Auf die Beschwerde des Klägers wird der Beschluss des Sozialgerichts Dortmund vom 21.04.2011 geändert. Dem Kläger wird für das Klageverfahren vor dem Sozialgericht Dortmund Prozesskostenhilfe bewilligt und Rechtsanwältin Julia L aus T als Rechtsanwältin seiner Wahl beigeordnet. Kosten sind nicht zu erstatten.
Gründe:
Die Beschwerde ist begründet. Zu Unrecht hat das Sozialgericht (SG) abgelehnt, Prozesskostenhilfe zu bewilligen.
Ein Beteiligter, der nach seinen persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen die Kosten der Prozessführung nicht, nur zum Teil oder nur in Raten aufbringen kann, erhält auf Antrag Prozesskostenhilfe, wenn die beabsichtigte Rechtsverfolgung hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet und nicht mutwillig erscheint, §§ 73a Sozialgerichtsgesetz (SGG), 114 Satz 1 Zivilprozessordnung (ZPO). Diese Voraussetzungen liegen hier vor.
Die Rechtsverfolgung, nämlich die Klage gegen den Bescheide der Beklagten vom 03.07.2008 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 03.11.2008 – und die damit verbundene Weiterverfolgung eines Anspruchs auf Rente wegen voller Erwerbsminderung – bietet bei summarischer Prüfung hinreichende Aussicht auf Erfolg. Für die Annahme hinreichender Erfolgsaussicht ist nicht erforderlich, dass der Kläger wahrscheinlich obsiegen wird. Es genügt, dass eine – nicht ganz entfernt liegende – Möglichkeit des Obsiegens besteht (der Ausgang des Verfahrens mithin offen ist), weil entweder eine schwierige Rechtsfrage zu beantworten ist oder vor einer abschließenden Beantwortung der streiterheblichen Fragen weitere Ermittlungen von Amts wegen durchzuführen sind (vgl. dazu Bundesverfassungsgericht(BVerfG), Beschluss vom 20.02.2002, Aktenzeichen (Az) 1 BvR 1450/00, Beschluss vom 29.09.2004, Az. 1 BvR 1281/04 = NJW-RR 2005, 140 ff und Beschluss vom 19.02.2008, Az. 1 BvR 1807/07 = NJW 2008, 1060 ff). So liegt der Fall hier.
Der Ausgang des Verfahrens ist offen. Voraussetzung für einen Rentenanspruch ist zunächst, dass sich volle Erwerbsminderung jedenfalls für März (oder Juli) 2003 feststellen lässt (so wohl die Stellungnahme des Arztes für Sozialmedizin Dr. E vom 19.05.2004 bzw. 28.02.2005, Bl. 93 des Gutachtenhefts). Die Ausführungen des vom SG nach Lage der Akten gehörten Sachverständigen Facharzt für Innere Medizin/Kardiologie Prof. Dr. K sind dazu nicht eindeutig (vgl. S 13f des Gutachtens vom 12.01.2011). Zur abschließenden Klärung erscheinen weitere Ermittlungen (Einschaltung eines Diabetologen und/oder Nervenarztes geboten, günstigstenfalls mit Kenntnis serbokroatischer Sprache zur qualifizierten Auswertung sämtlicher aktenkundiger Befundunterlagen). Falls zutrifft, dass die Zugangsvoraussetzungen zur Rente (§ 43 Abs 2 Satz 1 Nr 2 Sechstes Buch Sozialgesetzbuch (SGB VI)) längstens bis Dezember 2002 erfüllt waren (Stellungnahme der Beklagten vom 05.10.2010, deren Richtigkeit nach Lage der Akten nahe liegt), ist ergänzend zu klären, ob im Rahmen sachverständiger medizinischer Beurteilung ein sicherer Rückschluss möglich ist, dass der Zustand, der ab März (Juli) 2003 vorlag, die Annahme voller Erwerbsminderung schon 3 (oder 7) Monate früher rechtfertigt. Darauf, ob – wie der Kläger vorträgt – die bereits durchgeführten Ermittlungen des SG es rechtfertigen, auf einen erst danach gestellten Antrag Prozesskostenhilfe zu bewilligen, kommt es nicht mehr an.
Keine offene Rechtsfrage ist allerdings, ob – wie der Kläger offenbar meint – der Bezug einer "Invalidenrente" in Bosnien-Herzegowina seit 1997 einen Aufschub- oder Streckungstatbestand iS von § 43 Abs 1 Nr 1 SGB VI oder eine Anwartschaftserhaltungszeit iS von § 241 Abs 2 SGB VI darstellt. Das ist nicht der Fall, wie das Bundessozialgericht (BSG) bereits mehrfach zutreffend entschieden hat (BSG SozR 3-2200 § 1246 Nr 46 = NZS 1994, 567ff; BSG SozR 3-2600 § 197 Nr 4; BSG SozSich 2003, 251; BSG SGb 200, 616; zustimmend zuletzt Bay LSG Urteil vom 29.10.2010; Aktenzeichen (Az) L 13 R 799/09). Deshalb führte ein erst für 2008 erwiesener (erneuter) Versicherungsfall der vollen Erwerbsminderung aus den Gründen der angefochtenen Bescheide nicht zu einem Rentenanspruch.
Da in Verfahren wie dem vorliegenden regelmäßig nicht einfach zu beurteilende Tatsachen- und Rechtsfragen zu beantworten sind, ist die Vertretung durch einen Rechtsanwalt erforderlich, § 121 Abs 2 ZPO.
Der Kläger ist nach seinen persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen nicht, auch nicht zum Teil oder in Raten, in der Lage, die Kosten der Prozessführung aufzubringen, § 115 ZPO. Dies ergibt sich aus den von ihm vorlegten Belegen über eine bosnische "Invalidenrente" von etwa 115 EUR monatlich und Einkünften aus der Landwirtschaft von etwa 67 EUR monatlich und seiner beglaubigten Erklärung, dass weitere Einkünfte nicht vorliegen.
Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 73 a Abs 1 Satz 1 SGG, 127 Abs 4 ZPO.
Diese Entscheidung kann nicht mit der Beschwerde an das Bundessozialgericht angefochten werden, § 177 SGG.
Erstellt am: 20.03.2012
Zuletzt verändert am: 20.03.2012