Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Sozialgerichts Münster vom 09.10.2015 aufgehoben. Die Klage wird abgewiesen. Kosten sind in beiden Rechtszügen nicht zu erstatten.
Tatbestand:
Streitig ist die Höhe des Grades der Behinderung (GdB) des Klägers.
Der 1961 geborene Kläger beantragte am 16.10.2012 für die Zeit ab Juli 2012 erstmals die Feststellung einer Behinderung und eines GdB. Er leide unter Diabetes, Gelenkproblemen an den Fingern und Durchblutungsstörungen in den Beinen. Zur weiteren Begründung legte er Kopien seines Blutzuckertagebuchs vor.
Die Beklagte holte Befundberichte des Facharztes für Innere Medizin, Diabetologie und Ernährungsmedizin Dr. O vom 22.10.2012 sowie der Fachärzte für Innere Medizin, Umweltmedizin und Ernährungsmedizin Dres. G und T vom 02.11.2012 ein und stellte mit Bescheid vom 19.11.2012 einen GdB von 40 bei Vorliegen eines insulinpflichtigen Diabetes mellitus (Einzel-GdB 40) und eines Magen- und Zwölffingerdarmleidens (Einzel-GdB 10) fest.
Zur Begründung des hiergegen am 28.11.2012 eingelegten Widerspruchs trug der Kläger vor, dass seine Diabeteserkrankung unterbewertet sei. Er müsse immer wieder seine Werte kontrollieren, um nicht zu unterzuckern. Die Beklagte holte daraufhin Befundberichte des Arztes für Orthopädie Dr. L vom 05.02.2013 sowie des Facharztes für Allgemeinmedizin Dr. E vom 15.02.2013 ein. Mit Widerspruchsbescheid vom 15.04.2013 wies die Bezirksregion Münster den Widerspruch zurück. Zwar lägen weitere Beeinträchtigungen in Form einer Arthrose der Fingergelenke und einem Krampfaderleiden mit Einzel-GdB-Werten von jeweils 10 vor. Der GdB ändere sich dadurch aber nicht.
Am 07.05.2013 hat der Kläger Klage beim Sozialgericht Münster (SG) erhoben und zur Begründung vorgetragen, insbesondere der insulinpflichtige Diabetes mellitus sei unzureichend bewertet worden. Hierzu legte er eine ärztliche Bescheinigung des Diabetologen Dr. O vom 18.06.2013 vor, wonach bei der Gewährleistung von tolerablen Blutzuckerwerten auch häufig Unterzuckerung aufträten. Die Notwendigkeit häufiger Selbstkontrollen während der Arbeit sei gegeben. Hierfür sehe die Anlage zu § 2 der Versorgungsmedizin-Verordnung -Versorgungsmedizinische Grundsätze – (AnlVersMedV) einen GdB von 50 vor. Weiter legte er eine Bescheinigung von Dr. G vom 02.11.2012 vor, der ausführte, auch die rezidivierenden epigastrischen Beschwerden sowie eine Refluxösophagitis I-Grades und Schwellungen und Schmerzen beider Sprunggelenke seien unzureichend bewertet.
Da SG hat Befundberichte von Dr. O vom 10.09.2013, Dr. T vom 09.09.2013 und Dr. L vom 10.09.2013 eingeholt und die Diabetiker-Tagebücher des Klägers angefordert. Zur weiteren Aufklärung des Sachverhalts hat es ein fachinternistisches Gutachten von Prof. Dr. H vom 25.07.2014 eingeholt. Dieser hat einen insulingeführten Diabetes mellitus (GdB 50), Unterschenkelvarikosis beidseits mit Zustand nach Varizen Stripping rechts 2012 (GdB 10) sowie Fingergelenkpolyarthrose (GdB 10) diagnostiziert. Die weiteren Gesundheitsstörungen (ulcus duodeni sowie Refluxösophagitis) würden keinen Einzel-GdB bedingen. Der Gesamt-GdB sei mit 50 zu beurteilen. Bei dem Kläger komme es trotz guter Schulung bedingt durch die unterschiedliche berufliche Belastungsintensität als Schweißer zu Über- und Unterzuckerungen. Diese bemerke er selbständig, so dass Fremdhilfe derzeit noch nicht erforderlich sei. Es sei aber von einem schwer einstellbaren Diabetes mellitus auszugehen. Der Kläger neige trotz guter Schulung und adäquater Reaktion zu Blutzuckerschwankungen in Form von zum Teil Hypoglykämien und zum Teil auch hyperglykämischen Entgleisungen. Der aktuell erhobene HbA 1c-Wert von 7,2 % zeige einen keinesfalls zu scharf eingestellten Diabetes mellitus. Trotz dieses leicht erhöhten HbA 1c-Wertes komme es zu Hypoglykämien. Zur Vermeidung von Langzeitschäden sei ein niedriger HbA 1c-Wert wünschenswert. Dieser würde aber die Hyperglykämienneigung erhöhen, was ein weiterer Anhaltspunkt für einen schwer einstellbaren Diabetes mellitus sei. Die Einschnitte in der Lebensführung seien so erheblich und der Therapieaufwand so hoch, dass ein Einzel-GdB von 50 gerechtfertigt sei.
Aufgrund der hiergegen durch die Beklagte erhobenen Einwände hat das SG eine ergänzende Stellungnahme von Prof. Dr. H vom 10.12.2014 eingeholt, in welcher er an seiner Auffassung festgehalten hat. Der GdB sei damit begründet, dass eine intensivierte Insulintherapie zur Blutzuckereinstellung erforderlich sei, die aufgrund der beruflichen Belastung des Klägers eine individuelle und flexible Anpassung der Insulindosis erforderlich mache. Auch vor dem Hintergrund der versorgungsmedizinischen Grundsätze habe eine individuelle Beurteilung, angepasst an die Lebenslage des Betroffenen, zu erfolgen. Die in den versorgungsmedizinischen Grundsätzen aufgeführten Beurteilungskriterien (täglich mindestens vier Insulininjektionen, selbständige Variierung der Insulindosis in Abhängigkeit vom aktuellen Blutzucker der folgenden Mahlzeit und der körperlichen Belastung, gravierende Beeinträchtigung der Lebensführung) lägen vor. Es komme berufsbedingt zu unterschiedlichen, teils schweren, teils weniger schweren körperlichen Belastungen, die sowohl eine Anpassung der Ernährung, als auch der Insulindosis und eine hochdifferenzierte Insulintherapie erforderlich machen würden. Der Kläger müsse deutlich mehr Aufwand betreiben als beispielsweise ein Büroangestellter.
Mit Urteil vom 09.10.2015 hat das SG die Beklagte verurteilt, für die Zeit ab dem 16.10.2012 einen GdB von 50 festzustellen. Ausweislich der AnlVersMedV komme ein GdB von 50 für an Diabetes erkrankte Menschen in Betracht, die eine Insulintherapie mit täglich mindestens vier Insulininjektionen durchführen, wobei die Insulindosis in Abhängigkeit vom aktuellen Blutzucker, der folgenden Mahlzeit und der körperlichen Belastung selbständig variiert werden muss und die durch erhebliche Einschnitte gravierend in der Lebensführung beeinträchtigt sind. Diese Voraussetzungen seien nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme erfüllt. Die Kammer stütze sich dabei auf die gutachterlichen Ausführungen des Sachverständigen Prof. Dr. H. Die drei Beurteilungskriterien der AnlVersMedV seien erfüllt. Der Kläger müsse täglich regelmäßig mindestens vier Insulininjektionen durchführen. Die Insulindosis müsse vom Kläger selbständig in Abhängigkeit vom aktuellen Blutzucker variiert werden. Auch liege eine gravierende Beeinträchtigung der Lebensführung vor. Durch die bei dem Kläger erforderliche "hochdifferenzierte Insulintherapie" sei er gerade in seinem körperlich belastenden Beruf besonders beeinträchtigt. Das BSG habe insofern in seinem Urteil vom 17.04.2013 (AZ: B 9 SB 3/12 R) hervorgehoben, dass die Kriterien der AnlVersMedV nicht gesondert für sich genommen "starr anzuwenden" seien, sondern eine "sachgerechte Beurteilung des Gesamtzustandes erleichtern" sollten. In diesem Rahmen komme der Stoffwechsellage eine besondere Bedeutung zu. Deshalb könne die ärztliche Beraterin der Beklagten der Beurteilung des Sachverständigen auch nicht mit Erfolg entgegenhalten, dass die durch diesen festgestellte Schwere der Einstellbarkeit der Blutzuckererkrankung kein Kriterium für die Bemessung des GdB sein könne. Dass bei dem Kläger keine "außergewöhnlich schwer regulierbare Stoffwechsellage" vorliege, stehe der Feststellung eines GdB von 50 nicht entgegen. Vielmehr könne bei einer derartigen Stoffwechsellage nach der AnlVersMedV sogar ein höherer GdB als 50 in Betracht kommen.
Gegen das am 15.10.2015 zugestellte Urteil hat die Beklagte am 10.11.2015 Berufung eingelegt. Zwar seien bei dem Kläger mindestens vier Insulininjektionen täglich und eine selbständige Variierung der Insulindosis in Abhängigkeit vom aktuellen Blutzucker, der folgenden Mahlzeit und der körperlichen Belastung erforderlich. Uneinigkeit bestehe aber darin, ob bei ihm eine erhebliche und gravierende Beeinträchtigung der Lebensführung gegeben sei. Nach der Rechtsprechung des BSG könne nicht davon ausgegangen werden, dass bei einem entsprechenden Therapieaufwand immer auch eine gravierende Beeinträchtigung der Lebensführung vorliege. Je nach persönlichen Fähigkeiten und Umständen könnten sich die Anzahl der Insulininjektionen und die Anpassung der Dosis nämlich unterschiedlich stark auf die Teilhabe am Leben in der Gesellschaft auswirken. Darüber hinaus sei für die Beurteilung des GdB die jeweilige Stoffwechsellage bedeutsam. Die durch erhebliche Einschnitte bewirkte gravierende Beeinträchtigung in der Lebensführung könne mithin auf Besonderheiten der Therapie beruhen, etwa wenn ein Erkrankter aufgrund persönlicher Defizite für eine Injektion erheblich mehr Zeit benötige, als ein anderer, im Umgang mit den Injektionsutensilien versierter Mensch. Einschnitte in der Lebensführung zeigten sich daneben auch bei einem unzulänglichen Therapieerfolg. Der Gutachter habe bei dem Kläger ein HbA 1c-Wert von 7,2 % gemessen und festgestellt, dass kein Anhalt für eine Endorganschädigung bestehe. Damit liege der Langzeitblutzuckerwert des Klägers unter 7,5 %, so dass nach den Leitlinien der Deutschen Diabetes Gesellschaft nicht von einer schlechten Stoffwechsellage und einem unzulänglichen Therapieerfolg ausgegangen werden könne. Es sei auch nicht nachvollziehbar, wieso der Sachverständige von einem schwer einstellbaren Diabetes mellitus ausgehe. Der Kläger habe in der Vergangenheit stets selbst durch die Einnahme von Traubenzucker oder Apfelsaft auf Unterzuckerung reagiert. Es sei nie zu schweren hypoglykämischen Entgleisungen mit erforderlicher Fremdhilfe gekommen. Der Kläger sei nach Einschätzung des Gutachters gut geschult und reagiere adäquat auf Blutzuckerschwankungen. Er messe fünf bis sechs Mal täglich den Blutzucker und müsse unterschiedliche Insulindosen verabreichen. Anhaltspunkte dafür, dass Besonderheiten der Therapie erhebliche Einschnitte in der Lebensführung bedingen, ergäben sich hieraus nicht. Soweit das SG darauf abstelle, dass der Kläger aufgrund wechselnder körperlicher Belastungen einen höheren Therapieaufwand betreiben müsse, könne dies nicht zu einem höheren GdB führen, denn dieser sei grundsätzlich unabhängig vom ausgeübten oder angestrebten Beruf zu beurteilen. Ein besonderes berufliches Betroffensein könne nicht berücksichtigt werden. Es könne nicht darauf ankommen, dass der Kläger einen Beruf ausübe, der durch körperlich mittelschwere Arbeit mit wechselnder Belastungsintensität gekennzeichnet ist. Sofern er in Zukunft seinen Arbeitsplatz aufgeben und sich dazu entschließen würde, seine im Nebenerwerb geführte Hausmeistertätigkeit als Hauptberuf auszuüben, würde allein dieser (von der Beklagten unmöglich zu überprüfende) Umstand zu einer Neubewertung des GdB führen. Auch könne die Beklagte nicht nachvollziehen, weshalb in dem Gutachten des Sachverständigen Dr. L1 Tage ohne Blutzuckermessung nicht in der Statistik berücksichtigt worden seien. Es sei nicht sachgerecht, dass nur die für den Kläger günstigen Tage Berücksichtigung fänden. Auch lasse die Auswertung der Blutzuckermesswerte nicht die Anzahl der Insulininjektionen täglich erkennen. Die Beklagte könne auch die statistische Aufteilung in Arbeitszeiten und Freizeitzeiten durch den Sachverständigen nicht nachvollziehen. Die Feststellung der Teilhabebeeinträchtigung im Gutachten resultiere letztlich daraus, dass der Kläger an Freizeittagen weniger Therapieaufwand betreiben müsse, als an Arbeitstagen. Sofern der Kläger sich im Rahmen seiner Arbeit stärker selbst beobachten müsse, stelle dies keine gravierende Teilhabebeeinträchtigung dar. Vielmehr könne dieser seine Arbeit weiterhin voll nachgehen und zudem noch eine Nebentätigkeit ausüben. Er habe aufgrund des Diabetes keine nennenswerten Zeiten von Arbeitsunfähigkeit oder stationärer Behandlungsbedürftigkeit. Schwere Unterzuckerungen mit der Notwendigkeit der Fremdhilfe träten nicht auf. Hypoglykämien bemerke er rechtzeitig und könne entsprechend reagieren. Kurzzeitige Unterbrechungen der Arbeit und einzelne Ausfallzeiten in Folge von Unterzuckerungszuständen seien unvermeidbare Folgen des Diabetes und würden nach der Rechtsprechung des BSG keine besondere Beeinträchtigung darstellen.
Die Beklagte beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Münster vom 09.10.2015 aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Der Kläger beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Er hält die angefochtene Entscheidung für zutreffend. Es sei herauszustellen, dass die von der Beklagten angeführte außergewöhnlich schwer regulierbare Stoffwechsellage gemäß der AnlVersMedV einen Sachverhaltsgesichtspunkt darstelle, der einen höheren GdB-Wert als 50 rechtfertigen könne. Damit liege mit dem Fehlen einer außergewöhnlich schwer regulierbaren Stoffwechsellage kein Sachverhalt vor, der einer Bewertung mit einem GdB vom 50 entgegenstehe. Auch habe das BSG ausgeführt, es sei nicht erforderlich, dass ausnahmslos an allen Tagen eine Anzahl von vier Insulininjektionen durchgeführt werde. Vielmehr sei der Therapieaufwand neben der Einstellungsqualität zu beurteilen. Der GdB sei relativ niedrig anzusetzen, wenn mit geringem Therapieaufwand eine ausgeglichene Stoffwechsellage erreicht werde. Hingegen sei er bei in beeinträchtigender Weise wachsendem Therapieaufwand und/oder abnehmendem Therapieerfolg (instabile Stoffwechsellage) höher einzuschätzen. Im Hinblick auf den von dem Kläger zu betreibenden Therapieaufwand könne es keinen begründeten Zweifeln begegnen, dass eine gravierende Beeinträchtigung der Lebensführung vorliege. Dies gelte insbesondere auch im Hinblick darauf, dass entsprechend den Darlegungen des Sachverständigen Prof. Dr. H Über- und Unterzuckerungen einträten und mithin von einem schwer einstellbaren Diabetes mellitus auszugehen sei.
Der Senat hat eine ergänzende Stellungnahme von Prof. Dr. H vom 04.03.2016 eingeholt, in welcher dieser an seiner Auffassung festgehalten hat. Entgegen der Auffassung der Beklagten könne man anhand des aktuellen HbA 1c-Wertes von 7,2 % nicht ausreichend feststellen, dass eine stabile Stoffwechsellage vorliege. Vielmehr träten nach den in den Blutzuckertagebüchern dokumentierten Daten Hyperglykämien mit Blutzuckerwerten bis 260 mg/dl sowie Hypoglykämien mit Werten bis 50 mg/dl auf. Auch bedingt durch die besondere berufliche Situation bestehe eine gravierende Beeinträchtigung in der Lebensführung.
Zur weiteren Aufklärung des Sachverhalts hat der Senat ein internistisch-diabetologisches Gutachten von Prof. Dr. L1 vom 08.03.2017 eingeholt. Dieser hat den Diabetes mellitus des Klägers mit einem GdB von 50 bewertet. Der Kläger müsse mindestens vier Insulininjektionen pro Tag in Abhängigkeit vom aktuellen Blutzucker, der folgenden Mahlzeit und der körperlichen Belastung durchführen. Er erleide eine ausgeprägte Teilhabebeeinträchtigung, weil zu den beiden oben abgehandelten, den Therapieaufwand beschreibenden Umstände Insulingaben und Blutzuckermessung auch noch erhebliche Einschnitte bei seiner Berufsausübung seine Lebensführung gravierend beeinträchtigen würden. Die Berufsausübung wirke sich unmittelbar auf seinen Zuckerstoffwechsel aus, weil er einen Beruf mit körperlicher Arbeit ausübe. Diese beeinflusse den Zuckerstoffwechsel unmittelbar. Je höher die körperliche Aktivität, desto niedriger der Blutzucker, desto geringer die benötigte Insulindosis. Sofern die berufliche Arbeit bei jeder Schicht im immer gleichen Niveau verrichtet werde, könne eine Anpassung der Insulindosierung leicht vorgenommen werden. Bei dem Kläger lägen die Verhältnisse anders. Er arbeitet in nicht vorhersehbarer Intensität. Somit komme er mit der Insulinanpassung, die immer auch die geplante und somit vorhersehbare körperliche Aktivität in die Dosierung einbeziehe, an seine Grenzen. Er müsse, um auch weiterhin eine Stoffwechsellage mit einem HbA 1c-Wert um 7,2 % halten zu können, bei seiner beruflichen Tätigkeit Unterzuckerungen hinnehmen. Um diese zu verhindern, bedürfe es eines Aufwandes an Selbstbeobachtung und Vorsorgen sowie, im Falle einer ersten Symptomatik einer Hypoglykämie, einer sofortigen Unterbrechung der Arbeit, um Kohlenhydrate zu sich zu nehmen. Daneben diagnostizierte Prof. Dr. L1 ein Magen- und Zwölffingerdarmleiden, Arthrose der Fingergelenke, Krampfaderleiden und eine Prostatahyperplasie, die er jeweils mit Einzel-GdB von 10 bewertete.
In einer ergänzenden Stellungnahme vom 26.09.2017 hat Prof. Dr. L1 an seiner Auffassung festgehalten. Auch hiergegen hat die Beklagte Einwände erhoben.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakte sowie der Verwaltungsakte der Beklagten verwiesen, der Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen ist.
Entscheidungsgründe:
Die zulässige Berufung der Beklagten ist begründet. Das SG hat diese zu Unrecht verurteilt, bei dem Kläger einen GdB von 50 festzustellen. Der Bescheid vom 19.11.2012 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 15.04.2013 ist rechtmäßig, denn bei dem Kläger ist nur ein GdB von 40 und nicht bereits ein solcher von 50 festzustellen.
Rechtsgrundlagen für die Feststellung eines GdB ist § 69 Abs 1 iVm Abs 3 Neuntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB IX). Nach § 69 Abs 1 S 1 SGB IX stellen die für die Durchführung des Bundesversorgungsgesetzes (BVG) zuständigen Behörden auf Antrag eines behinderten Menschen das Vorliegen einer Behinderung und den GdB fest. Als GdB werden dabei nach § 69 Abs 1 S 4 SGB IX die Auswirkungen auf die Teilhabe am Leben in der Gesellschaft nach 10’er Graden abgestuft festgestellt. Gemäß § 69 Abs 1 S 5 SGB IX gelten die Maßstäbe des § 30 Abs 1 BVG sowie der aufgrund des § 30 Abs 16 BVG erlassenen Rechtsverordnung (AnlVersMedV) entsprechend. Liegen mehrerer Behinderungen der Teilhabe am Leben in der Gesellschaft vor, wird der GdB gemäß § 69 Abs 3 S 1 SGB IX nach den Auswirkungen der Beeinträchtigungen in ihrer Gesamtheit unter Berücksichtigung ihrer wechselseitigen Beziehungen festgestellt.
Zur Feststellung des GdB sind in einem ersten Schritt die einzelnen, nicht nur vorübergehenden Gesundheitsstörungen im Sinne von regelwidrigen Zuständen und die sich hieraus ableitenden Teilhabebeeinträchtigungen festzustellen. In einem zweiten Schritt sind diese den in der AnlVersMedV genannten Funktionssystemen zuzuordnen und mit einem Einzel-GdB zu bewerten. Aus den hiernach festzustellenden Einzel-GdB ist in einem dritten Schritt, in der Regel ausgehend von der Beeinträchtigung mit den höchsten Einzel-GdB (Teil A Nr 3c AnlVersMedV), in einer Gesamtschau unter Berücksichtigung der wechselseitigen Beziehungen der einzelnen Beeinträchtigungen ein Gesamt-GdB zu bilden. Dabei können die Auswirkungen der einzelnen Beeinträchtigungen ineinander aufgehen, sich überschneiden, sich verstärken oder bedingungslos nebeneinander stehen. Außerdem sind bei der Gesamtwürdigung die Auswirkungen mit denjenigen zu vergleichen, für die in der GdB-Tabelle feste Grade angegeben sind (Teil A Nr 3b AnlVersMedV). Dabei ist die Bemessung des GdB grundsätzlich tatrichterliche Aufgabe (ständige Rechtsprechung des BSG, vgl ua Urteil vom 02.12.2010 – B 9 SB 3/09 R – in juris Rn 16 mwN).
Im Vordergrund der Beschwerden des Klägers steht der insulinpflichtige Diabetes mellitus. Dieser ist – entgegen der Auffassung der Sachverständigen Prof. Dr. H und Prof. Dr. L1 – mit einem GdB von lediglich 40 zu bewerten. Maßgebend für die GdB-Bewertung bei Diabetes mellitus ist – auch für in der Vergangenheit liegenden Zeiträumen – die Neufassung der Vorschrift des Teil B Nr 15.1 der AnlVersMedV. Diese hat folgenden Wortlaut:
15.1 Zuckerkrankheit (Diabetes mellitus).
Die an Diabetes erkrankten Menschen, deren Therapie regelhaft keine Hypoglykämie auslösen kann und die somit in der Lebensführung kaum beeinträchtigt sind, erleiden auch durch den Therapieaufwand keine Teilhabebeeinträchtigung, die die Feststellung eines GdS rechtfertigt. Der GdS beträgt 0.
Die an Diabetes erkrankten Menschen, deren Therapie eine Hypoglykämie auslösen kann und die durch Einschnitte in der Lebensführung beeinträchtigt sind, erleiden durch den Therapieaufwand eine signifikante Teilhabebeeinträchtigung. Der GdS beträgt 20.
Die an Diabetes erkrankten Menschen, deren Therapie eine Hypoglykämie auslösen kann, die mindestens einmal täglich eine dokumentierte Überprüfung des Blutzuckers selbst durchführen müssen und durch weitere Einschnitte in der Lebensführung beeinträchtigt sind, erleiden ja nach Ausmaß des Therapieaufwands und der Güte der Stoffwechseleinstellung eine stärkere Teilhabebeeinträchtigung. Der GdS beträgt 30 bis 40.
Die an Diabetes erkrankten Menschen, die eine Insulintherapie mit täglich mindestens vier Insulininjektionen durchführen, wobei die Insulindosis in Abhängigkeit vom aktuellen Blutzucker, der folgenden Mahlzeit und der körperlichen Belastung selbständig variiert werden muss, und durch erhebliche Einschnitt gravierend in der Lebensführung beeinträchtigt sind, erleiden aufgrund dieses Therapieaufwands eine ausgeprägte Teilhabebeeinträchtigung. Die Blutzuckerselbstmessung und die Insulindosen (bzw Insulingaben über die Insulinpumpe) müssen dokumentiert sein. Der GdS beträgt 50.
Außergewöhnlich schwer regulierbare Stoffwechselleiden können jeweils höhere GdS-Werte bedingen.
Nach der Rechtsprechung existieren danach hinsichtlich der streitigen Feststellung eines GdB von 50 drei Beurteilungskriterien: Täglich mindestens vier Insulininjektionen, selbständige Variierung der Insulindosis in Abhängigkeit vom aktuellen Blutzucke, der folgenden Mahlzeit und der körperlichen Belastung sowie eine (durch erhebliche Einschnitte) gravierende Beeinträchtigung in der Lebensführung. Diese Kriterien sind jedoch nicht gesondert für sich genommen starr anzuwenden; vielmehr sollen sie eine sachgerechte Beurteilung des Gesamtzustandes erleichtern (vgl BSG, Urteil vom 17.04.2013 – B 9 SB 3/12 R – in juris Rn 36 und Urteil vom 16.12.2014 – B 9 SB 2/13 R – in juris Rn 16).
Insoweit ist es nicht erforderlich, dass ausnahmslos an allen Tagen eine Anzahl von vier Insulininjektionen durchgeführt wird. Eine Bewertung des GdB, die sich ausschließlich an der Zahl der Insulininjektionen pro Tag orientiert, überzeugt nicht. Vielmehr ist der Therapieaufwand neben der Einstellungsqualität zu beurteilen. Der GdB ist relativ niedrig anzusetzen, wenn mit geringem Therapieaufwand eine ausgeglichene Stoffwechsellage erreicht wird und bei (in beeinträchtigender Weise) wachsendem Therapieaufwand und/oder abnehmenden Therapieerfolg (instabile Stoffwechsellage) höher einzuschätzen. Die Zahl von vier Insulininjektionen am Tag ist damit nicht als absoluter Grenzwert anzusehen (BSG, Urteil vom 17.04.2013, aa0, Rn 37 mwN).
Des Weiteren verlangt das Erfordernis einer selbständigen Variation der Insulindosis kein "ständiges" Anpassen der Dosis. Entscheidend ist die Abhängigkeit der jeweiligen Dosierung vom aktuellen Blutzucker, der folgenden Mahlzeit und der körperlichen Belastung. Sie kann demnach unter Umständen auch mehrfach gleich bleiben. In keinem Fall ist insoweit allein auf die Anzahl von zusätzlichen Korrekturinjektionen abzustellen (BSG, aaO, Rn 38 mwN). Die Erfüllung dieser beiden auf den Therapieaufwand bezogenen Beurteilungskriterien reicht indes nicht aus, um den GdB mit 50 festzustellen. Vielmehr muss die betreffende Person durch Auswirkungen des Diabetes mellitus auch insgesamt gesehen erheblich in der Lebensführung beeinträchtigt sein. Es ist nicht ersichtlich, dass der Verordnungsgeber davon ausgegangen ist, dass bei einem entsprechenden Therapieaufwand immer eine gravierende Beeinträchtigung der Lebensführung vorliegt. Je nach den persönlichen Fähigkeiten und Umständen der betreffenden Person können sich die Anzahl der Insulininjektionen und die Anpassung der Dosis nämlich unterschiedlich auf die Teilhabe am Leben in der Gesellschaft auswirken. Abgesehen davon ist für die Beurteilung des GdB bei Diabetes mellitus auch die jeweilige Stoffwechsellage bedeutsam, die im Rahmen der Prüfung des dritten Merkmals (gravierende Beeinträchtigung der Lebensführung) berücksichtigt werden kann. Die durch erhebliche Einschnitte bewirkte gravierende Beeinträchtigung in der Lebensführung kann mithin auf Besonderheiten der Therapie beruhen, etwa wenn ein Erkrankter aufgrund persönlicher Defizite für eine Injektion erheblich mehr Zeit benötigt, als ein anderer im Umgang mit dem Injektionsutensilien versierter Mensch. Einschnitte in der Lebensführung zeigen sich daneben auch bei einem unzulänglichen Therapieerfolg, also an der Stoffwechsellage des erkrankten Menschen (BSG, aaO, in juris Rn 39 mwN).
Auf dieser rechtlichen Grundlage verlangt die Bewertung des GdB eine am jeweiligen Einzelfall orientierte Beurteilung, die alle die Teilhabe am Leben in der Gesellschaft beeinflussenden Umstände berücksichtigt (BSG, aaO, in juris Rn 42).
Unter Berücksichtigung dieser Grundsätze kann ein GdB von 50 – entgegen der Auffassung der Sachverständigen – nicht festgestellt werden. Zwar erfüllt der Kläger nach übereinstimmender Feststellung der Sachverständigen Prof. Dr. H und Prof. Dr. L1 die ersten beiden Kriterien, nämlich täglich mindestens vier Insulininjektionen und selbständige Variierung der Insulindosis in Abhängigkeit vom aktuellen Blutzucker, der folgenden Mahlzeit und der körperlichen Belastung.
Eine gravierende Beeinträchtigung der Lebensführung liegt aber nicht vor. Bei der insoweit erforderlichen am Einzelfall orientierten Beurteilung, die alle die Teilhabe am Leben in der Gesellschaft beeinflussenden Umstände berücksichtigt, lässt sich bei dem Kläger auf der Grundlage der gutachterlichen Feststellungen keine ausgeprägte Teilhabebeeinträchtigung konstatieren.
Entgegen der durch die Beklagte vertretenen Auffassung kann zwar eine gravierende Beeinträchtigung der Lebensführung nicht allein deshalb abgelehnt werden, weil die zu einer Teilhabebeeinträchtigung führenden erheblichen Einschnitte nur einen einzelnen Lebensbereich betreffen. Dagegen spricht schon der Wortlaut von Teil B Nr. 15.1 Abs 4 AnlVersMedV, der eine solche einschränkende Betrachtungsweise nicht nahelegt. Auch in der Begründung der Neufassung wird lediglich beispielhaft auf verschiedene Bereiche hingewiesen, Planung des Tagesablaufs, Gestaltung der Freizeit, Zubereitung der Mahlzeiten, Berufsausübung und Mobilität; vgl. BR-Drucks 285/10 S 3). Auch gebietet die Vereinbarkeit der Regelung mit höherrangigen Recht ein weiteres Verständnis, dass eine Gesamtbetrachtung der Teilhabebeeinträchtigungen ermöglicht. Denn schon die gesetzliche Vorschrift, die die Maßstäbe für die Feststellung des GdB enthält, gibt vor, dass die Auswirkung der Funktionsbeeinträchtigungen "in allen Lebensbereichen" zu ermitteln und zu berücksichtigen sind (§ 30 Abs. 1 BVG). Auch der in § 2 Abs. 1 Satz 1 Elftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB XI) definierte Begriff der Behinderung setzt nur voraus, dass die "Teilhabe am Leben in der Gesellschaft" in irgendeiner Form beeinträchtigt ist – ohne das nach einzelnen Bereichen differenziert würde (BSG, Urteil vom 16.12.2014 – B 9 SB 2/13 R – in juris Rn 20).
Hieraus ergibt sich zwar – entgegen der Auffassung der Beklagten -, dass Auswirkungen der Behinderung auf die Berufsausübung durchaus im Rahmen des Kriteriums der gravierenden Beeinträchtigung in der Lebensführung berücksichtigt werden können. Darüber hinaus verhält es sich im vorliegenden Falle so, dass die Art der beruflichen Tätigkeit Auswirkungen auf den Therapieaufwand und nicht dieser erhebliche Auswirkungen auf die berufliche Tätigkeit des Klägers hat, so dass sich auch insofern die Frage einer besonderen beruflichen Betroffenheit im Sinne von Teil A Nr. 2 b AnlVersMedV nicht stellt.
Gleichwohl kann nicht festgestellt werden, dass der Kläger durch erhebliche Einschnitte gravierend in seiner Lebensführung beeinträchtigt ist. Bei der anzustellenden Gesamtbetrachtung aller Lebensbereiche lässt sich eine ausgeprägte Teilhabebeeinträchtigung durch erhebliche Einschnitte in der Lebensführung nur unter strengen Voraussetzungen bejahen. Das zeigt sich schon an der Formulierung der Vorschrift, die eine für einen Normtext seltene Häufung einschränkender Merkmale enthält (erheblich, gravierend, ausgeprägt). In diesem Zusammenhang ist auch auf die Systematik der Regelung in Teil B Nr 15. 1 AnlVersMedV hinzuweisen, die diese Wortwahl erklärt. Dem Verordnungsgeber ging es ersichtlich darum, mit jedem Absatz eine Steigerung der Anforderung zu verdeutlichen (der auf der Rechtsfolgenseite jeweils ein höherer GdB gegenübersteht). Weiterhin lässt sich aus dem oben dargestellten Zusammenspiel der drei Beurteilungskriterien des Teil B Nr 15.1 Abs 4 AnlVersMedV ableiten, dass die mit der dort vorausgesetzten Insulintherapie zwangsläufig verbundenen Einschnitte nicht geeignet sind, eine zusätzliche ("und") gravierende Beeinträchtigung der Lebensführung hervorzurufen. Berücksichtigungsfähig ist daher nur ein dieses hohe Maß noch übersteigender, besonderer Therapieaufwand. Daneben kann – wie oben ausgeführt – ein unzureichender Therapieerfolg die Annahme einer ausgeprägten Teilhabebeeinträchtigung rechtfertigen. Schließlich sind auch alle anderen durch die Krankheitsfolgen herbeigeführten erheblichen Einschnitte in der Lebensführung zu beachten (BSG, aaO, Rn 21).
Gemessen an diesen Kriterien kann auch auf Grundlage der von Amts wegen eingeholten Gutachten von Prof. Dr. H und Prof. Dr. L1 keine gravierende Beeinträchtigung der Lebensführung festgestellt werden. Entgegen der von Prof. Dr. H geäußerten Auffassung liegt ein schwer einstellbarer Diabetes mellitus nicht vor. Vielmehr war der HbA 1c-Wert sowohl bei seiner Untersuchung, als auch bei der durch Prof. Dr. L1 mit 7,2 % konstant und lag damit unter dem von der Deutschen Gesellschaft für Diabetologie geforderten Zielwert von 7,5 %. Entsprechend hat Prof. Dr. L1 die Güte der Stoffwechseleinstellung als "einigermaßen gut" bewertet. Schwere Unterzuckerung mit der Notwendigkeit der Fremdhilfe sind bei dem Kläger bisher nicht aufgetreten. Vielmehr bemerkt dieser Hypoglykämien rechtzeitig und kann entsprechend mit Einnahme von Traubenzucker oder Apfelsaft reagieren. Entgegen der Auffassung von Prof. Dr. H liegt daher nach den insoweit zutreffenden Feststellungen von Prof. Dr. L1 keine äußerst schwer regulierbare Stoffwechsellage vor. Auch Endorganschädigungen konnten beide Sachverständige nicht feststellen.
Allein der durch Prof. Dr. L1 statistisch nachgewiesene Umstand, dass bei dem Kläger leichte (dh von dem Kläger selbst erkennbare) Hypoglykämien häufiger vorkommen, ist nicht geeignet, einen gravierenden Einschnitt in der Lebensführung zu begründen. Zunächst kommen Hypoglykämien auch während der Arbeit nur relativ selten vor. Bei einem Wert von 0,1 pro Tag ergibt sich lediglich eine Hypoglykämie in zwei Arbeitswochen. Auch der hierdurch bedingte höhere Messaufwand ist nicht derart gravierend, dass der Kläger hierdurch in seiner Lebensführung beeinträchtigt wäre. So misst er den Blutzucker nach den Feststellungen von Prof. Dr. L1 an Arbeitstagen 5,2 Mal, während dies an Tagen ohne Berufstätigkeit nur 4,3 Mal der Fall ist. Eine gravierende Erhöhung vermag der Senat hierin nicht zu erkennen. Auch der Hinweis auf den – den Kläger belastenden – Mehraufwand an Selbstbeobachtung und Vorsorgen durch Bereitstellung von schnell erreichbaren Kohlehydraten während der Arbeit ist nicht geeignet, eine gravierende Beeinträchtigung der Lebensführung zu begründen. Bei dem Kläger kommt es nach den Feststellungen von Prof. Dr. L1 zu klinisch leichten Hypoglykämien, bei denen er die Unterzuckerung selbst erkennt und diese selbst beheben kann. Anamnestisch hat er angegeben, er spüre es an Symptomen wie Beinzittern, Kopfschmerzen und Schwindel, wenn der Blutzucker zu niedrig sei. Insofern muss er nur auf diese Symptome durch die Einnahme von Kohlenhydraten reagieren. Eine besondere Beeinträchtigung liegt hierin nicht. Vielmehr sind kurzzeitige Unterbrechungen der Arbeit und einzelne Ausfallzeiten in Folge von Unterzuckerungszuständen unvermeidbare Folge des Diabetes und stellen nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts für sich keine besondere Beeinträchtigung dar (vgl. BSG, aaO, Rn 22). In dem dieser Entscheidung zugrunde liegenden Sachverhalt neigte der Kläger generell zu Hypoglykämien, welche zwei bis drei Mal pro Woche auftraten. Der Kläger musste bis zu sechs Insulininjektionen vornehmen und dabei – nach entsprechender Blutzuckermessung – auch die jeweilige Dosis anpassen. Dennoch ist das BSG nicht von einer gravierenden Beeinträchtigung der Lebensführung ausgegangen. Das LSG Sachsen-Anhalt hat hierzu in der vorhergehenden Instanz festgestellt, dass die Notwendigkeit, den eigenen Gesundheitszustand zu überwachen, Blutzuckermessungen vorzunehmen und ggf. Insulin zu spritzen der Diabeteserkrankung immanent ist und nicht gesondert als zu berücksichtigende Teilhabebeeinträchtigung gewertet werden kann (LSG Sachsen-Anhalt, Urteil vom 15.11.2012 – L 7 SB 68/10 – in juris Rn 37).
Gleiches gilt für den vorliegenden Fall. Trotz des gehäuften Entstehens von Unterzuckerungszuständen während der Arbeit ist es noch nie zu schweren hypoglokämischen Entgleisungen mit erforderlicher Fremdhilfe gekommen. Vielmehr kann sich der Kläger durch Kohlehydratzufuhr in der Regel selbst helfen. Die Stoffwechsellage ist nach Feststellung von Prof. Dr. L1 "einigermaßen gut". Dass der Kläger während der Verrichtung seiner Arbeitstätigkeit aufgrund wechselnder körperlicher Belastung verstärkt auf die Symptome von Unterzuckerungen achten muss, kann nicht zur Feststellung der schwerbehinderten Eigenschaft führen. Die mit der Erkrankung üblicherweise einhergehenden Blutzuckerschwankungen und die damit verbundenen Symptome wie Konzentrationsschwankungen, Schwindel und Müdigkeit insbesondere bei körperlichen und seelischen Belastungen sind Teil der Erkrankung sind und damit bei der Höhe des GdB mitberücksichtigt (LSG Sachsen-Anhalt, Urteil vom 29.09.2015 – L 7 SB 15/14 – in juris, Rn 49). Dies gilt jedenfalls, wenn ein überdurchschnittlicher Therapieaufwand hiermit nicht verbunden ist. Ein solcher liegt nach dem og bei Unterzuckerungen an einem von 10 Arbeitstagen und durchschnittlich 5,2 Messungen an Tagen mit Arbeit nicht aber nicht vor.
Schließlich führt auch der durch Prof. Dr. L1 in seiner ergänzenden Stellungnahme vom 26.09.2017 herangezogene Aspekt des Einflusses der Erkrankung auf die Berufstätigkeit des Klägers zu keinem anderen Ergebnis. Die Feststellung von Prof. Dr. L1 lassen gerade nicht darauf schließen, dass die Arbeitsleistung des Klägers erheblich beeinträchtigt wird. Zwar hat dieser angegeben, sein Vorgesetzter habe in letzter Zeit häufiger angemerkt, dass er – der Kläger – schneller arbeiten solle. Aus dieser allein anamnestischen Angabe lässt sich eine gravierende Beeinträchtigung der Leistungsfähigkeit des Klägers im beruflichen Umfeld aber nicht herleiten. Vielmehr geht der Kläger seiner Arbeit weiterhin voll nach und übt sogar noch eine Nebentätigkeit als Hausmeister aus. Bereits dies spricht deutlich gegen eine aufgrund der Erkrankung vorliegende erhebliche Leistungsbeeinträchtigung bei der Berufsausübung. Auch sind keine nennenswerten Zeiten von Arbeitsunfähigkeit oder stationärer Behandlungsbedürftigkeit dokumentiert. Die Einschränkung des Klägers durch gelegentlich (alle 10 Tage) auftretende Unterzuckerungen während seiner beruflichen Tätigkeit sind keinesfalls derart erheblich, dass hierin eine gravierende Beeinträchtigung der Lebensführung gesehen werden kann.
Zusammenfassend kann den Gutachten daher in der Bewertung der (Rechts-) Frage des Vorliegens einer gravierenden Beeinträchtigung in der Lebensführung nicht gefolgt werden. Prof. Dr. H geht unzutreffend von einer schwer einstellbaren Stoffwechsellage aus. Prof. Dr. L1 verkennt die nach der Rechtsprechung des BSG strengen Anforderungen an die Feststellung einer ausgeprägten Teilhabebeeinträchtigung durch erhebliche Einschnitte in der Lebensführung. Der Kläger erleidet auf Grund des Therapieaufwandes zwar eine stärkere Teilhabebeeinträchtigung, die die Feststellung eines GdB von 40 rechtfertigt. Eine einen GdB von 50 bedingende ausgeprägte Teilhabebeeinträchtigung liegt aber nicht vor.
Die darüber hinaus durch die Sachverständigen festgestellten Gesundheitsstörungen (Unterschenkelvarikosis beidseits mit Zustand nach Varizen Stripping rechts 2012, Fingergelenkpolyathrose, Magen- und Zwölffingerdarmleiden und Prostatahyperplasie) bedingen nach den zutreffenden Feststellungen der Sachverständigen – denen sich der Senat insofern anschließt – jeweils keinen höheren GdB als 10 und können daher nach Teil A Nr 3 d. aa) AnlVersMedV nicht zu einer Erhöhung des Gesamt-GdB führen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 Sozialgerichtsgesetz (SGG).
Die Voraussetzungen für die Zulassung der Revision (§ 160 SGG) sind nicht gegeben.
Erstellt am: 22.08.2018
Zuletzt verändert am: 22.08.2018