NZB als unzulässig verworfen
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Münster vom 21.12.2017 wird zurückgewiesen. Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Im Streit steht die Gewährung einer Rente wegen Erwerbsminderung.
Der 1963 geborene Kläger hat eine Ausbildung zum KfZ-Mechaniker durchlaufen, ohne in diesem Beruf nachfolgend tätig geworden zu sein. Von 1985 bis 2009 war der Kläger in der Textilproduktion, zuletzt als stellvertretender Schichtmeister beschäftigt. Das Arbeitsverhältnis endete aufgrund der Insolvenz des Arbeitgebers. Von März 2010 bis Juni 2012 wurde der Kläger erfolgreich zum Orthopädiemechaniker und Bandagisten umgeschult. In diesem Beruf war der Kläger nach zwischenzeitlicher Arbeitslosigkeit von Dezember 2012 bis Juni 2013 beschäftigt. Das Arbeitsverhältnis endete aufgrund arbeitgeberseitiger Kündigung während der Probezeit. Nachfolgend war der Kläger noch bis zum 12.11.2013 ohne Leistungsbezug bei der Bundesagentur für Arbeit arbeitslos gemeldet.
Am 29.10.2013 beantragte der Kläger bei der Beklagten die Gewährung einer Rente wegen Erwerbsminderung. Er halte sich seit 2010 aufgrund chronischer Schmerzzustände des gesamten Bewegungsapparates, chronischen Harndrangs, massiver Verdauungsprobleme und Konzentrationsstörungen für erwerbsgemindert.
Die Beklagte holte einen Befundbericht des behandelnden Allgemeinmediziners Dr. C ein, der ein schweres degeneratives Wirbelsäulensyndrom sowie einen labilen Bluthochdruck beschrieb. Anschließend ließ die Beklagte den Kläger durch den Internisten und Sozialmediziner Dr. L begutachten. Dieser stellte auf der Grundlage einer Untersuchung im Januar 2014 folgende Diagnosen:
– degeneratives Wirbelsäulensyndrom
– vegetative Regulationsstörung (mit Erschöpfung)
– labiler Bluthochdruck
– Übergewicht
– Verdauungsbeschwerden
– Seheinschränkung rechts
Der Kläger sei noch in der Lage, körperlich leichte Arbeiten unter Berücksichtigung qualitativer Leistungseinschränkungen arbeitstäglich sechs Stunden und mehr zu verrichten.
Unter Bezugnahme auf diese sozialmedizinische Leistungseinschätzung lehnte die Beklagte den Antrag des Klägers mit Bescheid vom 12.02.2014 ab.
Hiergegen erhob der Kläger am 05.03.2014 Widerspruch. Zur Begründung führte er im Wesentlichen aus, dass er nach eigener Einschätzung nur noch unter drei Stunden täglich arbeiten könne. Seit seiner Jugend leide er unter Rückenbeschwerden, die ihn auch beruflich eingeschränkt hätten. Vorbeugung durch Sport, Bewegung usw. habe die ständige Verschlechterung seines Gesundheitszustandes nicht verhindert. Er leide unter erheblichen Schmerzen, so dass er täglich fünf bis sechs Tabletten Ibuprofen-600 einnehme und dennoch nie schmerzfrei sei. Auch nachts wache er wegen der Schmerzen auf und müsse sich dann bewegen. Darüber hinaus leide er unter starkem Harndrang, weshalb er mindestens ein- bis zweimal pro Stunde auf die Toilette müsse. Wegen starker Verdauungsprobleme müsse er zudem fünf- bis sechsmal täglich wegen Stuhlgangs auf die Toilette. Bedingt durch eine Hämorrhoiden-OP sei kurz danach ein Säubern erforderlich. Medikamentöse Behandlung sei erfolglos geblieben. Er leide auch an Knie- und Schulterbeschwerden sowie an Funktionseinschränkungen aller Wirbelsäulenabschnitte. Bei Belastung komme es zu einer Fußheberschwäche. Ein Shunt-Gefäß im rechten Auge verursache eine Sehschwäche, die nicht ausgeglichen werden könne. Die Beklagte ließ den Kläger daraufhin durch den Orthopäden Dr. E begutachten. Dieser diagnostizierte auf der Grundlage einer Untersuchung im Mai 2014 eine Osteochondrose der Hals-, Brust- und Lendenwirbelsäule, eine Spondylarthrose der LWS, einen Flachrücken sowie eine Großzehengrundgelenksarthrose links. Der Kläger könne noch die zuletzt ausgeübte Tätigkeit als Orthopädiemechaniker sowie körperlich leichte bis mittelschwere Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes arbeitstäglich sechs Stunden und mehr verrichten.
Mit Widerspruchsbescheid vom 12.08.2014 wies die Beklagte den Widerspruch des Klägers als unbegründet zurück. Die Voraussetzungen für eine Rente wegen teilweiser bzw. voller Erwerbsminderung seien nicht erfüllt, da der Kläger weiterhin in der Lage sei, Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens sechs Stunden täglich zu verrichten. Der Kläger könne auch keinen Anspruch auf Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung bei Berufsunfähigkeit geltend machen, da er nicht vor dem 02.01.1961 geboren sei.
Hiergegen hat der Kläger am 19.08.2014 Klage bei dem Sozialgericht erhoben und zur Begründung im Wesentlichen sein bisheriges Vorbringen wiederholt.
Das Sozialgericht hat zunächst Befundberichte der behandelnden Ärzte eingeholt. Der Allgemeinmediziner Dr. C hat u.a. auf eine Pankreasinsuffizienz und die zwischenzeitlich hinzugetretene Wahnvorstellung des Klägers hingewiesen, er infiziere sich überall. Der Kläger desinfiziere sich teilweise so stark, dass Hauterosionen aufträten. Er könne höchstens körperlich leichte Tätigkeiten vollschichtig verrichten. Der Orthopäde Dr. E1 hat über eine letzte Vorstellung des Klägers im September 2012 berichtet und den Kläger für in der Lage gehalten, körperlich leichte und mittelschwere Arbeiten vollschichtig zu verrichten. Der Augenarzt Dr. H hat über einen einmaligen behandlungskontakt im Februar 2014 berichtet. Dort wurde eine Entzündung des Sehnerven rechts diagnostiziert. Der Psychotherapeut L1 hat über eine Behandlung des Klägers im August und September 2014 berichtet. Der Kläger habe anamnestisch Zwangsgedanken und Zwangshandlungen sowie Schlafstörungen und Schmerzen angegeben. Der Kläger leide an einer Zwangsstörung (ICD 10 F 42.2). Er sei vollschichtig einsetzbar. Wegen der Schlafstörungen seien Wechsel- und Nachtschicht nicht zu empfehlen.
Anschließend hat das Sozialgericht den Kläger durch den Orthopäden Dr. I und den Facharzt für Psychosomatische Medizin, Psychiatrie und Neurologie Dr. N begutachten lassen. Dr. I hat den Kläger im April 2015 untersucht und folgende Diagnosen gestellt: – wiederkehrendes Schmerzsyndrom der Halswirbelsäule bei muskulärer Dysbalance mit schmerzhafter Funktionseinschränkung ohne sichere Nervenwurzelreizzeichen – chronisch wiederkehrendes Schmerzsyndrom der Brust- und Lendenwirbelsäule mit Beinausstrahlung beidseits (Lumboischialgie) bei Fehlstatik mit muskulärer Dysbalance und schmerzhafter Funktionseinschränkung der Lendenwirbelsäule ohne sichere Nervenwurzelreizzeichen – Epicondylitis humeri radialis rechts (Tennisellenbogen) ohne wesentliche Funktionseinschränkung – Belastungsschmerz rechtes Handgelenk ohne Funktionseinschränkung – Anlaufschmerz der Hüftgelenke ohne wesentliche Funktionseinschränkung – Belastungsschmerz der Kniegelenke ohne Funktionseinschränkung – Spreizfuß beidseits Dr. I ist zu der Feststellung gelangt, der Kläger könne noch körperlich leichte, gelegentlich mittelschwere Tätigkeiten unter Berücksichtigung qualitativer Einschränkungen mehr als sechs Stunden arbeitstäglich unter Einhaltung betriebsüblicher Pausen verrichten. Der Kläger sei auch in der Lage, viermal 500 Meter zurückzulegen und sowohl öffentliche Verkehrsmittel als auch einen PKW zu benutzen. Der Sachverständige Dr. N hat den Kläger im Mai 2015 untersucht und auf seinem Fachgebiet folgende Diagnosen gestellt:
– Zwangshandlungen und Zwangsgedanken gemischt
– chronische Schmerzstörung mit somatischen und psychischen Faktoren
– somatoforme autonome Funktionsstörung des Urogenitalsystems und des unteren Gastrointestinaltraktes
Der Kläger habe im Frühjahr 2014 eine zunehmende Zwangssymptomatik entwickelt. Auslöser sei eine durch Viren verursachte Bindehautentzündung gewesen. Die Zwangssymptomatik äußere sich durch ausgeprägtes Putzen des Hauses, ständiges Desinfizieren von Gegenständen, häufiges Händewaschen und Ganzkörperduschen. Der Kläger habe im Herbst 2014 eine ambulante Psychotherapie begonnen, die er nach wenigen Sitzungen abgebrochen habe. Seit Februar 2015 werde nun eine über die probatorischen Sitzungen hinausgehende Psychotherapie durchgeführt, die bislang noch nicht zu einer deutlichen Besserung geführt habe. Durch psychische Faktoren nehme der Kläger Schmerzen subjektiv stärker war. Durch die Zwangssymptome werde bei dem Kläger viel Zeit und Konzentration gebunden. Die gedankliche Fixierung auf die Möglichkeit von Infektionen führe zu einer hohen Ablenkbarkeit für andere Tätigkeiten. Arbeiten, die den Kontakt mit Schmutz beinhalteten, seien dem Kläger nicht möglich. Der häufige Harn- und Stuhldrang bedinge Tätigkeiten, in denen kürzere Pausen möglich seien. Neben den von orthopädischer Seite beschriebenen qualitativen Einschränkungen seien dem Kläger keine Tätigkeiten unter Zeitdruck oder sonstigem Stress zumutbar. Gelegentlicher Publikumsverkehr sei möglich. Arbeiten in Wechsel- oder Nachtschicht seien nicht möglich. Eine gleichbleibende Strukturierung der Arbeitszeiten sei erforderlich. Es bestünden keine Einschränkungen hinsichtlich des Verantwortungsbewusstseins, jedoch hinsichtlich der geistigen Beweglichkeit. Aufgrund der rigiden Denk- und Handlungsmuster bestünden Einschränkungen im Umstellungs- und Anpassungsvermögen. Unter Berücksichtigung dieser qualitativen Einschränkungen bestünde ein zeitlich uneingeschränktes Leistungsvermögen für körperlich leichte bis gelegentlich mittelschwere Tätigkeiten. Neben der gerade begonnenen ambulanten Psychotherapie sei eine stationäre medizinische Rehabilitationsmaßnahme indiziert.
Der Kläger hat nachfolgend ergänzend vorgetragen, dass er sich bei den Augenärzten der OWL Praxisklinik ein grassierendes hochinfektiöses Adeno-Virus, eine Kerato-Konjunktivitis-Epidemica zugezogen habe. Unter diesen Folgeerscheinungen leide er noch heute. Die Viruserkrankung sei Auslöser der psychischen Probleme, seines Desinfektionszwanges. In dem psychiatrischen Gutachten sei nicht auf die richtigen psychischen Probleme eingegangen worden.
Das Sozialgericht hat daraufhin ergänzend Befundberichte des behandelnden Urologen und Augenarztes des Klägers eingeholt. Der Urologe Dr. E2 hat über einen einmaligen Behandlungskontakt im März 2014 berichtet. Der Kläger leide an Bluthochdruck, Reizblase und einem gutartigen Prostataadenom. Urologischerseits sei keine Leistungsminderung zu erkennen. Die Augenärzte haben über eine erfolgreiche Behandlung der Bindehautentzündung berichtet.
Auf Antrag nach § 109 Sozialgerichtsgesetz (SGG) hat das Sozialgericht den Kläger durch den Orthopäden Dr. C1 und den Arzt für Neurologie, Psychiatrie und Psychotherapie Dr. D begutachten lassen. Dr. C1 hat auf der Grundlage einer Untersuchung im Dezember 2015 folgende Diagnosen gestellt:
– Funktionseinschränkung des rechten Handgelenkes mit Palpationsschmerz
– Funktionseinschränkung der HWS/BWS/LWS mit paraspinalem Druckschmerz bei degenerativen Veränderungen, leichter Achsabweichung sowie Bandscheibenvorfall, Lasègue beidseits negativ
– Funktionseinschränkung beide Hüftgelenke
– leichte Funktionseinschränkung beider Kniegelenke mit Ergussbildung rechtsseitig
– lokale Reizung linkes Großzehengrundgelenk
Unter Berücksichtigung qualitativer Leistungseinschränkungen könne der Kläger aus orthopädischer Sicht noch körperlich leichte Tätigkeiten unter betriebsüblichen Bedingungen vollschichtig verrichten. Die Gehfähigkeit des Klägers sei nicht deutlich eingeschränkt. Der Kläger könne auch öffentliche Verkehrsmittel benutzen. Er besitze im Übrigen einen Führerschein und führe ein Automatikfahrzeug selber. Dr. D hat auf der Grundlage einer Untersuchung des Klägers am 30.11.2015 Zwangsgedanken und Zwangshandlungen gemischt, eine somatoforme autonome Funktionsstörung des Urogenitalsystems sowie eine anhaltende somatoforme Schmerzstörung diagnostiziert.
Seit der Bindehautentzündung bestehe bei dem Kläger die Angst, sich wieder mit einem Erreger zu infizieren. Daher desinfiziere er sich oft seine Hände, dusche häufiger. Wenn er von draußen ins Haus komme, ziehe er seine Kleidung aus und wasche diese. Er desinfiziere auch die Wohnung und alle Gegenstände, mit denen er in Berührung komme. Er denke auch darüber nach, ob er die entsprechenden Gegenstände schon desinfiziert habe. Diese Zwangsgedanken und Zwangshaltungen des Klägers nähmen einige Zeit in Anspruch. Zudem sei dieser durch die Zwangsgedanken daran gehindert, sich auf andere Beschäftigungen ausreichend zu konzentrieren. Durch die Psychotherapie habe sich inzwischen sein Aktionsradius aber erweitert. Er gehe schon einmal mit seiner Ehefrau ins Café, ohne die starke Angst zu haben, sich dort zu infizieren. Von Oktober 2013 bis Februar 2014 habe in jedem Fall ein vollschichtiges, d.h. achtstündiges Leistungsvermögen bestanden. Ab März 2014 sei die Beurteilung schwieriger. Dennoch sei davon auszugehen, dass der Kläger unter Berücksichtigung qualitativer Einschränkungen auch ab diesem Zeitpunkt noch für zumindest sechs Stunden belastbar gewesen sei. Über die von Dr. N beschriebenen qualitativen Einschränkungen hinaus hat der Sachverständige Dr. D Tätigkeiten mit Publikumsverkehr ausgeschlossen.
Der Kläger ist der Ansicht, dass die Gutachten nicht alle Beeinträchtigungen und auch nicht die Schwere der Beeinträchtigungen berücksichtigten. Die Kanzlei des Bevollmächtigten suche er nur mit Einmalhandschuhen auf. Aus Angst, auswärts Wasser lassen zu müssen, trinke er vorher wenig und dehydriere folglich. Hilfreich sei es, seinen nunmehr behandelnden Dipl.-Psych. L2 anzuhören. Das Sozialgericht hat daraufhin einen Befundbericht dieses Therapeuten eingeholt. Dipl.-Psych. L2 hat über eine Behandlungsaufnahme im Januar 2015 berichtet und neben Zwangshandlungen auch eine hypochondrische Störung sowie eine mittelgradige depressive Episode diagnostiziert. Eine sozialmedizinische Leistungseinschätzung dürfe er nicht abgeben. Das Sozialgericht hat den Sachverständigen Dr. N zu den Ergebnissen der weiteren medizinischen Ermittlungen ergänzend angehört. Dieser ist in seiner ergänzenden Stellungnahme vom 23.06.2016 bei seiner sozialmedizinischen Leistungsbeurteilung verblieben.
Im Oktober 2016 hat der Kläger sich in die Behandlung des psychologischen Psychotherapeuten C2 begeben.
Im Termin zur mündlichen Verhandlung am 29.11.2016 hat der Kläger die Auswirkungen seiner psychischen Erkrankung und die Probleme gerade bezüglich der Teilnahme an der Verhandlung beschrieben. Das Sozialgericht hat die mündliche Verhandlung vertagt und den Sachverständigen Dr. N auch zu diesem Vorbringen des Klägers ergänzend befragt. In seiner weiteren ergänzenden Stellungnahme vom 05.12.2016 hat der Sachverständige ausgeführt, dass die Verhaltensweisen des Klägers vor dem Hintergrund des Erkrankungsbildes nachvollziehbar seien. Allerdings würden sich auch Verdeutlichungstendenzen zeigen, beispielsweise bei der Nachfrage, ob er beim Gerichtseingang "durchgewunken" werden könne, da er möglicherweise abgegebene Gegenstände nicht wieder anfassen könne. So liege es an dem Kläger selbst, von vornherein keine Gegenstände mitzubringen. Die Ankündigung des Mitbringens eines Sitzkissens wirke bizarr. Bisher habe der Kläger bei verschiedenen Gutachtern und Psychotherapeuten sehr wohl auf einem Stuhl gesessen. Für Tätigkeiten mit erhöhter Konzentrationsanforderung benötige der Kläger eine längere Zeit. Ein erhöhter Pausenbedarf bestehe hinsichtlich der Zwangserkrankung allerdings nicht. Er könne aufgrund seiner Hygienevorstellung einer Tätigkeit außerhalb seiner Wohnung in Betriebsräumen eines Arbeitgebers nachgehen. Zwar verfüge der Kläger nicht über eine durchschnittliche Umstellungsfähigkeit. Jedoch könne er einfach strukturierten Tätigkeiten nach einer Einarbeitungs- und Einweisungszeit nachgehen. Insgesamt ändere sich die sozialmedizinische Leistungseinschätzung nicht.
Der Kläger hat anschließend ergänzend vorgetragen, dass er zu den Untersuchungen immer Einmalhandschuhe getragen habe und Sitzbezüge mitgebracht habe. Letztere habe er allerdings wegen vorhandener Armlehnen nicht immer nutzen können. Alles, was mit anderen Gegenständen in Kontakt gekommen sei, müsse anschließend von ihm desinfiziert werden. Im Übrigen sei er auch schon auf die Idee gekommen, nur das Nötigste mitzunehmen, wie beispielsweise Autoschlüssel, Personalausweis usw. Diese Dinge könne er jedoch nicht mehr anfassen, wenn er sie habe ablegen müssen. Eine Tätigkeit in Betriebsräumen eines Arbeitgebers sei nicht vorstellbar.
Im Termin zur mündlichen Verhandlung am 10.03.2017 hat das Sozialgericht den Kläger erneut ausführlich zu seinem Beschwerdebild befragt. Im Anschluss haben die Beteiligten einen Vergleich auf Widerruf über eine bis zum 31.12.2018 befristete Rente wegen voller Erwerbsminderung ab dem 01.09.2014 geschlossen, den die Beklagte innerhalb der Widerrufsfrist unter Verweis auf eine sozialmedizinische Stellungnahme ihres ärztlichen Dienstes vom 30.03.2017 widerrufen hat. Der Vergleichsschluss beruhe auf der bloßen Schilderung des Klägers und entspreche nicht dem Ergebnis der Feststellungen der im Verfahren gehörten Sachverständigen.
Die Beteiligten haben sich nachfolgend mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt.
Mit Urteil ohne mündliche Verhandlung vom 21.12.2017 hat das Sozialgericht die Klage abgewiesen. Zur Begründung hat es ausgeführt:
"Das Gericht konnte mit Einverständnis der Beteiligten den Rechtsstreit ohne mündliche Verhandlung gemäß § 124 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) durch Urteil entscheiden.
Die zulässige Klage ist nicht begründet.
Der Kläger ist durch den angefochtenen Bescheid der Beklagten vom 12.02.2014 in der Gestalt des Wider-spruchsbescheides vom 12.08.2014 nicht beschwert im Sinne des § 54 Abs. 1 und Abs. 2 SGG. Der angefochtene Bescheid ist rechtmäßig. Der Kläger hat keinen Anspruch auf Gewährung einer Rente wegen voller bzw. teilweiser Erwerbsminderung.
Gemäß § 43 Abs. 1 S. 1, Abs. 2 S. 1 Sechstes Buch Sozialgesetzbuch (SGB VI) haben Versicherte bis zum Erreichen der Regelaltersgrenze Anspruch auf Rente wegen teilweiser bzw. voller Erwerbsminderung, wenn sie teilweise oder voll erwerbsgemindert sind, in den letzten fünf Jahren vor Eintritt der Erwerbsminderung drei Jahre Pflichtbeiträge für eine versicherte Beschäftigung oder Tätigkeit haben und vor Eintritt der Erwerbsminderung die allgemeine Wartezeit erfüllt haben. Voll erwerbsgemindert sind gemäß § 43 Abs. 2 S. 2 SGB VI Versicherte, die wegen Krankheit oder Behinderung auf nicht absehbare Zeit außerstande sind, unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens drei Stunden täglich erwerbstätig zu sein. Teilweise erwerbsgemindert sind gemäß § 43 Abs. 1 S. 2 SGB VI Versicherte, die wegen Krankheit oder Behinderung auf nicht absehbare Zeit außerstande sind, unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens sechs Stunden täglich erwerbstätig zu sein. Hingegen ist nicht erwerbsgemindert gemäß § 43 Abs. 3 SGB VI, wer unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens sechs Stunden täglich erwerbstätig sein kann.
Der Kläger ist noch in der Lage, einer Erwerbstätigkeit auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt mindestens sechs Stunden täglich nachzugehen. Er leidet zwar an den im Einzelnen durch die Sachverständigen beschriebenen Gesundheitsstörungen. Diese Gesundheitsstörungen schränken seine Erwerbsfähigkeit nicht unerheblich ein. Er ist daher einem gesunden Versicherten nicht gleichzustellen. Die Ausführung von Arbeiten in gebeugter Haltung und mit Zwangshaltungen ist ihm ebenso wenig zumutbar wie eine Tätigkeit unter Einwirkung von Hitze, Staub, Gas, Dampf oder Rauch sowie verbunden mit Zeitdruck oder sonstigem Stress und in Wechsel- oder Nachtschicht. Die Gebrauchsfähigkeit der Hände ist eingeschränkt für wiederkehrende Kraftanforderungen. Der Kläger ist unter Berücksichtigung der genannten qualitativen Einschränkungen jedoch noch in der Lage, eine körperlich leichte bis gelegentlich mittelschwere Tätigkeit, mit gelegentlichem Tragen und Heben von Lasten mit max. Gewicht von 10 kg, im Wechsel von Stehen, Gehen und Sitzen, mit gelegentlichem Bücken und Knien, mit gelegentlichem Besteigen von Leitern, zeitweise im Freien mit Nässe, Kälteeinwirkung, Zugluft und Temperaturwechsel, mit gelegentlichem Publikumsverkehr ohne Einschränkungen im Hinblick auf das Verantwortungsbewusstsein sowie im Hinblick auf das Hör- und Sehvermögen mindestens sechs Stunden täglich zu verrichten.
Dies steht zur Überzeugung der Kammer fest aufgrund der nachvollziehbar begründeten Gutachten der Sachverständigen Dr. N und Dr. I unter Berücksichtigung der übrigen in den Akten befindlichen medizinischen Unterlagen. Die Kammer hält die Einschätzung der Sachverständigen für überzeugend, weil sie diese auf eine ausführlich erhobene Anamnese sowie auf eingehende und sorgfältige Untersuchungen stützen. Die Sachverständigen orientieren ihre Beurteilung an anerkannten Bewertungsmaßstäben, ihre Ausführungen sind in sich schlüssig und frei von Widersprüchen. Die Sachverständigen gelangten übereinstimmend zu der Einschätzung, dass die gesundheitlichen Störungen des Klägers zwar qualita-tive Einschränkungen seiner Erwerbsfähigkeit nach sich ziehen, nicht aber auch zu einer Einschränkung in zeitlicher Hinsicht führen. Bestätigung finden die Einschätzungen der Sachverständigen insbesondere im Hinblick auf die quantitative Leistungsfähigkeit des Klägers von mindestens sechs Stunden zum einen in sämtlichen eingeholten Befundberichten der den Kläger behandelnden Ärzte, mit Ausnahme der Augenärzte, die diesbezüglich keine Stellungnahme abgegeben haben, und des Diplom-Psychologen L2, der nach eigenen Angaben weder die gesetzliche Befugnis noch ausreichende Erfahrung für eine derartige Einschätzung hat. Zum anderen findet dieses Ergebnis Bestätigung in den Gutachten gemäß § 109 SGG der Sachverständigen Dr. C1 und Dr. D, die den Kläger ebenfalls persönlich begutachtet haben. Zuvor hatten im Übrigen die Gutachter der Beklagten dieselbe Einschätzung abgegeben. Wesentliche Unterschiede in den Diagnosen, dem Befund und der Leistungseinschätzung finden sich insgesamt nicht. Insbesondere ist im Zusammenhang mit der Schmerzstörung auszuführen, dass sich während der Exploration durch den Sachverständigen Dr. N keine stärkeren Veränderungen der Körperposition oder mimische Schmerzäußerungen gezeigt haben. Die Behandlung erfolgt lediglich durch Einnahme von Schmerzmittel der untersten Stufe. Weitergehende Therapiemaßnahmen erfolgen nicht. Auch die orthopädischen Befunde zeigten keine derartigen Besonderheiten auf, die schlüssig ein quantitativ vermindertes Leistungsvermögen rechtfertigen könnten.
Zu keinem anderen Ergebnis führt nach Auffassung der Kammer, dass bei dem Kläger ausweislich der eingeholten Gutachten der Sachverständigen Dr. N und Dr. D Einschränkungen in der geistigen Beweglichkeit bestehen. Durch die Zwangsgedanken bestehen zudem Einschränkungen im Umstellungs- und Anpassungsvermögen. Von einer durchschnittlichen Umstellungsfähigkeit des Klägers kann nicht mehr ausgegangen werden. Durch die Zwangsstörung bestehen rigide Denk- und Handlungsmuster. Der Kläger ist trotz dieser Einschränkungen zur Überzeugung der Kammer in der Lage, unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes erwerbstätig zu sein. Zu den üblichen Bedingungen zählen auch individuelle Umstände wie kognitive Grundfähigkeiten, die krankheitsbedingt herabgesetzt sein können. Dazu gehören die für die Ausübung einer Verweisungstätigkeit allgemein vorausgesetzten Mindestanforderungen an Konzentrationsvermögen, geistige Beweglichkeit, Stressverträglichkeit und Frustrationstoleranz (Ulrich Freudenberg in: Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB VI, 2. Auflage 2013, § 43, Rn. 144). Zwar führt der Sachverständige Dr. N in seinem Gutachten vom 23.06.2015 aus, dass die Gedanken des Klägers um Bakterien und Viren und deren mögliche Ausbreitungswege in seiner Umgebung kreisen. Zudem werde durch die Zwangssymptome viel Zeit und Konzentration gebunden, die für andere nutzbringende Tätigkeiten dann weniger zur Verfügung stehe. Auch bestehe bei dem Kläger eine hohe Ablenkbarkeit. Auch der Sachverständige Dr. D beschreibt in seinem Gutachten vom 30.12.2015, dass der Kläger durch die Zwangsgedanken daran gehindert ist, sich auf andere Beschäftigungen ausreichend zu konzentrieren. Auf explizite Nachfrage des Gerichts hat der Sachverständige Dr. N jedoch in seiner ergän-enden Stellungnahme vom 05.12.2016 ausgeführt, dass es dem Kläger möglich sei, einfach strukturierten Tätigkeiten nach einer Einarbeits- und Einweisungszeit nachzugehen. Lediglich für Tätigkeiten mit erhöhter Konzentrationsanforderung würde der Kläger längere Zeit benötigen. Er beschreibt den Kläger im Zusammenhang mit seinen Hygienevorstellungen zudem für in der Lage, in Betriebsräumen eines Arbeitgebers einer Tätigkeit nachzugehen. Auch bestehe kein erhöhter Pausenbedarf. Im Ergebnis hält die Kammer diese Einschätzungen auch für plausibel. Diese beruhen wie ausgeführt auf ausführlichen Untersuchungen und einer hinreichenden medizinischen Fachkenntnis des Sachverständigen. Allein die Schilderungen des Klägers ohne weitere medizinische Würdigung können, wie die Beklagte gestützt auf eine sozialmedizinische Stellungnahme zuletzt zutreffend ausgeführt hat, angesichts der vollumfänglich gegen die Meinung des Klägers sprechenden medizinischen Befunde und Einschätzungen nicht zur Annahme eines aufgehobenen Leistungsvermögens führen. In diesem Zusammenhang ist zudem zu berücksichtigen, dass sich nach Darstellung des Sachverständigen Dr. N Verdeutlichungstendenzen bei dem Kläger zeigen. Ferner ist die geringe Inanspruchnahme von Therapiemaßnahmen trotz des dargestellten Leidensdrucks durch den Kläger hervorzuheben. Auch die Schilderungen des Klägers zu seinem Tagesablauf zeigen vorhandene Ressourcen auf. So war er im Ergebnis in der Lage das Haus zu verlassen, um vier verschiedene Sachverständige sowie das Sozialgericht aufzusuchen. Zudem fährt er seine Ehefrau täglich zur Arbeit und sucht die behandelnden Ärzte und Psychologen auf. Ferner geht er gemeinsam mit seiner Ehefrau einkaufen und sucht gelegentlich ein Cafe auf. Einen gewissen Schutz vor einer befürchteten Ansteckung sucht er im Tragen von Einmalhandschuhen und durch Vermeiden von Händeschütteln oder ähnlichen Berührungen sowie durch später (zu Hause) erfolgende Desinfektionsmaßnahmen. Soweit der Kläger häufige Toilettengänge schildert, ist für die Kammer nicht hinreichend ersichtlich, dass der gesetzliche Arbeitspausenanspruch und die üblichen Verteilzeiten nicht ausreichen.
Der Kläger kann mit dem festgestellten noch vollschichtigen Leistungsvermögen und den genannten Funktionseinschränkungen auf sämtliche Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes verwiesen werden. Der Benennung einer konkreten Verweisungstätigkeit durch die Beklagte bedarf es nicht. Nicht entscheidungserheblich ist dabei die Frage, ob dem Kläger tatsächlich ein leidensgerechter Arbeitsplatz vermittelt werden kann. Dieses Risiko trägt nicht die Beklagte als Rentenversicherungsträger sondern vielmehr die Bundesagentur für Arbeit als Träger der Arbeitslosenversicherung. Die jeweilige Arbeitsmarktlage ist nicht zu berücksichtigen, § 43 Abs. 3, 2. HS SGB VI.
Die Klägerin hat nach § 240 SGB VI auch keinen Anspruch auf Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung bei Berufsunfähigkeit, da er nicht vor dem 02.01.1961 geboren ist."
Gegen das ihm am 28.12.2017 zugestellte Urteil hat der Kläger am 18.01.2018 Berufung eingelegt und zur Begründung im Wesentlichen ausgeführt, er könne keine Tätigkeiten von wirtschaftlichem Wert mehr verrichten. Das Ergebnis der eingeholten Gutachten sei nicht überzeugend. Insbesondere seien seine psychischen Einschränkungen, wie Zwangsgedanken und dadurch bedingten Einschränkungen zur Umstellung- und Anpassungsfähigkeit sowie die Wahnvorstellungen im Hygienebereich, in keiner Weise sachgerecht beurteilt worden. Er sei aufgrund dieser Erkrankungen nicht mehr unter betriebsüblichen Bedingungen einsetzbar. Es bestünden besondere Schwierigkeiten hinsichtlich der Gewöhnung und der Anpassung an einen neuen Arbeitsplatz. In diesem Zusammenhang sei auch zu berücksichtigen, dass Dr. N auch unübliche Arbeitspausen durch häufige Toilettengänge bestätigt habe. Ein konkreter zumutbarer Arbeitsplatz sei nicht benennbar. Jedenfalls habe das Sozialgericht unbeachtet gelassen, dass bereits eine mündliche Verhandlung am 10.03.2017 stattgefunden habe, in der ein Vergleich geschlossen worden ist. Das Sozialgericht habe sich in keiner Weise mit dem Protokollinhalt des Vergleichs auseinandergesetzt, was möglicherweise darauf zurück zu führen sei, dass ein Wechsel der Kammervorsitzenden stattgefunden habe. Die neue Vorsitzende habe ihn nicht persönlich gesehen und somit auch nicht beurteilen können. Auch sei, was in Anbetracht des Wechsels im Kammervorsitz nicht nachvollziehbar erscheine, auf eine mündliche Verhandlung verzichtet worden.
Der Kläger beantragt schriftsätzlich sinngemäß,
das Urteil des Sozialgerichts Detmold vom 21.12.2017 abzuändern und die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 12.02.2014 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 12.08.2014 zu verurteilen, ihm Rente wegen Erwerbsminderung unter Zugrundelegung eines Leistungsfalles zum Zeitpunkt der Antragstellung nach Maßgabe der gesetzlichen Bestimmungen zu gewähren.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie hält die erstinstanzliche Entscheidung für zutreffend und hat darauf hingewiesen, dass die besonderen versicherungsrechtlichen Voraussetzungen für die Gewährung einer Rente wegen Erwerbsminderung zuletzt am 31.12.2015 vorgelegen haben.
Der Senat hat die vollständigen Behandlungsunterlagen des Dipl.-Psych. L2 für die Zeit von Behandlungsaufnahme im März 2015 bis zur Erteilung seines Berichts im Februar 2016 beigezogen. Der Kläger hat mitgeteilt, er sei seit dem 30.08.2016 bei dem Dipl.-Psych. C2 in Behandlung sei. Die Therapie werde seit 2017 wöchentlich durchgeführt. Die zuständige Krankenkasse habe im April 2018 erneut 50 Stunden an tiefenpsychologischer Therapie bewilligt. Dies lasse auf eine massive psychische Erkrankung schließen. Weiter hat der Kläger zum Beleg seiner Verhaltenswiesen drei Zeugenerklärungen zu den Akten gereicht, auf deren Inhalt Bezug genommen wird.
Der Senat hat die Beteiligten mit Schreiben vom 12.10.2018 zu einer Entscheidung nach § 153 Abs 4 SGG angehört. Dem Kläger wurde das Schreiben ausweislich des Empfangsbekenntnisses am 10.10.2018 zugestellt. Er hat hierzu vorgebracht, seine Leistungseinschränkungen hätten schon deutlich vor Dezember 2015 bestanden. Dies wolle er persönlich dartun.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstands wird auf den Inhalt der Prozessakte sowie der den Kläger betreffenden Verwaltungsakte der Beklagten verwiesen.
Entscheidungsgründe:
Der Senat entscheidet nach entsprechender Anhörung der Beteiligten auf der Grundlage von § 153 Abs 4 SGG durch Beschluss, da er die Berufung einstimmig für unbegründet und eine mündliche Verhandlung für nicht erforderlich hält.
Der Senat weist die Berufung aus den Gründen der angefochtenen Entscheidung zurück und sieht insoweit von einer Darstellung der Entscheidungsgründe ab, § 153 Abs 2 SGG analog.
Klarstellend ist auszuführen, dass sich die Erfüllung der versicherungsrechtlichen Voraussetzungen zur Überzeugung des Senats letztmalig im Dezember 2015 feststellen lässt.
Nach § 43 Abs 1 S 1 Nr 2 bzw. Abs 2 S 1 Nr 2 Sozialgesetzbuch Sechstes Buch – Gesetzliche Rentenversicherung – (SGB VI) müssen – neben der Erfüllung der allgemeinen Wartezeit – in den letzten fünf Jahren vor Eintritt der Erwerbsminderung drei Jahre Pflichtbeiträge für eine versicherte Beschäftigung oder Tätigkeit vorliegen (sogenannte besondere versicherungsrechtliche Voraussetzungen). Diese Voraussetzung erfüllt der Kläger unter Berücksichtigung seines aktenkundigen Versicherungsverlaufs zuletzt im Dezember 2015.
Die maßgebliche 5-Jahresfrist lässt sich zwar nach § 43 Abs 4 Nr 1 SGB VI um Anrechnungszeiten verlängern. Weitere Anrechnungszeiten als die bislang in seinem Versicherungskonto gespeicherten sind zugunsten des Klägers allerdings nicht festzustellen.
Nach § 58 Abs 1 S 1 Nr 3 SGB VI sind Anrechnungszeiten solche Zeiten, in denen Versicherte wegen Arbeitslosigkeit bei einer deutschen Agentur für Arbeit als Arbeitsuchende gemeldet waren. Die Beklagte hat Zeiten der Arbeitslosigkeit bis zum 12.11.2013 berücksichtigt. Eine nachfolgende weitere Meldung des Klägers als arbeitssuchend ist weder vorgetragen noch sonst ersichtlich.
Nach November 2013 sind auch keine Anrechnungszeiten wegen Arbeitsunfähigkeit im Sinne des § 43 Abs 4 Nr 3 SGB VI festzustellen. Nach § 58 Abs 1 Satz 1 Nr 1 SGB VI sind Anrechnungszeiten solche Zeiten, in denen Versicherte wegen Krankheit arbeitsunfähig gewesen sind. Hierbei kann offenbleiben, ob der Kläger im April 2014 aufgrund der nach Aktenlage erlittenen Bindehautentzündung kurzzeitig arbeitsunfähig gewesen ist. Denn dem Kläger gelingt jedenfalls nicht der Nachweis, dass in dem von § 43 Abs 4 Nr 3 SGB VI vorgegebenen Zeitraum von sechs Kalendermonaten, mithin spätestens im Oktober 2014 der Eintritt einer weiteren Zeit der Arbeitsunfähigkeit erfolgt ist. Der in August und September 2014 behandelnde Psychotherapeut L1 hat in seinem Bericht aus November 2014 auf die Frage einer bestehenden Arbeitsunfähigkeit lediglich ausgeführt, der Kläger habe sich selbst als arbeitssuchend bezeichnet. Wechsel- und Nachtschicht seien nicht zu empfehlen. Dass der Kläger damit im hier maßgeblichen Berufsfeld seines Umschulungsberufs nicht mehr einsetzbar gewesen sein soll, ist nicht erkennbar. Noch im Januar 2015, also nach Ablauf der Sechsmonatsfrist, hat der Kläger bei Behandlungsaufnahme durch den Dipl.-Psych. L2 angegeben, er sei nicht arbeitsunfähig geschrieben. Auch aus orthopädischer Sicht ist eine Arbeitsunfähigkeit bis Oktober 2014 nicht nachgewiesen. Der orthopädische Sachverständige Dr. E hat vielmehr noch im Mai 2014 eine zeitlich uneingeschränkte Leistungsfähigkeit im zuletzt ausgeübten Beruf als Orthopädiemechaniker festgestellt. Eine erhebliche Verschlechterung auf orthopädischem Fachgebiet ist jedenfalls in der Zeit bis Oktober 2014 weder vorgetragen noch sonst ersichtlich.
Auch die Ausnahmevorschrift des § 241 Abs 2 SGB VI findet keine Anwendung. Der Kläger erfüllt schon nicht die Voraussetzung einer Erfüllung der allgemeinen Wartezeit von fünf Jahren bis zum 31.12.1983.
Selbst unter Berücksichtigung einer – bislang nicht nachgewiesenen – Zeit der Arbeitsunfähigkeit im April 2014 und einer ggf. daher resultierenden Erfüllung der versicherungsrechtlichen Voraussetzungen noch im Januar 2016 liegen aus den vom Sozialgericht dargestellten Gründen die medizinischen Voraussetzungen für die Gewährung einer Rente wegen Erwerbsminderung nicht vor.
Die Voraussetzungen des § 53 Abs 2 SGB VI sind ebenfalls nicht erfüllt.
Auch das Berufungsvorbringen führt zu keinem anderen Ergebnis.
Die von dem Kläger zur Akte gereichten Zeugenaussagen illustrieren den Umstand, dass der Kläger unter Zwangshandlungen und Zwangsgedanken leidet. Dies ist unstreitig. Die nicht erkennbar medizinisch vorgebildeten Zeugen stellen lediglich ihre eigene Wahrnehmung dar und vermögen keine sozialmedizinische Leistungseinschätzung abzugeben. Damit sind die Erklärungen auch nicht geeignet, die Feststellung der Sachverständigen Dr. N und Dr. D zu widerlegen, dass diese Zwänge jedenfalls bis zum Zeitpunkt des letztmaligen Vorliegens der besonderen versicherungsrechtlichen Voraussetzungen nicht den Grad einer rentenerheblichen Leistungsbeeinträchtigung erreichen.
Der Sachverständige Dr. N knüpft in seiner ergänzenden Stellungnahme aus Juni 2016 überzeugend auch an die – im Wesentlichen gleiche – diagnostische Einschätzung und Leistungsbeurteilung des Dr. D auf der Grundlage der Untersuchung des Klägers am 30.11.2015 an. In dem bis zum Wegfall der versicherungsrechtlichen Voraussetzungen, d.h. spätestens bis zum 31.01.2016 verbliebenen Zeitraum lassen sich aus der vom Senat der Vollständigkeit halber beigezogenen Dokumentation des damaligen Therapeuten Dipl.-Psych. L2 drei Behandlungskontakte ersehen. Die von dem Behandler beigefügten Notizen belegen keine bislang nicht berücksichtigten Befunde.
Die tiefenpsychologische Behandlungsaufnahme durch Dipl.-Psych. C2 im August 2016, nach Beendigung der verhaltenstherapeutischen Behandlung durch Dipl.-Psych. L2 im Juni 2016, die Verdichtung der Behandlungsfrequenz auf wöchentliche Kontakte und die Bewilligung weiterer 50 Sitzungen tiefenpsychologischer Therapie im April 2018 sind alle-samt Umstände, die nach dem Wegfall der versicherungsrechtlichen Voraussetzungen liegen und daher ebenso keinen weiteren Ermittlungsansatz bieten.
Der Kläger hatte in der Vergangenheit ausweislich des Akteninhalts und insbesondere der der Sitzungsniederschrift vom 10.03.2017 die Gelegenheit, seine Sicht ausführlich darzustellen. Eine Darstellung des hiernach eingetretenen Zustands erübrigt sich, da dieser im Hinblick auf die nicht mehr erfüllten versicherungsrechtlichen Voraussetzungen keine Rolle mehr spielt.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Die Voraussetzungen für die Zulassung der Revision nach § 160 Abs 2 Nrn 1 und 2 SGG liegen nicht vor, § 153 Abs 4 S 3 in Verbindung mit § 158 S 3 SGG.
Erstellt am: 31.07.2019
Zuletzt verändert am: 31.07.2019