Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Gelsenkirchen vom 9.8.2002 wird zurückgewiesen. Kosten sind auch im zweiten Rechtszug nicht zu erstatten. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Streitig ist der Anspruch auf Gewährung von Rente wegen Berufsunfähigkeit (BU).
Der 1962 geborene türkische Kläger kam 1974 nach Deutschland, besuchte 2 Jahre eine Schule und wurde am 1.9.1977 als Jungbergmann im deutschen Steinkohlenbergbau angelegt. Bis zum 28.2.1991 arbeitete er unter Tage, zuletzt als Hauer in der Gewinnung (entlohnt nach der Lohngruppe 11 Unter Tage der Lohnordnung für den rheinisch-westfälischen Steinkohlenbergbau = Anlage 4 des Manteltarifvertrags für die Arbeitnehmer des rheinisch-westfälischen Steinkohlenbergbaus – LO). Nach längerer Arbeitsunfähigkeit wechselte er zum 30.6.1992 in die Tätigkeit eines Bandwärters (Lohngruppe 4 Unter Tage LO). Die Beklagte gewährte ab Dezember 1991 Rente für Bergleute auf Dauer. Zum 31.3.1996 kehrte der Kläger ab und ist seither arbeitslos. Er ist im Besitz einer gültigen Erlaubnis, die ihn zum Führen eines PKWs berechtigt.
Im Dezember 1999 beantragte der Kläger Rente wegen BU "wegen Wirbelsäule, Schulter, Ellenbogen und Speiseröhre". Dr. H vom Sozialmedizinischen Dienst der Beklagten (SMD) Gelsenkirchen hielt den Kläger vor allem wegen einer Minderbelastbarkeit des Stütz- und Bewegungsapparates für nicht mehr in der Lage, körperlich schwere Tätigkeiten auszuüben oder solche, die die Wirbelsäule belasten oder die überwiegend in Zwangshaltung verrichtet werden müssen. Auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt komme ua noch die Tätigkeit als Auslieferungsfahrer im Arzneimittelgroßhandel in Betracht (Gutachten vom 31.5.2000).
Die Beklagte lehnte den Rentenantrag ab, weil der Kläger die Tätigkeit eines Auslieferungsfahrer im Arzneimittelgroßhandel noch vollschichtig und vollwertig versehen könne (Bescheid vom 5.7.2000, Widerspruchsbescheid vom 13.2.2001).
Mit seiner noch im Februar 2001 erhobenen Klage hat der Kläger vorgetragen, es seien keine zumutbaren Verweisungstätigkeiten mehr zu erkennen. Die Tätigkeit eines Auslieferungsfahrers im Arzneimittelgroßhandel komme nicht mehr in Betracht, weil es auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt keine ausreichende Zahl entsprechender Arbeitsplätze mehr gebe.
Der Kläger hat beantragt,
die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 5.7.2000 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 13.2.2001 zu verurteilen, bei ihm für die Zeit ab dem 13.12.1999 einen Zustand der Berufsunfähigkeit anzunehmen und entsprechende Leistungen nach weiterer Maßgabe der gesetzlichen Bestimmungen zu gewähren.
Die Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie hat ihre Entscheidung weiter für zutreffend gehalten.
Die vom Sozialgericht (SG) eingeschaltete Sachverständige, Chirurgin Dr. E aus C, hat beim Kläger die Gesundheitsstörungen "Wirbelsäulensyndrom, Verschleißleiden der großen und kleinen Gelenke der Extremitäten und Magenleiden" diagnostiziert. Wirbelsäulenbelastende Tätigkeiten mit häufigen Zwangshaltungen, ständiger Rumpfbeugevorhaltung sowie Überkopfarbeiten und schultergelenksbelastende Tätigkeiten mit ständigen Überkopfarbeiten und Arbeiten in Armvorhalteposition seien nicht mehr zumutbar. Extrem belastende Tätigkeiten mit ständig knienden und hockenden Zwangshaltungen oder kriechendem Bewegungsablauf sollten nicht mehr abverlangt werden. Es bestehe jedoch vollschichtige Leistungsfähigkeit für eine leichte bis mittelschwere Tätigkeit in einem Verhältnis von 50: 50. Eine wesentliche Einschränkung des geistigen Leistungsvermögens habe sie nicht gefunden. Die Tätigkeit eines Auslieferungsfahrers im Arzneimittelgroßhandel sei zumutbar (Gutachten vom 4.10.2001 und 22.10.2001). Der auf Antrag des Klägers als Gutachter eingeschaltete Orthopäde Dr. T, St. N-Hospital C1, hat diese Leistungsbeurteilung im Wesentlichen bestätigt (Gutachten vom 08.03.2002).
Das SG hat die Klage abgewiesen, weil der Kläger auf die ihm zumutbare Tätigkeit des Auslieferungsfahrers im Arzneimittelgroßhandel verwiesen werden könne (Urteil vom 9.8.2002).
Mit seiner Berufung verfolgt der Kläger sein Begehren weiter. Die von der Beklagten benannten Verweisungstätigkeiten seien ihm nicht zumutbar. Die vom SG angenommene Tätigkeit des Auslieferungsfahrers im Arzneimittelgroßhandel komme schon deshalb nicht mehr in Betracht, weil es zwischenzeitlich an der erforderlichen Zahl von Arbeitsplätzen auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt fehle. Die Tätigkeit des Automatenauffüllers im Tabakwarengroßhandel sei ihm objektiv nicht zumutbar, überdies bestünden tiefgreifende (verfassungs-)rechtliche Bedenken gegen die Verweisung auf eine solche Tätigkeit, die der Volksgesundheit in erheblichem Umfange schade.
Der Kläger beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Gelsenkirchen vom 9.8.2002 zu ändern und die Beklagte unter Abänderung des Bescheides vom 5.7.2000 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 13.2.2001 zu verurteilen, ihm ab dem 1.1.2000 Versichertenrente wegen Berufsunfähigkeit auf Dauer zu gewähren.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Die angefochtene Entscheidung sei im Ergebnis zutreffend. Der Kläger könne jedenfalls auf die Tätigkeit des Automatenauffüllers im Tabakwarengroßhandel verwiesen werden.
Der Senat hat berufskundliche Unterlagen zu den Berufsbildern des Auslieferungsfahrers im Arzneimittelgroßhandel, des Tankstellenkassierers an Selbstbedienungstankstellen und des Automatenauffüllers im Tabakwarengroßhandel zum Gegenstand des Verfahrens gemacht. Die Sachverständige Dr. E hat dazu ergänzend ausgeführt, der Kläger sei durchaus noch in der Lage, eine Tätigkeit als Zigarettenautomatenauffüller in Vollschichtigkeit und Regelmäßigkeit zu verrichten, dies sogar in einem zeitlichen Rahmen von 10 Stunden und gegebenenfalls mehr pro Tag. Letztlich handele es sich dabei sogar um eine fast ideale Tätigkeit, die in einem gewissen Wechsel der Körperposition nicht ausschließlich im Freien, sondern auch anteilig in geschlossenen Räumen (PKW) stattfindet und eine höherwertige Hebe- und Tragebelastung, die über das Kriterium einer mittelschweren Tätigkeit hinausgeht, nicht beinhaltet. Sie könne keine gesundheitlichen Gründe erkennen, die einer solchen Tätigkeit entgegen stünden (Stellungnahme vom 2.12.2005).
Entscheidungsgründe:
Die Berufung ist unbegründet. Das SG hat die Klage zu Recht abgewiesen. Die Bescheide der Beklagten vom 5.7.2000 und 16.2.2001 beschweren den Kläger nicht, § 54 Abs 2 Satz 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG). Sie sind rechtmäßig, weil der streitige Anspruch auf Rente wegen BU nicht besteht.
Der Anspruch des Klägers auf Gewährung von Rente wegen BU richtet sich noch nach § 43 Abs 1 Satz 1 Sechstes Buch Sozialgesetzbuch (SGB VI) in der bis zum 31.12.2000 geltenden Fassung vom 24.03.1999 (alte Fassung – aF), weil der Kläger den Rentenantrag im Dezember 1999 gestellt hat und eine Rentengewährung ab 1. Januar 2000 streitig ist (§ 300 Abs 2 SGB VI). Da der Kläger nach dem 1. Januar 1961 geboren ist (und deshalb die Übergangsregelung des § 240 SGB VI keine Anwendung findet), setzt der Anspruch auf Rente wegen BU (alten Rechts) für die Zeit ab 1. Januar 2001 zudem voraus, dass der Rentenanspruch am 31. Dezember 2000 bereits bestanden hat (§§ 300 Abs 5, 302b Abs 1 Satz 1 SGB VI). Ein Anspruch des Klägers auf Rente wegen BU hat bis zum 31.12.2000 schon deshalb nicht bestanden, weil der Kläger bis dahin nicht berufsunfähig war, § 43 Abs 1 Satz 1 Nr 1 iVm Abs 2 SGB VI.
Gemäß § 43 Abs 2 Satz 1 SGB VI aF sind berufsunfähig Versicherte, deren Erwerbsfähigkeit wegen Krankheit oder Behinderung auf weniger als die Hälfte derjenigen von körperlich, geistig und seelisch gesunden Versicherten mit ähnlicher Ausbildung und gleichwertigen Kenntnissen und Fähigkeiten gesunken ist. Die verbliebene Berufsfähigkeit darf mithin nur noch für weniger als die Hälfte der entsprechenden Arbeit eines gleichqualifizierten gesunden Versicherten ausreichen. Gemäß § 43 Abs 2 Satz 2 SGB VI umfasst der Kreis der Tätigkeiten, nach denen die Erwerbsfähigkeit von Versicherten zu beurteilen ist, alle Tätigkeiten, die ihren Kräften und Fähigkeiten entsprechen und ihnen unter Berücksichtigung der Dauer und des Umfangs ihrer Ausbildung sowie ihres bisherigen Berufs unter den besonderen Anforderungen ihrer bisherigen Berufstätigkeit zugemutet werden können. Berufsfähigkeit iS der sozialen (gesetzlichen) BU-Versicherung ist damit das Vermögen des Versicherten, seine durch Ausbildung oder bisherige Berufstätigkeit erworbene berufliche Qualifikation (Berufskompetenz) im Arbeitsleben zur Erzielung von Einkommen einsetzen zu können. Der Versicherungsfall der BU (dazu und zum Folgenden grundlegend: BSGE 78, 207 = SozR 3-2600, § 43 Nr 13) ist eingetreten, sobald krankheits- oder behinderungsbedingte Einschränkungen der körperlichen, seelischen oder geistigen Leistungsfähigkeit die Fähigkeit des Versicherten, seine bislang auf einer bestimmten Qualifikationshöhe betätigte Berufsfähigkeit einzusetzen, auf weniger als die Hälfte herabgesetzt haben. Rechtsbegründende Voraussetzungen des Versicherungsfalls der BU ist also zunächst, dass das Leistungsvermögen des Versicherten allein wesentlich bedingt durch Krankheit oder Behinderung ab einem bestimmten Zeitpunkt dauerhaft, dh für mehr als 26 Wochen, derart herabgesunken ist, dass er seinen rentenversicherten bisherigen Beruf (sog Hauptberuf) nicht mehr hälftig und vollwertig ausüben kann. Ausgangspunkt der Beurteilung der BU ist danach der bisherige Beruf. Darunter ist im Allgemeinen diejenige versicherungspflichtige Beschäftigung zu verstehen, die zuletzt auf Dauer, dh mit dem Ziel verrichtet worden ist, sie bis zum Eintritt der gesundheitlichen Unfähigkeit oder bis zum Erreichen der Altersgrenze auszuüben; in der Regel ist das die letzte versicherungspflichtige Beschäftigung oder Tätigkeit, jedenfalls dann, wenn sie die qualitativ höchste ist (BSG SozR 2200 § 1246 Nr 158; SozR 3-2200 § 1246 Nr 56, 61 mwN). Wurde zuvor im Laufe des Erwerbslebens eine höherqualifizierte Tätigkeit im wesentlichen krankheits- oder behinderungsbedingt aufgegeben, so ist zu prüfen, ob diese Tätigkeit maßgeblicher Hauptberuf geblieben ist oder ob der Versicherte sie "freiwillig" aufgegeben bzw sich mit ihrem Verlust dauerhaft abgefunden hat (BSG Urteil vom 29.7.2004, Az B 4 RA 5/04 R).
Sind diese Voraussetzungen erfüllt, muss des Weiteren die von Amts wegen zu beachtende materiell-rechtliche rechtshindernde Einwendung des zumutbaren Vergleichsberufs (Verweisungsberufs) geprüft, also festgestellt werden, ob der Versicherte gesundheitlich fähig ist, einen Beruf, der seinem bisherigen Beruf qualitativ gleichwertig ist, noch vollwertig und wenigstens hälftig (bei der sog. Arbeitsmarktrente wegen BU: vollschichtig) zu verrichten. Hierfür obliegt dem Versicherungsträger sowohl die Darlegungs- als auch die objektive Beweislast. Kann der Versicherte den typischen Aufgaben eines zumutbaren Verweisungsberufs (fachliches Anforderungsprofil) und den mit diesen fachlichen Anforderungen üblicherweise verbundenen gesundheitlichen Belastungen (gesundheitliches Belastungsprofil) genügen, ist er grundsätzlich nicht berufsunfähig, ist also die Einwendung begründet. Ist der benannte Vergleichsberuf – ausnahmsweise – nicht "arbeitsmarktgängig", wofür der Versicherte die Darlegungs- und Beweislast trägt, muss konkret festgestellt werden, ob es gleichwohl genügend Arbeitsplätze des Vergleichsberufs gibt, an denen der Versicherte arbeiten könnte.
Die soziale Zumutbarkeit einer Verweisungstätigkeit richtet sich nach der Wertigkeit des bisherigen Berufs. Die Rechtsprechung des BSG zur BU iS von § 43 SGB VI aF (bzw § 1246 Abs 2 der Reichsversicherungsordnung (RVO)) hat zur praktischen Ausführung der rechtlichen Vorgaben und zur Vermeidung einer rechtlich nicht zu rechtfertigenden unterschiedlichen Rechtsanwendung bei Berufen mit gleicher Qualität (Art 3 Abs 1 Grundgesetz) die Berufe der Versicherten nach ihrer Wertigkeit gestuft in verschiedene Gruppen eingeteilt. Die Stufen sind von unten nach oben nach ihrer Leistungsqualität, diese gemessen nach Dauer und Umfang der im Regelfall erforderlichen Ausbildung und beruflichen Erfahrung geordnet. Die jeweilige Einstufung in dieses "Mehrstufenschema" bestimmt das Feld der Berufstätigkeiten, auf die der Versicherte verwiesen werden kann. Die von der Rechtsprechung hierfür zugrunde gelegten Berufsgruppen sind, ausgehend von der Bedeutung, die die Ausbildung für die Qualität eines Berufes hat, nach Leitberufen gebildet worden. Sie sind charakterisiert durch den Beruf des Vorarbeiters mit Vorgesetztenfunktion bzw des besonders hoch qualifizierten Facharbeiters, des Facharbeiters (anerkannter Ausbildungsberuf mit einer Ausbildungszeit von mehr als zwei Jahren), des angelernten Arbeiters (sonstiger Ausbildungsberuf mit einer Regelausbildungszeit von bis zu zwei Jahren) und des ungelernten Arbeiters. Eine "Verweisung", die grundsätzlich durch eine konkrete Benennung eines Berufs erfolgen muss, der an – im Regelfall – mindestens 300 Arbeitsplätzen im Bundesgebiet ausgeübt wird, kann nur auf einen Beruf derselben qualitativen Stufe oder der nächst niedrigeren erfolgen (vgl BSG SozR 2200 § 1246 Nr 140 und 143; BSG SozR 3-2200 § 1246 Nr 5 und 61). Ausschlaggebend für die Zuordnung einer bestimmten Tätigkeit zu einer dieser Gruppen ist jedoch nicht allein die Ausbildung, maßgeblich sind vielmehr die Qualitätsanforderungen der verrichteten Arbeit insgesamt, dh der aus einer Mehrzahl von Faktoren ermittelte Wert der Arbeit für den Betrieb auf der Grundlage der in § 43 Abs 2 Satz 2 SGB VI aF (§ 1246 Abs 2 Satz 2 RVO) am Ende genannten Merkmale der Dauer und des Umfangs der Ausbildung sowie des bisherigen Berufs und der besonderen Anforderungen der bisherigen Berufstätigkeit ("Gesamtbild"; hierzu im Einzelnen BSG SozR 4-2600 § 43 Nrn 1 und 4 mwN). Neben Art und Dauer der Ausbildung ist für die Bewertung einer Tätigkeit auch auf den ihr von den Tarifvertragsparteien beigemessenen qualitativen Wert abzustellen, wenn sich eine Einstufung als Facharbeiter nicht bereits aus der durchlaufenen Ausbildung ergibt und auch nicht festgestellt werden kann, dass die Tätigkeit theoretische Kenntnisse und praktische Fertigkeiten in einem Umfang voraussetzt, die von einem Facharbeiter in regulärer Ausbildung und längerer Berufstätigkeit erworben werden. Aufgrund ihrer Einordnung in Tarifnormen kann eine Tätigkeit, die nicht diese Ausbildungsdauer erfordert, dennoch einer gelernten oder angelernten gleichstehen. Hierbei kommt den tariflichen Regelungen unter zwei Gesichtspunkten besondere Bedeutung zu. Zu unterscheiden ist die abstrakte tarifvertragliche" – Klassifizierung der Tätigkeit (iS eines verselbständigten Berufsbildes) innerhalb eines nach Qualitätsstufen geordneten Tarifvertrags (vgl dazu BSG SozR 2200 § 1246 Nr 46, 111, 116, 122, 123, 164) von der – "tariflichen" – Eingruppierung des Versicherten in eine bestimmte Tarifgruppe des jeweiligen Tarifvertrags durch den Arbeitgeber (BSG SozR 2200 § 1246 Nr 168, 169; BSG SozR 3-2200 § 1246 Nr 22). Soweit die Tarifvertragsparteien eine bestimmte Berufsart im Tarifvertrag aufführen und einer Tarifgruppe zuordnen, kann in der Regel davon ausgegangen werden, dass die tarifvertragliche Einstufung der einzelnen in der Tarifgruppe genannten Tätigkeiten auf deren Qualität beruht; denn die Tarifparteien als unmittelbar am Arbeitsleben Beteiligte nehmen relativ zuverlässig eine Bewertung von Berufstätigkeiten vor, die den Anforderungen auch des Mehrstufenschemas und der Qualität des Berufs in Bezug auf die in § 43 Abs 2 SGB VI aF (§ 1246 Abs 2 RVO) genannten Merkmale entspricht (vgl BSGE 68, 277 , 281 = SozR 3-2200 § 1246 Nr 13; BSG SozR 3-2200 § 1246 Nr 14; BSGE 70, 56 = SozR 3-2200 § 1246 Nr 21). Diese "Tarifrechtsprechung" des BSG basiert auf der Überlegung, dass das Gesetz auf die in der Gesellschaft vorhandenen Wertvorstellungen verweist, wenn es in § 43 Abs 2 SGB VI (so wie bereits zuvor in § 1246 Abs 2 RVO ) von der "Zumutbarkeit" einer Beschäftigung spricht, und dass die damit angesprochene soziale Wirklichkeit insbesondere von den Tarifvertragsparteien nicht bloß wiedergeben, sondern erst geschaffen wird. Diese in die Auslegung des § 43 Abs 2 SGB VI einbezogene Erkenntnis erlaubt es, gesellschaftliche Entwicklungsprozesse und einen Wandel der sie begleitenden Wertungen zu berücksichtigen (vgl hierzu sowie allgemein BSG SozR 3-2600 § 43 Nr 15 mwN). Demgemäß lässt die abstrakte (tarifvertragliche) Einordnung einer bestimmten Berufstätigkeit in eine Tarifgruppe, in der auch Facharbeiter eingeordnet sind, in der Regel den Schluss zu, dass diese Berufstätigkeit im Geltungsbereich des Tarifvertrags als Facharbeitertätigkeit zu qualifizieren ist (vgl BSG vom 18. Januar 1995 – 5 RJ 18/94 – SozVers 1996, 49). Ausnahmen von diesem Grundsatz gelten lediglich dann, wenn die Einstufung durch qualitätsfremde Merkmale bestimmt ist (BSG SozR 2200 § 1246 Nr 101, 123; BSG SozR 3-2200 § 1246 Nr 13, 22).
Nach diesen Grundsätzen ist der für die Beurteilung der Berufs(un)fähigkeit maßgebliche Hauptberuf des Klägers derjenige des Hauers in der Gewinnung. Der Senat geht davon aus, dass es sich dabei qualitativ um einen Beruf handelt, der jedenfalls unter Berücksichtigung der "tarifrechtlichen Rechtsprechung" des BSG im Rahmen des "Mehrstufenschemas" in die Gruppe der Facharbeiter einzustufen ist. Obwohl der Kläger diese – körperlich schwere – Tätigkeit wegen Krankheit oder Behinderung nicht einmal mehr halbschichtig vollwertig ausüben kann, ist er nicht berufsunfähig, weil er – rechtshindernd – auf den Beruf des Automatenauffüllers im Tabakwarengroßhandel verwiesen werden kann. Dieser – arbeitsmarktgängige – Beruf ist ihm jedenfalls bis Ende 2000 objektiv, dh trotz seiner gesundheitlichen Leistungseinschränkungen körperlich, und subjektiv (sozial) zumutbar gewesen. Die von ihm generell gegen die Verweisbarkeit auf diesen Beruf vorgebrachten verfassungsrechtlichen Einwände sind nicht erheblich.
Im Einzelnen:
Hauptberuf des Klägers, und damit maßgeblicher Beruf für die Beurteilung der Berufs(un)fähigkeit, ist nicht die zuletzt ausgeübte versicherungspflichtige Tätigkeit als Bandwärter, sondern die von ihm bis Februar 1991 versehene Tätigkeit eines Hauers in der Gewinnung. Diese höherwertige Tätigkeit hat der Kläger aus gesundheitlichen Gründen (wegen eines WS-Syndroms) zunächst vorläufig und Mitte 1992 (nach einem Bandscheibenvorfall) endgültig aufgeben müssen. Eine solche aus versicherungsrechtlich bedeutsamen Gründen erfolgte Aufgabe hat regelmäßig zur Folge, dass der mit dem unfreiwillig aufgegebenen Beruf verbundenen Berufsschutz rentenrechtlich erhalten bleibt. Anhaltspunkte dafür, dass eine vom Regelfall abweichende Fallgestaltung vorliegt, weil der Kläger sich dennoch wesentlich aus versicherungsfremden Gründen von dieser Tätigkeit gelöst hat oder mit dem Verlust der Tätigkeit dauerhaft abgefunden hat, sind nicht ersichtlich.
Diesen Hauptberuf kann der Kläger bereits seit Februar 1991 nicht einmal mehr halbschichtig vollwertig ausüben. Das steht nach den insoweit übereinstimmenden Äußerungen der Ärzte Dr. H/SMD und Sachverständige Dres. E und T fest. Denn wegen der von allen Ärzten übereinstimmend festgestellten, wesentlich auf das Wirbelsäulenleiden zurückgehenden körperlichen Leistungseinschränkungen sind dem Kläger schwere körperliche Tätigkeiten, wie sie dem Berufsbild des Hauers im Steinkohlenbergbau gerichtsbekannt das Gepräge geben, nicht mehr zumutbar.
Bei diesem Hauptberuf handelt es sich innerhalb des "Mehrstufenschemas" um einen Facharbeiterberuf. Dies folgt hier jedenfalls aus der skizzierten "Tarifrechtsprechung" des BSG. Danach kommt eine solche Qualifizierung auch dann in Betracht, wenn eine einschlägige Berufsausbildung nicht durchlaufen wurde, der Arbeitnehmer aber wegen der Qualität seiner Arbeit zu Recht wie ein Facharbeiter entlohnt wurde. Dies ist hier der Fall. Obwohl der Kläger keine Berufsausbildung (etwa zum Berg- und Maschinenmann oder zum Bergmechaniker) durchlaufen hat und auch weder einen Hauerschein noch eine ihm entsprechende Fähigkeiten bescheinigende Erklärung seines Arbeitgebers vorgelegt hat (vgl dazu BSG SozR 3-2600 § 43 Nr 2 mwN, s auch BSG SozR 3-2600 § 43 Nr 26), dokumentieren sein beruflicher Werdegang sowie die langjährige Entlohnung nach der (Facharbeiter-)Lohngruppe 11 (vgl dazu auch BSG SozR 2600 § 45 Nr 13; BSG Urteil vom 6.8.1986, Az. 5a RKn 15/85 und zuletzt BSG Beschluss vom 24.9.2003, Az B 8 KN 6/02 B, jeweils nicht veröffentlicht) hinreichend, dass er das breite Spektrum einer Hauertätigkeit im Bergbau (in der Aus- und Vorrichtung, im Streckenausbau/Transport, für Erweiterungsarbeiten, zuletzt in der Gewinnung) beherrscht hat und entsprechend dieser Wertigkeit zu Recht nach der Lohngruppe 11 Unter Tage LO entlohnt wurde. Dafür, dass die hohe tarifliche Einordnung der Tätigkeit oder die konkrete Einstufung durch den Arbeitgeber etwa aus qualitätsfremden Gründen erfolgten, sind Anhaltspunkte nicht ersichtlich.
Mit dem Berufsschutz des Facharbeiters muss sich der Kläger anspruchshindernd auch auf Tätigkeiten der nächstniedrigeren Gruppe des "Mehrstufenschemas", hier derjenigen der sonstigen Ausbildungsberufe, verweisen lassen. Ob es sich bei der von der Beklagten zunächst benannten und vom SG seiner Entscheidung als anspruchshindernd zugrunde gelegten Tätigkeit eines Auslieferungsfahrers im Arzneimittelgroßhandel um eine dem Kläger zumutbare arbeitsmarktgängige (vgl BSG SozR 3-2600 § 43 Nrn 13, 26; s auch zuletzt BSG Urteil vom 29.07.2004, Az B 4 RA 5/04 R, nicht veröffentlicht) Verweisungstätigkeit handelt, kann offen bleiben. Denn jedenfalls bei der von der Beklagten (auch) benannten Tätigkeit eines Automatenauffüllers im Tabakwarengroßhandel handelt es sich – unter Berücksichtigung der "Tarifrechtsprechung" des BSG – um eine solche Tätigkeit. Da der Kläger nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme trotz seiner Leistungseinschränkungen den körperlichen, geistigen und seelischen Anforderungen dieser (arbeitsmarktgängigen) Tätigkeit noch zu genügen vermag, liegt Berufsunfähigkeit im Rechtssinne nicht vor.
Der Kläger war nach seinem körperlichen, geistigen und seelischen Leistungsvermögen jedenfalls bis Ende 2000 in der Lage, diese Tätigkeit vollwertig zu versehen. Bei der Beurteilung der konkreten körperlichen, geistigen und seelischen Anforderungen an die Tätigkeit eines Automatenauffüllers im Tabakwarengroßhandel stützt sich der Senat auf mehrere urkundsbeweislich zu verwertende gutachterliche Äußerungen des Sachverständigen Dr. N aus anderen Berufungsverfahren mit ähnlich gelagerten Fallgestaltungen. Danach handelt es sich bei der Tätigkeit des Automatenauffüllers im Tabakwarengroßhandel um eine leichte körperliche Tätigkeit die im Wechsel von Gehen, Stehen und Sitzen ausgeübt wird und durchschnittliche Anforderungen an seelisch – geistige Qualitäten stellt. Was die körperliche Belastung anbelangt, ist davon auszugehen, dass bei einer städtischen Tour täglich 40 – 44 und bei einer ländlichen Tour täglich 35 – 40 Zigarettenautomaten angefahren, gewartet und nachgefüllt werden müssen. Dabei sind durchschnittlich täglich insgesamt etwa 3000 Packungen nachzufüllen, was 150 "Stangen" zu 20 Packungen bei einem Warenwert von rund 12000 Euro entspricht. Jeder zu versorgende Automat ist somit durchschnittlich mit 75 Packungen im Wert von etwa 300 Euro nachzufüllen. Damit fallen je Zigarettenautomat nur geringe Gewichte an. Ausgehend von einem Gewicht von etwa 25 g pro Packung ist ein Gewicht von etwa 2 Kg in dem 2,2 Kg wiegenden Füllkorb zu transportieren. Nicht viel anders ist es beim Geld. Bei einem ausschließlich mit Münzgeld zu bedienenden Automaten und einem Packungspreis von durchschnittlich 4,00 Euro fallen durchschnittlich 300 Münzen a 1,00-Euro (Gewicht pro Münze etwa 8,5 g) an, was ein Gewicht von höchstens 2550 g ergibt. In Ausnahmefällen können höhere Gesamtgewichte sowohl bei der Ware als auch beim Geld anfallen. Diese Gewichte können aber, wie der Sachverständige dargelegt hat, in Teilmengen transportiert werden. Nach den Ausführungen des Sachverständigen ist nicht davon auszugehen, dass dauerhaft oder gehäuft Zwangshaltungen einzunehmen sind oder extreme, Wirbelsäule oder Gliedmaßen besonders belastende (Rumpf-)Bewegungen zum Tätigkeitsbild gehören. Das an den Automaten eingesammelte Geld fällt nach dem Zählen mittels einer Zählmaschine in einen im Lieferwagen eingebauten Tresor, der auf dem Gelände des Tabakwarengroßhändlers nur noch aus dem Lieferwagen auf ein Rollenförderband gezogen werden muss, das bis an den Lieferwagen heranreicht. Mit der Geldentnahme aus dem Tresor oder einem Transport ins Kassenbüro hat der Automatenauffüller nichts zu tun. Beim Beladen des Fahrzeugs werden die Zigaretten-Kartons oder -Stangen in eingebaute Regale gelegt. Beim Nachfüllen der Automaten sind die erforderlichen Mengen wieder aus diesen Regalen herauszunehmen. Dabei fallen allenfalls gelegentlich Bückvorgänge an.
An die geistig-seelischen Qualitäten wie Reaktionsfähigkeit, Übersicht, Aufmerksamkeit, verantwortliches und zuverlässiges Handeln werden normale Anforderungen gestellt. Die Tätigkeit stellt insbesondere keine überdurchschnittlichen Anforderungen an Intelligenz und Umstellungsfähigkeit. Es ist erforderlich, die gleichmäßigen wiederkehrenden Abläufe zu erlernen und und sich mit dem zugeteilten "Versorgungsbezirk" vertraut zu machen. Mit Zeitdruck (insbesondere Termindruck) und/oder Stress ist die Tätigkeit nicht verbunden. Der Automatenauffüller im Tabakwarengroßhandel ist in der Gestaltung seines Arbeitstages weitgehend frei, weil er nicht nach geleisteten Arbeits- und/oder Überstunden entlohnt wird. Er kann seine tägliche Tour in ihrem Ablauf frei gestalten, Pausen frei planen und ggf. zusätzliche Pausen einlegen.
Diesen körperlichen, geistigen und seelischen Anforderungen vermag der Kläger nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme noch zu genügen. Das steht zur Überzeugung des Senats auf der Grundlage der gutachterlichen Feststellungen der Sachverständigen Dres. T und insbesondere E fest. Die von den Sachverständigen geschilderten, dem Kläger wegen schmerzhafter Bewegungseinschränkungen nicht mehr zumutbaren (extremen) Körperhaltungen oder -bewegungen fallen bei der Tätigkeit des Automatenauffüllers nicht an. Anhaltspunkte dafür, dass der Kläger etwa durchschnittlichen Anforderungen an das geistige Leistungsvermögen nicht gewachsen ist, vermochten die Sachverständigen nicht zu erkennen. Die Sachverständige Dr. E hat in Kenntnis der konkreten beruflichen Anforderungen auch für den Senat nachvollziehbar geurteilt, es handele sich bei der Tätigkeit des Automatenauffüllers um eine für den Kläger fast ideale Tätigkeit, bei der sich seine Leistungseinschränkungen im Ergebnis nicht auswirkten. Da der Kläger sich dieser Einschätzung in der mündlichen Verhandlung zu Recht angeschlossen hat, ist an dieser Stelle eine detailliertere Begründung entbehrlich.
Die Tätigkeit des Automatenauffüllers im Tabakwarengroßhandel ist dem Kläger nach den auch hier urkundsbeweislich zu verwertenden Ausführungen des Sachverständigen Dr. N auch sozial zumutbar. Dagegen spricht nicht, dass ein Berufsfremder sich regelmäßig in weniger als 3 Monaten einarbeiten und die Tätigkeit vollwertig versehen kann. Die vergleichsweise geringe Einarbeitungszeit macht die Tätigkeit nicht zu einer ungelernten, auf die der Kläger wegen seines Berufsschutzes nicht verwiesen werden könnte. Denn nach der "Tarifrechtsprechung" des BSG kann auch eine Tätigkeit, bei der keine Ausbildungszeit von mehr als 3 Monaten bis zu 2 Jahren vorgesehen ist, wegen des ihr von den Tarifvertragsparteien allgemein beigemessenen Wertes im Arbeitsleben dem Leitberuf des sonstigen Ausbildungsberufes (Angelernten) entsprechen. Die Grundsätze zur Wertigkeit des Hauptberufs gelten für den Verweisungsberuf entsprechend, weil nur so ein stimmiges Verweisungsgefüge entsteht. Die Tätigkeit des Automatenauffüllers im Tabakwarengroßhandel wird wie die eines Verkaufsfahrers nach der Lohngruppe VI des Lohnrahmenabkommens des Groß- und Außenhandels in Nordrhein-Westfalen vom 14. März 1980 eingestuft. Dabei handelt es sich um eine Lohngruppe, nach der auch Tätigkeiten entlohnt werden, die eine abgeschlossene Facharbeiterausbildung voraussetzen. Diese vergleichsweise hohe tarifliche Einstufung ist zur Überzeugung des Senats wegen der Qualität der Arbeitsleistung gerechtfertigt, weil der Automatenauffüller im Tabakwarengroßhandel mit beträchtlichen Waren- und Geldwerten umzugehen hat, eine entsprechend hohe Verantwortung trägt und damit eine für den Betrieb wertvolle Arbeit ausführt. Dafür, dass diese Einstufung und Bezahlung der Tätigkeit etwa aus qualitätsfremden Gründen erfolgt, sind (auch hier) Anhaltspunkte nicht ersichtlich. Das Zusammenspiel von kurzer Einarbeitungszeit und vergleichsweise hoher tariflicher Wertigkeit verdeutlicht vielmehr, dass auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt auch für Facharbeiter zumutbare Tätigkeiten vorgehalten werden, die ohne zeitliche oder inhaltliche Überforderung (dh innerhalb von maximal 3 Monaten) erlernt und vollwertig verrichtet werden können.
Die Tätigkeit des Automatenauffüllers im Tabakwarengroßhandel ist auch arbeitsmarktgängig. Es gibt in Deutschland etwa 2500 Arbeitsplätze, in Nordrhein-Westfalen allein mehr als 500. Damit ist von einer beachtlichen, bei weitem für eine Verweisungstätigkeit ausreichenden Anzahl von vorhandenen (freien oder besetzten) Arbeitsplätzen auszugehen (vgl BSG SozR 3-2600 § 43 Nr 13).
Die sog. Arbeitsmarktrente wegen Berufsunfähigkeit kommt für den Kläger angesichts des vollschichtigen Leistungsvermögens im Verweisungsberuf von vorneherein nicht in Betracht.
Die vom Kläger gegen die Verweisbarkeit zuletzt ausschließlich aufrecht erhaltene Einwendung, durch eine solche Verweisung werde das durch die Verfassung geschützte allgemeine Persönlichkeitsrecht verletzt, weil niemand zu einer Tätigkeit gezwungen werden könne, deren ausschließlicher Zweck es sei, andere Menschen abhängig zu machen und an Leib und Leben zu gefährden, ist nicht erheblich. Sie lässt die rechtshindernde Einwendung der Verweisbarkeit auf die Tätigkeit eines Automatenauffüllers im Tabakwarengroßhandel nicht entfallen.
Der 18. Senat des LSG NRW hat sich in mehreren Entscheidungen bereits mit der, soweit erkennbar nur von den Klägerbevollmächtigten dieses Verfahrens (auch dort) erhobenen Einwendung, die rechtshindernde Verweisung eines Versicherten auf die Tätigkeit eines Automatenauffüllers im Tabakwarengroßhandel verstoße gegen das Grundgesetz (GG), sehr eingehend befasst und sie im Ergebnis für nicht stichhaltig gehalten. Insbesondere liege darin kein Verstoß gegen Art 2 Abs 1 (iVm Art 1 Abs 1), Art 4 Abs 1 GG (vgl zB LSG NRW Urteil vom 7.3.2006, Az L 18 KN 6/03 mwN). Dem stimmt der Senat im Ergebnis zu.
Mit ihren Einwendungen halten die Klägerbevollmächtigten ein engagiertes rechtspolitisches Plädoyer gegen die Gefahren des Rauchens und beziehen dabei die Distributionstätigkeit des Automatenauffüllers im Tabakwarengroßhandel ein, weil dieser als "verlängerter Arm" der Tabakindustrie die Verfügbarkeit von Zigaretten fördere. Soweit sich die Ausführungen sachlich (dh unter Aussparung der Polemik) gegen das (Zigaretten-)Rauchen richten und gegen alle Bestrebungen, die geeignet sind, es zu fördern, sind sie moralisch-ethisch und damit auch rechtspolitisch äußerst bedenkenswert. De lege lata sind sie im gegebenen Kontext allerdings ohne Bedeutung, weil die geltende Rechtsordnung – nicht zuletzt auch in Ausprägung der Freiheitsrechte der Art 12 Abs 1, 14 Abs 1 und 2 Abs 1 GG, die Herstellung und den Vertrieb von Zigaretten (noch?) nicht – erst recht noch nicht Ende 2000 – verbietet. Vor diesem Hintergrund kann sich ein Versicherter, der generell-abstrakt anspruchshindernd auf eine solche Tätigkeit verwiesen werden soll, ohne je konkret vor der Entscheidung zu stehen, sie auch tatsächlich ausüben zu müssen, auf eine Verletzung von Grundrechten nicht berufen. Denn entscheidend für die Versagung der Rente ist lediglich, dass auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt eine hinreichende Zahl solcher Arbeitsstellen vorgehalten wird, die durchaus allesamt nicht konkret verfügbar sein müssen. Ein Anspruch auf Rente wegen Berufsunfähigkeit besteht selbst dann nicht, wenn der Versicherte niemals konkret entscheiden muss, ob er eine solche Tätigkeit aufnehmen soll. Insoweit bestehen durchaus sachliche Unterschiede zu den Tatbeständen, die im Arbeitsförderungsrecht zum Anspruchsverlust führen, wenn der Arbeitslose eine (konkret) angebotene Beschäftigung nicht annimmt (jetzt § 144 Abs 1 Satz 2 Nr 2 Drittes Buch Sozialgesetzbuch; vgl dazu die Ausführungen des LSG NRW -18. Senat – aaO zum früheren § 119 Abs 1 Nr 2 Arbeitsförderungsgesetz mwN). Das steht in Einklang mit der höchstrichterlichen Rechtsprechung, wonach arbeitslosenversicherungsrechtlich uU belangvolle Umstände für die Anspruchsschwelle des Versicherungsfalls der Berufsunfähigkeit keine Bedeutung haben (BSGE 78, 207 = SozR 3-2600, § 43 Nr 13). Hielte man gleichwohl die (Gegen-) Einwendung des Klägers iS der Maßgeblichkeit einer konkreten (Gewissens-) Entscheidung für erheblich, lägen die tatsächlichen Voraussetzungen, die eine solche Entscheidung begründet erscheinen lassen können, jedenfalls nicht vor. Sie sind weder behauptet noch sonst ersichtlich. Im Gegenteil ist den Akten eine langjährige Raucheranamnese des Klägers zu entnehmen, ohne dass ein Sinneswandel erkennbar würde. Zur näheren Begründung für diesen – hilfsweise eingenommen – Standpunkt verweist der Senat auf die den Beteiligten im Wortlaut bereits bekannten Ausführungen des 18. Senats des LSG NRW (aaO).
Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 183 Satz 1, 193 Abs 1 Satz 1 SGG.
Anlass, die Revision zuzulassen, besteht nicht, § 160 Abs 2 SGG. Insbesondere hat die Rechtssache keine grundsätzliche Bedeutung. Maßgeblich für die Entscheidung sind vielmehr die konkreten Umstände des Einzelfalls.
Erstellt am: 04.07.2006
Zuletzt verändert am: 04.07.2006