zum Versichertenkonto des Versicherten ein Vorgang existierte, den die Beklagte intern als "Erstattungsverfahren" bewertet und bearbeitet hat. Die eigentlich beweisenden schriftlichen Unterlagen, die Beweisurkunden, das eigentliche Substrat für eine vollständige rechtliche Prüfung des Sachverhalts durch das erkennende Gericht, hat die Beklagte indes vernichtet und damit der gerichtlichen Prüfung entzogen. Selbst die Unterlagen aus den Jahren 2003 bis 2005 waren im Jahr 2008 (also etwa 5 Jahre später) offenbar nicht mehr auffindbar. Soweit die Beklagte vorträgt, das Erstattungsverfahren sei 1983 über die SSK abgelaufen, ihr sei von der Beklagten auch eine Durchschrift des Erstattungsbescheides zugeleitet worden, überrascht, dass dort (weder in Ankara noch in Izmir) der Vorgang dokumentiert ist, sondern – im Gegensatz dazu – 2008 durch die SSK Ankara Erstattungsanträge aufgenommen und weitergeleitet worden sind. Die Nachforschungen des Senats (über die DRV Nordbayern) wie auch diejenigen der Beklagten selbst haben dazu keine weiteren Erkenntnisse zu Tage gefördert. Ein tatsächlicher Anknüpfungspunkt für ein früheres Erstattungsverfahren findet sich auch hier nicht.
Geschehensabläufe, die typischerweise den Schluss auf eine Beitragserstattung zulassen, sind nach dem zuvor Gesagten allein durch die Speicherung von Daten gerade nicht erwiesen. Dies gilt selbst dann, wenn man in Rechnung stellt, dass die zur Beitragserstattung gespeicherten Daten durchaus eine gewisse Plausibilität haben. Den letzten Pflichtbeitrag aus einer Beschäftigung in Deutschland hat der Versicherte im Mai 1981 entrichtet. Nach § 95 Abs 1 S 2 Reichsknappschaftsgesetz (der entgegen der Auffassung der Beklagten hier wohl einschlägig gewesen sein dürfte, aber im Übrigen auch inhaltsgleich zu § 1303 RVO war) war eine Beitragserstattung auch damals erst zwei Jahre nach Ende der versicherungspflichtigen Beschäftigung möglich. Im Zeitpunkt der gespeicherten Antragstellung im Jahr 1983 war diese Frist abgelaufen. Dieser plausible Ablauf reicht nicht für die Annahme eines typischen Geschehensablaufs insgesamt, weil er im Übrigen über die Richtigkeit der dortigen Angaben (Vorliegen eines rechtswirksamen Antrags; wirksame Bekanntgabe eines Erstattungsbescheides; Bewirken der Leistung an den Gläubiger) nichts besagt. Daraus lässt sich mithin nicht typischerweise folgern, dass eine Beitragserstattung immer nach Ablauf der maßgeblichen Wartefrist wirksam durchgeführt worden ist. Überdies sind dem Senat (und damit auch der Beklagten) zahlreiche Fälle bekannt, in denen eine tatsächlich erfolgte Beitragserstattung gar nicht oder nicht zeitnah dokumentiert ist oder eine Beitragserstattung erst später vom Rentenversicherungsträger (zB anlässlich eines Rentenantrags) angeregt worden ist.
Auch aus den Äußerungen des Versicherten ergeben sich (anders als in vielen anderen Verfahren) keine (mittelbaren) Hinweise auf eine Erstattung oder überhaupt den Erhalt eines Geldbetrages (dies unterscheidet den vorliegenden Sachverhalt zB von demjenigen, der dem Urteil des Bayerischen LSG vom 18.11.2009, Az L 13 R 559/08, zugrunde lag, da der dortige Kläger "nach anfänglichem Zögern eingeräumt (hatte), er habe damals einen Geldbetrag erhalten; er (hatte) diesen nur nicht als Beitragserstattung, sondern als Zahlung von Arbeitsentgelt" eingestuft). Er hat im Gegenteil seit etwa 2003 wiederholt gleichlautend darauf hingewiesen, keinen Erstattungsantrag gestellt bzw. keine Erstattungsleistung erhalten zu haben. Jedenfalls ergeben sich aus seinen Angaben aber – und das ist wesentlich – keine im Sinne des Beklagtenvorbringens positiv ergiebigen Tatsachen. Sonstige Hilfstatsachen, die den sicheren Schluss auf eine vollständige Beitragserstattung zulassen, liegen nicht vor.
Es liegt schließlich kein Sachverhalt vor, der zu einer Umkehr der Beweislast oder einer Absenkung des Beweismaßstabs führte. Der Beweisnotstand der Beklagten resultiert in erster Linie daraus, dass sie ihre etwaigen (Original-)Unterlagen zu dem von ihr behaupteten Beitragserstattungsverfahren vernichtet hat, so dass ihr nur noch der elektronische Datenbestand des Versicherungskontos, der Gesamtkontospiegel, zu Nachweiszwecken zur Verfügung steht. Aus dieser Vorgehensweise ergeben sich weder eine Absenkung des Beweismaßstabs noch eine Umkehr der Beweislast oder eine der Beklagten zugutekommende Beweiserleichterung. In Fällen einer Beweisnot (bei typischen und unverschuldeten Beweisschwierigkeiten) kann im sozialgerichtlichen Verfahren im Einzelfall zwar eine Beweiserleichterung angenommen werden, so dass sich das Gericht über Zweifel hinwegsetzen und eine Tatsache als bewiesen ansehen kann (BSG, Urteil vom 2.9.2004, Az B 7 AL 88/03 R, juris RdNr 17; vgl auch Keller. AaO. § 128 RdNr 3e mwN). Selbst wenn ein typischer und unverschuldeter Beweisnotstand vorläge, wäre der Senat jedoch weder befugt, den Beweismaßstab zu verringern (BSG, Urteil vom 27.5.1997, Az 2 RU 38/96, juris RdNr 25; Breitkreuz in: Breitkreuz/Fichte. SGG. Kommentar. 2. Aufl. 2014, § 128 Rdnr 7), noch träte eine Umkehr der Beweislast ein (BSG, Beschluss vom 4.2.1998, Az B 2 U 304/97 B, juris RdNr 4; Breitkreuz. AaO). Nach den dargestellten Grundsätzen können die Beweisschwierigkeiten der Beklagten nicht dazu führen, dass zu ihren Gunsten Beweiserleichterungen eingreifen, so dass an den Beweis der ordnungsgemäßen Beitragserstattung weniger hohe Anforderungen gestellt werden könnten.
Es handelt sich weder um typische noch um unverschuldete Beweisschwierigkeiten. Typische Beweisschwierigkeiten sind solche, die auf den Besonderheiten des jeweiligen Sachverhalts basieren, also etwa regelmäßig eintreten, wenn Versicherte, die im Ausland leben, Rentenleistungen beantragen. Das ist hier nicht der Fall. Vielmehr ist dem Senat aus vielen vergleichbaren Verfahren bekannt, dass andere Rentenversicherungsträger, gelegentlich auch die Beklagte selbst, noch über Unterlagen zu Beitragserstattungsverfahren verfügen, selbst wenn diese vor langer Zeit stattgefunden haben. Dies beruht offenbar auf der weisen Entscheidung, Unterlagen auch nach Ablauf von Aufbewahrungsfristen aufzubewahren, wenn sie zum Nachweis der darin urkundlich belegten Tatsachen noch benötigt werden. Es liegen damit auch keine unverschuldeten Beweisschwierigkeiten vor, da die Beklagte diese selbst dadurch herbeigeführt hat, dass sie die Unterlagen zu dem behaupteten Beitragserstattungsverfahren vernichtet hat. Überdies dürfte der Beklagten auch klar sein, dass die im vorliegenden Fall erwiesene Tatsachenlage nicht ausreicht, um den Beweis einer durchgeführten Beitragserstattung zu führen.
B. Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 183 S 1, 193 Abs 1 S 1 SGG.
C. Gründe, die Revision zuzulassen, liegen nicht vor, § 160 Abs 2 SGG. Maßgeblich für die Entscheidung sind die konkreten Umstände des Einzelfalls.
Erstellt am: 03.01.2020
Zuletzt verändert am: 03.01.2020