Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil des Sozialgerichts Aachen vom 17. Mai 2004 geändert. Die Beklagte wird unter Aufhebung der Bescheide vom 12. Dezember 2001 und 13. Februar 2002 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 28. Juni 2002 verurteilt, dem Kläger die Kosten für ein Rollstuhlzuggerät "Speedy-Elektra II" in Höhe von 5.764,92 Euro zu erstatten. Die Beklagte trägt die außergerichtlichen Kosten des Klägers für beide Rechtszüge. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten um die Erstattung der Kosten eines Rollstuhl-Zuggeräts "Speedy-Elektra II".
Der am 00.00.1990 geborene Kläger ist bei der beklagten Krankenkasse familienversichert. Infolge eines frühkindlichen Hirnschadens liegen bei ihm folgende Beeinträchtigungen vor: Rechts- und beinbetonte spastische Tetraparese mit begleitender zentraler Koordinationsstörung, cerebrales Krampfleiden (seit acht Jahren anfallsfrei), mäßige geistige Behinderung, Sprachentwicklungsstörung, Strabismus convergens, zentrale Regulationsstörung der Gefäßinnervation mit intermittierender Raynaud-Symptomatik. Der Kläger besucht eine Schule für geistig Behinderte. Er ist aktuell mit einem handbetriebenen Aktivrollstuhl, einem Gehwagen "Mobifun" sowie mit einem Liegend-Dreirad ausgestattet.
Unter Vorlage einer Hilfsmittelverordnung des behandelnden Kinderarztes Dr. N vom 26.10.2001 beantragte der Kläger die Versorgung mit einem Elektroantrieb für seinen Rollstuhl. Gestützt auf die Stellungnahmen von Frau Dr. T vom 07.12.2001 und von Herrn Dr. H vom 14.01.2002, Medizinischer Dienst der Krankenversicherung (MDK), lehnte die Beklagte mit Bescheiden vom 12.12.2001 und 13.02.2002 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 28.06.2002 den Antrag ab. Zur Begründung stellte die Beklagte darauf ab, dass der Kläger aus medizinischer Sicht behinderungsbedingt nicht in der Lage erscheine, einen elektromotorisch betriebenen Rollstuhl bzw. die Kombination von Aktivrollstuhl mit Elektrozuggerät ohne Fremd- und Eigengefährdung außer Haus sicher zu führen. Ergänzend wies die Beklagte darauf hin, dass eine positive technische Bewertung für das Elektrozuggerät nach den Regelungen der Straßenverkehrszulassungsordnung durch die zuständige Verwaltungsbehörde erforderlich sei.
Mit der am 09.07.2002 zum Sozialgericht Aachen erhobenen Klage hat der Kläger, der im Mai 2002 ein Rollstuhl-Zuggerät "Speedy-Elektra II" inclusive Zubehör zu einem Preis von 5.764,92 Euro erworben hatte, geltend gemacht, das Straßenverkehrsamt B habe unter dem 16.10.2002 eine Ausnahmegenehmigung erteilt. Es bestehe ein Anspruch auf Kostenerstattung; denn erst mit Hilfe des Rollstuhlzuggerätes sei es ihm möglich, eine Integration in den Kreis gleichaltriger Jugendlicher zu verwirklichen. Den Aktiv-Rollstuhl besitze er schon seit mehreren Jahren, um sein wöchentliches Mobilitätstraining in Form rythmischer Gymnastik durchzuführen. Auch bewege er sich in Räumen und in der näheren Umgebung mit dem Aktiv-Rollstuhl. Dieser sei jedoch nicht kippsicher. Er könne mit dem Aktiv-Rollstuhl keine Unebenheiten überwinden. Gleiches gelte für Bordsteinkanten und Steigungen. Das Rollstuhl-Zuggerät benötige er, um längere und schwierigere Strecken oder typische Hindernisse wie Bordsteine, Schlagsteine und Steigungen zu überwinden. Er könne sich damit selbständig im Nahbereich fortbewegen. Dadurch, dass er das Rollstuhl-Zuggerät selbständig an- und abkoppeln könne, sei er in der Lage, sich am Zielort auch innerhalb von Räumlichkeiten mit dem Aktiv-Rollstuhl zu bewegen. Dagegen könne er mit dem Liegend-Dreirad nicht am Straßenverkehr teilnehmen; außerdem könne er damit keine Steigungen überwinden und selbständig das Dreirad nicht verlassen. Das Speedy-Elektra II ermögliche ihm die selbständige Fortbewegung, insbesondere in der Begleitung anderer Jugendlicher. Das Gerät erreiche eine Geschwindigkeit von bis zu sechs Stundenkilometern. Mittels Betriebsbremse, einer Motorbremse, könne das Rollstuhl-Zuggerät durch Zurückdrehen oder Loslassen des Gasgriffs auf eine Geschwindigkeit abgebremst werden, die selbst bei starkem Gefälle 0,7 km/h nicht überschreite.
Der Kläger hat beantragt,
die Beklagte unter Aufhebung der Bescheide vom 12.12.2001 und 13.02.2002 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 28.06.2002 zu verurteilen, ihm die Kosten für ein Rollstuhl-Zuggerät in Höhe von 5.764,92 Euro zu erstatten.
Die Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie hat sich zur Begründung auf den Inhalt der von ihr erteilten Bescheide bezogen. Nach Vorlage der straßenverkehrsrechtlichen Ausnahmegenehmigung hat sie die Auffassung vertreten, ein Erstattungsanspruch scheitere daran, dass der Kläger mit dem Aktiv-Rollstuhl und einem Behinderten-Dreirad ausreichend versorgt sei. Entscheidend sei nur ein Basisausgleich der Behinderung, nicht ein vollständiges Gleichziehen mit den unbegrenzten Mobilitätsmöglichkeiten eines gesunden Menschen. Mit den vorhandenen Hilfsmitteln könne der Kläger Wegstrecken zurücklegen, die ein gesundes gleichaltriges Kind zu Fuß zurücklege. Im übrigen spreche das Gefährdungspotential des Speedy-Elektra II gegen einen Kostenerstattungsanspruch des Klägers. Einschließlich des Gewichtes des Klägers läge das Gesamtgewicht bei knapp 80 kg. Eine Begleitperson, deren ständige Anwesenheit erforderlich sei, könne bei dieser Masse im Gefahrenfall kaum einen Nothalt bewerkstelligen.
Ergänzend bezieht sich die Beklagte auf ein zu den Akten gereichtes orthopädie-technisches Gutachten des Sachverständigen für Heil- und Hilfsmittel, Orthopädiemechaniker-Meister X L, vom 23.12.2003. Wegen des Inhalts wird auf das genannte Gutachten Bezug genommen.
Das Sozialgericht hat Beweis erhoben durch Einholen eines Befund- und Behandlungsberichtes des Kinderarztes Dr. N vom 27.07.2003, auf dessen Inhalt Bezug genommen wird.
Mit Urteil vom 17.05.2004 hat das Sozialgericht die Klage abgewiesen und zur Begründung darauf abgestellt, dass der Kläger für das Grundbedürfnis des Erschließens eines gewissen körperlichen Freiraumes mit den bereits vorhandenen Hilfsmitteln – Aktiv-Rollstuhl / Behinderten-Dreirad – ausreichend versorgt sei. Es sei insoweit auf die Entfernung abzustellen, die ein Gesunder zu Fuß zurücklege. Für einen inzwischen 14-jährigen Jugendlichen sei dies der Nahbereich mit zwei bis drei Kilometern bzw. einer halben bis einer dreiviertel Stunde einzugrenzen. In diesem Bereich könne sich der Kläger sowohl mit seinem Rollstuhl als auch mit seinem Behinderten-Dreirad bewegen. Besondere geographische Gegebenheiten seien im Fall des Klägers ohne Bedeutung, denn der Einzugsbereich um seine Wohnung weise keine besonderen Steigungsverhältnisse aus. Auch aus medizinischer Sicht könne der Kläger auf die vorhandenen Hilfsmittel verwiesen werden. Sein behandelnder Kinderarzt bestätige, dass bei den ersten, per Hand betriebenem Rollstuhl zurückgelegten Kilometern sogar ein therapeutischer Nutzen vorhanden sei.
Das Grundbedürfnis der Integration, der Teilnahme an der sonstigen Lebensgestaltung Gleichaltriger, erfordere auch deshalb kein Rollstuhl-Zuggerät, weil dieses ungeeignet sei. Benötige ein behinderter Jugendlicher erheblich mehr Zeit, um etwa beim gemeinsamen Fahrradfahren übliche Strecken zurückzulegen, so sei nach allgemeiner Lebenserfahrung die Bereitschaft seiner Altersgenossen ihn teilnehmen zu lassen, sehr begrenzt. Mit Rollstuhl und Rollstuhl-Zuggerät, die eine maximale Geschwindigkeit von sechs Stundenkilometern erreichten, sei der Kläger nicht in der Lage, seinen Fahrrad fahrenden Altersgenossen, die Geschwindigkeiten von 15 bis 20 km/h erreichten, im Spiel zu folgen.
Gegen das seinem Bevollmächtigten am 02.06.2004 zugestellte Urteil hat der Kläger am 21.06.2004 Berufung eingelegt. Zu deren Begründung bezieht er sich auf seinen bisherigen Vortrag. Ergänzend trägt er vor, das Bundessozialgericht setze bei der auf eine möglichst weitgehende Eingliederung des behinderten Kindes bzw. Jugendlichen in den Kreis der Gleichaltrigen nicht voraus, dass das begehrte Hilfsmittel nachweislich unverzichtbar sei, um eine Isolation des Kindes zu verhindern. Es reiche aus, wenn durch das begehrte Hilfsmittel die gleichberechtigte Teilhabe am Leben in der Gemeinschaft wesentlich gefördert werde. Eine Integration in den Kreis gleichaltriger Jugendlicher sei nämlich nicht bereits dann erreicht, wenn der Jugendliche überhaupt in der Lage sei, eine gewisse Wegstrecke eigenständig zurückzulegen; denn dadurch könne er allenfalls Ziele aufsuchen, an denen sich andere Jugendliche träfen. Er sei jedoch damit noch nicht in der Lage, dem Bewegungsdrang Jugendlicher auch zu folgen. Eine Integration durch eine Bewegung im Nahbereich von zwei Kilometern sei deshalb gerade noch nicht erreicht. Nach Ansicht des behandelnden Kinderarztes aber sei bei einer Fahrt mit einem handbetriebenen Rollstuhl gerade ab dieser Distanz das Vorankommen für den Kläger quälend. Im übrigen sei darauf hinzuweisen, dass alternativ kein Elektro-Rollstuhl in Betracht komme; denn ihm, dem Kläger, sei eine sachgerechte Bedienung des dortigen elektrischen Antriebes nicht möglich: Auf Grund der vorhandenen Spastik und Koordinationsstörung bestehe eine erhebliche Einschränkung bei der Benutzung der Arme und Hände. Bei der Beurteilung der Frage, ob der Kläger durch das begehrte Rollstuhl-Zuggerät in der Lage sei, seine Altersgenossen aufzusuchen und diesen im Spiel zu folgen, sei nicht allein auf eine Fortbewegung mittels Fahrrades abzustellen.
Der Kläger beantragt schriftsätzlich,
das Urteil des Sozialgerichts Aachen vom 02.06.2004 zu ändern und die Beklagte unter Aufhebung der Bescheide vom 12.12.2001 und 13.02.2002 in der Gestalt des Widerspruchbescheides vom 28.06.2002 zu verurteilen, ihm die Kosten für ein Rollstuhl-Zuggerät in Höhe von 5.764,92 Euro zu erstatten.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie erachtet das erstinstanzliche Urteil als zutreffend.
Ergänzend trägt sie vor, es sei nicht erheblich, ob sich mit dem Speedy-Elektra II mehr Möglichkeiten zur gleichberechtigten Teilnahme an der Gemeinschaft ergäben. Es seien weiterhin keine Anhaltspunkte ersichtlich, warum der behindertengerechte Ausgleich nicht mit den bereits vorhandenen Hilfsmitteln gewährleistet werde.
Der Senat hat ein Gutachten sowie eine ergänzende Stellungsnahme von Herrn Oberarzt Dr. N1, Universitätsklinikum E, Zentrum für Kinder- und Jugendmedizin sowie Klinik für allgemeine Pädiatrie, vom 13.05.2005 bzw. 12.10.2005 eingeholt. Wegen des Ergebnisses der Beweiserhebung wird auf den Inhalt des Gutachtens und der Stellungnahme verwiesen. Außerdem hat der Senat die Mutter des Klägers als Zeugin vernommen. Insoweit wird auf die Niederschrift der nichtöffentlichen Sitzung des 16. Senates vom 14.12.2005 Bezug genommen.
Wegen der weiteren Einzelheiten der Sach- und Rechtslage und des Vorbringens der Beteiligten im einzelnen wird auf den Inhalt der Verwaltungsakte der Beklagten sowie der Prozeßakte verwiesen, die Gegenstand der Beratung gewesen sind.
Entscheidungsgründe:
Der Senat hat im Einverständnis der Beteiligten ohne mündliche Verhandlung entscheiden können, vgl. § 124 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG). Die zulässige Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Aachen vom 17.05.2004 ist begründet. Das Sozialgericht und die Beklagte haben den Anspruch des Klägers auf Versorgung mit einem Speedy-Elektra II zu Unrecht verneint. Der ursprüngliche Sachleistungsanspruch des Klägers hat sich nach der Selbstbeschaffung dieses Hilfsmittels in einen Kostenerstattungsanspruch gewandelt, der sich nach § 13 Abs. 3 Satz 2 SGB V, eingefügt durch das Neunte Buch Sozialgesetzbuch (SGB IX) vom 19.06.2001 (BGBl. 1 S. 1046), richtet. Danach werden die Kosten für selbstbeschaffte Leistungen zur medizinischen Rehabilitation gemäß § 15 SGB IX erstattet. Die Erstattungspflicht besteht, wenn der Rehabilitationsträger – dazu zählt auch eine Krankenkasse, vgl. § 6 Abs. 1 Nr. 1 SGB IX – eine Leistung zu Unrecht abgelehnt hat.
Zur Überzeugung des Senates steht fest, dass die Beklagte die Versorgung des Klägers mit einem Speedy-Elektra II zu Unrecht im Rahmen der gesetzlichen Hilfsmittelversorgung abgelehnt hat. Versicherte haben gemäß § 33 Abs. 1 Satz 1 zweite Alternative des Fünften Buchs des Sozialgesetzbuchs – gesetzliche Krankenversicherung – (SGB V) Anspruch auf Versorgung mit Hilfsmitteln, um eine Behinderung auszugleichen. Aufgabe der Krankenversicherung ist insoweit allein die medizinische Rehabilitation (Bundessozialgericht -BSG-, Sozialrecht -SozR- 4-2500 § 33 Nr 2 S. 15). Hilfsmittel als Leistung des medizinischen Rehabilitation umfassen nach § 31 Abs. 1 Nr. 3 SGB IX die Hilfen, die von den Leistungsempfängern getragen oder mitgeführt oder bei einem Wohnungswechsel mitgenommen werden können und unter Berücksichtigung der Umstände des Einzelfalles erforderlich sind, um eine Behinderung bei der Befriedigung von Grundbedürfnissen des täglichen Lebens auszugleichen, soweit sie nicht allgemeine Gebrauchsgegenstände des täglichen Lebens im Sinne von § 34 SGB V sind. Insoweit ist offenkundig und bedarf keiner weiteren Begründung, dass es sich bei dem Speedy-Elektra II nicht um einen Gebrauchsgegenstand des täglichen Lebens handelt. Zu den Grundbedürfnissen des täglichen Lebens im Sinne des § 31 Abs. 1 Nr. 3 SGB IX zählt die Erschließung eines gewissen körperlichen und geistigen Freiraumes. Hierunter fasst die sozialgerichtliche Rechtsprechung die Bewegungsfreiheit in einem Umkreis, der mit einem vom Behinderten selbst betriebenen Rollstuhl erreicht werden kann (vgl. BSG SozR 3-2500 § 33 Nr 25 S. 141; Nr 28 S. 163) bzw. in einem Radius, den ein Gesunder zu Fuß zurücklegt (BSG SozR 4-2500 § 33 Nr 2 S.15). Letzteres soll sich aber auf kurze Spaziergänge oder solche Wege beschränken, die erforderlich sind, um üblicherweise im Nahbereich der Wohnung liegende Stellen zu erreichen, an denen Alltagsgeschäfte zu erledigen sind (BSG, a.a.O.; BSG, Urteil vom 21.11.2002, Az.: B 3 KR 8/02 R, Urteilssammlung der Krankenkassen -USK-, 2002, 88 ff.). Eine Erweiterung wird allerdings für Kinder und Jugendliche angenommen. Der 3. Senat des BSG hat aus dem "Gesichtspunkt der Integration des behinderten Jugendlichen in das Lebensumfeld nicht behinderter Gleichaltriger" für diesen Versichertenkreis eine Entfernung, die ein Jugendlicher mit dem Fahrrad zurücklegt, als Maßstab für die Hilfsmittelversorgung angenommen (BSG SozR 3-2500 § 33 Nr 46 S. 259). Allerdings soll der Anspruch davon abhängen, ob das Kind bzw. der Jugendliche selbständig ohne Hilfe Erwachsener das Hilfsmittel zu seiner Integration und Entwicklung nutzen kann (BSG, Urteil vom 21.11.2002, a.a.O.).
Bei dem Kläger bestehen auf Grund eines frühkindlichen Hirnschadens eine begrenzte geistige Beeinträchtigung sowie spastische Gliedmaßenlähmungen, insbesondere im Bereich der Beine. Mit dem selbstbeschafften Speedy-Elektra II ist er in der Lage, sich einen gewissen körperlichen und geistigen Freiraum zu erschließen, und zwar innerhalb eines Radius, den ein Jugendlicher mit dem Fahrrad zurücklegt. Dass die ständige Rechtsprechung des Bundessozialgerichtes zum erweiterten Nahbereich bei Jugendlichen auf den vorliegenden Fall anwendbar ist, unterliegt keinen Zweifeln; denn zum Zeitpunkt der Beschaffung des Hilfsmittels durch den Kläger selbst, auf den abzustellen ist, war dieser erst 12 Jahre alt. Der Senat hat sich durch die Berichterstatterin davon überzeugen können, dass der Kläger, der das Speedy-Elektra II souverän beherscht, von seinen geistigen und körperlichen Fähigkeiten her uneingeschränkt in der Lage ist, sich mit Hilfe des Rollstuhl-Zuggerätes zu bewegen. Er vermag selbst in engen Räumlichkeiten, wie dies auf einem Gerichtsflur zutrifft, innerhalb kurzer Zeit zu wenden. Dadurch, dass er eine Geschwindigkeit bis zu sechs km/h erreichen kann, vermag er sich auch dann innerhalb einer Gruppe Jugendlicher zu bewegen, wenn diese sich im Trab bewegen oder rennen. Hinzu kommt, dass der Kläger problemlos das Rollstuhl-Zuggerät selbständig an- und abkoppeln kann, so dass er sich nach Erreichen eines Zieles innerhalb geschlossener Räumlichkeiten auch ohne das Rollstuhl-Zuggerät bewegen kann bzw. seit Beschaffung des Gerätes bewegen konnte. Die von der Beklagten geltend gemachten verkehrstechnischen Bedenken teilt der Senat nicht. Wie bereits dargestellt, konnte sich der Senat von den fahrtechnischen Fähigkeiten des Klägers, einschließlich schnellem Beschleunigen und Abbremsen, überzeugen.
Darüber hinaus ist darauf hinzuweisen, dass der Kläger über eine straßenverkehrsrechtliche Sondergenehmigung zum Fahren der Rollstuhlkombination verfügt.
Die Beschaffung des Speedy-Elektra II ist auch im Hinblick auf die bereits vorhanden gewesenen Hilfsmittel erforderlich gewesen. Mit dem Behinderten-Dreirad ist der Kläger zwar in der Lage, sich auch über längere Strecken fortzubewegen. Einer Integration in den Kreis der Jugendlichen dient das Dreirad aber schon deshalb nicht, weil der Kläger dieses selbständig weder verlassen noch besteigen kann. Es ist, da es sich um ein Modell handelt, das im Liegen betrieben wird, jedoch so sperrig, dass es innerhalb von Räumlichkeiten nicht eingesetzt werden kann. Der Kläger könnte es beispielsweise nicht einsetzen, wenn er mit seinen Freunden zum Bowling zu gehen beabsichtigt. Im Übrigen vermag er mit dem Dreirad keine Steigungen und keine Bürgersteige zu überwinden, wie die Beweisaufnahme ergeben hat. Auch aus diesem Grund scheidet das Dreirad als Alternative aus. Bezüglich des Aktivrollstuhls ist anzumerken, dass sich der Kläger damit zwar innerhalb der Wohnung und des Nahbereichs bewegen kann. Jedoch bestehen deutliche Einschränkungen, die sowohl der behandelnde Kinderarzt Dr. N als auch der Sachverständige bestätigt haben, da der Kläger, zwar weniger deutlich, aber auch im Bereich der Arme und Hände durch die bestehende Spastik beeinträchtigt ist. Zudem hat der Kläger, wie den nachvollziehbaren Angaben der Mutter und des Klägers selbst zu entnehmen ist, Ängste bezüglich der Kippsicherheit des Rollstuhls entwickelt. Mit dem zusätzlichen dritten Rad des Rollstuhl-Zuggerätes verfügt der Aktivrollstuhl über eine deutlich bessere Stabilität, als dies bei dem Rollstuhl allein der Fall ist. Steigungen und Bordsteine sowie unebener Untergrund bereiten dem Kläger zusätzlich Schwierigkeiten, wenn er den Aktiv-Rollstuhl allein einsetzt. Dagegen sind keine anderen Hilfsmittel denkbar, die gegenüber dem selbstbeschafften Speedy-Elektra II Vorrang genießen könnten. Zu der Bedienung eines Elektrorollstuhles, der von der Funktion her ähnlich geeignet wäre wie das Rollstuhl-Zuggerät in Verbindung mit dem handbetriebenen Rollstuhl, ist der Kläger auf Grund der eingeschränkten Feinmotorik nicht in der Lage. Der Kläger hat in einem Zeitraum von drei Monaten testen können, ob er mit einem Elektrorollstuhl zurechtkommt. Dies ist nicht der Fall gewesen. Ebenso scheidet ein Speedytandem-Fahrrad aus. Auch dieses Gerät ist, wenn es auch andere Kräfteverhältnisse nutzt, über die Hände zu bedienen, die im Fall des Klägers von der Spastik betroffen sind. Innerhalb der bis dato dreijährigen Nutzungszeit, innerhalb derer der Kläger über das Rollstuhl-Zuggerät verfügt, hat sich nach den nachvollziehbaren Angaben des behandelnden Kinderarztes und des Sachverständigen sowie der Eltern des Klägers dessen Selbstbewusstsein deutlich gebessert. Der Kläger tritt, davon konnte sich der Senat überzeugen, trotz seiner Sprachbehinderung selbstbewusst auf. Wenn dies sicherlich auch nicht anspruchsbegründend ist, so will der Senat doch nicht unerwähnt lassen, dass auch das Aussehen des Rollstuhl-Zuggerätes, das die Eltern des Klägers zusätzlich einem Ferrari angepasst haben, zu einer gelungenen Integration des Klägers in den Kreis seiner Freunde sowie der Freunde seines Zwillingsbruders beigetragen haben mag. Angesichts des in § 2 Abs. 2 Sozialgesetzbuch Erstes Buch (SGB I) enthaltenen Grundsatzes, eine möglichst weitgehenden Verwirklichung sozialer Rechte sicherzustellen, woran auch der 3. Senat des BSG im anderen Zusammenhang angeknüpft hat (Anspruch auf häusliche Krankenpflege außerhalb des Wohnbereichs, vgl. BSG SozR 3-2500 § 37 Nr 5 S.32) , ist kein Grund ersichtlich, die Versorgungsansprüche schwerstbehinderter Kinder mit Hilfsmitteln restriktiv zu handhaben (vgl. auch Urteil des erkennenden Senates vom 27.01.2005, Az.: L 16 KR 137/03, www.sozialgerichtsbarkeit.de). Inwieweit Entsprechendes auch aus § 9 Abs. 1 S. 3 SGB IX folgt, kann dahinstehen (vgl. auch BSG SozR 3?2500 § 33 Nr 44 S. 250).
Auf die Berufung des Klägers war daher das angefochtene Urteil des Sozialgerichts zu ändern und die Beklagte zur Kostenerstattung zu verpflichten.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Der Senat hat im Hinblick auf die ständige Rechtsprechung des BSG zur Versorgung mit Hilfsmitteln im Rahmen der Integration Jugendlicher keinen Anlass zur Zulassung der Revision gemäß § 160 Abs. 2 Nrn. 1 und 2 SGG gesehen.
Erstellt am: 20.02.2007
Zuletzt verändert am: 20.02.2007