Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Gelsenkirchen vom 28. März 2000 wird zurückgewiesen. Kosten sind auch im zweiten Rechtszug nicht zu erstatten. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Streitig ist die Anerkennung und Entschädigung einer "chronischen obstruktiven Bronchitis oder eines Emphysems von Bergleuten unter Tage im Steinkohlenbergbau bei Nachweis der Einwirkung einer kumulativen Dosis von in der Regel 100 Feinstaubjahren [(mg/m³) x Jahre]" als oder wie eine Berufskrankheit (BK).
Der im Februar 1938 geborene Kläger war während seines gesamten Berufslebens als Bergmann unter Tage im Steinkohlenbergbau beschäftigt. 1990 kehrte er ab und bezieht seither Altersrente.
Bei einer medizinischen Rehabilitationsmaßnahme im Sommer 1985 wurde u. a. die Diagnose einer chronischen Bronchitis gestellt (Befund: Leises Vesikuläratmen mit Giemen und Brummen bds. basal; Epikrise u. a.: chronische Bronchitis, wahrscheinlich im Zusammenhang mit beruflicher Staubexposition in Kohlebergbau).
Im September 1985 veranlasste der damalige Hausarztes Dr. H eine Lungenfunktionsprüfung durch Prof. S aus C. Dieser fand keinen Anhalt für eine obstruktive Ventilationsstörung, jedoch eine gesteigerte bronchiomotorische Erregbarkeit als Zeichen einer asthmatischen Bereitschaft (Bericht vom 27.09.1985). Anfang November 1985 wurde der Kläger von Prof. L, Leitender Arzt der Klinik für Pneumologie der Ruhrlandklinik F, untersucht. Die Lungenfunktionsprüfung ergab ganzkörperplethysmographisch eine leichte Überblähung und eine leichte Obstruktion (Bericht vom 08.11.1985).
Im November 1985 zeigte Dr. H der Beklagten eine BK Nr. 4101 (= Quarzstaublungenerkrankung-Silikose) im Sinne der damaligen Anlage 1 zur Berufskrankheitenverordnung (= Berufskrankheitenliste) an: Der Kläger berichte seit 1979 über Atemnot, Schwindelanfälle und Brustschmerz; dies sei auf die Arbeit unter Tage bei Steinstaub zurückzuführen. Die Beklagte ließ eine Röntgenaufnahme des Thorax fertigen und legte diese dem Staatlichen Gewerbearzt/ Institut für Arbeitsmedizin in C zur Prüfung vor, der darauf eine leichtgradige silikotische Lungenstrukturierung des Typs qq 1/1 tbu fand (Gutachterliche Stellungnahme des Dr. C vom 20.02.1986). Dr. H reichte noch eine ärztliche Stellungnahme der Bundesknappschaft vom Februar 1986 zu den Akten, worin der Arbeitgeber gebeten wurde, über eine Umsetzung des Klägers nachzudenken. Dieser könne wegen Staubveränderungen an der Lunge und chronischer Bronchitis nur noch an staubarmen Betriebspunkten beschäftigt werden. Die Beklagte lehnte die Anerkennung und Entschädigung einer BK 4101 ab, da nur eben leichtgradige silikotische Lungenveränderungen bestünden (Bescheid vom 17.03.1986).
Im März 1997 zeigte der Arzt für Innere Medizin, Lungen- und Bronchialheilkunde Dr. T aus H eine Berufskrankheit "chronische obstruktive Bronchitis der Bergleute unter Tage im Steinkohlenbergbau" an.
Der Internist Dr. N aus E fand auf einer von Dr. T gefertigten Thorax-Röntgenaufnahme Quarzstaublungenveränderungen leichter Streuung entsprechend der ILO-Klassifikation qq 1/1 tbu od bei Aortensklerose, die er als "röntgenkonstante eben leichtgradige Silikose" bezeichnete (Stellungnahme vom 27.06.1997). Auf dieser Grundlage erkannte die Beklagte eine BK 4101 an, lehnte jedoch wegen fehlender funktioneller Auswirkungen die Gewährung einer Verletztenrente ab (Bescheid vom 31.07.1998; Widerspruchsbescheid vom 15.12.1998).
Sie ermittelte weiter, dass der Kläger bei Annahme ungünstigster Voraussetzungen während seines Berufslebens einer Feinstaubdosis von 161 Feinstaubjahren ausgesetzt war (Stellungnahme vom 12.08.1997). Dr. T berichtete, der Kläger sei dort unter der Diagnose einer chronischen, obstruktiven Bronchitis sowie des Verdachts auf eine inaktive Lungen-TBC seit Juni 1988 in Behandlung. Seit 1988 lägen eine Atemwegsobstruktion sowie eine Überblähung der Lunge vor. Es bestehe eine Silikose p 1/1 sowie alte, kleinknotige TBC-Residuen in beiden Lungenspitzen und kleine knotige Kalkherde in beiden Unterfeldern (Bericht vom 30.09.1997). In seinem später für die Beklagte erstellten Gutachten führte er aus, der Kläger klage seit Jahren über Atemnot und Husten. Die Untersuchungen 1988 hätten keine wesentliche Überblähung oder Atemwegsobstruktion ergeben. Jetzt bestehe eine chronische obstruktive Bronchitis mit jetzt erstmals eindeutig gesicherten obstruktiven Ventilationsstörungen. Ein Lungenemphysem bestehe weder nach den radiologischen Befunden noch nach der Lungenfunktionsanalyse.
Für die Krankheit sei die Feinstaubbelastung wesentliche Ursache. Als Folgen lägen jetzt eine mittelschwere Atemwegsobstruktion und [eine] Überblähung vor, die erstmals am 23. September 1996 festgestellt werden konnten. Zu diesem Zeitpunkt sei der Versicherungsfall eingetreten (Gutachten vom 24.02.1998). Prof. Dr. T1, Leitender Arzt der Berufsgenossenschaftlichen Kliniken C, Medizinische Klinik und Poliklinik C, stellte die Diagnosen einer deutlichen Obstruktion sowie eines mittelschweren Emphysems und meinte, der Erkrankungsbeginn liege eindeutig vor dem 01.01.1993, nämlich bereits im Jahre 1985. (Stellungnahmen vom 28.04. und 19.10.1998).
Die Beklagte lehnte die Anerkennung und Entschädigung einer BK Nr. 4111 ab, weil die Erkrankung beim Kläger bereits vor dem in der BKV vorgesehenen Stichtag eingetreten sei (Bescheid vom 31.07.1998; Widerspruchsbescheid vom 15.12.1998).
Mit seiner am 07. Januar 1999 erhobenen Klage hat der Kläger vorgetragen, dem Gutachten des Dr. T sei zu folgen, und behauptet, eine chronische obstruktive Bronchitis sei im Sinne eines Leistungsfalls erstmals durch die Untersuchung bei Dr. T am 24. Februar 1998 nachgewiesen worden. Er hat sich durch das Ergebnis der Beweisaufnahme bestätigt gesehen und zur weiteren Begründung einen Arztbericht des Dr. T vom Juni 1988 (gerichtet an Dr. H) vorgelegt, worin als Diagnosen "chronische Bronchitis mit hyperreagiblem Bronchialsystem" und "Verdacht auf inaktive Lungentuberkulose" genannt sind. Weiter heißt es dort, seit zwei Jahren bestehe Atemnot, vor allem im Liegen, und Husten, jetzt eher weniger. Die Ganzkörperplethysmographie zeige keine Restriktion, totale Lungenkapazität 6,9 l, keine Überblähung, Residualvolumen 2,6 l, und allenfalls eine leichte Atemwegsobstruktion mit einer Erhöhung des Atemwegswiderstandes [ …]. Es empfehle sich ein Behandlung mit Salbutamol, 6 x 2, Beclometason, 3 x 2, sowie Theophyllin, 200 mg zur Nacht (Bericht vom 22.06.1988).
Der Kläger hat beantragt,
die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 31.07.1998 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 15.12.1998 zu verurteilen, ihm wegen einer chronischen obstruktiven Bronchitis bzw. wegen eines Lungenemphysems eine Verletztenrente auf der Grundlage einer MdE in rentenberechtigendem Grade zu gewähren.
Die Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie hat ihre Entscheidung weiter für zutreffend gehalten. Dem Gutachten des Sachverständigen Prof. T2 sei nicht zu folgen, durch das Gutachten des Sachverständigen Dr. Wl sehe sie sich bestätigt. Sie hat dazu zwei Stellungnahmen von Prof. S vorgelegt, wonach nicht der geringste Zweifel bestehe, dass die chronische obstruktive Bronchitis seit 1985 vorliege. Bereits bei der im September 1985 durchgeführten Untersuchung habe sich der Beginn einer obstruktiven Atemwegserkrankung abgezeichnet (Stellungnahmen vom 23.03. und 26.08. 1999).
Der vom Sozialgericht (SG) zunächst befragte Prof. T2, Arzt für Innere Medizin, Arbeitsmedizin und Pneumologie aus N, hat gemeint, die 1985 erhobenen Befunde seien nicht eindeutig, Prof. L weise ausdrücklich auf eine schlechte Atemtechnik hin. Die 1985 und 1988 gemessenen Werte reichten nicht aus, um die Diagnose "chronische obstruktive Bronchitis" ohne jeden vernünftigen Zweifel zu stellen. Erst ab September 1996 sei eine leichtgradige Atemwegsobstruktion dokumentiert. Dies sei der früheste Zeitpunkt, für den man den Eintritt eines Versicherungs- und Leistungsfalls annehmen könne. (Gutachten vom 02.03.1999 mit ergänzender Stellungnahme vom 21.04.1999). Das SG hat außerdem den Pneumologen Dr. W aus J als Sachverständigen gehört, der gemeint hat, unter Würdigung der aktenkundigen Befunde sei erwiesen, dass der Kläger seit November 1985 an einer "chronisch obstruktiven Bronchitis" leide. Die Zweifel an der Validität der Lungenfunktionsuntersuchung von November 1985 sowie der Untersuchungsbefunde vom Juni 1988, die Prof. Dr. T2 empfinde, teile er nicht (Gutachten vom 29.11.1999).
Das SG hat die Klage abgewiesen. Es hat unter Bezugnahme auf die Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) gemeint, die in der BKV enthaltene Stichtagsregelung sei rechtmäßig, und sich in der Sache den Ausführungen des Dr. W angeschlossen, wonach der Versicherungsfall vor dem maßgeblichen Stichtag eingetreten ist (Urteil vom 28. März 2000, zugestellt am 27. April 2000).
Hiergegen hat der Kläger am 05. Mai 2000 Berufung eingelegt: Die aktenkundigen Befunde reichten für die sichere Feststellung des Versicherungsfalles vor dem Stichtag nicht aus. Der 1985 durch Prof. L erhobene Befund stelle einen einmaligen Befund dar. Die 1985 gemessenen Werte könnten durchaus durch einen grippalen Infekt oder eine akute Bronchitis verursacht gewesen sein. Erst ab 1996 (und nicht etwa schon 1985) sei ihm eine antiobstruktive Medikation verordnet worden. Außerdem habe er bis 1990 vollwertig unter Tage gearbeitet. Zuletzt hat er ärztliche Bescheinigungen über werksärztliche Untersuchungen in den Jahren 1983 und (August) 1985 vorgelegt, wonach keine gesundheitlichen Bedenken gegen Arbeiten unter Tage bestehen.
Der Kläger beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Gelsenkirchen vom 28. März 2000 zu ändern und die Beklagte unter Abänderung des Bescheides vom 31. Juli 1998 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 15. Dezember 1998 zu verurteilen, ihm wegen der Folgen einer Berufskrankheit nach Nr. 4111 der Anlage zur Berufskrankheitenverordnung eine Verletztenrente in Höhe von mindestens 20 v. H. der Vollrente zu zahlen.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie hat das angefochtene Urteil für zutreffend gehalten. Durch das Ergebnis der zweitinstanzlichen Beweisaufnahme hat sie sich bestätigt gesehen.
Der Senat hat Befundberichte von Dr. H, Dr. T und vom Internisten Dr. O aus H beigezogen. Dr. H hat ausgeführt, die Vorstellungen bei den verschiedenen Lungenärzten 1985 seien auf Wunsch des Klägers erfolgt. Von seiner Seite sei diagnostisch oder therapeutisch in dieser Hinsicht nichts veranlasst worden (Befundbericht vom 18.05.2001 und vom Kläger vorgelegter Bericht des Dr. H an den Sachverständigen Dr. W vom 28.10.1999).
Der vom Senat als Sachverständiger befragte Prof. L hat in Auswertung der Befunde gemeint, beim Kläger liege bereits seit 1985 ohne jeden vernünftigen Zweifel eine chronische obstruktive Bronchitis vor. Die später erhobenen Befunde wichen nicht wesentlich von den bereits im Jahre 1985 erhobenen ab (Gutachten vom 06.11.2001 mit ergänzender Stellungnahme vom 13.03.2002).
Wegen der Darstellung der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstands wird auf den Inhalt der Gerichtsakten und der beigezogenen Verwaltungsakten der Beklagten zu den Berufskrankheiten (BKen) Nr. 4101 und "CBE" sowie der von der behandelnden Ärzten Dres. T und O zu den Akten gereichten Krankenunterlagen Bezug genommen, der Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen ist.
Entscheidungsgründe:
Die Berufung ist unbegründet.
Zu Recht hat des SG die ablehnende Entscheidung der Beklagten bestätigt. Der Kläger ist durch den Bescheid vom 21. Juli 1998 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 15. Dezember 1998 (§ 95 Sozialgerichtsgesetz (SGG)) nicht beschwert, weil dieser Bescheid nicht rechtswidrig ist, § 54 Abs. 2 Satz 1 SGG. Denn der geltend gemachte Anspruch auf Anerkennung einer chronischen obstruktiven Bronchitis als oder wie eine BK und Entschädigung der gesundheitlichen Folgen durch eine Verletztenrente besteht nicht. Zwar leidet der Kläger nachweislich an einer BK Nr. 4111 der Anlage zur Berufskrankheitenverordnung (BKV) vom 31. Oktober 1997 (BGBl I 2623), indes kann diese nicht als Berufskrankheit anerkannt werden, weil der Versicherungsfall vor dem 01. Januar 1993 (also nicht nach dem 31. Dezember 1992) eingetreten ist, § 6 Abs. 1 BKV. Dies steht zur Überzeugung des Senats als Ergebnis der umfangreichen Beweisaufnahme fest.
Der geltend gemachte Anspruch richtet sich noch nach dem alten, vor Inkrafttreten des Siebten Buches Sozialgesetzbuch (SGB VII) am 01. Januar 1997 maßgeblichen Recht des Reichsversicherungsordnung (RVO), weil der Kläger unter Bezugnahme auf Dr. T und Prof. T2 einen Anspruch geltend macht, der bereits vor diesem Zeitpunkt (nämlich im September 1996) entstanden sein soll, §§ 212 SGB VII, Art. 36 des Gesetzes zur Einordnung des Rechts der gesetzlichen Unfallversicherung in das Sozialgesetzbuch (Unfallversicherungs- Einordnungsgesetz – UVEG). Daneben ist die während des Verfahrens am 01. Dezember 1997 in Kraft getretene neue Fassung der BKV, in deren Anlage die streitige Krankheit als BK 4111 neu aufgenommen worden ist, maßgeblich, da sie mit Inkrafttreten auf alle zu diesem Zeitpunkt noch nicht bestandskräftig abgeschlossenen Verfahren anzuwenden ist (BSGE 85, 24ff = SozR 3-2200 § 551 Nr. 13).
Beim Kläger besteht schon während des gesamten Zeitraums, auf den sich sein Anspruchsbegehren bezieht, eine Berufskrankheit im Sinne der §§ 548 Abs. 1 Satz 1, 551 Abs. 1 RVO, 1 BKV, nämlich eine chronische obstruktive Bronchitis im Sinne der BK Nr. 4111 der Anlage zur BKV. Denn alle gehörten Ärzte haben bei ihm eine chronische obstruktive Bronchitis festgestellt, die mit Wahrscheinlichkeit auf die ermittelte Feinstaubexposition von 161 Feinstaubjahren während der Tätigkeit im Steinkohlenbergbau unter Tage zurückzuführen ist. Das ist zwischen den Beteiligten unstreitig und nach dem insoweit eindeutigem Ergebnis der Beweisaufnahme auch nicht anzuzweifeln. Gleichwohl besteht kein Anspruch auf Anerkennung und Entschädigung dieser BK, weil die Beklagte dem zu Recht entgegenhält, dass der Versicherungsfall vor dem 01. Januar 1993 eingetreten ist (Ausschlussgrund des § 6 Abs. 1 BKV).
§ 6 Abs. 1 BKV ist vorliegend anwendbar. Insbesondere verstößt diese sogenannte "Stichtagsregelung" ungeachtet der Beobachtungspflicht des Gesetzgebers (vgl. zu den entsprechenden Pflichten des Gesetzgebers BVerfGE 87, S. 348 ff., 358; 88, S. 203 ff., 309-311) nicht gegen Vorschriften des Grundgesetzes. Dies hat das SG in den Entscheidungsgründen seines Urteils umfassend und überzeugend dargelegt, so dass der Senat hierauf zur Vermeidung von Wiederholungen Bezug nimmt, § 153 Abs. 2 SGG. Das SG befindet sich dabei in Einklang mit der Rechtsprechung des Senats (Urteile vom 12. Oktober 2000, L 2 KN 204/99 U und L 2 KN 1/00 U) und derjenigen des Landessozialgericht Rheinland-Pfalz (Urteile vom 02. Mai 2000, L 5 KN-U 1/99 und vom 16. Mai 2000, L 5 KN-U 5/99). Der weitere Zeitablauf gibt keine Veranlassung zu einer anderen Sichtweise.
Die Voraussetzungen des § 6 Abs. 1 BKV liegen vor, weil sich mit der erforderlichen, an Sicherheit grenzenden Wahrscheinlichkeit (vgl. hierzu die o. g. Entscheidungen des Senats vom 12. Oktober 2000) feststellen lässt, dass der Versicherungsfall bereits im November 1985 eingetreten ist. Diese Erkenntnis gründet sich auf die Beurteilung der Sachverständigen Dr. W und Prof. Dr. L, die die aktenkundigen Befundunterlagen ausgewertet und in nachvollziehbarer Weise in diesem Sinne beurteilt haben. Die erforderliche Diagnosesicherheit ergibt sich bei retrospektiver Beurteilung des Krankheitsverlaufes aus den in den Jahren 1985 und 1988 erhobenen Befunden. Diese lassen – jedenfalls zusammen genommen – den sicheren Schluss auf die Diagnose einer chronischen obstruktiven Bronchitis seit November 1985 zu.
Bereits vor November 1985 lag beim Kläger eine chronische Bronchitis vor, die spätestens seit November 1985 mit einer – leichten – obstruktiven Komponente einherging. Im Sommer 1985 wurde bei der Kur in C1 eine chronische Bronchitis mit Atemnot, Giemen und Brummen festgestellt. Prof. S hat einige Wochen später eine gesteigerte bronchiomotorische Erregbarkeit festgestellt, allerdings noch keinen Anhalt für eine obstruktive Belüftungsstörung gefunden. Retrospektiv hat er allerdings später gemeint, bereits im September 1985 habe sich der Beginn der obstruktiven Atemwegserkrankung abgezeichnet. Spätestens am 08. November 1985 hat Prof. Dr. L dann Befunde erhoben, die den Schluss auf eine – wenn auch nur leichte – Obstruktion zulassen. Genügte dies allein noch nicht für die erforderliche Diagnosesicherheit, so wird diese spätestens mit den von Dr. T im Juni 1988 erhobenen Befunden erreicht. Dieser Arzt hat in seinem Befundbericht vom 30. September 1997, aber auch bereits in seinem an den Hausarzt Dr. H gerichteten Bericht vom 22. Juni 1988 (der sich ebenfalls auf eine ganzkörperplethysmographische Untersuchung gründete) ausgeführt, er habe bereits 1988 eine Atemwegsobstruktion festgestellt (vgl. insoweit auch seinen Bericht an das Versorgungsamt H vom 05. Februar 1990). Folglich hat er bereits damals eine Behandlung unter anderem mit Salbutamol und Theophyllin empfohlen, also mit Medikamenten, die auch (Salbutamol) bzw. vorwiegend bis ausschließlich (Theophyllin) bei obstruktiven Atemwegserkrankungen verordnet werden (vgl. Rote Liste 2001, Arzneimittelverzeichnis für Deutschland einschließlich EU-Zulassungen und bestimmter medizinischer Produkte, 28026-29; 28173-77). Sein Gutachten vom 24. Februar 1998 steht dazu nicht in Widerspruch. Darin führt er lediglich aus, dass die Untersuchung 1988 keine wesentliche [ …] Atemwegsobstruktion ergeben habe und eine mittelschwere Atemwegsobstruktion erstmals am 23. September 1996 festgestellt werden konnte. Für die Annahme eines Versicherungsfalles bedarf es aber keiner mittelschweren Obstruktion, vielmehr genügt dazu eine – auch leichte – zentrale oder periphere obstruktive Komponente. Eine solche hatte Dr. T aber bereits 1988 festgestellt, wie er dem Senat gegenüber nochmals bestätigt hat ("leichte Atemwegsobstruktion", Befundbericht vom 12. Dezember 2000).
Mögen die 1985 und 1988 erhobenen Befunde auch jeweils für sich genommen nicht beweisend für eine chronische obstruktive Bronchitis sein, so ist doch nachvollziehbar, dass die Gesamtbewertung der 1985 und 1988 erhobenen Befunde einen solchen Schluss rechtfertigt, wie die Sachverständigen Dr. W und Prof. L im Einzelnen darlegen. Denn sie zeigen das Bild einer zunächst nur chronischen, später auch obstruktiven Bronchitis, die von November 1985 bis heute durchgehend auf einem vergleichsweise stabilem Niveau fortbesteht. Diese Kontinuität wird durch die anamnestischen Angaben des Klägers bestätigt. So hatte er im Juni 1988 bei Dr. T angegeben, seit 2 Jahren unter Atemnot, vor allem im Liegen, und Husten zu leiden. Bei dem Internisten Dr. G aus H (die Untersuchung war von der Bundesknappschaft angeordnet worden) hatte er 1990 über eine seit ca. 10 Jahren bestehende Atemnot beim Treppensteigen ohne wesentliche Zunahme geklagt. Den zuletzt vorgelegten ärztlichen Bescheinigungen vom Mai 1983 und August 1985 kommt kein Beweiswert zu, weil sie aus der Zeit vor November 1985 stammen. Die Anfrage der Bundesknappschaft von Februar 1986 dokumentiert vielmehr, dass es zwischenzeitlich zu einer Verschlechterung des Gesundheitszustandes gekommen ist. Wesentliche Einwände gegen diese Argumentation lassen sich aus dem Gutachten des Sachverständigen Prof. Dr. T2 nicht herleiten. Dieser hat lediglich ausgeführt, er könne sich nicht davon überzeugen, dass die früher erhobenen Befunde ohne jeden vernünftigen Zweifel die Diagnose einer chronischen obstruktiven Bronchitis zuließen. Eine Begründung fehlt.
Auch eine Entschädigung der chronischen obstruktiven Bronchitis wie eine Berufskrankheit kommt nicht in Betracht, § 551 Abs. 2 RVO. Denn mit dem Inkrafttreten der BKV zum 01. Dezember 1997 und der dabei erfolgten Aufnahme der chronischen obstruktiven Bronchitis [ …] als BK in die Berufskrankheitenliste (= Anlage zur BKV) kommt – auch für den vorangehenden Zeitraum – in noch nicht bestandskräftig abgeschlossenen Verfahren eine Anerkennung dieser Krankheit wie eine BK wegen des Vorrangs der Entscheidung des Verordnungsgebers vor derjenigen der Verwaltung nicht mehr in Betracht (BSGE 85, 24, 31f = SozR3-2200 § 551 Nr. 13 m.w.N.).
Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 183, 193 Abs. 1 SGG.
Anlass, die Revision zuzulassen, besteht nicht, § 160 Abs. 2 SGG. Insbesondere hat die Rechtssache keine grundsätzliche Bedeutung, da die maßgeblichen Rechtsfragen bereits höchstrichterlich geklärt sind und die konkrete Entscheidung auf den besonderen Gegebenheiten des Einzelfalles beruht, § 160 Abs. 2 Nr. 2 SGG.
Erstellt am: 19.02.2004
Zuletzt verändert am: 19.02.2004