Die Berufung des Klägers gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Dortmund vom 9.8.2012 wird zurückgewiesen. Kosten sind auch im zweiten Rechtszug nicht zu erstatten. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Streitig ist Regelaltersrente.
Der 1942 in Marokko geborene Kläger ist marokkanischer Staatsangehöriger und lebt in Marokko. In der Zeit von 1964 bis 1973 war er unter seinem damaligen Namen I B N in Deutschland versicherungspflichtig beschäftigt, zunächst vom 25.11.1964 bis zum 15.1.1967 im deutschen Steinkohlenbergbau, danach in verschiedenen – meist kurzzeitigen – Beschäftigungen als (Hilfs-)Arbeiter bei den Arbeitgebern F, L, C, O & Sohn, T, X, N & Co., L, bei der Stückfärberei T & M GmbH in I und – mehrfach – bei der I G Produktion GmbH und Co. KG. Versicherungspflichtige Beschäftigungen sind bis einschließlich 19.9.1973 belegt. 1975 kehrte der Kläger nach Marokko zurück.
Mit am 12.6.1989 bei der Beklagten eingegangenem Schreiben vom 1.6.1989 teilte der Kläger (unter seinem jetzigen Namen) mit, er habe niemals "Erstattungsgeld aus der deutschen Rentenversicherung der Arbeiter genommen". Er habe am 4.6.1975 viele Arbeitspapiere "an der Männerkassen für das G.J.R. Finanz vergeben", um Erstattung geltend zu machen. Er habe aber nie Geld erhalten. Er habe auch keinen Erstattungsbescheid erhalten. Da er niemals Geld bekommen habe, müssten die Arbeitsunterlagen noch "bei der Finanzmänner" liegen. Dem Schreiben beigefügt war die Durchschrift eines Schreibens des Klägers vom 2.6.1989 an die H & S Finanz in C, in dem der Kläger diese darauf hinwies, dass damals eine Beitragserstattung abgemacht worden sei, er aber bis heute noch kein Geld erhalten habe. Er wolle wissen, ob sein gesamtes Geld in Höhe von 16.000 DM noch "dort stehe". Er habe sämtliche Arbeitsunterlagen nach dort gegeben, damit man mit der deutschen Rentenversicherung zusammen die Erstattung nach Marokko veranlasse. Ihm sei erklärt worden, er solle erst einmal nach Marokko zurückkehren.
Die Beklagte leitete diese Unterlagen zunächst der (damaligen) Landesversicherungsanstalt (LVA) Rheinprovinz zu, die sie an die damals für den Kläger als Verbindungsstelle zuständige LVA Schwaben (jetzt: Deutsche Rentenversicherung (DRV) Schwaben; fortan einheitlich: DRV Schwaben) weitergab. Diese behandelte das Schreiben als Antrag auf Beitragserstattung und übersandte dem Kläger dazu Formanträge mit der Bitte um Ausfüllung und Rücksendung. Nachdem der Kläger diese Unterlagen trotz mehrfacher Erinnerung nicht zurückgesandt hatte, lehnte sie den Antrag auf Beitragserstattung ab, weil der Kläger seiner Mitwirkungspflicht nicht nachkomme (Bescheid vom 25.1.1990).
Nach Erhalt dieses Bescheides behauptete der Kläger mit am 20.3.1990 eingegangenem Schreiben vom 9.3.1990, er habe frühere Schreiben der DRV Schwaben nicht erhalten und erwarte deshalb jetzt einen neuen Brief. Dem Schreiben beigefügt war die Ablichtung eines an ihn gerichteten Schreibens der H & S Finanz C, E, G, mit dem unter dem 4.6.1975 bestätigt wird, dass man von ihm eine Aufrechnungsbescheinigung der Bundesknappschaft, die Versicherungskarten Nrn. 1 bis 3 und mehrere Entgeltbescheinigungen (Zeitraum bis 19.9.1973) erhalten habe. Die Beklagte übersandte der DRV Schwaben in Ablichtung eine Stammkarte für Ausländer (Arbeiter), auf der die Beschäftigung des Klägers vom 25.11.1964 bis 15.1.1967 bescheinigt und außerdem vermerkt war, dass der Kläger vom 16.1. bis 26.7.1967 arbeitsunfähig krank war.
Mit am 2.8.1990 eingegangenem Schreiben vom 25.7.1990 wandte sich der Kläger erneut an die DRV Schwaben und übersandte unter anderem einen ausgefüllten Formantrag auf Beitragserstattung mit der Bitte, ihm die Beiträge zu erstatten. Er habe am 4.6.1975 alle Arbeitsunterlagen an die Firma H & S Finanz in C gegeben, damit diese ihm die Beiträge nach Marokko erstatte. Seither habe er von dort nichts gehört.
Die DRV Schwaben erstattete dem Kläger "auf den Antrag vom 20.3.1990" die Hälfte der vom 25.11.1964 bis einschließlich 19.9.1973 entrichteten Pflichtbeiträge zur gesetzlichen Rentenversicherung in Höhe von 5.339,62 DM, davon 1.515,50 DM aus der Zeit der Versicherung bei der Beklagten (Bescheid vom 8.11.1990). Ausweislich des bei den Akten befindlichen Rückscheins hat der Kläger den Bescheid am 5.12.1990 erhalten.
Etwa zwanzig Jahre später, nämlich im Juli 2011, beantragte der Kläger sowohl bei der DRV Schwaben als auch bei der Beklagten Altersrente. Die DRV Schwaben lehnte den Antrag unter Hinweis auf die erfolgte Beitragserstattung ab (Bescheid vom 21.7.2011). Auch die Beklagte lehnte den Antrag nach Beiziehung der Unterlagen der DRV Schwaben ab, weil die bis zum 19.9.1973 gezahlten Beiträge mit Bescheid vom 8.11.1990 erstattet worden seien. Danach seien keine Beiträge mehr zur deutschen Rentenversicherung entrichtet worden (Bescheid vom 10.8.2011). Den Widerspruch des Kläger, mit dem er geltend machte, er habe eine Erstattung weder erhalten noch mitgeteilt bekommen, wies die Beklagte zurück (Widerspruchsbescheid vom 17.1.2012).
Die dagegen am 14.2.2012 zum Sozialgericht (SG) Dortmund erhobene Klage hat das SG nach Anhörung der Beteiligten zu der beabsichtigten Entscheidung durch Gerichtsbescheid abgewiesen, da das Versicherungsverhältnis durch die Beitragserstattung erloschen sei (Gerichtsbescheid vom 9.8.2012).
Mit seiner Berufung vom 18.9.2012 macht der Kläger geltend, er habe seine Erstattung nicht erhalten. Er sei damals krank geworden, habe Krankengeld nicht erhalten und sei in seine Heimat zurückgekehrt.
Zum Termin zur mündlichen Verhandlung ist der Kläger mit Einschreiben/Rückschein und dem Hinweis geladen worden, dass auch im Falle seines Ausbleibens verhandelt und entschieden werden könne (Zustellung am 5.11.2014). Der Kläger hat mitgeteilt, er habe die Terminmitteilung erhalten. Er möchte sein Recht und bitte, ihm zu helfen (Schreiben vom 6.11.2014).
Im Termin zur mündlichen Verhandlung ist für den Kläger niemand erschienen.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie hält den angefochtenen Gerichtsbescheid für richtig.
Auf die gezielte Nachfrage des Senats an den Kläger, ob er im Jahre 1990 einen Erstattungsantrag gestellt und den Bescheid vom 8.11.1990 sowie den Erstattungsbetrag in Höhe von insgesamt 5.339,62 DM erhalten habe, hat der Kläger u. a. geantwortet, er habe "seine Erstattung damals erhalten von 5.339,62 DM das est nicht von meiner Arbeitsversicherung von Steuerkarte damals".
Die DRV Schwaben hat mitgeteilt, dass ihr eine Quittung über den Erhalt des Erstattungsbetrages nicht vorliege, bei ihr aber die Freigabe der Zahlungsanweisung vermerkt sei. Der Kläger habe in der Folge niemals geltend gemacht, die Zahlung nicht erhalten zu haben (Schreiben vom 22.3.2013).
Wegen der Darstellung der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes nimmt der Senat auf die Gerichtsakten sowie die beigezogenen Verwaltungsakten der Beklagten (einschließlich der Verwaltungsakten der DRV Schwaben) Bezug, die sämtlich Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen sind.
Entscheidungsgründe:
Der Senat kann trotz Nichterscheinens des Klägers im Termin zur mündlichen Verhandlung aufgrund einseitiger mündlicher Verhandlung entscheiden. Denn der Kläger ist in der ordnungsgemäß erfolgten Ladung (§§ 63 Abs 1 und 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG), 175 Zivilprozessordnung iVm Art 31 Abs 1 Satz 3 des Deutsch-Marokkanischen Sozialversicherungsabkommens (DMSVA) vom 25.3.1981, in Kraft seit dem 1.8.1986, BGBl II 1986, 550 ff, 562, 772) auf diese Möglichkeit hingewiesen worden, § 62 SGG. Das Schreiben des Klägers vom 6.11.2014 bietet keine Veranlassung, von einer Entscheidung abzusehen und den Termin aufzuheben oder zu verlegen, weil der Kläger einen darauf gerichteten Antrag weder ausdrücklich noch konkludent gestellt, sondern lediglich erklärt hat, er bitte, ihm zu helfen und ihm (auch in Abwesenheit) sein Recht zu geben.
Die zulässige Berufung ist unbegründet.
Die Berufung ist zulässig. Sie ist fristgerecht eingelegt worden.
Der Gerichtsbescheid vom 9.8.2012 wurde dem Kläger ausweislich der Akten am 16.8.2012 per Einschreiben/Rückschein zugesandt. Die Frist zur Einlegung der Berufung beträgt drei Monate seit der Zustellung, §§ 153 Abs 1 iVm § 87 Abs 1 S 2, 151 SGG (allgemeine Meinung, vgl BSG SozR Nr. 11 zu § 151 SGG). Auch wenn sich aus dem bei den Akten befindlichen Rückschein der genaue Zeitpunkt der Bekanntgabe/Zustellung des Gerichtsbescheides nicht entnehmen lässt, ist doch die Berufung vom 30.8.2012 unabhängig vom genauen Zeitpunkt des Zugang des angefochtenen Gerichtsbescheids mit dem Eingang beim Landessozialgericht am 18.9.2012 innerhalb der Dreimonatsfrist und damit fristgerecht eingegangen.
Gegenstand des Verfahrens ist der Bescheid vom 10.8.2011 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 17.1.2012 (§ 95 SGG), mit dem die Beklagte ablehnt, dem Kläger Regelaltersrente zu gewähren. Nur gegen diese ablehnende Regelung wendet sich der Kläger. Auch wenn er mehrfach darauf hinweist, er sei von 1973 und 1975 krank gewesen und habe kein Krankengeld erhalten, geht der Senat nach dem Gesamtvorbringen des Klägers nicht davon aus, dass der Kläger in diesem Verfahren gegenüber der (insoweit unzuständigen) Beklagten neben einer Rente auch Krankengeld für den genannten Zeitraum geltend macht.
Die Berufung ist unbegründet.
Das SG hat die Klage zu Recht abgewiesen. Der Bescheid der Beklagten vom 10.8.2011 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 17.1.2012 (§ 95 SGG) ist rechtmäßig und beschwert den Kläger nicht, § 54 Abs 2 Satz 1 SGG. Der Kläger hat keinen Anspruch auf Regelaltersrente aus der deutschen gesetzlichen Rentenversicherung nach der hier noch maßgeblichen Vorschrift des § 35 Sechstes Buch Sozialgesetzbuch (SGB VI) in der bis zum 31.12.2007 geltenden Fassung (im Folgenden: aF).
Nach § 35 SGB VI aF erhalten Versicherte Regelaltersrente, wenn sie das 65. Lebensjahr vollendet und die allgemeine Wartezeit erfüllt haben. Der Kläger hat zwar 2007 das 65. Lebensjahr vollendet, er hat jedoch die allgemeine Wartezeit von fünf Jahren mit Beitragszeiten (§§ 50 Abs 1, 51 Abs 1 SGB VII) nicht erfüllt. Die allgemeine Wartezeit beträgt für die Regelaltersrente fünf Jahre, § 50 Abs 1 SGB VI. Dabei ist allerdings nicht entscheidend, ob der Kläger bereits in Deutschland fünf Jahre (60 Monate) mit Beitragszeiten hatte, weil nach Art 24 DMSVA (zur "Aufstockung") auch marokkanische Zeiten berücksichtigungsfähig sind. Voraussetzung ist jedoch, dass der Kläger überhaupt deutsche Beitragszeiten hat. Das ist nicht (mehr) der Fall. Denn wegen der durchgeführten Beitragserstattung liegen beim Kläger für die Erfüllung der Wartezeit anrechenbare deutsche Beitragszeiten (§§ 51 Abs 1 und 4, 54f SGB VI) überhaupt nicht (mehr) vor (vgl dazu BSG, Beschluss vom 7.4.2008, Az 5b KN 1/08 BH mwN).
Zwar trifft zu, dass der Kläger (mit Unterbrechungen) von November 1964 bis September 1973 in Deutschland gearbeitet und Beiträge zur gesetzlichen Rentenversicherung entrichtet hat. Dadurch sind zunächst – eine Rentenanwartschaft begründende – Beitragszeiten vorhanden gewesen. Daraus kann der Kläger jedoch heute keine Rechte mehr herleiten, weil ihm die gezahlten Beiträge durch die DRV Schwaben im Jahr 1990 nach der damals maßgeblichen Vorschrift des § 1303 Reichsversicherungsordnung (RVO) (gleichlautend damals: § 95 Reichsknappschaftsgesetz (RKG)) erstattet worden sind und die Anwartschaft damit erloschen ist. Durch die Beitragserstattung ist das zuvor bestehende Versicherungsverhältnis aufgelöst worden. Ansprüche aus den bis zur Erstattung zurückgelegten rentenrechtlichen Zeiten bestehen nicht mehr, § 210 Abs 6 Sätze 2 und 3 SGB VI (im Zeitpunkt der Erstattung maßgeblich: §§ 1303 Abs 7 RVO, 95 Abs 7 RKG). Die Gesetzesregelung ist so konzipiert, dass – und das galt auch schon früher – eine Erstattung nur insgesamt und nicht teilweise beansprucht werden kann, § 210 Abs 6 Satz 1 SGB VI. Kommt es zu einer (immer: vollständigen) Erstattung, wird das Versicherungsverhältnis, das bis zum Erstattungszeitpunkt bestand, gänzlich und unwiederbringlich aufgelöst, § 210 Abs 6 Satz 2 SGB VI. Dies gilt ungeachtet der Tatsache, dass dem Kläger nur die Hälfte der gezahlten Beiträge zu erstatten war und erstattet wurde (BSG, Beschluss vom 7.4.2008, Az 5b KN 1/08 BH), und ist mit deutschem Verfassungsrecht vereinbar (BVerfG SozR 2200 § 1303 Nr 34; BSG SozR 3-2600 § 210 Nr 2).
Nach dem Gesamtinhalt der Akten sowie dem Vorbringen des Klägers steht zur Überzeugung des Senats fest, dass dem Kläger die von ihm entrichteten Beiträge (wie gesetzlich vorgesehen: zur Hälfte) rechtswirksam erstattet worden sind. Dabei kann offen bleiben, ob ein Erstattungsverfahren zur Vorfinanzierung bereits 1975 über die H & S Finanz C eingeleitet wurde und wie weit dieses Verfahren gediehen ist. Denn jedenfalls ist in den Jahren 1990/91 eine rechtswirksame Erstattung durch die DRV Schwaben erfolgt.
Eine rechtswirksame Beitragserstattung setzt voraus, dass nachweislich (1) ein Erstattungsantrag, (2) ein wirksamer Erstattungsbescheid und (3) eine rechtswirksame, befreiende Bewirkung der Leistung (= Erfüllung des Erstattungsanspruchs entsprechend § 362 Bürgerliches Gesetzbuch) vorliegen (vgl dazu und besonders zur Beweislast: BSGE 80, 41 ff = SozR 3-2200 § 1303 Nr 6; vgl auch LSG NRW, Beschluss vom 21.9.2003, Az L 2 KN 19/03, und Urteile vom 16.8.2007, Az L 2 KN 259/06, vom 16.12.2010, Az L 2 KN 169/09, vom 13.9.2011, Az L 18 (2) KN 223/07, vom 15.11.2011, Az L 18 (2) KN 42/08, L 18 KN 30/10 und L 18 (2) KN 239/09, vom 24.4.2012, Az L 18 KN 82/10, vom 29.4.2014, Az L 18 KN 120/12, vom 6.5.2014, Az L 18 KN 210/11 und zuletzt vom 19.8.2014, Az L 18 KN 63/10 und L 18 KN 45/11). Das ist hier der Fall. Für den Senat steht aufgrund der in den Verwaltungsakten der Beklagten enthaltenen Urkunden sowie der eigenen Ausführungen des Klägers mit an Sicherheit grenzender, vernünftige Zweifel ausschließender Wahrscheinlichkeit (Beweismaßstab des Vollbeweises) fest, dass alle drei Voraussetzungen erfüllt sind.
Es kann offen bleiben, ob die rechtsgestaltende Wirkung der Beitragserstattung aus dem Erstattungsantrag oder aus dem Erstattungsbescheid folgt (LSG NRW, Urteil vom 18.10.2001, Az L 2 KN 64/01 mwN; z.Zt. ist beim BSG unter dem Az B 5 R 16/14 R ein Verfahren anhängig, in dem Ausführungen dazu zu erwarten sind) und unter welchen Voraussetzungen sich die Beklagte bei Nichterfüllung nach Treu und Glauben darauf nicht (mehr) berufen kann. Denn für den Senat steht nach dem Inhalt der Verwaltungsakten der Beklagten und nach der allgemeinen Lebenserfahrung unter Berücksichtigung der eigenen Angaben des Klägers mit an Sicherheit grenzender, vernünftige Zweifel ausschließender Wahrscheinlichkeit (Beweismaßstab des Vollbeweises) fest, dass alle drei Voraussetzungen erfüllt sind.
Zunächst liegt ein wirksamer, am 20.3. oder spätestens am 2.8.1990 bei der DRV Schwaben schriftlich gestellter (Form-)Antrag des Klägers vor, der seine Unterschrift trägt. Auf diesen Antrag hin hat die damals zuständige DRV Schwaben mit Bescheid vom 8.11.1990 festgestellt, dass in der Zeit von November 1964 bis September 1973 zur knappschaftlichen Rentenversicherung und zur (damaligen) Rentenversicherung der Arbeiter entrichtete Beiträge (wie gesetzlich vorgesehen: zur Hälfte) in Höhe von 5.339,62 DM erstattet werden. Den Erstattungsbescheid hat der Kläger entgegen seiner Einlassung im Widerspruchsverfahren ausweislich des bei den Akten befindlichen Rückscheins am 5.12.1990 erhalten. Zur Überzeugung des Senats steht außerdem fest, dass der geschuldete Erstattungsbetrag auch tatsächlich in die Verfügungsgewalt des Klägers gelangt ist, die Beklagte damit den Erstattungsanspruch auch vollständig erfüllt hat.
Diese Überzeugung leitet der Senat aus einem Beweis des ersten Anscheins her (sog. prima facie – Beweis). Diese Beweisregel gilt auch im sozialgerichtlichen Verfahren (BSGE 8, 245, 247; 12, 242, 246; 19, 52, 54; Leitherer in: Meyer-Ladewig u.a. SGG. Kommentar. 11. Auflage 2014. § 128 Rdnr 9 mwN; Pawlak in: Hennig. SGG. Stand August 2007. § 128 Rdnr 96; Zeihe. Das SGG und seine Anwendung. Stand November 2010. 3.G. vor § 103; stRspr des Senats, vgl Urteile vom 13.9.2011, Az L 18 (2) KN 223/07, vom 15.11.2011, Az L 18 KN 30/10, L 18 (2) KN 42/08 und L 18 (2) KN 239/09, Urteil vom 24.4.2012, Az L 18 KN 32/10, Az L 18 KN 120/12, und zuletzt vom 19.8.2014, Az L 18 KN 63/10 und L 18 KN 45/11, alle bei juris). Sie besagt, dass bei typischen Geschehensabläufen auf eine Tatsache geschlossen werden kann, die nach der allgemeinen Lebenserfahrung regelmäßig Folge eines solchen Geschehensablaufs ist (BSG in: Breithaupt 1999, 357, 362; Leitherer. AaO Rdnr 9a). Dabei wird der (Voll-)Beweis einer Tatsache vermutet, so lange nicht Tatsachen erwiesen sind, die den vermuteten typischen Geschehensablauf in Zweifel ziehen (vgl Leitherer. AaO. Rndnr 9e mwN; Pawlak. AaO. Rdnrn 94, 99). Ein durch bewilligenden Bescheid abgeschlossenes Verwaltungsverfahren zur (vollständigen) Beitragserstattung lässt typischerweise den Schluss zu, dass der Bescheid zugegangen und die geschuldete Leistung bewirkt worden ist (stRspr des Senats, vgl Urteile vom 13.9.2011, Az L 18 (2) KN 223/07, vom 15.11.2011, Az L 18 KN 30/10, L 18 (2) KN 42/08 und L 18 (2) KN 239/09, Urteil vom 24.4.2012, Az L 18 KN 32/10, Az L 18 KN 32/10, Az L 18 KN 120/12, und zuletzt vom 19.8.2014, Az L 18 KN 63/10 und L 18 KN 45/11, alle bei juris; LSG NRW, Urteil vom 22.11.2007, Az L 2 KN 140/06 LSG NRW, Urteil vom 03.06.2005, Az L 4 RJ 12/03; LSG Hamburg, Urteil vom 27.04.2006, Az L 6 RJ 89/04 mwN). Dies muss jedenfalls gelten, wenn die Leistungsbewirkung nicht substantiiert bestritten worden ist und sich auch sonst keine Anhaltspunkte dafür ergeben, dass die Leistungserbringung nicht zeitnah erfolgt ist (wie etwa zeitnahe Nachfragen des Versicherten, wo das Geld bleibe, vgl LSG NRW, Urteile vom 17.02.1997, Az L 4 J 16/95, und vom 03.06.2005 aE, Az L 4 RJ 12/03; Bay. LSG, Urteile vom 14.05.2002, Az L 19 RJ 3/02, und 08.12.2004, Az L 19 RJ 203/03). Dem liegen folgende Überlegungen zugrunde: Eine Beitragserstattung wird regelmäßig mit dem Ziel beantragt, zeitnah einen (idR hohen) Geldbetrag zur weiteren Verfügung zu erhalten. Ist ein solches Beitragserstattungsverfahren – wie hier – aktenkundig dokumentiert und besteht kein besonderer, konkreter Anlass zu zweifeln, dass der verfolgte Zweck auch erfüllt worden ist, darf regelmäßig auf ein ordnungsgemäß durch Bewirken der Leistung abgeschlossenes Verfahren geschlossen werden. Es entspricht nämlich der allgemeinen Lebenserfahrung, dass derjenige, der die Erstattung von über einen Zeitraum von etwa 10 Jahren zur Rentenversicherung entrichteten Beiträgen erwartet, nachfragt, wenn er auf seinen Antrag keine weitere Nachricht (mehr) erhält.
(Hilfs-)Tatsachen, die geeignet sind, diesen Beweis des ersten Anscheins zu erschüttern, liegen nicht vor. Im Gegenteil spricht das Verhalten des Klägers für den aufgezeigten typischen Ablauf. Der Kläger hat in den Jahren 1989 und 1990 in den Verwaltungsverfahren gegenüber der DRV Schwaben mehrfach darauf hingewiesen, dass er eigentlich 1975 mit der H & S Finanz in C eine Beitragserstattung vereinbart, von dort aber kein Geld erhalten habe. Dies zeigt, dass der Kläger – wenn auch mit Verspätung – durchaus nachhakt, wenn erwartete Zahlungen nicht eingehen. Die spätere konsequente Weiterverfolgung des Anspruchs in den Jahren 1989 und 1990 zeigt überdies sein damaliges Interesse, das Erstattungsverfahrens schnell zu einem erfolgreichen Abschluss zu bringen. Wenn er bei dieser Vorgeschichte nach Erhalt des Bescheides, mit dem ihm ein konkreter Erstattungsbetrag versprochen wird, nicht mehr die Zahlung dieses Betrages fordert, lässt dies typischerweise den Schluss zu, dass das Verfahren ordnungsgemäß abgeschlossen wurde und das Geld vollständig in seine Verfügungsgewalt gelangt ist. Dafür spricht auch die Auskunft der DRV Schwaben, die Freigabe der Zahlungsanweisung sei bei ihr vermerkt. Vor diesem Hintergrund ist die spätere Behauptung im Widerspruchsverfahren, er habe (weiter) keine Erstattung erhalten, nicht glaubhaft und nicht geeignet, den Beweis des ersten Anscheins zu erschüttern. Im Gegenteil hat der Kläger – wenn auch in gebrochenem Deutsch – im Berufungsverfahren eingeräumt, den Betrag von 5.339,62 DM erhalten zu haben. Seine Angabe, dabei habe es sich nicht um eine Erstattung (sondern um eine Steuerrückzahlung?) gehandelt, ist in Anbetracht der Identität der Beträge wohl auf eine falschen Bewertung der Sachlage zurückzuführen.
Sonstige Tatbestände, die abgesehen von den Zeiten, für die die Beiträge erstattet worden sind, die Erfüllung der allgemeinen Wartezeit begründen könnten, sind nicht ersichtlich, insbesondere nicht solche der vorzeitigen Wartezeiterfüllung im Sinne von § 53 SGB VI.
Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 183 Satz 1, 193 Abs 1 Satz 1 SGG.
Gründe, die Revision zuzulassen, liegen nicht vor, vgl § 160 Abs 2 SGG. Maßgeblich für die Entscheidung sind die konkreten Umstände des Einzelfalls.
Erstellt am: 10.06.2015
Zuletzt verändert am: 10.06.2015