Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Sozialgerichts Köln vom 10.06.2011 wird mit der Maßgabe zurückgewiesen, dass der Tenor in der Hauptsache klarstellend wie folgt gefasst wird: Die Beklagte wird unter entsprechender Abänderung des Bescheides vom 30.04.2010 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 23.09.2010 verurteilt, der Klägerin ab dem 01.02.2010 große Witwenrente unter Berücksichtigung weiterer 7.9169 persönlicher Entgeltpunkte zu gewähren. Die Beklagte hat der Klägerin auch die außergerichtlichen Kosten des zweiten Rechtszuges zu erstatten. Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand:
Streitig ist die Höhe einer großen Witwenrente.
Die 1949 geborene Klägerin war vom 10.9.1995 bis zu dessen Tod am 1.1.2010 mit dem bei der Beklagten versicherten T (im Folgenden: Versicherter) verheiratet.
Zuvor war der Versicherte von 1962 bis 1989 mit der am 00.00.1998 verstorbenen T T verheiratet. Die Ehe wurde 1990 geschieden (Urteil des Amtsgerichts O vom 21.8.1990). Zugleich wurden im Wege des Versorgungsausgleichs zu Lasten des Versicherten Rentenanwartschaften in Höhe von 303,90 DM (= 7,9169 persönliche Entgeltpunkte (pEP)) auf das Rentenkonto der erste Ehefrau bei der Deutsche Rentenversicherung (DRV) Bund übertragen.
Nachdem der Versicherte einen Antrag auf Altersrente gestellt hatte, teilte die DRV Bund der Beklagten mit, dass die erste Ehefrau des Versicherten keine Rente bezogen hat; aus den übertragenen Rentenanwartschaften sei lediglich eine stationäre Rehabilitationsmaßnahme im Wert von etwa DM 7.300 gewährt worden. Die Beklagte bewilligte dem Versicherten ab dem 1.12.2006 zunächst Regelaltersrente unter Berücksichtigung von (22.6654 – 7,9169 =) 14,7485 pEP (Bescheid vom 1.2.2007), teilte aber bereits mit, dass ihm die Rente nach § 4 des Gesetzes zur Regelung von Härten im Versorgungsausgleich (VAHRG) ab dem 1.10.2007 ohne Minderung um die im Rahmen des Versorgungsausgleichs übertragenen Rentenanwartschaften zustehe. Entsprechend bewilligte sie ihm ab dem 1.10.2007 Regelaltersrente unter Zugrundelegung der vollen 22,6654 pEP (Bescheid vom 13.8.2007).
Nach dem Tod des Versicherten zahlte der Postenrentendienst der Klägerin einen Vorschuss auf die Witwenrente der ersten drei Kalendermonate in Höhe von EUR 1.849,50 (dreifacher Monatsbetrag der zuletzt dem Versicherten ohne Minderung durch den Versorgungsausgleich gezahlten Rente, vgl § 67 Nr 6 SGB VI). Auf den Antrag der Klägerin, die nach dem Tod des Versicherten nicht wieder geheiratet hatte, bewilligte die Beklagte große Witwenrente ab dem 1.2.2010 in Höhe von monatlich EUR 401,18 unter Berücksichtigung von (22.6661 – 7,9169 =) 14,7492 pEP und forderte die Klägerin auf, den gezahlten Vorschuss anteilig in Höhe von 746,49 EUR zu erstatten. Zwar sei der Versorgungsausgleich bei der Berechnung der Rente des Versicherten nach § 4 VAHRG nicht mehr berücksichtigt worden. Das VAHRG sei jedoch seit dem 1.9.2009 durch das Gesetz über den Versorgungsausleich (Versorgungsausgleichsgesetz – VersAusglG) ersetzt worden, das nach §§ 37, 38 ein eigenes Antragsrecht auf Nichtberücksichtigung des Versorgungsausgleichs für Hinterbliebene nicht vorsehe. Daher müsse der durchgeführte Versorgungsausgleich berücksichtigt werden (Bescheid vom 30.4.2010).
Zur Begründung ihres Widerspruchs führte die Klägerin aus, sie habe keinen eigenen Antrag auf Nichtberücksichtigung des Versorgungsausgleichs stellen müssen, da ein solcher Antrag bereits vom Versicherten selbst gestellt worden sei. Die Beklagte wies den Widerspruch zurück, weil bei einer Hinterbliebenenrente im Anschluss an eine nach § 4 VAHRG/§ 37 VersAusglG ungeminderte Versichertenrente kein Besitzschutz bestehe. Der Versorgungsausgleich sei im Rahmen der Rentengewährung des Versicherten nach § 4 VAHRG nicht rückgängig gemacht, sondern lediglich ausgesetzt worden. Die Voraussetzungen des § 37 Abs 1 S 1 VersAusglG müssten daher bei jedem Anspruch neu geprüft werden. Dafür bedürfe es eines Antrags, den nur die ausgleichspflichtige Person selbst stellen könne (Widerspruchsbescheid vom 23.9.2010).
Mit ihrer am 18.10.2010 erhobenen Klage hat die Klägerin vorgetragen, durch § 4 VAHRG sei der Versorgungsausgleich nicht lediglich im Verhältnis zum Versicherten ausgesetzt gewesen. Es sei vielmehr eine endgültige Bescheidung erfolgt. Da der Versicherte Rente ohne eine Minderung durch den Versorgungsausgleich erhalten habe, stehe auch der Witwe eine Hinterbliebenenrente ohne eine Minderung durch den Versorgungsausgleich zu. Die Argumentation der Beklagten, die von einem "Aussetzen" des Versorgungsausgleichs spreche, gehe fehl, da eine Aussetzungsregelung erst nach § 33 VersAusglG zu treffen sei. Nach dem Recht des VAHRG sei ein Versorgungsausgleich nicht ausgesetzt, sondern nicht durchgeführt worden.
Die Klägerin hat beantragt,
die Beklagte zu verpflichten, ihr die große Witwenrente nach dem verstorbenen Versicherten ohne Abschlag aus dem durchgeführten Versorgungsausgleich mit Wirkung vom 1.2.2010 unter Berücksichtigung der ab diesem Zeitraum geleisteten Zahlungen zu gewähren.
Die Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Nach Außerkrafttreten des VAHRG am 31.8.2009 könnten dessen Regelungen auf Renten, die nach dem 31.8.2009 beginnen, nicht mehr angewendet werden.
Das Sozialgericht (SG) hat die Beklagte unter Aufhebung des Bescheids vom 30.4.2010 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 23.9.2010 verurteilt, "der Klägerin ab dem 1.2.2010 ungekürzte große Witwenrente ohne Minderung durch den durchgeführten Versorgungsausgleich nach Maßgabe der gesetzlichen Bestimmungen und unter Anrechnung bereits erbrachter Leistungen zu gewähren". Die auf Antrag bei einem Versicherten durchgeführte Aussetzung führe dazu, dass auch die spätere Hinterbliebenenversorgung nicht mehr der Kürzung unterliege (Urteil vom 10.6.2011, der Beklagten am 27.6.2011 zugestellt).
Ihre Berufung vom 21.7.2011 stützt die Beklagte auf die Begründung der angegriffenen Bescheide und die erstinstanzlich vorgebrachten Argumente.
Die Beklagte beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Köln vom 10.6.2011 zu ändern und die Klage abzuweisen.
Die Klägerin beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie bezieht sich auf die Begründung des erstinstanzlichen Urteils.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstands wird auf die Gerichtsakten sowie die Verwaltungsakten der Beklagten verwiesen, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen sind.
Entscheidungsgründe:
Die Berufung ist unbegründet.
Das SG hat die Beklagte zu Recht verurteilt, der Klägerin ab dem 1.2.2010 große Witwenrente ohne Minderung durch den früheren Versorgungsausgleich zu gewähren. Dies bedeutet nur – und insoweit hat der Senat den Urteilsausspruch klarstellend neu gefasst -, dass bei der Berechnung des monatlichen Wertes der bereits bewilligten großen Witwenrente (also bei der "Höhe" des monatlichen Zahlungsanspruches) weitere 7,9169 pEP werterhöhend zu berücksichtigen sind.
Der Bescheid vom 30.4.2010 (in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 23.9.2010, § 95 Sozialgerichtsgesetz (SGG)) ist rechtswidrig und verletzt die Klägerin in ihren Rechten, § 54 Abs 2 SGG. Die Klägerin hat ab dem 1.2.2010 Anspruch auf (höhere) große Witwenrente unter Berücksichtigung weiterer 7,9169 pEP, weil bei der Berechnung des monatlichen Werts der Rente der 1990 zugunsten der ersten Ehefrau des Versicherten durchgeführte Versorgungsausgleich (weiter) nicht zu berücksichtigen ist. Das bedeutet gleichzeitig, dass die geltend gemachte Erstattungsforderung von EUR 746,49 nicht besteht, weil der geleistete (Sterbequartals-)Vorschuss in voller Höhe auf die für den gleichen Zeitraum zustehende Witwenrente angerechnet werden kann und muss, § 42 Abs 2 Satz 1 Erstes Buch Sozialgesetzbuch (SGB I).
Witwen, die das 47. Lebensjahr vollendet und nicht wieder geheiratet haben, haben nach dem Tode des versicherten Ehegatten, der die allgemeine Wartezeit erfüllt hat, grundsätzlich Anspruch auf eine große Witwerrente, § 46 Abs 2 Satz 1 Sozialgesetzbuch Sechstes Buch – Gesetzliche Rentenversicherung – (SGB VI). Diese Voraussetzungen liegen ab dem 1.2.2010 vor, weil der Versicherte am 1.2.2010 verstorben ist und im Sterbemonat Altersrente bezogen hat, § 99 Abs 2 Sätze 1 und 2 SGB VI. Das steht zwischen den Beteiligten aufgrund der insoweit nicht angefochtenen Feststellungen im Bescheid vom 30.4.2010 fest.
Der monatliche Zahlungsanspruch der großen Witwenrente besteht auch in der von der Klägerin beanspruchten Höhe. Die Beklagte hat bei der Berechnung von den Entgeltpunkten, die zuletzt der Regelaltersrente des Versicherten zugrunde lagen, zu Unrecht einen Abschlag wegen des durchgeführten Versorgungsausgleichs vorgenommen. Der Berechnung der Witwenrente sind wie zuletzt bei der Berechnung der Regelaltersrente des Versicherten weitere 7,9169 pEP zugrunde zu legen.
Nach § 64 SGB VI ergibt sich der Monatsbetrag der Rente, wenn 1. die unter Berücksichtigung des Zugangsfaktors ermittelten persönlichen Entgeltpunkte, 2. der Rentenartfaktor und 3. der aktuelle Rentenwert mit ihrem Wert bei Rentenbeginn miteinander vervielfältigt werden. Nach § 66 Abs 2 Nr 2 SGB VI sind bei einer Witwenrente die Entgeltpunkte des verstorbenen Versicherten die Grundlage für die Ermittlung der persönlichen Entgeltpunkte. Nach § 88 Abs 2 S 1 SGB VI sind bei einer Hinterbliebenenrente mindestens die bisherigen persönlichen Entgeltpunkte des verstorbenen Versicherten zugrunde zu legen, wenn der verstorbene Versicherte eine Rente aus eigener Versicherung bezogen hat und die Hinterbliebenenrente spätestens 24 Monate nach Bezug dieser Rente beginnt. Diese Voraussetzungen liegen vor, denn der Versicherte bezog eine Altersrente und die Hinterbliebenenrente der Klägerin begann im Monat nach dem Ende des Altersrentenbezugs des Versicherten.
Eine den Regelungsgehalt des § 88 Abs 2 S 1 SGB VI iS eines lex specialis oder eines lex posterior verdrängende (Sonder-)Vorschrift existiert nicht. Sie findet sich insbesondere nicht im VersAusglG vom 3.4.2009, das mit Wirkung vom 1.9.2009 das VAHRG abgelöst hat. Entgegen der Auffassung der Beklagten ergibt sich eine derartige Rechtsfolge nicht aus dem Regelungszusammenhang der §§ 37f VersAusglG, in denen – abweichend von dem bis zum 31.8.2009 geltenden § 9 Abs 2 VAHRG – ein eigenes Antragsrecht der Hinterbliebenen auf Anpassung nicht mehr vorgesehen ist, und dem von der Beklagten angeführten Grundsatz, dass bei jedem Versicherungsfall die Höhe der Leistung neu zu berechnen sei (bzw die Voraussetzungen des § 37 Abs 1 S 1 VersAusglG neu zu prüfen seien). Vielmehr folgt aus dem Wortlaut, der Entstehungsgeschichte, dem systematischen Zusammenhang und dem Sinn und Zweck der jeweiligen Regelungen sowohl des VAHRG als auch – nachfolgend – des VersAusglG, dass ein zu Lebzeiten des Ausgleichspflichtigen abgeschlossener Rückausgleich (bzw eine "Anpassung" nach § 4 VAHRG auch zugunsten der Hinterbliebenen Bestand hat.
Beim Versicherten war ab Oktober 2007 ein solcher Rückausgleich nach § 4 Abs 2 VAHRG vollständig durchgeführt und damit abgeschlossen. Der Versicherte hatte einen entsprechenden Antrag zwar nicht gestellt, die Beklagten hat seinen Rentenantrag jedoch zu Recht zugleich als Antrag auf Härtefallkorrektur gewertet (BSG SozR 3-5795 § 5 Nr 2). Nach § 4 Abs 1 VAHRG wurde die Versorgung des Verpflichteten oder seiner Hinterbliebenen nicht auf Grund eines Versorgungsausgleichs gekürzt, wenn der Berechtigte vor seinem Tod keine Leistungen aus dem im Versorgungsausgleich erworbenen Anrecht erhalten hatte. Die Vorschrift regelte, unter welchen Voraussetzungen nach vorangegangenem Versorgungsausgleich im Wege der Übertragung von Rentenanwartschaften (sog Rentensplitting, § 1587b Abs 1 BGB) oder der Begründung von Rentenanwartschaften bei Beamten und gleichgestellten Personen (sog Quasi-Splitting, § 1587b Abs 2 BGB) ein "Rückausgleich" in der Form stattfindet, dass die Versorgung des Ausgleichsverpflichteten oder seiner Hinterbliebenen aufgrund des Versorgungsausgleichs nicht gekürzt wird. Wurden dem Ausgleichsberechtigten "aus dem im Versorgungsausgleich erworbenen Anrecht" Leistungen gewährt, die insgesamt zwei Jahresbeträge einer auf das Ende des Leistungsbezugs aus dem erworbenen Anrecht berechneten Rente nicht übersteigen (sog "Grenzbetrag"), wurde der Ausgleichsverpflichtete hinsichtlich seiner eigenen und der abgeleiteten Rentenansprüche so behandelt, als hätte der Versorgungsausgleich nicht stattgefunden (so im Einzelnen BSG. AaO). Eine Rückübertragung von Anwartschaften fand allerdings nicht statt (BSG SozR 5795 § 4 Nr 6). Vorliegend hat die Beklagte den Versicherten daher aufgrund des Verfahrens nach § 4 VAHRG hinsichtlich seiner Rentenansprüche zu Recht (abschließend) so behandelt, als hätte ein Versorgungsausgleich nicht stattgefunden.
An solchen, in der Vergangenheit bereits abgeschlossenen Sachverhalten hat das VersAusglG nichts geändert (aA ohne Begründung: Wagner in: Eichenhofer/Rische/ Schmähl. Handbuch der gesetzlichen Rentenversicherung. SGB VI. Köln 2011. Kapitel 18 Rdnr 78; DRV Bund (Hrsg). Versorgungsausgleich in der gesetzlichen Rentenversicherung. 10. Aufl. Berlin 2011. S. 418; SG Gelsenkirchen, Urteil vom 6.1.2012, Aktenzeichen (Az) S 7 KN 334/11). Eine Vorschrift, nach deren Wortlaut ein nach dem VAHRG durchgeführter Rückausgleich für Hinterbliebene keine Wirkung entfaltet, findet sich im VersAusglG nicht. Weder die allgemeine Übergangsvorschrift des § 48 VersAusglG noch die besondere Übergangsvorschrift des § 49 VersAusglG (unter anderem für Verfahren nach § 4 VAHRG) enthält Regelungen darüber, dass ein nach § 4 VAHRG abgeschlossener Rückausgleich eines Versorgungsausgleichs in seiner Wirkung begrenzt ist und Hinterbliebene nicht (mehr) erfasst.
Vielmehr hat der Wechsel vom VAHRG zum VersAusglG im hier interessierenden Zusammenhang keine Änderung gebracht: § 9 Abs 2 S 1 VAHRG bestimmte, dass für Maßnahmen nach §§ 4 bis 8 des VAHRG der Verpflichtete und, soweit sie belastet sind, die Hinterbliebenen antragsberechtigt sind. § 9 Abs 3 VAHRG bestimmte zudem, dass Ansprüche nach §§ 4 bis 8 VAHRG auf den Erben übergehen, wenn der Erblasser den erforderlichen Antrag gestellt hatte. Hieraus ergibt sich nicht, dass Hinterbliebene auch (erneut) einen Antrag nach §§ 4 bis 8 VAHRG stellen mussten, wenn bereits der Versicherte ein solcher Antrag gestellt hatte. Das in § 9 Abs 2 S 1 VAHRG geregelte Antragsrecht räumte den Hinterbliebenen vielmehr nur in den Fällen (zusätzlich) ein eigenständiges Antragsrecht ein, in denen der Versicherte noch keinen Antrag gestellt hatte. Der Übergang von Ansprüchen nach §§ 4 bis 8 VAHRG auf die Erben betraf nur die Fortführung eines Verfahrens, das durch einen Antrag der ausgleichspflichtigen Person zu Lebzeiten in Gang gesetzt, aber dann nicht mehr abgeschlossen wurde. Dieser Regelung entsprechen jetzt §§ 38 Abs 2, 34 Abs 4 VersAusglG.
Wie das SG zu Recht ausgeführt hat, zeigt auch die Entstehungsgeschichte, dass eine Regelung nicht beabsichtigt war, nach der abgeschlossene Sachverhalte nach dem Tod des Versicherten (also dem Eintritt eines abgeleiteten Versicherungsfalls) für Hinterbliebenenrenten erneut zu prüfen sind. In der Gesetzesbegründung zu § 37 heißt es: "Anders als in § 4 Abs. 1 VAHRG ist aber ein Anpassungsanspruch nicht mehr vorgesehen, wenn nur (Hervorhebung durch den Senat) die Hinterbliebenen [ ] von der Anpassung profitieren würden." (BT-Drucksache 16/10144 S 75 zu § 37, 2. Abs S 1). Damit ist der Regelungsgehalt der neuen Vorschrift in Abgrenzung zu § 9 Abs 2 VAHRG zutreffend beschrieben. Da vorliegend bereits der Versicherte vom Rückausgleich profitiert hatte, bringt § 37 VersAusglG insoweit nichts Neues. Das gleiche gilt für § 38 Abs 1 S 2 VersAusg G, der dies im Hinblick auf die Antragberechtigung ergänzt (vgl BT-Drucksache 16/10144 S 76 zu § 38 2. Abs S 3, wo auf die Begründung zu § 37 verwiesen wird). Danach haben Hinterbliebene kein eigenständiges Antragsrecht mehr, allein die ausgleichspflichtige Person ist antragsberechtigt.
Diese begrenzte Regelungswirkung, die Hinterbliebene dann von der Anpassung ausnimmt, wenn der verstorbene Ausgleichsberechtigte eine solche Anpassung nicht beantragt hatte, entspricht auch dem Sinn und Zweck der Regelung. Danach sollen Hinterbliebene nicht mehr in den Genuss des Rückausgleichs kommen, wenn sie kein schutzwürdiges Interesse an einem solchen Rückausgleich haben, weil sie ohnehin wegen einer um den Versorgungsausgleich gekürzten Rente des Versicherten auch mit einer entsprechend gekürzten Hinterbliebenenrente rechnen mussten (vgl BT-Drucksache 16/10144 zu § 37 2. Abs S 2 und 3). Wegen des Versorgungscharakters wird also an den Zuschnitt der Rente zu Lebzeiten angeknüpft: War sie zu Lebzeiten gekürzt, soll für die Hinterbliebenen nichts Anderes gelten. War die Anpassung aber zu Lebzeiten bereits erfolgt (oder mindestens beantragt), haben die Hinterbliebenen ein schutzwürdiges Interesse, daran, dass die Rente (wie § 88 Abs 2 S 1 SGB VI sogar explizit vorsieht) auf der gleichen Basis berechnet wird. Damit korrespondiert, dass im Falle eines (temporären!) Rückausgleichs nach § 5 VAHRG (wegen Unterhaltspflicht gegenüber dem ausgleichsberechtigten Partner) nach § 88 Abs 2 S 1 SGB VI nur die pEP nach Abzug des Abschlags besitzgeschützt sind (KomGRV. Stand September 2011. § 88 Zif 8.1). Denn im Falle einer Unterhaltsverpflichtung des Ausgleichspflichtigen war die Rente durch die Unterhaltsleistung anstelle des Abschlags gemindert. Ein schutzwürdiges Vertrauen auf eine volle (also weder durch Abschlag noch durch Unterhaltspflicht) geminderte Hinterbliebenenrente konnte nicht entstehen.
Für das Ergebnis, einen in der Vergangenheit abgeschlossenen Rückausgleich auch den Hinterbliebenen zugute kommen zu lassen, spricht gesetzessystematisch auch noch die Regelung des § 37 Abs 3 VersAusglG, nach der bei wirksamer Anpassung solche Anrechte nach § 32 VersAusglG erlöschen, die die ausgleichspflichtige Person von der ausgleichsberechtigten Person im Rahmen der Durchführung des Versorgungsausgleichs erworben hat. Da dieses Erlöschen auch zu Lasten der Hinterbliebenen wirkt, muss ihnen im Gegenzug auch die Aussetzung der Kürzung zu Gute kommen (so auch Gutdeutsch in: Beck’scher Onlinekommentar BGB. Bamberger/Roth. Edition 22. VersAusglG § 37 Rdnrn 5 und 7; aA Göhde in: Beck’scher Onlinekommentar Sozialrecht. Rolfs/ Giesen/ Kreikebohm/ Udsching. Edition 25. VersAusglG § 37 Rdnr 5).
Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 183 Satz 1, 193 Abs 1 S 1 SGG.
Der Senat hat die Revision wegen der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache zugelassen, § 160 Abs 2 Nr 1 SGG. Er hält für klärungsbedürftig, ob der zu Lebzeiten erfolgte Rückausgleich eines Versorgungsausgleichs auch zugunsten von Hinterbliebenen wirkt.
Erstellt am: 04.07.2012
Zuletzt verändert am: 04.07.2012