Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil des Sozialgerichts Aachen vom 19. Dezember 2005 geändert. Die Beklagte wird unter Aufhebung der Bescheide vom 22.04.2003 und 29.01.2004 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 03.06.2004 verurteilt, dem Kläger über den 30.04.2003 hinaus bis zum 08.09.2004 Krankengeld in gesetzlicher Höhe unter Berücksichtigung des gezahlten Arbeitslosengeldes zu gewähren. Die Beklagte trägt die außergerichtlichen Kosten des Klägers in beiden Instanzen. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Streitig ist die Gewährung von Krankengeld.
Der am 00.00.1949 geborene Kläger ist angelernter Kraftfahrer. Er besitzt den Führerschein Klasse II. Seit dem 01.04.1964 ist er für verschiedene Arbeitgeber der Bauwirtschaft als Lkw-Fahrer, überwiegend von schweren, drei- bis vierachsigen Fahrzeugen (Kipper, Hängerzug, Sattelzug) tätig gewesen. Zuletzt übte er ab dem 03.04.2000 eine Beschäftigung für die Fa. C Transportgesellschaft mbH in C als Lkw-Fahrer im Kies-, Aushub- und Materialtransport aus. Am 12.03.2003 erkrankte der Kläger arbeitsunfähig (au). Der Arbeitgeber kündigte das Arbeitsverhältnis am 21.03.2003 mit Wirkung zum 30.04.3003 und leistete bis zum 22.04.2003 Entgeltfortzahlung. Ab dem 23.04.2003 erhielt der Kläger Krankengeld in Höhe von kalendertäglich 45,67 EUR. Auf der Grundlage einer Beurteilung nach Aktenlage hielt der Medizinische Dienst der Krankenversicherung (MDK) I – C K – eine Beendigung der Arbeitsunfähigkeit (AU) zum 30.04.2003 für möglich. Die Beklagte stellte daraufhin die Zahlung von Krankengeld mit Wirkung zum 01.05.2003 ein (Bescheid ohne Rechtsmittelbelehrung vom 22.04.2003).
Ab dem 01.05.2003 bewilligte die Bundesagentur für Arbeit (BA) dem Kläger Arbeitslosengeld nach einem Bemessungsentgelt von 584,57 EUR wöchentlich (Leistungssatz: 255,85 EUR wöchentlich) für die Dauer von 660 Tagen. Deren ärztlicher Dienst stellte mit Gutachten vom 01.08.2003 nach entsprechender körperlicher Untersuchung des Klägers das Vorliegen folgender Erkrankungen fest: Belastungsabhängige Beschwerden der Lendenwirbelsäule (LWS) mit Nervenwurzelreizerscheinungen bei Bandscheibenvorfall und Verschleiß; chronische Magenschleimhautentzündung; medikamentös eingestellter Bluthochdruck; beidseitige Hörminderung; eingeschränkter Nahvisus. Der Kläger sei noch in der Lage, vollschichtig körperlich leichte, zeitweise mittelschwere Arbeit in wechselnder Körperhaltung ohne Exposition durch Hitze, ohne häufiges Bücken, ohne Zwangshaltungen und ohne häufiges Heben und Tragen von Lasten ohne mechanische Hilfsmittel auszuüben. Es sei von einer dauerhaften Einschränkung der Arbeitsbelastbarkeit auszugehen. Von einer Tätigkeit als Kraftfahrer, insbesondere mit Be- und Entladetätigkeiten müsse abgeraten werden. Gegenüber der Landesversicherungsanstalt Rheinprovinz (heute: Deutsche Rentenversicherung Rheinland), bei der der Kläger einen Antrag auf Gewährung einer Rente wegen Berufsun- und verminderter Erwerbsfähigkeit gestellt hatte, und gegenüber der Beklagten machte die BA vorsorglich entsprechende Erstattungsansprüche geltend.
Am 20.01.2004 erhob der Kläger Widerspruch gegen den Bescheid vom 22.04.2003. Zur Begründung trug er vor, bezüglich der Frage, ob AU über den 30.04.2003 hinaus vorgelegen habe, sei auf die zuletzt, zum Zeitpunkt des Eintritts von Arbeitsunfähigkeit ungekündigte Tätigkeit als Lkw-Fahrer im Tiefbau abzustellen. Nach dem Ergebnis der Untersuchung beim ärztlichen Dienst der BA sei er aus gesundheitsbedingten Gründen jedoch zur Ausübung einer solchen Tätigkeit nicht mehr in der Lage. Die Funktionseinschränkungen bestünden unvermindert fort.
Mit weiterem Bescheid vom 29.01.2004 lehnte die Beklagte eines Fortzahlung des Krankengeldes mit der Begründung ab, eine Tätigkeit als Kraftfahrer sei ab dem 01.05.2003 möglich gewesen, da eine solche nicht zwangsläufig mit schwerem Heben und Tragen von Lasten ohne mechanische Hilfsmittel verbunden sei. Den Widerspruch des Klägers wies sie mit Widerspruchsbescheid vom 03.06.2004 als unbegründet zurück. Aus dem konkreten Arbeitsverhältnis habe sich der Kläger gelöst. Bei dem generellen Berufsbild des Kraftfahrers, auf das abzustellen sei, müssten jedoch nicht zwangsläufig schwere Be- und Entladearbeiten durchgeführt werden. Die anderweitige Beurteilung des behandelnden Arztes für Orthopädie Dr. U aus C vom 30.03.2004, der einen Einsatz des Klägers als Kraftfahrer für nicht zumutbar hielt, sei nicht überzeugend.
Der Kläger hat am 30.06.2004 Klage zum Sozialgericht Aachen erhoben, mit der er sein Anliegen weiterverfolgt hat. Er hat ergänzend vorgetragen, zu den Tätigkeiten als Lkw-Fahrer, die er im Laufe von ca. dreißig Berufsjahren ausgeübt habe, hätten regelmäßig Be- und Entladetätigkeiten gehört, wobei auf Baustellen nicht immer mechanische Hilfsmittel zur Verfügung gestanden hätten. Schweres Heben und Tragen sei auch im Zusammenhang mit dem Verstauen von Baumaterialien auf der Ladefläche verbunden gewesen. Dies habe zu der Tätigkeit als Fahrer von vierachsigen Kippern von 35 t Gewicht gehört.
Der Kläger hat beantragt,
die Beklagte unter Aufhebung der Bescheide vom 22.04.2003 und 29.01.2004 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 03.06.2004 zu verurteilen, ihm über den 30.04.2003 hinaus bis zum 08.09.2004 Krankengeld in gesetzlicher Höhe unter Berücksichtigung des gezahlten Arbeitslosengeldes zu gewähren.
Die Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie hat sich zur Begründung auf den ihrer Auffassung nach zutreffenden angefochtenen Bescheid bezogen. Ergänzend hat sie unter Bezugnahme auf die Stellungnahme des MDK – Dr. U1 – vom 24.01.2005 vorgetragen, die Einnahme des Schmerzmittels Ibu KD 600 (Wirkstoff Ibuprofen 600 mg) habe keine Kontraindikation für das Fahren von Kraftfahrzeugen dargestellt.
Das Sozialgericht hat Auskünfte des letzten Arbeitgebers des Klägers, der Fa. C Transportgesellschaft mbH vom 02.12.2004, 15.03.2005 und 21.11.2005 eingeholt. Dieser hat angegeben, die von dem Kläger ausgeübten Fahrertätigkeiten hätten ständiges Sitzen, Fahren von Lkw über 7,5 t, Arbeiten bei starkem Lärm und bei erhöhter Aufmerksamkeit und Verantwortung im Straßenverkehr umfasst. Vereinzelt habe der Kläger Be- und Entladetätigkeiten durchgeführt. Kraftfahrertätigkeiten ohne gelegentliches Be- und Entladen könnten nicht angeboten werden. Außerdem hat das Sozialgericht die vollständigen Patientenkarteien der behandelnden Ärzte für Orthopädie Dr. U und des Arztes für Allgemeinmedizin Dr. Q beigezogen und ein Gutachten nach Aktenlage von dem Arzt für Innere Medizin und Sozialmedizin Dr. N eingeholt. In seinem Gutachten vom 18.09.2005 hat dieser für den Zeitraum vom 01.05.2003 bis zum 08.09.2004 folgende Diagnosen gestellt:
Medikamentös eingestellter Bluthochdruck; chronische Magenschleimhautentzündung; chronisch-rezidivierendes LWS-Syndrom; computertomografisch konzentrische mediale Bandscheibenprotrusion und fortgeschrittene degenerative Veränderungen der Facettengelenke im Segment L4/L5 sowie beginnende degenerative Veränderungen der Facettengelenke in den Segmenten L3/L4 und L5/S1; mäßiggradige Bewegungseinschränkung der LWS ohne neurologische Ausfälle in den Beinen; Hörminderung beidseits. Bei dem Kläger habe zumindest seit Dezember 2000 ein rezidivierendes LWS-Syndrom bestanden, das durchgehende orthopädische Behandlung erforderlich gemacht habe. Ab dem 12.03.2003 habe ein länger anhaltendes LWS-Syndrom bestanden, das eine sehr intensive Therapie erforderlich gemacht habe. Die vom Kläger geklagten Beschwerden seien vor dem Hintergrund der festgestellten degenerativen Veränderungen nachvollziehbar. Der Kläger sei im Zeitraum bis zum 08.09.2004 nur noch in der Lage gewesen, folgende Arbeiten zu verrichten: körperlich leichte, gelegentlich mittelschwere Arbeiten ohne Heben und Tragen von schweren und dauernd mittelschweren Lasten ohne mechanische Hilfsmittel ohne häufiges Bücken ohne länger andauernde einseitige körperliche Belastung in wechselnder Körperhaltung ohne länger andauernde Zwangshaltungen ohne besondere Gefährdung durch Nässe, Kälte und Zugluft vollschichtig bzw. sechs Stunden und mehr täglich.
Tätigkeiten als Lkw-Fahrer habe der Kläger nur noch eingeschränkt verrichten können. Einsätze im Fernverkehr seien wegen der stundenlangen Zwangshaltungen nicht möglich gewesen. Er habe nur im Nahverkehr mit der Möglichkeit des Wechsels der Körperhaltung tätig werden können, soweit diese Fahrertätigkeit nicht mit Be- oder Entladetätigkeiten ohne mechanische Hilfsmittel verbunden seien oder nur das Be- und Entladen von leichten, allenfalls gelegentlich mittelschweren Lasten umfassten.
Das Sozialgericht hat mit Urteil vom 19.12.2005 die Klage abgewiesen. Zur Begründung hat es im Wesentlichen darauf abgestellt, im Hinblick auf die Beendigung des Beschäftigungsverhältnisses bei der Fa. C Transportgesellschaft mbH sei bei der Beurteilung des Vorliegens von AU nicht mehr auf die zuletzt konkret ausgeübte, sondern abstrakt auf die Art der zuletzt ausgeübten Tätigkeit abzustellen. Der Versicherte könne auf gleiche oder ähnlich geartete Tätigkeiten verwiesen werden, wobei jedoch der Kreis möglicher Verweisungstätigkeiten entsprechend der Funktion des Krankengeldes eng zu ziehen sei. Nach dem Ergebnis der medizinischen Ermittlungen habe der Kläger zumindest noch als Lkw-Fahrer mit leichten und allenfalls gelegentlich mittelschweren Be- und Entladetätigkeiten im Nahverkehr eingesetzt werden können. Die Be- und Entladetätigkeit habe nicht zu den prägenden Merkmalen der zuletzt ausgeübten Beschäftigung gehört; denn es seien typischerweise mit 35t-Kippern Baustoffe und Aushub als Schüttware transportiert worden. Der mit Be- und Entladetätigkeiten verbundene Transport von sonstigen Baumaterialien sei laut Arbeitgeberauskunft vom 21.11.2005 nur vereinzelt angefallen. Solche Be- und Entladetätigkeiten gehörten nicht typischerweise und zwangsläufig zum Belastungsprofil eines Lkw-Fahrers. Insbesondere im Bereich des Güterauslieferungsverkehrs – Auslieferung von Fertig- und Teilprodukten ab Hersteller, zum Beispiel von Kfz-Zulieferern zum Autohersteller, in der Möbelindustrie, in der Glas- und Fensterindustrie sowie insbesondere in der Beton-, Sand- und Kiesherstellung – seien Lkw-Fahrertätigkeiten ohne Be- und Entladearbeiten durchaus üblich. Hier erfolge die Be- und Entladung über Beladestationen/-rampen durch Ladearbeit des Herstellers bzw. Abnehmers und sei insbesondere bei Beton-, Kies- und Sandwerken automatisiert. Die Lkw-Fahrertätigkeit in diesem Bereich sei auch wirtschaftlich gleichwertig, denn die Lohndifferenz erreiche nicht 10 v. H.; die Lkw-Fahrertätigkeit im Tarifbereich Kies und Sand, Mörtel und Transportbeton NRW, die der vom Kläger im Tiefbaubereich verrichteten Fahrertätigkeit am ähnlichsten sei und auch typischerweise nur im Nahverkehr stattfinde, werde nach dem Lohntarifvertrag vom 24.07.2002 bzw. 17.07.2003 in Lohngruppe 2 – angelernte Arbeiter – mit einem Stundenlohn von 11,16 EUR bzw. 11,43 EUR entlohnt, woraus sich bei einer Wochenarbeitszeit von 43 Stunden ein monatliches Entgelt von 2.079,44 EUR bzw. 2.129,73 EUR ergebe. Das letzte Monatsgehalt des Klägers bei der Fa. C Transportgesellschaft mbH habe 2.163,35 EUR betragen.
Gegen das seinen Prozessbevollmächtigten am 04.01.2006 zugestellte Urteil hat der Kläger am 19.01.2006 Berufung eingelegt. Zu deren Begründung trägt er ergänzend vor, er habe bei der Fa. C Transportgesellschaft mbH Fahrten von und zu Baustellen mit vierachsigen Lastkraftwagen, die beladen 35 Tonnen gewogen hätten, ausführen müssen. Insbesondere in Neubaugebieten sei der Boden kaum befestigt und damit sehr uneben gewesen, so dass er bei den Fahrten starken Rüttelbewegungen des Lkw ausgesetzt gewesen sei. Dies habe seine Wirbelsäule in hohem Maße erschüttert und sei bei der Hälfte der Fahrzeit der Fall gewesen. Ihm sei weder die zuletzt ausgeübte noch eine Tätigkeit als Lkw-Fahrer im Nahverkehr gesundheitlich zumutbar gewesen. Es handele sich um eine beinahe ausschließlich sitzende Tätigkeit, die nicht in dem arbeitsmedizinisch notwendigen Umfange im Sinne einer wechselnden Körperhaltung ausgeübt werden könne. Dass über den 30.04.2003 seitens des behandelnden Arztes trotz angenommener AU keine AU-Bescheinigung ausgestellt worden sei, stehe einem Anspruch auf Krankengeld nicht entgegen; denn die Feststellung der AU durch einen Arzt sei rechtsbegründend lediglich für die Entstehung des Anspruchs, nicht aber für die Fortzahlung des Krankengeldes, wie sich aus § 46 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 SGB V ergebe.
Der Kläger beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Aachen vom 09.12.2005 zu ändern und die Beklagte unter Aufhebung der Bescheide vom 22.04.2003 und 29.01.2004 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 03.06.2004 zu verurteilen, ihm über den 30.04.2003 hinaus bis zum 08.09.2004 Krankengeld in gesetzlicher Höhe unter Berücksichtigung des gezahlten Arbeitslosengeldes zu gewähren.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie bezieht sich zur Begründung auf das ihrer Auffassung nach zutreffende erstinstanzliche Urteil.
Der Senat hat ergänzend ein fachorthopädisches Gutachten von Dr. B, Arzt für Orthopädie, Sportmedizin, Chirotherapie und Physikalische Medizin aus F, eingeholt. In seinem Gutachten vom 16.08.2007, das er aufgrund körperlicher Untersuchung des Klägers am 16.08.2007 erstellt hat, hat er folgende Diagnosen auf orthopädischem Fachgebiet gestellt:
anhaltendes Lumbalsyndrom mit endgradiger Bewegungsbeeinträchtigung bei deutlichen degenerativen Veränderungen mit Osteochondrose und Spondylose und Verschleißveränderungen in den Facettengelenken; muskuläre Dysbalance mit schmerzhaftem Hypertonus des Trapezius, insbesondere rechts bei geringfügiger cervico-thoracaler Wirbelsäulenfehlhaltung und Schulterprotraktion; Hallux rigidus links mit schmerzhafter Einschränkung der Dorsalextensionsfähigkeit.
Im streitbefangenen Zeitraum vom 30.04.2003 bis zum 08.09.2004 habe ein schmerzhaftes Lumbalsyndrom auf dem Boden degenerativer Veränderungen und Fehlbelastung vorgelegen. Solche Veränderungen seien bereits durch die Computertomografie-Aufnahme vom 14.04.2003 dokumentiert. Dadurch sei die Wirbelsäule nur eingeschränkt belastbar gewesen. Körperlich schwere Arbeiten habe der Kläger nicht leisten können, körperlich mittelschwere allenfalls gelegentlich. Leistungseinschränkungen hätten hinsichtlich Arbeiten in Zwangshaltung, mit einseitiger Körperhaltung oder mit stereotypen Bewegungsabläufen sowie mit regelmäßigem Bücken und Hinhocken vorgelegen. Weiterhin habe der Kläger wegen der degenerativen Veränderungen der Wirbelsäule Erschütterung des Wirbelsäulenabschnittes vermeiden müssen. Als Lkw-Fahrer im Tiefbau mit Einsetzen auf unebenem Untergrund und auch nur mit gelegentlichen Be- und Entladetätigkeiten sei er nicht arbeitsfähig gewesen. Stundenlanges Sitzen als Fahrer sei auszuschließen. Einsatzfähig sei der Kläger als Lkw-Fahrer gewesen, sofern ein Wechsel der Körperhaltung zwischen Sitzen, Stehen und Gehen ermöglicht werde. Be- und Entladetätigkeiten ohne mechanische Hilfsmittel seien wegen der Schwere der Arbeit nicht zumutbar gewesen.
Der Kläger hat bis zur Erschöpfung des Anspruchs am 18.02.2005 Arbeitslosengeld von der BA erhalten. Seit dem 19.02.2005 bestreitet er seinen Lebensunterhalt durch Grundsicherung für Arbeitssuchende nach §§ 11 ff. Sozialgesetzbuch Zweites Buch (SGB II). Ein von ihm gestellter Antrag auf Gewährung von Rente wegen verminderter Erwerbsfähigkeit ist abgelehnt worden.
In der mündlichen Verhandlung vom 09.11.2007 haben sich die Beteiligten damit einverstanden erklärt, dass die Berichterstatterin – nach Herstellung der Öffentlichkeit – in der Sache als Einzelrichterin entscheidet.
Wegen der weiteren Einzelheiten der Sach- und Rechtslage sowie des Vorbringens der Beteiligten im Einzelnen wird auf den Inhalt der Prozess- sowie der Verwaltungsakte der Beklagten, der BA einschließlich Zahlungsnachweise und Ausdrucken des Bewerberangebotes, der Deutschen Rentenversicherung Rheinland sowie der Berufsgenossenschaft der Feinmechanik und Elektrotechnik und der Akte des Arbeitsgerichts Aachen (Az.: 5 Ca 1832/03) Bezug genommen, die ihrem wesentlichen Inhalt nach Gegenstand der mündlichen Verhandlung und Entscheidung gewesen sind.
Entscheidungsgründe:
Der Senat hat durch die Berichterstatterin entscheiden können, denn die Beteiligten haben sich mit einer Einzelrichterentscheidung gemäß § 155 Abs. 3 und 4 Sozialgerichtsgesetz (SGG) einverstanden erklärt.
Die zulässige, insbesondere fristgerecht eingelegte Berufung des Klägers ist begründet. Das Sozialgericht hat zu Unrecht mit Urteil vom 09.12.2005 die Klage abgewiesen. Dem Kläger steht auch für den Zeitraum vom 01.05.2003 bis zur Erschöpfung des Anspruchs am 08.09.2004 Krankengeld in gesetzlicher Höhe unter Berücksichtigung des für diesen Zeitraum gezahlten Arbeitslosengeldes zu. Die angefochtenen Bescheide der Beklagten vom 22.04.2003 und 29.01.2004 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 03.06.2004 sind rechtswidrig.
Gemäß § 44 Abs. 1 S. 1 Sozialgesetzbuch Fünftes Buch (SGB V) haben Versicherte Anspruch auf Krankengeld, wenn – abgesehen von den Fällen stationärer Behandlung – Krankheit sie arbeitsunfähig macht. Der Maßstab für die AU ergibt sich aus dem Umfang des Versicherungsschutzes im jeweils konkret bestehenden Versicherungsverhältnis (vgl. Bundessozialgericht (BSG) Sozialrecht (SozR) 3-2500 § 44 Nr. 10; SozR 4-2500 § 44 Nrn. 6 und 9). Die zuletzt ausgeübte bzw. eine gleichartige Tätigkeit bleibt nach dem Verlust des Arbeitsplatzes – ausnahmsweise – dann für die Beurteilung der AU maßgebend, wenn der Versicherte bereits zum Zeitpunkt des Ausscheidens aus dem Beschäftigungsverhältnis – wie hier – im Krankengeld-Bezug stand (vgl. BSG SozR 3-2500 § 44 Nr. 9; SozR 4-2500 § 44 Nr. 6). Der Maßstab für die Beurteilung der AU ergibt sich in diesen Fällen auch nach Beendigung des Beschäftigungsverhältnisses trotz anschließenden Leistungsbezugs der BA noch aus der Mitgliedschaft des Versicherten auf Grund seiner früheren versicherungspflichtigen Beschäftigung gemäß § 5 Abs. 1 Nr. 1 SGB V. Diese Mitgliedschaft wird durch den Bezug des Krankengeldes gemäß § 192 Abs. 1 Nr. 2 SGB V über das Ende der Beschäftigung hinaus aufrecht erhalten. Die spätere Arbeitslosmeldung hat hierauf keinen Einfluss; denn die Zuerkennung eines Anspruchs auf Krankengeld bringt den Anspruch auf Arbeitslosengeld zum Ruhen (vgl. § 142 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 Sozialgesetzbuch Drittes Buch (SGB III)), sodass mangels tatsächlichen Bezugs von Arbeitslosengeld gegebenenfalls trotz Arbeitslosmeldung die tatbestandlichen Voraussetzungen des § 5 Abs. 1 Nr. 2 SGB V für die Krankenversicherung der Arbeitslosen (KvdA) (Leistungsbezug) nicht eintreten können. Die "aufrecht erhaltene Mitgliedschaft" aus der Beschäftigungsversicherung erweist sich insoweit gegenüber einer Mitgliedschaft aus der KVdA gemäß § 5 Abs. 1 Nr. 2 SGB V als vorrangig (BSG SozR 4-2500 § 44 Nrn. 6 und 9).
Der Fall einer aufrechterhaltenen Mitgliedschaft aus der früheren Beschäftigtenversicherung liegt hier vor. Der Kläger hat bereits bei Ausscheiden aus dem Beschäftigungsverhältnis im Krankengeld-Bezug gestanden, der seine auf Grund der früheren Beschäftigung begründete Mitgliedschaft gemäß § 5 Abs. 1 Nr. 1 SGB V über das Beschäftigungsende hinaus hat aufrechterhalten können.
Der Kläger ist im streitigen Zeitraum zur Überzeugung des Senates auch au erkrankt gewesen. Weder die zuletzt ausgeübte noch eine gleichartige Tätigkeit sind ihm wegen der festgestellten, während des gesamten streitigen Zeitraumes bestehenden Leistungsbeeinträchtigungen rechtlich und gesundheitlich zumutbar gewesen.
Gegen den Kläger wirkt sich nicht ohne Weiteres das Ergebnis der MDK-Begutachtung aus, auf Grund derer die Beklagte seine AU verneint hat. Wie der Senat zuletzt in seinen Urteilen vom 8. November 2005 – B 1 KR 18/04 R (jeweils RdNr 25 mwN ) ausführlich dargestellt hat, steht einem Versicherten steht erst dann kein Krankengeld zu, wenn sich mit den zu Gebote stehenden Ermittlungsmöglichkeiten nicht nachweisen lässt, dass er aus Krankheitsgründen nicht in der Lage gewesen ist, seine (versicherte) Arbeit zu verrichten. Weder einer AU-Bescheinigung des behandelnden Arztes noch einem MDK-Gutachten kommt in diesem Zusammenhang im Streitfall allein entscheidende oder vorrangige Bedeutung zu. Es handelt sich bei entsprechenden Stellungnahmen in einem sozialgerichtlichen Verfahren vielmehr um "normale" Beweismittel, die auch durch andere Beweismittel widerlegbar sind, wobei sich die Frage, ob bereits vorliegende Unterlagen als ausreichender Nachweis angesehen werden können, nach den Umständen des Einzelfalls richtet und pflichtgemäßem richterlichen Ermessen unterliegt (vgl. insoweit BSG SozR 4-2500 § 44 Nr. 7; SozR 4-2500 § 46 Nr. 1).
Bezüglich der für die Fa. C Transportgesellschaft mbH erbrachten Tätigkeiten als Lkw-Fahrer im Tiefbau sieht sich der Senat in Übereinstimmung mit der insoweit zutreffenden, umfassend begründeten Beurteilung durch das Sozialgericht. In Folge der deutlichen Veränderungen der Wirbelsäule und den damit von den Sachverständigen nachvollziehbar und schlüssig begründeten Leistungseinschränkungen ist der Kläger nicht mehr in der Lage gewesen, längere Fahrten auf unebenem Untergrund in einseitiger Körperhaltung ohne die Möglichkeit des Wechsels der Körperhaltung sowie Be- und Entladetätigkeiten ohne mechanische Hilfsmittel auszuüben. Das Anforderungsprofil der zuletzt ausgeübten Tätigkeiten hat jedoch nach den übereinstimmenden Angaben des Klägers und seines früheren Arbeitgebers zwingend solche Leistungsanforderungen gestellt. Nach dem Ergebnis der zweitinstanzlich ergänzend durchgeführten medizinischen Ermittlungen auf orthopädischem Gebiet hat der Kläger jedoch auch keine gleichartige Tätigkeit, auf die er, wie das Sozialgericht ebenfalls zutreffend entschieden hat, grundsätzlich verweisbar wäre, ausüben können. Der Sachverständige Dr. B, der dem Senat aus zahlreichen Gutachten als überaus kompetenter und sorgfältiger Gutachter bekannt ist, hat schlüssig und nachvollziehbar gesundheitliche Beeinträchtigungen orthopädischer Art bei dem Kläger nicht unerheblicher Art beschrieben. Im Hinblick auf eine knapp dreißigjährige Tätigkeit, zumeist als Lkw-Fahrer im Tiefbau, erscheint es nicht verwunderlich, dass die Wirbelsäule des Klägers in ihrer Funktion deutlich beeinträchtigt ist. Dass daraus die von dem Sachverständigen Dr. B, im Übrigen aber auch von dem erstinstanzlich gehörten Sachverständigen Dr. N und dem ärztlichen Dienst der BA festgestellten Leistungseinschränkungen folgen, ist nachvollziehbar. Zumutbar sind danach nur vollschichtig körperlich leichte, allenfalls gelegentlich mittelschwere Arbeiten ohne Zwangshaltung, ohne einseitige Körperhaltung und ohne stereotype Bewegungsabläufe sowie ohne regelmäßiges Bücken und Hinhocken, ohne manuelles Be-und Entladen und ohne Tätigkeiten, die mit der Erschütterung des betroffenen Wirbelsäulenabschnittes verbunden sind. Als Lkw-Fahrer muss der Kläger auch bei der Verrichtung der vom Sozialgericht herangezogenen vergleichbaren Tätigkeit einseitige Körperhaltungen in Form des Sitzens einnehmen. Ein Wechsel der Körperhaltung ist allenfalls während der Zeiträume der Be- und Entladung des Fahrzeugs möglich, nicht aber während der Fahrt. AU ist bei dem Kläger jedoch eingetreten, obwohl er nach eigenem Bekunden und nach Angaben des letzten Arbeitgebers Fahrten lediglich von der Dauer bis zu anderthalb Stunden ausgeübt hat. Hinzu kommt, dass der Kläger die leidensbedingt notwendigen regelmäßigen Wechsel der Körperhaltung nicht selbst bestimmen kann, sondern den Obliegenheiten der konkreten Tätigkeit Rechnung tragen und allenfalls bei Ankunft am jeweiligen Bestimmungsort die Führerkabine des Lkw verlassen und vom Sitzen in das Gehen und Stehen wechseln kann. Der Senat hat zudem große Zweifel, ob der Ausschluss der manuellen Be- und Entladetätigkeiten, die bereits von dem ärztlichen Dienst der BA festgestellt worden sind, nicht ebenfalls einer Tätigkeit als Lkw-Fahrer im Bereich des Güterauslieferungsverkehrs, der Auslieferung von Fertig- und Teilprodukten entgegen stünde. Wie der Kläger nachvollziehbar angegeben hat, muss beispielsweise bei einem Verrutschen der Ladung während der Fahrt zum Teil schwer getragen und gehoben werden. Auch wenn solche Verrichtungen nur selten vorkommen sollten, so wären dem Kläger solche Belastungen jedoch nicht zumutbar. Dass die vom Kläger geklagten Beschwerden im Übrigen nicht überzogen dargestellt worden sind, zeigt sich insbesondere daran, dass sich das Beschwerdebild nach den Feststellungen des Sachverständigen Dr. B seit 2004 noch weiter verschlechtert hat, obwohl der Kläger keinerlei berufliche Tätigkeiten ausgeübt hat.
Dem Anspruch des Klägers auf Krankengeld steht auch nicht entgegen, dass der behandelnde Arzt – wegen der Feststellung der Arbeitsfähigkeit durch den MDK – über den 30.054.2003 hinaus keine AU-Bescheinigung ausgestellt und der Kläger solche Bescheinigungen für den hier streitigen Zeitraum naturgemäß auch nicht an die Beklagte weitergeleitet hat. Als Regelfall geht das Gesetz, vgl. insoweit insbesondere § 49 SGB V, davon aus, dass der in seiner Arbeitsfähigkeit beeinträchtigte Versicherte selbst die notwendigen Schritte unternimmt, um die mögliche AU feststellen zu lassen und seine Ansprüche zu wahren. Deshalb kann z. B. grundsätzlich ein Versicherter, der das Ende der bescheinigten AU akzeptiert und über Monate hinweg Leistungen wegen Arbeitslosigkeit bezieht, die er bei AU nicht hätte erhalten dürfen, nicht mehr mit der nachträglichen Behauptung gehört werden, er sei in der gesamten Zeit zu Unrecht als arbeitslos statt – richtigerweise – als au behandelt worden (vgl. BSG SozR 3-2500 § 44 Nr. 10). § 49 Abs. 1 Nr. 5 SGB V soll die Krankenkasse ebenso wie die Ausschlussregelung des § 46 S. 1 Nr. 2 SGB V davon freistellen, die Voraussetzungen eines verspätet geltend gemachten Krankengeld-Anspruchs im Nachhinein aufklären zu müssen, und ihr so die Möglichkeit erhalten, die AU zeitnah durch den MDK überprüfen zu lassen, um Leistungsmissbräuchen entgegentreten und Maßnahmen zur Wiederherstellung der Arbeitsfähigkeit einleiten zu können. Nach der ständigen Rechtsprechung des BSG ist die Gewährung von Krankengeld deshalb bei verspäteter Meldung auch dann ausgeschlossen, wenn die Leistungsvoraussetzungen im Übrigen zweifelsfrei gegeben sind und den Versicherten keinerlei Verschulden an dem unterbliebenen oder nicht rechtzeitigen Zugang der Meldung trifft (vgl. BSG SozR Nr. 8 zu § 216 Reichsversicherungsordnung (RVO); SozR 2200 § 182 Nr. 7; SozR 2200 § 216 Nr. 7; SozR 2200 § 216 Nr. 11; SozR 3-2500 § 49 Nr. 4). Danach ist AU der Krankenkasse vor jeder erneuten Inanspruchnahme des Krankengeld auch dann anzuzeigen, wenn sie seit ihrem Beginn ununterbrochen bestanden hat (vgl. BSG SozR 3-2500 § 49 Nr. 4). Dies hat grundsätzlich auch bei ununterbrochenem Leistungsbezug zu gelten. Wie bei der ärztlichen Feststellung handelt es sich auch bei der Meldung der AU um eine Obliegenheit des Versicherten; die Folgen einer unterbliebenen oder nicht rechtzeitigen ärztlichen Feststellung oder Meldung sind deshalb grundsätzlich von ihm zu tragen. Regelmäßig ist danach sowohl die Ausschlussregelung des § 46 Abs. 1 Nr. 2 SGB V als auch des § 49 Abs. 1 Nr. 5 SGB V zu handhaben (BSG SozR 4-2500 § 46 Nr. 1). Ausnahmsweise aber darf die – wie hier – fehlende Feststellung oder Meldung der AU dem Versicherten nicht entgegengehalten werden, wenn er seinerseits alles in seiner Macht Stehende getan hat, um seine Ansprüche zu wahren, daran aber durch eine von der Krankenkasse zu vertretende Fehlentscheidung gehindert worden ist (vgl. BSG SozR 3-2500 § 49 Nr. 4). Die Voraussetzungen für eine verspätete Geltendmachung des Anspruchs auf Krankengeld liegen vor. Der Kläger hat alles in seiner Macht Stehende und ihm Zumutbare getan, um seine Ansprüche zu wahren, er wurde daran aber durch eine von der Krankenkasse zu vertretende Fehlentscheidung gehindert (hier durch die Fehlbeurteilung der AU durch den MDK), und er hat seine Rechte bei der Kasse unverzüglich nach Erlangung der Kenntnis von dem Fehler geltend gemacht (vgl. zu den Voraussetzungen BSG SozR 4-2500 § 46 Nr. 1). Der Senat hat keine Zweifel, dass der Kläger die Unrichtigkeit der Entscheidung erst erkennen konnte, als er – in einer anderen Angelegenheit – Rechtsrat bei seinen späteren Prozessbevollmächtigten gesucht hat. Diese haben die rechtlichen und tatsächlichen Voraussetzungen des Bezuges von Krankengeld zutreffend gewertet und unverzüglich Widerspruch gegen den Bescheid der Beklagten vom 22.04.2003 eingelegt, den diese nicht einmal mit einer Rechtsmittelbelehrung versehen hatte. Im Übrigen ist bei der Prüfung der dritten, vom BSG für die verspätete Geltendmachung eines Anspruchs auf Krankengeld aufgestellten Voraussetzung zu berücksichtigen, dass der Maßstab für die AU wegen der Beendigung des Beschäftigungsverhältnisses bei der C Transportgesellschaft mbH rechtlich als schwierig einzustufen ist. Anhaltspunkte dafür, dass der Kläger auf dem Gebiet des Krankengeldrechts besondere Kenntnisse aufgewiesen hätte, die ihn zu einem früheren Handeln hätten drängen müssen, sind in keiner Weise ersichtlich.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Anlass zur Zulassung der Revision gemäß § 160 Abs. 2 Nrn. 1 und 2 SGG hat nicht bestanden.
Erstellt am: 24.01.2008
Zuletzt verändert am: 24.01.2008