I. Die Klage wird abgewiesen.
II. Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens.
III. Der Streitwert wird auf 7.141,82 EUR festgesetzt.
Tatbestand:
Zwischen den Beteiligten ist ein Anspruch der Klägerin auf Auszahlung von der Gesamtvergütung gemäß § 140 d Sozialgesetzbuch Fünftes Buch (SGB V) einbehaltener Rechnungsbeträge in Höhe von 7.141,82 EUR in der Zeit vom 01.01.2007 bis 31.12.2007 streitig.
Die Klägerin ist Rechtsträgerin der nach § 108 SGB V zugelassenen B-Stadt-kliniken und A-Stadt.
In diesen Kliniken wurden im Jahr 2007 Versicherte der Beklagten stationär behandelt. Aufgrund von § 140 d SGB V behielt die Beklagte zur Anschubfinanzierung von Verträgen der integrierten Versorgung von den von der Klägerin in Rechnung gestellten Kosten 7.141,82 EUR ein.
Am 15.12.2011 hat die Bevollmächtigte der Klägerin Zahlungsklage zum Sozialgericht Augsburg erhoben und vorgetragen, dass die Beklagte zu Unrecht im Zeitraum vom 01.01.2007 bis 31.12.2007 auf der Grundlage des § 140 d SGB V wegen angeblich bestehender Integrationsverträge Rechnungsbeträge in Höhe von 9.161,72 EUR einbehalten habe.
Mit Schreiben vom 15.10.2013 ist der Betrag auf 7.141,82 EUR reduziert worden.
Zur Klagebegründung ist vorgetragen worden, dass die Beklagte nicht nachgewiesen habe, dass sie wirksame Verträge, die die gesetzlichen Bestimmungen des § 140 b SGB V erfüllten, für die Einbehalte vorgelegt hätten. Es reiche nicht aus, dass die Beklagte die Verträge benenne und behaupte, dass diese Verträge den gesetzlichen Voraussetzungen entsprächen, ohne dass überhaupt die Möglichkeit bestehe, die Angaben zu überprüfen. Es reiche auch nicht aus, dass die Beklagte bezüglich der streitgegenständlichen Verträge eine Meldung bzw. Registrierung bei der BQS vorgenommen habe. Vielmehr habe die Beklagte nachzuweisen, dass durch die von ihr geschlossenen Verträge eine echte Alternative außerhalb der Regelversorgung entstehe. Dies bedeute weiter, dass Leistungen der herkömmlichen Versorgung durch solche der integrierten Versorgung ersetzt werden müssten. Fänden Behandlungsleistungen, die nunmehr durch die neuen "Integrationsverträge" geregelt werden, hingegen weiter im Rahmen der bisherigen Regelversorgung statt, ergebe sich im Umkehrschluss daraus, dass kein Fall der integrierten Versorgung vorliege.
Hierauf hat die Beklagte mit Schreiben vom 19.01.2012 erwidert und in Kopien die streitgegenständlichen Verträge bei Gericht eingereicht.
Mit Schreiben vom 29.05.2013 hat sie weiter vorgetragen, dass nach ihrer Ansicht der von der Klägerin geltend gemachte Rechtsanspruch verwirkt sei. So habe das Bundessozialgericht (BSG) in mehreren Entscheidungen festgestellt, dass die Rechtsnorm des § 242 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) über § 69 Abs. 1 S. 3 SGB V auf die Rechtsbeziehungen zwischen einem Krankenhaus und einer Krankenkasse einwirken. So sei die Zulässigkeit von Nachforderungen der Krankenhausvergütung unter Berücksichtigung des Grundsatzes von Treu und Glauben zu bewerten, da Krankenhäuser und Krankenkassen innerhalb eines dauerhaften Vertragsrahmens ständig professionell zusammenarbeiteten, ihnen die gegenseitigen Interessensstrukturen geläufig seien und in diesem Rahmen voneinander gegenseitige Rücksichtnahme zu erwarten hätten.
Weiter habe das BSG in seinem Urteil vom 02.11.2010 – B 1 KR 11/10 R – den Vorgang des Einbehaltens im Sinne des § 140 d Abs. 1 S. 1 SGB V alte Fassung (a.F.) als Aufrechnung analog §§ 387 ff. BGB bewertet. Innerhalb dieses Urteils stelle das BSG auch fest, dass das Einbehaltungsrecht unmittelbar mit der Rechnungsbezahlung gegenüber dem Krankenhaus durchzuführen sei, da dieses nicht damit rechnen brauche, später noch mit dem Gegenrecht der Krankenkasse auf Geltendmachung der Anschubfinanzierung konfrontiert zu werden. Damit werde an dieser Stelle vom BSG implizit ebenfalls der Grundgedanke der Wirkung von Treu und Glauben auch für den Bereich der Umsetzung der Anschubfinanzierung anerkannt.
Insoweit bedeute dies, dass soweit die Klägerin der Meinung sei, dass Mittel zu Unrecht einbehalten worden seien, der Grundsatz von Treu und Glauben gebiete, nicht erfüllte Vergütungsforderungen zeitnah bei der Beklagten einzufordern, da eine Krankenkasse im Rahmen ihrer jährlichen Planungen ein Recht darauf haben müsse, dass die von ihr getätigten Aufwendungen vom Vertragspartner dem Grunde nach akzeptiert würden und keine nachträglichen Vergütungsforderungen, insbesondere mehrere Jahre nach Entstehung des Anspruchs, geltend gemacht würden.
Für die Beklagte sei nicht nachvollziehbar, dass die Klägerin erst drei Jahre nach Beendigung des Rechts zur Erhebung der Anschubfinanzierung zum 31.12.2008 bzw. vier Jahre nach dem Einbehalt im Jahr 2007 bei der Beklagten nicht erfüllte Vergütungsansprüche geltend mache. Die Beklagte habe seit dem Jahr 2004 zigfach Einbehalte bei der Klägerin vorgenommen, ohne dass diese der Beklagten signalisiert hätte, dass sie diese für unzulässig erachte. Zudem habe die Beklagte über die Meldung ihrer zum Einbehalt berechtigten Verträge der integrierten Versorgung an die gemeinsame Registrierungsstelle der kassenärztlichen Bundesvereinigung, der deutschen Krankenhausgesellschaft und den Spitzenverbänden der Krankenkasse frühzeitig für Transparenz über die Verträge der Beklagten gesorgt, so dass es der Klägerin frühzeitig möglich gewesen wäre, etwaige Zweifel an der Rechtmäßigkeit der Einbehalte gegenüber der Beklagten zu äußern. Spätestens jedoch mit dem Vorliegen der erstmaligen Rechtsprechung des BSG vom 06.02.2008 zu den vertraglichen Voraussetzungen für den Einbehalt der Anschubfinanzierung hätte die Klägerin der Beklagten etwaige Zweifel an der Berechtigung der weiteren Einbehalte mitteilen können. Auch hier habe die Klägerin hingegen zunächst knapp drei Jahre verstreichen lassen, bis sie die Beklagte mit ihren Zweifeln an der Rechtmäßigkeit der Einbehalte bzw. ihren Vergütungsforderungen konfrontiert habe. Zusammenfassend sei daher die Geltendmachung der Ansprüche als unvereinbar mit dem Grundsatz von Treu und Glauben zu bewerten (siehe hierzu auch Urteil des SG Chemnitz vom 29.06.2012 – S 9 KR 619/09 -).
Dazu hat die Bevollmächtigte der Klägerin mit Schreiben vom 18.07.2013 Stellung genommen und ausgeführt, dass der Rückforderungsanspruch der Klägerin nicht verwirkt sei. In diesem Zusammenhang sei grundsätzlich darauf hinzuweisen, dass ein nach allgemeinen Rechtsgrundsätzen bestehendes Recht nur dann verwirkt sei, wenn der Berechtigte es längere Zeit nicht geltend mache, der Verpflichtete sich darauf eingerichtet habe und sich nach dem Verhalten des Berechtigten auch darauf einrichten durfte, dass dieser das Recht in Zukunft nicht geltend machen werde. Danach erfordere die Verwirkung drei Tatbestandsmerkmale, nämlich den Zeitablauf, das Verwirkungsverhalten des Forderungsgläubigers und den darauf gestützten Vertrauenstatbestand. An alle drei Merkmale seien strenge Maßstäbe anzulegen, da die Verwirkung ein aus allgemeinen Rechtsgrundsätzen abgeleitetes Institut sei, das zur Verkürzung der Verjährungsvorschriften führe. Es müssten daher besondere Umstände dafür vorliegen, dass einem Gläubiger ein Forderungsrecht ausnahmsweise nicht mehr zustehe. Jeweils sei zu berücksichtigen, dass dem Forderungsgläubiger durch eine Verwirkung eine Rechtsposition genommen werde, obwohl eine konkrete gesetzliche oder vertragliche Grundlage hierfür nicht vorliege.
Hier fehle es bereits an einem vertrauensbegründenden Verhalten der Klägerin. Zwar liege ein entsprechender Zeitablauf vor, jedoch fehle es an einem positiven Verwirkungsverhalten der Klägerin innerhalb dieses Zeitraums. Die Klägerin habe zu keinem Zeitpunkt in irgendeiner Form signalisiert, dass sie die Einbehalte ohne weiteres akzeptiere.
Auch wenn man aus Treu und Glauben analog § 242 BGB zur gegenseitigen Rücksichtnahme verpflichtet sei, könne dies nicht dazu führen, dass man von dem von Gesetzes wegen eingeräumten Recht nicht Gebrauch machen dürfe. Die Klägerin sei daher grundsätzlich berechtigt, die gültige Verjährungsfrist im vollen Umfang auszuschöpfen, insbesondere dann, wenn nach den hier einschlägigen Verjährungsregeln die so genannte kurze Verjährungsfrist von vier Jahren greife, da bereits der Gesetzgeber eine zeitliche Verkürzung der Durchsetzungsmöglichkeiten grundsätzlich bestehender Ansprüche vorgegeben habe und nur ausnahmsweise "Verwirkung" überhaupt in Betracht kommen könne.
Die Bevollmächtigte der Klägerin beantragt,
die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin 7.141,82 EUR nebst Zinsen hieraus in Höhe von 4 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Zur Ergänzung des Tatbestandes wird im Übrigen auf die Gerichtsakten und auf die von der Beklagten vorgelegten Verträge verwiesen.
Entscheidungsgründe:
Die Klage ist zulässig, jedoch unbegründet.
Der von der Klägerin geltend gemachte weitere Vergütungsanspruch für die im Abrechnungsjahr 2007 der Beklagten in Rechnung gestellten Leistungen durch Auszahlung von in diesem Jahr vorgenommenen Einbehalte zur Anschubfinanzierung der integrierten Versorgung in Höhe von 7.141,82 EUR verstößt gegen den Grundsatz von Treu und Glauben entsprechend dem Rechtsgedanken aus § 242 BGB.
So hat das BSG bereits mehrfach entschieden, dass Nachforderungen eines restlichen Vergütungsanspruches ebenso wie Einzelfallkorrekturen einer bereits bezahlten Krankenhausrechnung durch die Krankenkasse unter dem Vorbehalt von Treu und Glauben stehen, der über § 69 SGB V gemäß dem Rechtsgedanken des § 242 BGB auf die Rechtsbeziehungen der Beteiligten einwirkt (siehe hierzu unter anderem Urteil des BSG vom 22.11.2012 – B 3 KR 1/12 R -).
So bestehen zwischen Krankenhäusern und Krankenkassen dauerhafte und professionelle Vertragsbeziehungen, die von einem systembedingten Beschleunigungsgebot geprägt sind. Eine besondere Ausprägung hiervon findet sich in § 275 Abs. 1 c SGB V, wonach die Krankenkassen verpflichtet sind, innerhalb von sechs Wochen bei Zweifel an der Richtigkeit der Rechnungsstellung den Medizinischen Dienst zur Überprüfung einzuschalten, da sie andernfalls mit medizinischen Einwendungen gegen die Rechnungsstellung ausgeschlossen sind.
Auch hat das BSG bereits entschieden, dass zulässige Nachberechnungen bereits abgerechneter Behandlungsfälle nur unter dem Grundsatz von Treu und Glauben in den Rechtsbeziehungen zwischen Krankenkassen und Krankenhäuser möglich sind zum Ende des auf die unrichtige erste Abrechnung folgenden Kalenderjahres (siehe BSG a.a.O. Rn. 19).
Insgesamt wird hieraus erkennbar, dass zwischen der Klägerin und der Beklagten aufgrund der ihr Verhältnis prägenden besonderen Strukturmerkmale nur eine begrenzte Befugnis zur nachträglichen Rechnungskorrektur besteht.
Dass diese Grundsätze nicht auch auf den vorliegenden Fall anzuwenden wären, dafür gibt es keine Rechtsgesichtspunkte.
Auch hier geht es zwischen den Beteiligten um bereits im Haushaltsjahr 2007 abgerechnete Behandlungsfälle. Dass diese nicht korrekt abgerechnet worden seien, weil die Beklagte nach dem Vortrag der Klägerin zu Unrecht Einbehalte nach § 140 d SGB V vorgenommen habe, hat die Klägerin jedoch erst Ende des Jahres 2011 erstmalig geltend gemacht (also der durchgeführten Aufrechnung analog §§ 387 ff. BGB). Zu diesem Zeitpunkt musste jedoch die Beklagte nach den vom BSG aufgestellten Grundsätzen für die Korrektur von Krankenhausrechnungen nicht mehr damit rechnen, dass die Abrechnungen beanstandet würden. Vielmehr durfte die Beklagte das Verhalten der Klägerin zumindest ab 01.01.2009 demnach so verstehen, dass mit den vorgenommenen Einbehalten (hierdurch unterscheidet sich auch der vorliegende Fall von dem des SG Marburg – Urteil vom 26.09.2012 – S 12 KA 967/09 – auf den die Bevollmächtigte der Klägerin u.a. hingewiesen hat) Einverständnis bestehe und sich haushaltstechnisch insoweit darauf einrichten, dass Nachforderungen für das Jahr 2007 von der Klägerin nicht mehr erhoben werden.
Somit sind nach Überzeugung des Gerichts sehr wohl die von der Bevollmächtigten zu Recht genannten drei Tatbestandsmerkmale für die Verwirkung auch erfüllt. Hier gelten nach der Rechtsprechung des BSG im Hinblick auf die besondere Rechtsbeziehung zwischen der Klägerin und der Beklagten eben besonders ausgestaltete Rücksichtnahmepflichten im Sinne des § 242 BGB. Mit diesen hält es auch das Gericht für unvereinbar, dass erst ca. drei Jahre nach dem vom BSG grundsätzlich als äußersten Zeitpunkt für Korrekturmöglichkeiten benannten Zeitraums – hier der 31.12.2008 – von der Klägerin eine Rechnungskorrektur begehrt wird.
Die Klage war somit als unbegründet abzuweisen.
Die Kostentscheidung beruht auf § 197 a Sozialgerichtsgesetz (SGG) in Verbindung mit § 154 Abs. 1 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO).
Die Streitwertfestsetzung ergibt sich aus § 197 a Abs. 1 S. 1 1. Halbsatz SGG in Verbindung mit § 52 Abs. 3 Gerichtskostengesetz (GKG).
Erstellt am: 06.03.2014
Zuletzt verändert am: 06.03.2014