Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Gelsenkirchen vom 17.04.2003 wird zurückgewiesen. Außergerichtiliche Kosten sind nicht zu erstatten. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
I.
Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob der Kläger gegen die Beklagte einen Anspruch auf Rente wegen Berufsunfähigkeit hat.
Der am 00.00.1964 geborene Kläger wurde im August 1980 im Deutschen Steinkohlebergbau angelegt. Er absolvierte dort zunächst eine Ausbildung zum Berg- und Maschinenmann, die er mit Erfolg abschloss. Sodann übte er verschiedene Hauertätigkeiten im Streckenausbau, in der Gewinnung, als Strebhauer 1 und 2, Maschinenhauer 2 sowie als Schachtzimmerhauer aus. Zuletzt war der Kläger in der Zeit vom 01.10.1996 bis zu seiner Arbeitsunfähigkeit ab 09.11.1999 als Hauer in der Aus- und Vorrichtung tätig und insofern in Lohngruppe 11 des Tarifvertrages für den Rheinisch-Westfälischen Steinkohlebergbau (Lohnordnung) eingruppiert. Zum 30.09.2000 kehrte er mit Aufhebungsvertrag vom 04.04. 2000 aus gesundheitlichen Gründen aus dem Steinkohlenbergbau ab. Die Beklagte bewilligte für die Zeit ab 01.12.1999 eine Rente für Bergleute wegen verminderter Berufsfähigkeit im Bergbau.
Am 22.02.2000 beantragte der Kläger bei der Beklagten die Gewährung einer Rente wegen Erwerbsunfähigkeit und legte zur Stützung des Antrags folgende ärztliche Unterlagen der Beklagten vor:
Berichte des Radiologen Dr. O vom 01.08.1997 (Schilddrüsenuntersuchung), 25.11. 1999 und 15.02.2000 (Thoraxuntersuchungen),
Entlassungsberichte der Katholischen Kliniken F vom 07.09.1998 und 02.02. 2000 (Schmerzbehandlungen, Facetteninfiltrationsbehandlungen),
Berichte des Internisten und Kardiologen Dr. I vom 18.11.1999 und 06.04.2000 (Ausschluss einer strukturellen Herzerkrankung und einer Belastungscoronarinsuffizienz) sowie
eine ärztliche Bescheinigung des Orthopäden Dr. X vom 17.02.2000, nach dessen Erachten der Kläger auf Grund einer Spondylose, Lumboischialgie sowie Wirbelsäulen-Syndrome nicht mehr in der Lage sei, "seine Tätigkeit" regelmäßig vollschichtig auszuüben.
Die Beklagte veranlasste daraufhin eine Untersuchung des Klägers durch ihren sozialmedizinischen Dienst (SMD), der unte Auswertung der vorgelegten ärztlichen Unterlagen bei dem Kläger folgende Gesundheitsstörungen diagnostizierte:
Minderbelastbarkeit der LWS auf dem Boden degenerativer Veränderungen mit schmerzhaft eingeschränkter Beweglichkeit und intermittierender pseudoradikulärer Beschwerdesymptomatik rechts,
bekannte Schilddrüsenüberfunktion vom Typ Morbus Basedow – unter laufender Therapie – sowie
deutliche Übergewichtigkeit bei begleitender Fettstoffwechselstörung und sonographischen Zeichen der Leberverfettung.
Im Rahmen ihrer Leistungsbeurteilung vertrat die Ärztin für Innere Medizin Dr. C in ihrem Gutachten vom 27.07.2000 die Ansicht, der Kläger sei in der Lage, leichte und mittelschwere Tätigkeiten im Gehen und Stehen mit der Möglichkeit, sich hin und wieder setzen zu können, unter Meidung von überwiegend einseitigen Wirbelsäulenzwangshaltungen, ohne häufiges Bücken sowie unter leistungsangemessenen Anforderungen an Konzentration und Aufmerksamkeit vollschichtig und regelmäßig zu verrichten.
Gestützt auf diese Feststellungen lehnte die Beklagte den Rentenantrag des Klägers mit Bescheid vom 19.10.2000 ab und führte zur Begründung ergänzend aus, unter Berücksichtigung des festgestellten Leistungsvermögens könne der Kläger auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt vollschichtig Tätigkeiten als Auslieferungsfahrer im Arzneimittelgroßhandel, als Hauswart in der Wohnungswirtschaft oder als Kassierer an Selbstbedienungstankstellen verrichten.
Mit seinem Widerspruch machte der Kläger geltend, seine Thorax-Schmerzen und Wirbelsäulenbeschwerden seien nicht ausreichend berücksichtigt worden, so dass das Restleistungsvermögen völlig anders zu bewerten sei. Unabhängig davon sei er selbst unter Zugrundelegung der medizinischen Leistungsbeurteilung des SMD nicht auf die Tätigkeit des Hauswarts verweisbar, da diese auch die Verrichtung schwerer Arbeiten und – unter Berücksichtigung der beruflichen Biografie des Klägers – eine Einarbeitung von mehr als drei Monaten erfordere. Auch die von der Beklagten benannte Tätigkeit als Auslieferungsfahrer komme wegen der hohen Transportgewichte, der überwiegend sitzenden Tätigkeit und des damit verbundenen erheblichen Zeitdrucks nicht in Betracht.
Die Beklagte holte daraufhin eine weitere Stellungnahme des SMD ein. Der Arzt für Innere Medizin und Sozialmedizin Dr. T befand unter dem 19.01.2001, dass zusätzliche Begutachtungen des Klägers nicht erforderlich seien; es verbleibe bei der sozialmedizinischen Beurteilung. Der Widerspruchsausschuss der Beklagten schloss sich dieser Auffassung an und wies den Widerspruch des Klägers mit Widerspruchsbescheid vom 27.02. 2001 zurück.
Mit der Klage hat der Kläger sein Rentenbegehren weiterverfolgt. Er hat – im Wesentlichen unter Wiederholung der Widerspruchsbegründung – geltend gemacht, auf Grund der bei ihm vorhandenen gesundheitlichen Einschränkungen die von der Beklagten benannten Verweisungstätigkeiten nicht vollschichtig verrichten zu können.
Der Kläger hat beantragt,
die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 19.10.2000 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 27.02.2001 zu verurteilen, bei ihm für die Zeit ab dem 22.02.2000 einen Zustand der Berufsunfähigkeit anzunehmen und entsprechende Leistungen nach weiterer Maßgabe der gesetzlichen Bestimmungen zu gewähren.
Die Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Die Beklagte hat zur Begründung auf den angefochtenen Bescheid Bezug genommen, dessen Begründung sie weiterhin für zutreffend halte.
Das Sozialgericht hat zunächst Befundberichte der den Kläger behandelnden Ärzte, des Neurologen und Psychiaters Dr. C1 vom 16.05.2001, des Orthopäden Dr. X vom 18.05.2001, des Internisten und Kardiologen Dr. I vom 22.05.2001, des Allgemeinmediziners Dr. T1 vom 18.05.2001 sowie des Chefarztes der Abteilung Lungen- und Bronchialheilkunde des St.-F-Krankenhauses in E, Dr. X1, vom 25.05.2001 eingeholt.
Dr. C1 hat in Beantwortung der Befundberichtsanfrage seinen an Dr. T1 gerichteten Arztbericht vom 16.05.2001 übersandt, wonach der Kläger am 24.04.2001 wie schon zuvor 1995 zur Abklärung von Kopfschmerz in Behandlung gekommen war. Wiederholend habe er die Diagnose Kombinationskopfschmerz bei Konversionssymptomatik erhoben. Bei mangelndem neurologischen Defizit könne er nur auf einen HWS – bezogenen Spannungskopfschmerz verweisen.
Dr. X hat die bereits bekannten orthopädischen Diagnosen aufgeführt; neue Leiden seien nicht hinzugekommen. Er hat seinem Befundbericht einen Bericht des Nervenfacharztes Dr. U vom 14.02.1995, mit dem dieser beim Kläger eine narzisstische Persönlichkeitsstruktur mit Schwierigkeiten, Schmerzen und Körperstörungen zu integrieren, festgestellt hat, sowie einen Bericht des Internisten Dr. X2 vom 20.01.1999, der beim Kläger eine entzündliche rheumatische Erkrankung ausgeschlossen hat, beigefügt.
Der Internist und Kardiologe Dr. I hat wiederholend festgestellt, dass die Beschwerden des Klägers seiner Auffassung nach extracardiale Ursachen hätten.
Seitens des Allgemeinmediziners Dr. T1 ist unter Beifügung eines Berichts des St.-F-Krankenhauses in E vom 24.07.2000 über die bereits genannten Diagnosen hinaus eine obstruktive Atemwegserkrankung, Zustand nach Schilddrüsenüberfunktion bei Morbus Basedow 1997, Gastritis und ein Cervikal-Syndrom genannt worden.
Dr. X1, der den Kläger lediglich am 21.07.2000 pneumologisch untersucht und behandelt hat, berichtet von Symptomen einer chronischen Bronchitis mit Husten und Auswurf.
Das Sozialgericht hat sodann zur weiteren Ermittlung des medizinischen Sachverhalts durch Einholung eines Gutachtens des Arztes für Orthopädie Hans-Peter L vom 12.12.2001 und eines internistischen Zusatzgutachtens von Dr. L1 vom 21.08.2001 Beweis erhoben.
Dr. L1 hat auf internistischem Fachgebiet folgende Diagnosen erhoben:
chronisch obstruktive Atemwegserkrankung bei fortgeführtem Nikotinkonsum ohne Hinweis auf eine allergische Genese,
Zustand nach Hyperthyreose vom Basedow-Typ, solitärer Schilddrüsenknoten links, sonographisch,
Adipositas und
Morbus Meulengracht
und der Sachverständige L auf orthopädischem Fachgebiet:
ein rezidivierend auftretendes, anamnestisch zu erfragendes HWS-/Schulterarm- Syndrom ohne radiologisch nachweisbar fortgeschrittene, das altersübliche Ausmaß überschreitende, Veränderungen und ohne Wurzelreizsymptomatik,
rezidivierend auftretende und anamnestisch zu erfragende Lumbalgien, ebenfalls ohne fortgeschrittene, das altersübliche Ausmaß überschreitende, radiologische Veränderungen und ohne Wurzelreizsymptomatik,
rezidivierende Coxalgien und Gonalgien beidseits sowie
Knick-Plattfuß beidseits.
Die beim Kläger auf internistischem Fachgebiet vorliegenden Gesundheitsstörungen hätten kaum Auswirkungen auf das Leistungsvermögen. Zu meiden seien allenfalls diesbezüglich Gefährdungen durch Zugluft und starke Temperaturschwankungen. Unter Berücksichtigung der orthopädischen Beschwerden sei der Kläger zusammenfassend noch in der Lage, körperlich mittelschwere Arbeiten mit Heben und Tragen von Lasten bis zu 15 Kg im Gehen, Stehen oder Sitzen in geschlossenen Räumen wie auch im Freien unter Witterungsschutz, unter Meidung von längerfristigen Zwangs- oder einseitigen Körperhaltungen sowie unter Meidung von Gefährdungen durch Nässe, Hitze, Kälte, Zugluft, Lärm und starken Temperturschwankungen vollschichtig und regelmäßig zu verrichten. Der Kläger sei in seiner Wegefähigkeit nicht eingeschränkt; sein Gesundheitszustand erlaube ihm auch, mit entsprechender wetterfester Kleidung bei jeder Witterung im Berufsverkehr an Haltestellen zu stehen und notfalls geraume Zeit zu warten.
Auf Antrag des Klägers hat sodann der Arzt für Neurologie und Psychiatrie T2 ein neurologisches Gutachten und der Arzt für Neurologie, Psychotherapeutische Medizin und Sozialmedizin Dr. L2 ein psychiatrisches Zusatzgutachten erstattet.
Der Sachverständige T2 hat in seinem Gutachten vom 02.10.2002 ausgeführt, dass sich auf neurologischem Fachgebiet keine gravierenden Gesundheitsstörungen hätten feststellen lassen, wobei der beim Kläger chronifizierte Kopfschmerz keine grundsätzliche Einschränkung der Erwerbsfähigkeit zur Folge habe. Auf die Beweisfrage, ob der Kläger gehindert sei, ein Kraftfahrzeug zu benutzen, hat der Sachverständige ausgeführt, insofern sei lediglich die Medikamenteneinnahme "ein limitierender Faktor".
Der Sachverständige Dr. L2 hat seinem psychiatrischen Zusatzgutachten weitere ärztliche Unterlagen, die der Kläger ihm im Rahmen der Untersuchung überreicht hat (einen Bericht des Psychotherapeuten T3 vom 28.10.2002 mit der Diagnose einer längeren depressiven Reaktion und somatoformen Schmerzstörung sowie einen Bericht des St.-F-Krankenhauses in E vom 30.10. 2002 mit bereits attestierter Diagnostik) zugrunde gelegt und selbst bei dem Kläger sowohl eine anhaltende somatoforme Schmerzstörung als auch eine mittelgradige affektive Anpassungsstörung diagnostiziert. Der Kläger sei nicht mehr in der Lage, unter einem – wie immer auch gearteten – Zeitdruck, in Nachtschicht, an laufenden Maschinen sowie auf Leitern und Gerüsten tätig werden zu können. Darüber hinaus sei aufmerksames und zuverlässiges Handeln insofern eingeschränkt, als nur geringe Anforderungen an Reaktionsfähigkeit, Übersicht und Aufmerksamkeit zu stellen seien. Im Übrigen sei der Kläger in der Lage, vollschichtig und regelmäßig mit betriebsüblichen Pausen zu arbeiten.
Das Sozialgericht hat sodann von Amts wegen ein weiteres nervenärztliches Gutachten des Neurologen, Psychiaters und Psychotherapeuten Privatdozent (PD) Dr. C2 vom 13.12.2002 eingeholt. PD Dr. C2 hat bei dem Kläger ebenfalls eine Somatisierungsstörung festgestellt, deren Ausprägungsgrad seiner Auffassung nach nicht schwerwiegend sei, und unter Berücksichtigung dieser Diagnose die Auffassung vertreten, der Kläger sei noch in der Lage, körperlich mittelschwere Arbeiten mit Heben und Tragen von Lasten bis zu 15 Kg wechselweise im Gehen, Stehen oder Sitzen in geschlossenen Räumen wie auch im Freien unter Witterungsschutz mit Ausnahme von Zwangs- oder überwiegend einseitiger Körperhaltung vollschichtig und regelmäßig zu verrichten. Im Gegensatz zu den Feststellungen des Sachverständigen Dr. L2 hat der Sachverständige PD Dr. C2 in seinem Gutachten ferner ausgeführt, dass sich im Rahmen seines Untersuchungsganges keine Einschränkungen des geistigen Leistungsvermögens gezeigt hätten und auch keine mittelgradige affektive Anpassungsstörung mehr zu registrieren gewesen sei.
Gegen dieses Begutachtungsergebnis hat der Kläger im Wesentlichen eingewandt, dass der Untersuchungsgang bei PD. Dr. C2 lediglich 15 Minuten in Anspruch genommen habe und dass er auf Grund der derzeitigen Medikation nicht in der Lage sei, ein KfZ zu nutzen.
In einer vom Gericht veranlassten Stellungnahme vom 14.02.2003 hat der Sachverständige PD Dr. C2 hierzu ausgeührt, dass allein die neurologische Untersuchung des Klägers mindestens 15 Minuten in Anspruch genommen habe, hierzu seien Anamneseerhebung und psychopathologische Exploration gekommen, so dass vor diesem Hintergrund die Einwände des Klägers als kaum plausibel erschienen. Im Übrigen hat der Sachverständige nochmals darauf hingewiesen, dass zum Untersuchungszeitpunkt keine mittelgradige affektive Anpassung mehr zu registrieren gewesen sei. Die Schlussfolgerung des Sachverständigen Dr. L2, dass der Kläger nur noch in der Lage sei, einfachen Anforderungen an Aufmerksamkeit und Konzentrationsfähigkeit zu entsprechen, sei widersprüchlich, denn im Rahmen der von Dr. L2 veranlassten testpsychologischen Untersuchung hätten sich überdurchschnittliche selektive Aufmerksamkeits- und Konzentrationsleistungen des Klägers gezeigt. Angesichts dessen könne der Kläger sowohl als Auslieferungsfahrer im Arzneimittelgroßhandel arbeiten, als auch dem mit einer Tätigkeit als Tankstellenkassierer verbundenen Zeitruck und Publikumsverkehr standhalten.
Das Sozialgericht hat die Klage mit Urteil vom 17.04.2003 abgewiesen und zur Begründung im Wesentlichen ausgeführt, der Kläger könne als bergmännischer Facharbeiter unter Berücksichtigung seines Restleistungsvermögens noch auf die Tätigkeit des Auslieferungsfahrers verwiesen werden. Das Gericht ist insofern den Gutachten der Sachverständigen L, Dres. L1 und C2 gefolgt. Soweit der Sachverständige T2 in seinem Gutachten ausgeführt habe, dass die Medikamenteneinnahme des Klägers einen limitierenden Faktor bei der KfZ-Nutzung darstellen könne, sei zu berücksichtigen, dass die verstärkten Kopfschmerzen des Klägers, wegen derer die Medikation verabreicht würden, nach den Ausführungen des Sachverständigen T2 erst seit 6 Monaten bestünde und die Schmerzmittel erst "in letzter Zeit" eingenommen würden. Dies entspreche in etwa der Aussage des den Kläger behandelden Arztes für Allgemeinmedizin Dr. T1 hat in seinem Befundbericht vom 18.05.2001. Vor diesem Hintergrund könne es offen bleiben, ob der Kläger ggf. bereits seit Februar 2001 wegen der vorhandenen Kopfschmerzen und der damit verbundenen Medikamenteneinnahme in der Nutzung eines KfZ eingeschränkt sei, weil der Versicherungsfall der Berufsunfähigkeit dann frühestens zum 01.02.2001 eingetreten sein könnte. Vor dem Hintergrund, dass der Kläger nicht zum "previligierten" Personenkreis der vor dem 02.01.1961 geborenen Versicherten gehöre, komme es auf einen etwaigen Verweisungsberuf nicht mehr an. Dem Gutachten des Sachverständigen Dr. L2 habe sich die Kammer bereits deshalb nicht anschließen können, weil es widersprüchlich und damit unschlüssig sei.
Im Berufungsverfahren begehrt der Kläger weiterhin die Gewährung einer Berufsunfähigkeitsrente und stützt sich zur Begründung im Wesentlichen auf die Ausführungen der Sachverständigen T2 und Dr. L2. Eine Verweisung auf die Tätigkeit des Lampenwärters komme bis zu seiner Abkehr zudem nicht in Betracht, da nicht Arbeitsplätze in ausreichender Zahl vorhanden gewesen seien. Eine Verweisung auf die Tätigkeit des Zigarrettenautomatenauffüllers ließe sich mit tragenden Grundsätzen der Verfassung nicht in Einklang bringen und verstoße insbesondere gegen Art.1 Grundgesetz (GG). Das Gutachten des Sachverständigen C3 zu Verweisungsberufen in der Autozulieferungs- und Elektroindustrie sei nicht nachvollziehbar.
Der Kläger beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Gelsenkirchen vom 10.04.2003 zu ändern und nach dem Klageantrag zu entscheiden.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Der Senat hat den Beteiligten die Ablichtung eines Urteils des Bundessozialgerichts vom 29.04.1997 (Az.: Rkn 19/96) sowie berufskundliche Unterlagen zu den Verweisungsberufen des Lampenwärters, des Zigarettenautomatenauffüllers sowie des Elektromonteurs übersandt. Wegen der Einzelheiten dieser Unterlagen und weiterer Einzelheiten wird auf den Inhalt der Gerichtsakten und der vom Senat beigezogenen Verwaltungsakte der Beklagten Bezug genommen.
II.
Entscheidungsgründe:
Die zulässige Berufung des Klägers ist nicht begründet.
Das Sozialgericht hat die Klage zu Recht abgewiesen. Der Kläger ist durch den von ihm angefochtenen Bescheid vom 19.10.2000 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 27.02.2001 nicht im Sinne des § 54 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) beschwert, weil diese Bescheide nicht rechtswidrig sind. Der Kläger hat keinen Anspruch auf die begehrte Rentenleistung wegen Berufsunfähigkeit nach der bis zum 31.12.2000 geltenden Bestimmung des § 43 Abs. 2 des Sechsten Buches des Sozialgesetzbuchs (SGB VI a.F).
Nach § 43 Abs. 2 Satz 1 SGB VI a.F. ist berufsunfähig der Versicherte, dessen Erwerbsfähigkeit wegen Krankheit oder Behinderung auf weniger als die Hälfte derjenigen von körperlich, geistig und seelisch gesunden Versicherten mit ähnlicher Ausbildung und gleichwertigen Kenntnissen und Fähigkeiten gesunken ist. Der Kreis der Tätigkeiten, nach denen die Erwerbsfähigkeit von Versicherten zu beurteilen ist, umfasst alle Tätigkeiten, die ihren Kräften und Fähigkeiten entsprechen und ihnen unter Berücksichtigung der Dauer und des Umfangs ihrer Ausbildung sowie ihres bisherigen Berufs und der besonderen Anforderungen ihrer Berufstätigkeit zugemutet werden können (Satz 2). Nach den Übergangsvorschriften der §§ 300 Abs. 2, 302b Abs. 1 SGB VI ist diese Vorschrift für einen am 31.12. 2000 bestehenden Anspruch auf Rente wegen Berufsunfähigkeit weiterhin maßgebend.
Der Leistungsfall der Berufsunfähigkeit ist bis zum 31.12.2000 nicht eingetreten.
Ausgangspunkt ist bei der Prüfung der Leistungsvoraussetzungen von Berufsunfähigkeit der bisherige Beruf des Versicherten. Nach ständiger Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) ist "bisheriger Beruf" in der Regel die zuletzt nicht nur vorübergehend ausgeübte versicherungspflichtige Tätigkeit (BSG Urteil vom 14.3.1979 -1 RJ 84/78- in SozR § 1246 RVO Nr. 41; Urteil vom 11.9.1980 -1 RJ 94/79- in SozR 2200 § 1246 RVO Nr. 66 mit weiteren Nachweisen). Ein derartig starkes Gewicht ist der letzten Tätigkeit aber nur dann beizumessen, wenn sie zugleich die qualitativ höchste gewesen ist. Bei anderen Fallgestaltungen hat die höchstrichterliche Rechtsprechung darauf abgehoben, als Hauptberuf nicht unbedingt die letzte, sondern diejenige Berufstätigkeit zugrunde zulegen, die der Versicherte bei im Wesentlichen ungeschwächter Arbeitskraft nicht nur vorübergehend eine nennenswerte Zeit ausgeübt habe (BSG Urteil vom 30.10.1985 -4a RJ 53/94- in SozR 2200 § 1246 Nr. 130 mit weiteren Nachweisen). Eine frühere versicherungspflichtige Beschäftigung bleibt zudem maßgeblicher Beruf, wenn sie aus gesundheitlichen Gründen aufgegeben wurde (BSGE 2, 181,187; BSG SozR RVO § 1246 Nr. 33, 57, 94; BSG SozR 2200 § 1246 Nr. 158). "Bisheriger Beruf" des Klägers ist dementsprechend seine bis zum Jahr 1999 ausgeübte Tätigkeit als Hauer. Diese hat er für längere Zeit und bei im Wesentlichen ungeschwächter Arbeitskraft ausgeübt, bevor er sie aus gesundheitlichen Gründen zum 30.09.2000 aufgegeben hat. Als Hauer kann der Kläger nach den Feststellungen der medizinischen Sachverständigen und der damit übereinstimmenden Auffassung der Beklagten nicht mehr arbeiten.
Der Rentenanspruch hängt mithin davon ab, ob es zumindest eine Tätigkeit gibt, die dem Kläger sozial zumutbar ist und von ihm gesundheitlich wie fachlich noch bewältigt werden kann. Dabei richtet sich die soziale Zumutbarkeit einer Verweisungstätigkeit nach der Wertigkeit des bisherigen Berufs.
Zur Erleichterung dieser Beurteilung hat die Rechtsprechung des BSG die Berufe der Versicherten in Gruppen eingeteilt. Diese Berufsgruppen sind ausgehend von der Bedeutung, die Dauer und Umfang der Ausbildung für die Qualität eines Berufs haben, gebildet worden. Entsprechend diesem Mehrstufenschema werden die Arbeiterberufe durch Gruppen mit den Leitberufen des Vorarbeiters mit Vorgesetztenfunktion bzw. des besonders hoch qualifizierten Facharbeiters, des Facharbeiters (anerkannter Ausbildungsberuf von mehr als zwei Jahren), des angelernten Arbeiters (sonstiger Ausbildungsberuf mit einer Regelausbildungszeit von drei Monaten bis zu zwei Jahren) und des ungelernten Arbeiters charakterisiert (BSG Urteil vom 22.10.1996 -13 RJ 35/96- in SozR 3-2200 § 1246 Nr. 55 und vom 18.2.1998 -B 5 RJ 34/97 R- in SozR 3-2200 § 1246 Nr. 61). Die nach diesem Schema vorzunehmende Einordnung sowohl des bisherigen Berufs als auch der zumutbaren Verweisungstätigkeiten erfolgt zum einen nach der Dauer der absolvierten Ausbildung und zum anderen nach der Qualität der verrichteten Arbeiten. Es kommt auf das Gesamtbild an, wie es durch die in § 43 Abs. 2 Satz 2 SGB VI a.F. genannten Merkmale (Dauer und Umfang der Ausbildung sowie des bisherigen Berufs, besondere Anforderungen der bisherigen Berufstätigkeit) umschrieben wird. Davon ausgehend darf der Versicherte im Vergleich zu seinem bisherigen Beruf grundsätzlich auf die nächstniedrige Gruppe verwiesen werden (BSG Urteil vom 25.7.2001 -B 8 KN 14/00 R- mit weiteren Nachweisen, vgl auch BSG Urteil vom 17.6.1993 -13 RJ 33/92- in SozR 3-2200 § 1246 Nr. 33).
Der Kläger kann für sich Berufsschutz als bergmännischer Facharbeiter in Anspruch nehmen. Er war nach einer zweijährigen, mit Abschluß beendeten Anlernausbildung zum Berg- und Maschinenmann nach der Verordnung über die Berufsausbildung zum Berg- und Maschinenmann vom 22.06.1979 (BGBl. I S. 837) langjährig als Hauer an verschiedenen Betriebspunkten (Streckenausbau, Streb und Gewinnung) sowie als Maschinen- und Schachtzimmerhauer mit entsprechender Facharbeiterentlohnung nach den Lohngruppen 9 bis 11 der Lohnordnung tätig. Es ist daher davon auszugehen, dass er über die Kenntnisse und Fertigkeiten verfügt hat, die ihn befähigten, die wesentlichen bergmännischen Arbeiten (Hauerarbeiten) zu verrichten bzw. nach kurzer Einweisung zu bewältigen (vgl. BSG Urteil vom 25.7.2001 -B 8 KN 14/00 R- in JURIS).
Als Facharbeiter kann der Kläger nach dem vom BSG entwickelten Mehrstufenschema auf Tätigkeiten verwiesen werden, die eine betriebliche Ausbildung von wenigstens drei Monaten erfordern (Berufsgruppe mit dem Leitbild des angelernten Arbeiters). Darüber hinaus müssen sich Facharbeiter auch auf solche ungelernten Tätigkeiten verweisen lassen, die sich aus dem Kreis der ungelernten Tätigkeiten herausheben und die wegen ihrer besonderen Qualität oder betrieblichen Wichtigkeit wie sonstige Ausbildungsberufe tariflich eingestuft sind (BSG SozR 2200 § 1246 RVO Nr. 17, 29, 34).
Diese Grundsätze berücksichtigend ist der Kläger zur Abwendung von Berufsunfähigkeit auf die Tätigkeit des Teilemontierers in der Metall- und Elektroindustrie (1) sowie auch auf die Tätigkeit des Zigarettenautomatenauffüllers (2) verweisbar.
(1) Zur Tätigkeit des Teilemontierers:
Aus dem dem Kläger zur Kenntnis gegebenen Gutachten des Verbandsingenieurs C3 vom 27.06.2005 zur Verweisbarkeit eines ausgebildeten Berg- und Maschinenmannes ergibt sich zunächst, dass in diesem Berufsfeld vielfältige Grundlagen zu erkennen sind, die mit Ausbildungsberufen in der Metall- und Elektroindustrie identisch sind. In seinem Gutachten führt der Sachverständige C3 hinsichtlich der Ausbildung zum Berg- und Maschinenmann und der des Teilezurichters im Metall- und Elektrobereich aus, dass gerade in den handwerklichen Grundkenntnissen hier eine hohe Vergleichbarkeit festzustellen ist. Demzufolge ergeben sich für den Berg- und Maschinenmann eine breite Einsatzmöglichkeit im Bereich der Metall- und Elektroindustrie, vor allem dann, wenn man berücksichtigt, dass ihm eine Einarbeitungszeit von drei Monaten ermöglicht wird.
Ausgehend hiervon beschreibt der Sachverständige zahlreiche Arbeitsplätze in der Metall- und Elektroindustrie, die mit einem Leistungsvermögen für körperlich leichte und erst recht für die dem Kläger zumutbaren mittelschweren Arbeiten zu bewältigen sind. Dazu gehört beispielweise der Tätigkeitsbereich des Teilezurichters, des Teilemontierers in der Fertigung z.B. von Überrollbügeln für die Automobilindustrie oder des Monteurs von Steckdosenpaketen, Lichtrufsystemen und Niederspannungsgeräten. Diese Tätigkeiten hat der Sachverständige – wie er ausführt – sämtlich unter dem Gesichtspunkt eines Leistungsvermögens für leichte Arbeiten ausgesucht. Es müssen keine Lasten über zwölf Kilogramm manuell bewegt werden; die Tätigkeiten werden wahlweise im Gehen, Stehen und Sitzen verrichtet. Fließband- und Akkordarbeit kommen ebenso wie Zwangshaltungen und überwiegend einseitige Körperhaltungen nicht vor. Dem Kläger ist ein Wechsel der Körperhaltung zu jeder Zeit möglich.
Dieses Anforderungsprofil entspricht dem Leistungsvermögen des Klägers. Nach den übereinstimmenden Feststellungen der gehörten Sachverständigen L, Dr. L1, T2 und Dr. L2 kann der Kläger noch körperlich mittelschwere Arbeiten im Gehen, Stehen oder Sitzen ohne Zwanghaltung oder einseitige Körperhaltungen sowohl in geschlossenen Räumen als auch im Freien unter Witterungsschutz sowie unter Vermeidung von Gefährdungen durch Nässe, Hitze, Kälte, Zugluft, Lärm und starke Temperaturschwankungen verrichten. Der Kläger kann Lasten von bis zu 15 Kg heben und tragen. Damit ist der Kläger in der Lage, die durchweg sogar nur körperlich leichten Arbeiten eines Teilezurichters bzw. -monteurs zu verrichten. Es sind auch keine Anhaltspunkte dafür ersichtlich, dass der Kläger bis zum 31.12.2000 nicht fähig gewesen wäre, den mit der Tätigkeit verbundenen geistig-psychischen Anforderungen gerecht zu werden. Zum einen verfügt er als ausgebildeter Berg- und Maschinenmann auch über die hier erforderlichen Kenntnisse und Fähigkeiten. Zum andern können erhebliche leistungsmindernde psychiatrische Erkrankungen, die die geistig-psychische Belastbarkeit des Klägers im Jahr 2000 nachhaltig beeinträchtigt hätten, nicht festgestellt werden.
Soweit Dr. L2 in seiner sozialmedizinischen Leistungsbeurteilung des Klägers – anders als PD Dr. C2 – die Auffassung vertreten hat, aufmerksames und zuverlässiges Handeln des Kläger sei eingeschränkt, sieht der Senat – ebenso wie bereits mit zutreffender Begründung das Sozialgericht – das Gutachten als unschlüssig und daher unverwertbar an, da Dr. L2 – worauf auch PD Dr. C2 aufmerksam macht – mehrfach überdurchschnittliche Testungsergebnisse für Aufmerksamkeit und Konzentrationsleistungen und ungestörte Orientierung, Merkfähigkeit, Zahlenverständnis und Begriffsbildung festgestellt hat, dann aber bei der Beantwortung entsprechender Beweisfragen begründungslos verringerte Qualitäten auf diesen Sektoren zu behaupten. Die Verweisbarkeit scheitert auch nicht daran, dass Dr. L2 Arbeiten in Wechselschicht ausgeschlossen hat, da er auch diese Leistungseinschränkung nicht begründet und damit schlüssig dargelegt hat.
Da Kälte, Nässe, Zugluft und starke Temperaturschwankungen am Arbeitsplatz des Teilezurichter/-monteurs nicht vorzufinden sind, ergeben sich insgesamt keine Anhaltspunkte dafür, dass eine solche Tätigkeit vom Kläger zumindest bis 31.12.2000 nicht hätte ausgeübt werden können.
Nach den Ausführungen des Sachverständigen C3 im berufskundlichen Gutachten vom 27.06.2005 gibt es auch genügend Arbeitsplätze dieser Art. Allein in NRW gibt es in der Metall- und Elektroindustrie insgesamt 670.070 Beschäftigte in 150 Betrieben (mit mehr als zwanzig Mitarbeitern). 14,2 % aller gewerblichen Arbeitnehmer arbeiten nach einer internen Statistik der Metall- und Elektroindustrie in NRW in der Lohngruppe 6 des Tarifvertrages der Eisen-Metall-Elektroindustrie, das sind ca. 95.150 Arbeiter. In der Automobilzulieferindustrie sind zur Zeit 43.224 Beschäftigte in 150 Betrieben beschäftigt. Davon sind 6.137 Beschäftigte in der Lohngruppe 6 tätig. Im Kölner Bereich sind 17,8 % von 51.101 Gesamtbeschäftigten in der Lohngruppe 6 des genannten Tarifvertrages beschäftigt. Wenn danach allein im Zuständigkeitsbereich des Arbeitgeberverbandes der Metall- und Elektroindustrie Köln eine so große Anzahl von Arbeitsplätzen im Bereich der Lohngruppe 6 existiert, ist davon auszugehen, dass es bundesweit weitere Betriebe mit ähnlichen Arbeitsplätzen – vor allem ähnlichen Anforderungen – gibt, so dass die von dem Sachverständigen genannten Tätigkeiten auch in nennenswerter Zahl vorhanden sind.
Als Facharbeiter ist der Kläger auf Tätigkeiten der Anlernebene verweisbar. Da die Lohngruppe 6 – die nächstniedere nach der auch Facharbeiter betreffenden Lohngruppe 7 -, nach der Teilezurichter bzw. Teilemonteure regelmäßig entlohnt werden, Arbeiten umfasst, die eine abgeschlossene Anlernausbildung in einem anerkannten Anlernberuf oder eine gleich zu bewertende betriebliche Ausbildung erfordern und deshalb zum oberen Anlernbereich gehören, sieht der Senat hinsichtlich der sozialen Zumutbarkeit keine Bedenken (zur Verweisbarkeit auf die Tätigkeit des Teilezurichters vgl. auch Urteil des Senats vom 08.11.2005 – L 18 KN 103/01 – )
(2) Zur Tätigkeit des Zigarrettenautomatenauffüllers:
Nach den Feststellungen des berufskundlichen Sachverständigen Dr. N handelt es sich bei der Tätigkeit des Zigarettenautomatenauffüllers um eine leichte körperliche Tätigkeit, die im Wechsel von Gehen, Stehen und Sitzen ausgeübt wird und nur normale durchschnittliche Anforderungen an seelisch-geistige Qualitäten stellt. Darüber hinausgehende Qualitäten sind nicht gefordert.
Was die körperliche Belastung anbelangt, ist davon auszugehen, dass bei einer städtischen Tour täglich 40 – 44 und bei einer ländlichen Tour täglich 35 – 40 Zigarettenautomaten angefahren, gewartet und nachgefüllt werden müssen. Dabei sind durchschnittlich täglich insgesamt etwa 3000 Packungen, was 150 Stangen zu 20 Packungen und einem Warenwert von rund 12000,00 Euro entspricht, nachzufüllen. Jeder zu versorgende Automat ist somit durchschnittlich mit 75 Packungen nachzufüllen bei einem Geldgesamtanfall von durchschnittlich etwa 300,00 Euro.
Von diesen durchschnittlichen Werten ausgehend fallen je Zigarettenautomat nur geringe Gewichte an Zigaretten und an Geld an. Ausgehend von einem Packungsgewicht von etwa 25 g – Stange von maximal 510 g bei 20 Packungen – ist ein Warengewicht bei 75 Packungen von unter 2 Kg in dem 2,2 Kg wiegenden Füllkorb zu bewältigen. Entsprechend stellt sich das Gewicht des Geldes dar. Bei einem ausschließlich mit Münzgeld zu bedienenden Automaten und bei einem Packungspreis von durchschnittlich 4,00 Euro können 300 1,00-Euro-Münzen durchschnittlich anfallen, was zu einem Gewicht von max. 2550 g führt. Dabei ist der Senat, der Annahme des Sachverständigen folgend von einem Münzgewicht bei einer 1,00-Euro-Münze von etwa 8,5 g – münzfrisch 7,5 g plus Verschmutzung – ausgegangen. Variationen wegen anderer Münzzusammenstellungen oder -mischung mit Notengeld sind möglich. Abweichungen nach oben und nach unten sind aber nur in einem Maße möglich, mit dem die 5 Kilo Grenze regelmäßig nicht überschritten wird.
In Ausnahmefällen können zwar höhere Gesamtgewichte sowohl bei der Ware als auch beim Geld anfallen. Zigarettenkartons mit einem Inhalt von 16 Stangen zu 510 g können bis knapp unter 9 Kg wiegen. Zu entnehmende Geldmengen können insgesamt das Gewicht von 20 Kg nach den Darlegungen des berufskundlichen Sachverständigen erreichen/ überschreiten. Diese Gewichte können aber, wie der Sachverständige auch dargelegt hat, in Teilmengen transportiert werden. Der Automatenauffüller kann sie sich seinem Leistungsvermögen entsprechend aufteilen, was für den Kläger, der nach den Feststellungen der medizinischen Sachverständigen noch Lasten von 15 Kg heben und tragen kann, nur im äußersten Ausnahmefall erforderlich sein dürfte.
Weitere körperliche Belastungen mit den vorbeschriebenen (Gesamt)Höchstgewichten treten auf beim Beladen des Lieferfahrzeugs. Gleich ob die aus dem Warenlager des Tabakwarengroßhändlers zu entnehmenden Waren von einem Kommissionierer vorbereitet bereitgestellt werden oder ob der Auffüller sie selbst aus dem Lager holt. Diese Gewichte können ebenfalls – soweit vorliegend überhaupt erforderlich – belastungsgerecht aufgeteilt werden.
Das an den Automaten eingesammelte Geld fällt nach dem Zählen mittels einer Zählmaschine in einen im Lieferwagen eingebauten Tresor, der auf dem Gelände des Tabakwarengroßhändlers nur noch aus dem Lieferwagen auf ein Rollenförderband gezogen werden muss, das bis an den Lieferwagen heranreicht. Mit der Geldentnahme oder einem Transport ins Kassenbüro hat der Automatenauffüller nichts zu tun.
Beim Beladen des Fahrzeugs werden entweder die Zigaretten-Kartons oder-Stangen in in dem Wagen eingebaute Regale gelegt. Beim Nachfüllen der Automaten sind die erforderlichen Mengen wieder aus diesen Regalen herauszunehmen. Dabei können jeweils naturgemäß einzelne kurzfristige Bückvorgänge notwendig sein, die dem Kläger aber uneingeschränkt medizinisch zumutbar sind, zumal nicht davon auszugehen ist, dass sich die jeweils nachzufüllenden Zigarettenpackungen bei jedem Automaten ausschließlich auf dem Boden des Lieferfahrzeugs – als dem untersten "Regalboden" – befinden.
An die geistig-seelischen Qualitäten wie Reaktionsfähigkeit, Übersicht, Aufmerksamkeit, verantwortliches und zuverlässiges Handeln werden normale, durchschnittliche Anforderungen gestellt, wie sie bei dem Kläger bedenkenlos vorausgesetzt werden können. Der Senat folgt auch insofern – wie bereits ausgeführt – der schlüssigen sozialmedizinischen Beurteilung des Sachverständigen PD Dr. C2. Dies gilt auch insoweit, als berücksichtigt wird, dass die Tätigkeit einer gewissen Intelligenz und Umstellungsfähigkeit bedarf, um die zu erfüllenden Aufgaben zu erlernen und den Versorgungsbezirk mit seinen Automaten kennenzulernen und abzufahren. Ob ein Bewerber die sicherlich auch für eine Einstellung in diesen Beruf wegen der hohen Waren- und Geldwerte erforderlichen charakterologischen Qualitäten, wie Vertrauenswürdigkeit und Zuverlässigkeit besitzt, entzieht sich medizinisch/gutachterlicher Feststellungen und sozialgerichtlicher Entscheidung jedenfalls soweit – bei Zweifeln über deren Vorhandensein – dem ein Krankheitsgeschehen nicht zugrunde liegt. Die medizinischen Gutachter haben Defizite, die die Zuverlässigkeit einschränken könnten, nicht festgestellt.
Zeitdruck kann allenfalls in dem allenthalben bei jeder Arbeit anfallenden Ausmaß entstehen bzw. vorhanden sein. Der Zigarettenautomatenauffüller ist in der Gestaltung seines Arbeitstages weitestgehend frei. Das hat seine Grundlage darin, dass er für die Versorgung seines Bezirks und nicht nach geleisteten Arbeits- und/oder Überstunden entlohnt wird. Deshalb kann er seine Nachfüll-Tour, die für den jeweiligen Tag vorgegeben wird, in ihrem Ablauf frei gestalten, Pausen nach den Vorgaben der Arbeitszeitordnung planen und einhalten oder zusätzliche Pausen einlegen. Daran ist er durch nichts, vor allem nicht durch eine Verpflichtung zur Einhaltung von Terminen, gehindert. Er kann z.B. in einem innerstädtischen Bereich ganz früh morgens mit seiner Arbeit beginnen, um sie relativ "bequem" und zügig erledigen zu können, weil er sich als Lieferant bis 10 Uhr morgens problemlos in seinem Fahrzeug sowohl in der Fußgängerzone als auch in dem anderen Innenstadtbereich bewegen kann. Hat er auf seiner Tour vornehmlich z.B. Kantinen, Wirtschaften und Kioske aufzusuchen, wird er wegen möglicher späterer Öffnungszeiten seinen Arbeitstag auch erst später am Tag beginnen mit der Folge, dass es an diesem Tage später werden kann. Bei normalem Ablauf eines durchschnittlichen Tourentages ist deshalb das Entstehen von Zeitdruck über das normale Maß hinaus nicht zu erwarten. Zeitdruck wird regelmäßig nur dadurch entstehen können, worauf auch der Sachverständige hinweist, dass sich der Auffüller selbst unter Druck setzt mit dem Ziel seine Arbeit schnellstmöglich hinter sich zu bringen. Selbst wenn der Kläger sich eigenverantwortlich diesem Zeitdruck aussetzen würde, steht dies im Einklang mit seinem Leistungsvermögen. Nach den schlüssigen Ausführungen des Sachverständigen PD Dr. C2 kann der Kläger sogar unter dem mit der Tätigkeit eines Apothekenauslieferungsfahrers, die durch – anders als die Tätigkeit des Zigarrettenautomatenauffüllers – Zeitvorgaben bestimmt ist, verbundenen Zeitdruck arbeiten.
Da es von dieser Art Arbeitsplätze in Deutschland etwa 2500 gibt, in Nordrhein-Westfalen allein mehr als 500, wobei die Arbeitsplätze und die Bevölkerungszahlen ins Verhältnis gesetzt sind, demnach von einer beachtlichen und nach der Rechtsprechung der Rentensenate des Bundessozialgerichts (vgl. Urteil des BSG in RozR 3-2600 § 43 Nr. 13) bei weitem für eine Verweisungstätigkeit ausreichenden Anzahl dieser Arbeitsplätze, seien sie frei oder besetzt, auszugehen ist, sind die vorbeschriebenen Arbeitsbedingungen die des allgemeinen Arbeitsmarktes für diese Tätigkeit (vgl. BSG Urteil in SozR 2200 § 1247 Nr. 43, Urteil in SozR 4100 § 168 Nr. 7).
Diese üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes bestehen nach den Ausführungen des Sachverständigen Dr. N nicht darin, nach Stunden und Überstunden für eine Arbeit entlohnt zu werden, sondern in der Versorgung der Automaten in dem, dem Zigarettenautomatenauffüller anvertrauten Bezirk. Der Sachverständige hat insofern in seiner Stellungnahme vom 20.07.2005 (in einem Verfahren des 2. Senats des LSG NRW, Aktenzeichen hier unbekannt) dazu ausgeführt, dass die Fahrverkäufer/Automatenauffüller in der Regel ein festes Monatsgehalt erhalten, mit dem alle eventuellen Überstunden abgegolten sind. Vom Stelleninhaber würde erwartet, dass er seinen von ihm selbst gestalteten Tourenplan einhalte und die Tagesarbeit erledige. Sei ihm das in weniger als 38,5 Stunden pro Woche (tarifliche Wochenarbeitszeit im Groß- und Aussenhandel NRW) möglich, würde danach genau so wenig gefragt, wie wenn er 42 Stunden aufgrund Staus oder wegen langsamerer Arbeitsweise benötige. Der Senat sieht keinen Grund, diese Äußerungen des Sachverständigen in Zweifel zu ziehen.
Die vom Marktführer erstellte Stellenbeschreibung des Fahrverkäufers, die nach Ausführung des Sachverständigen die in der Branche übliche Arbeit des Automatenauffüllers beschreibt, haben sowohl der Zeuge T4 als auch der Sachverständige, der seinerseits davon ausgeht, dass die treffendere Bezeichnung die des Zigarrettenautomatenauffüllers sei, vorgelegt. Der Fahrverkäufer ist ausdrücklich in den Tätigkeitsbeispielen der Lohngruppe 6 des einschlägigen Tarifvertrages für den Groß- und Außenhandel in Nordrhein-Westfalen (NRW) so benannt und aufgeführt. Damit haben die Tarifvertragsparteien, die die genaue Art der Arbeit im Geltungsbereich des Tarifvertrages kennen und die es überdies gewohnt sind, solche Einstufungen vorzunehmen, mit ihrer besonderen Sachkenntnis zum Ausdruck gebracht, dass sie davon ausgehen, dass diese Arbeit auch grundsätzlich in der diesem Tarifvertrag zugrunde liegenden Arbeitszeit (§ 2 des Manteltarifvertrages für Arbeitnehmer im Groß- und Außenhandel NRW) zu bewältigen ist.
Soweit der Kläger unter Hinweis auf die von dem Gesamtbetriebsratsvorsitzenden der U GmbH & Co KG, T4, in dem Verfahren L 18 (4) RJ 107/03 überreichte Übersicht über die "Ready-Zeiten/MDE-Zeiten" für den Monat April 2005, geltend macht, die durchschnittliche tägliche Arbeitszeit der Zigarrettenautomatenauffüller liege bei 10,29 Stunden (und insoweit sich die Frage stelle, ob der Kläger einer Tätigkeit in diesem Umfang gesundheitlich gewachsen sei), ist die vorgelegte Übersicht nicht geeignet, die von dem Sachverständigen (sowie den Tarifvertragsparteien) zugrunde gelegte Arbeitszeit zu widerlegen.
Wie der Zeuge T4 in der Verhandlung am 23.08.2005 (im Rahmen des Verfahrens L 18 (4) RJ 107/03) ausgesagt hat, wird mit dem mobilen Datenerfassungsgerät (MDE, dem sogenannten "Ready"), das bei neueren Zigarrettenautomaten zum Einsatz kommt, nicht nur der jeweils aktuelle Bestand und letzte Abverkauf registriert, sondern auch die "Zeit des Nachfüllvorganges". Dabei wird das Gerät – der Zeugenaussage zufolge – beim Auslesen des ersten Automaten auf der Tagestour eingeschaltet und nach dem Auslesen des letzten Automaten an diesem Tag ausgeschaltet. Diese Zeiten sowie zusätzliche pauschale Zeiten (zwei Stunden täglich) für die Abrechnung und Fahrzeiten zum/ab Lager liegen der vom Zeugen überreichten Übersicht "Ready-Zeiten" zugrunde, derzufolge eine durchschnittliche Zeit von 10,29 Stunden (einschließlich pauschal abgerechneter Zeiten für "Abrechnung und Fahrzeiten") täglich errechnet worden ist. Diese "Ready-Zeiten" sind als Grundlage für die Berechnung einer täglichen Arbeitszeit ungeeignet. Entgegen der Auffassung des Klägers ergeben sich daraus tatsächlich nicht eine entsprechende Arbeitszeit der Beschäftigten, sondern allein die Zeit zwischen Ein- und Ausschalten des Ready-Gerätes. Es ergeben sich wegen der ununterbrochenen Aufzeichnung keine Aussagen/Erkenntnisse darüber, ob und in welchem Umfang in der aufgezeichneten Gesamtzeit Zeiten für das Auffüllen, das Fahren zwischen den Automaten und/oder ggf. zum Lager, Unterbrechungen welcher Art auch immer und die nach dem Arbeitszeitgesetz (ArbZG) einzuhaltenden Pausen.
Schon deshalb ist die auf der Übersicht vorgenommene Berechnung nicht geeignet, die Angaben des Sachverständigen Dr. N, der grundsätzlich von der tariflichen Arbeitszeit ausgeht, zu entkräften, da die ohnehin – wie dargestellt – nur theoretischen – Berechnungen in sich nicht schlüssig sind. Die Zeiten sind im einzelnen nicht nachvollziehbar, so dass weder das Gesamtergebnis noch einzelne Zeiten nachgerechnet werden können.
Nach dem oben beschriebenen Leistungsvermögen ist der Kläger durchaus in der Lage diesen Beruf auszuüben. Er wird weder körperlich noch seelisch-geistig durch die zu verrichtenden Tätigkeiten, einschließlich der kleinen Reparatur- und Instandhaltungsarbeiten, überfordert (zu der Verweisungstätigkeit des Zigarretenautomatenauffüllers auch Urteile des Senats vom 22.03.2005 – L 18 KN 91/01, vom 19.07.2005 – L 18 KN 101/03 und L 18 KN 25/02-). Bei den in der Vergangenheit zu verrichtenden Arbeiten hat er auch mit Werkzeugen umgehen müssen, so dass dem Senat nicht ersichtlich und von dem Kläger nicht schlüssig vorgetragen ist, warum er die erforderlichen kleinen Reparaturen und die in der Stellenbeschreibung weiter beschriebenen Aufgaben des Zigarretenautomatenauffüllers nicht durchführen könnte.
Entgegen seiner Darlegung ist der Kläger insbesondere auch – wie dargelegt – den mit diesem körperlichen Anforderungsprofil verbundenen geistig-seelischen Anforderungen unter Berücksichtigung des Gutachtens von PD Dr. C2 gewachsen. Es gibt auch keine Anhaltspunkte für die Annahme, dass er diese Tätigkeit nicht innerhalb von drei Monaten soweit erlernen könnte, dass er sie vollwertig verrichten kann. Der Kläger hat unter Berücksichtigung seines beruflichen Werdeganges unter Beweis gestellt, dass er unterschiedlichen Anforderungen bei der Durchführung von Tätigkeiten gewachsen ist. Er war in der Lage höherwertige Tätigkeiten im Bergbau zu verrichten. Dafür spricht allein schon der Umstand, dass er als Facharbeiter mit dem daraus fließenden Verweisungsschutz anzusehen ist.
Die Tätigkeit des Zigarettenautomatenauffüllers ist dem Kläger auch mit Rücksicht auf den hier anzunehmenden Facharbeiterschutz sozial zumutbar, da er nach der Lohngruppe VI des Lohnrahmenabkommens des Groß- und Außenhandels in Nordrhein-Westfalen (Verkaufssfahrer) vom 14. März 1980, nach der auch solche Tätigkeiten entlohnt werden, die eine abgeschlossene Facharbeiterausbildung voraussetzen, entlohnt wird. Die hohe tarifliche Einstufung ist gerechtfertigt dadurch, dass der Zigarettenautomatenauffüller mit hohen Waren- und Geldwerten umgeht und deswegen eine für den Betrieb hochwertige Arbeit ausführt.
Der Senat hat keine Bedenken die Feststellungen des beruflichen Sachverständigen Dr. N zu der Tätigkeit des Zigarettenautomatenauffüllers seiner Entscheidung zu Grunde zu legen. Er ist als Geschäftsführer der Wirtschaftsvereinigung Großhandel-Außenhandel-Dienstleistungen Ruhrgebiet e.V. hinreichend mit der Materie befasst und hat in dieser Funktion ganz wesentlich mit dem Tabakgroßhandel zu tun. Er hat sich im Einzelfall Kenntnisse durch Gespräche und Rücksprachen mit den Tabakwarengroßhändlern verschafft und mit diesem Kenntnisstand die an ihn gerichteten Fragen beantwortet. Seine Ausführungen sind – entgegen der Auffassung des Klägers, der seine Auffassung weder belegt noch auch nur schlüssig darlegt – insbesondere nicht widersprüchlich oder gar unverwertbar.
Soweit der Kläger desweiteren geltend macht, die Rechtsordnung könne von ihm generell nicht verlangen, dass er sich am Handel mit Drogen – nämlich Nikotin – beteilige, übersieht er zunächst, dass er gerade mit dieser Tätigkeit in ganz erheblichem Maße mit jeder von ihm nachgefüllten Zigarettenpackung auf die gesundheitliche Gefährlichkeit des Tabakrauchens schriftlich hinweist. Jede Packung weist in einem Aufdruck auf die gesundheitliche Schädllichkeit des Rauchens hin.
Darüberhinaus scheint er sich insoweit, wie in dem ähnlich gelagerten Fall (L 18 KN 25/02), im Ansatz auf ein Grundrecht aus Artikel 4 des Grundgesetzes (GG) berufen zu wollen. Die höchstrichterliche Rechtsprechung, die zur Frage einer zulässigen Ablehnung einer angebotenen Arbeit im Rahmen der Arbeitlosenversicherung ergangen ist, hat in diesem Zusammenhang hervorgehoben, dass eine Beeinträchtigung von Belangen der Versichertengemeinschaft nur dann als gerechtfertigt angesehen werden kann, wenn und soweit der Schutzbereich des Art. 4 GG eröffnet ist und bei der gebotenen Rechtsgüterabwägung der Gewissensposition des einzelnen ein höheres Gewicht zukommt als den verfassungsrechtlich angeordneten Gemeinschaftsaufgaben, hier: Sicherung der Funktionsfähigkeit der gesetzlichen Sozialversicherung, deren Belange ihren verfassungsrechtlichen Anknüpfungspunkt im Sozialstaatsprinzip finden (BSG Urteil vom 23.06.1982, SozR 4100 § 119 AFG Nr. 19, vgl. BVerfG in SozR 4100 § 119 Nr. 22). Art. 4 GG soll ein allgemeines Recht auf Verwirklichung von Gewissensentscheidungen gewährleisten (BSG Urteil vom 18.02.1987, SozR 4100 § 119 AFG Nr. 30). Verlangt wird hierbei jedoch, dass der Versicherte eine Gewissensentscheidung getroffen hat, an deren Ernsthaftigkeit kein Zweifel besteht. Es muss durch die Ausübung der "angebotenen" Arbeit zu einem aufgezwungenen Gewissenskonflikt kommen. Dazu hat der Kläger die Voraussetzungen für eine Gewissensnot substantiiert vorzutragen. Das Gericht hat zu überprüfen, ob diese Darlegungen glaubhaft sind.
Die für den Bereich der Arbeitslosenversicherung an Art. 4 GG orientierten und entwickelten Grundsätze des BSG sind gleichermaßen tragend für den Bereich der gesetzlichen Rentenversicherung. Es geht ausschließlich um die Zumutbarkeit einer Tätigkeit/ eines Berufes. An den aufgeführten Voraussetzungen eines "aufgezwungenen Gewissenskonflikts" fehlt es hier gänzlich. Allein der Umstand, dass die vom Kläger dargelegten grundsätzlichen Bedenken gegen eine Verweisbarkeit auf die Tätigkeit des Zigarettenautomatenauffüllers gleichlautend schriftsätzlich in zahlreichen anderen Verfahren "ohne wenn und aber" in die jeweiligen Verfahren eingeführt wurden, lässt eine konkrete Einzelfallbezogenheit vermissen. Die allgemein gehaltenen Ausführungen gegen das Rauchen und die Unzumutbarkeit, den Kläger und "sämtliche anderen Versicherte" rentenrechtlich auf eine Tätigkeit zu verweisen, die "Mitwirkung am Handel mit der Droge Nikotin abverlangt", lassen noch keine vom Kläger individuell und ernsthaft getroffene und detailliert vorgetragene Gewissensentscheidung dagegen erkennen. Ganz im Gegenteil: die Äußerung seines Bevollmächtigten, die Mitwirkung am Handel mit der Droge Nikotin sei "unabhängig von der Gestaltung des Einzelfalles immer und in jedem einzelnen Fall strikt abzulehnen", macht deutlich, dass es ihm nicht um eine – nämlich seine – individuelle Gewissensposition der und des Versicherten – wie vorliegend – geht. In einem solchen pauschalen Vortrag, kann der Senat weder eine substantiierte Darlegung der Einzelgründe für eine Gewissensentscheidung überhaupt geschweige denn für deren Ernsthaftigkeit entnehmen. In einem solchen, ganz allgemein gehaltenen Vortrag, sieht der Senat keinen Grund, die Versichertengemeinschaft mit einer Rentenleistung zu belasten.
Da bislang Produktion und Vertrieb von Zigaretten gesetzlich nicht verboten sind, sieht der Senat durch die Verweisung auf die Tätigkeit des Zigarettenautomatenauffüllers keine Rechtsverletzung und deshalb auch – entgegen der Auffassung des Klägers – keinen Verstoß gegen die durch Art.1 GG geschützte "unantastbare" Menschenwürde. Art.1 GG schützt den Einzelnen vor einer staatlichen Behandlung, die ihn zum bloßen Objekt degradiert und seine Subjektqualität prinzipiell in Frage stellt (BVerfGE 30, 1, 25 f., 87, 209, 228; 96, 375, 399; 109, 279, 312; Schmidt-Bleibtreu/Klein GG-Kommentar zu Art.1 Rdnr.1; ähnlich auch Maunz/Dürig/Herzog zu Art.1 Rdnr.28 m.w.N.). Dabei gehört zum Schutz der Menschenwürde nicht nur Schutz vor materieller Not, sondern auch vor Erniedrigung, Brandmarkung, Verfolgung, Ächtung usw. (vgl. Schmidt-Bleibtreu/Klein a.a.O.). Die durch Art.1 GG geschützte Würde des Klägers ist durch die Verweisung auf die Tätigkeit des Zigarrettenautomatenauffüllers nicht verletzt. Es ist mit Art.1 GG vereinbar, auf eine nicht sittenwidrige und von der Rechtsordnung nicht sanktionierte, sondern in jeder Hinsicht im öffentlichen Leben anerkannte Tätigkeit zu verweisen. Das will der Kläger zwar in nicht zu rechtfertigender Weise in Abrede stellen, indem er den Zigarrettenautomatenauffüller einem "Drogendealer" gleichsetzt, was der Senat ausdrücklich missbilligt. Ein Vergleich mit dem Handel von illegalen Drogen verbietet sich. Insbesondere mit Rücksicht auf die im Arbeitsverhältnis stehenden Zigarrettenautomatenauffüller hieße das, ihnen verbotene, sittenwidrige Geschäfte und den unerlaubten Handel mit Drogen zu unterstellen.
Soweit der Kläger als Ausgangspunkt der von ihm geltend gemachten Grundrechtsverletzung ausführt, das Rauchen – und damit auch die Tätigkeit des Zigarrettenautomatenauffüllers – sei gesellschaftlich "geächtet", findet diese Annahme in den tatsächlichen Lebensverhältnissen in der Bundesrepublik Deutschland keine Bestätigung. Das Rauchen ist zwar aus medizinischen Gründen sowohl für die Raucher – wie den Kläger – als auch für die sogenannten Passivraucher grundsätzlich als gesundheitsschädlich anzusehen. Auch umfangreiche Kampagnen gegen das Rauchen haben nicht erreicht, Millionen von Menschen vom Rauchen abzuhalten. Es ist weder das Rauchen in der Öffentlichkeit verboten, noch im öffentlichen Leben verpönt. Von einer gesellschaftlichen Ächtung zu sprechen und dies zudem als Begründung einer Grundrechtsverletzung heranzuziehen, ist abwegig. Es kann daher von niemandem objektiv als Diskriminierung, Abwertung oder unwürdiger Unterordnung empfunden werden, wenn er auf eine Tätigkeit als Zigarrettenautomatenauffüller verwiesen wird. Durch die Verweisung auf eine legale und tariflich erfasste Erwerbstätigkeit wird die Subjektqualität des einzelnen Versicherten nicht berührt.
Im Übrigen hat das Bundesverfassungsgericht in seinen Beschlüssen vom 09.03.1994 (u.a. 2 BvL 43/92; 51/92 und 63/92, BverfGE 90, 145) entschieden, dass es der Gleichheitsgrundsatz des Art.3 GG nicht verbietet, alle potentiell gleich schädlichen Drogen gleichermaßen zu verbieten oder zuzulassen. Der Gesetzgeber habe ohne Verfassungsverstoß den Umgang mit Cannabisprodukten einerseits, mit Alkohol und Nikotin andererseits unterschiedlich regeln können.
Was den Schutz der Kinder und Jugendlichen, auf den sich der Kläger auch beruft, anbelangt, ist dem Senat nicht nachvollziehbar, inwieweit sich der Kläger in seiner Menschenwürde verletzt fühlen könnte. Es gehört zuförderst zu dem von Art.6 Abs.2 Satz 1 GG geschützten Verantwortungsbereich der Eltern, die Rechte ihrer Kinder dem Staat oder Dritten gegenüber zu schützen. Werden Eltern dieser Verantwortung nicht gerecht, kommt das "Wächteramt des Staates" nach Art.6 Abs.2 Satz 2 GG zum Tragen. Dem Kläger insoweit erweiterte Verantwortung im Sinne eines "verlängerten Arms" des Staates zuzubilligen und deshalb von einer Verweisung auf die Tätigkeit des Zigarrettenautomatenauffüllers abzusehen, überspannt die Schutzfunktion des Art.1 GG bei Weitem.
Nach alledem bestehen für den Kläger medizinisch und sozial zumutbare Verweisungsmöglichkeiten, die die Gewährung einer Berufsunfähigkeitsrente ausschließen. Unabhängig davon, dass der Senat den Kläger auch über den 31.12.2000 auf diese Tätigkeiten als verweisbar sieht, findet jedenfalls die Übergangsvorschrift des § 240 Abs. 1 SGB VI in der ab 01.01.2001 geltenden Fassung keine Anwendung, da der Kläger aufgrund seines Geburtsjahrganges 1964 nicht unter diese Regelung fällt.
Aufgrund seines vollschichtigen Leistungsvermögens kommt – unabhängig von der Frage, ob der Klageantrag des Klägers insoweit ergänzend auszulegen ist – ein Anspruch auf Gewährung einer Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung bzw. erst recht wegen voller Erwerbsminderung nach Maßgabe des § 43 SGB VI in der ab 01.01.2001 geltenden Fassung ebenfalls nicht in Betracht.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 SGG.
Ein Grund zur Zulassung der Revision besteht nicht, weil die Voraussetzungen des § 160 Abs. 1 und 2 SGG nicht erfüllt sind.
Erstellt am: 29.06.2006
Zuletzt verändert am: 29.06.2006