Die Berufung der Kläger gegen das Urteil des Sozialgerichts Düsseldorf vom 13.08.2013 wird zurückgewiesen. Den Klägern werden als Gesamtschuldnern Verschuldenskosten gem. § 192 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 SGG in Höhe von 500,00 Euro auferlegt. Außergerichtliche Kosten haben die Beteiligten einander auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Die Kläger verlangen als Rechtsnachfolger ihres am 00.00.2011 verstorbenen Vaters, Herrn L E (im Folgenden V), die Zahlung von Rente anlässlich einer anerkannten Berufskrankheit (BK) nach Nr. 4301 der Anl. 1 zur Berufskrankheitenverordnung (BKV) auch für den Zeitraum vom 02.11.1993 bis 31.12.2003.
Der am 00.00.1936 geborene V war seit 1950 als Müller tätig. Aufgrund bei ihr im Juli und August 1964 eingegangener Anzeigen über eine BK veranlasste die Beklagte eine ärztliche Begutachtung. Der Sachverständige Prof. Dr. X gelangte in einem Gutachten vom 17.12.1964 unter Berücksichtigung weiterer Zusatzgutachten zu der Beurteilung, dass der V an einer Allergie gegen Mehle leide, die Ursache einer Rhinitis und eines Asthma bronchiale sei. Eine Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) liege derzeit nicht vor. Die Voraussetzungen zur Anerkennung einer Berufskrankheit nach Nr. 41 der (damals geltenden) 6. BKVO (Berufskrankheitenverordnung) seien insofern nicht gegeben, als der V seine berufliche Tätigkeit als Schichtmüller noch nicht aufgegeben habe. Es sei aber zu erwarten, dass sich sein Leiden bei einem weiteren Verbleiben in seinem bisherigen Beruf verschlimmere. Daher werde eine Umschulung vorgeschlagen.
Nach den Angaben des V und ausweislich des Versicherungsverlaufs der gesetzlichen Rentenversicherung erfolgte eine Umschulung zum Maschinenbauer von 1965 bis 1967. Zwischen 1967 und 1995 übte der V verschiedene Tätigkeiten ohne Mehlbelastung aus.
Auf einen Bericht des Pneumologen Dr. V vom 09.04.2008, der am 08.12.2008 bei der Beklagten einging, leitete diese Ermittlungen zum Vorliegen einer BK 4301/4302 ein und zog Berichte von behandelnden Ärzten, u.a. einen Befundbericht des Internisten Dr. B vom 02.11.1993, bei. Anschließend beauftragte sie den Arzt für Innere Medizin, Lungen- und Bronchialheilkunde, Dr. L, mit der Erstellung eines Gutachtens. Dieser gelangte zu dem Ergebnis, dass ab 1993 eine gestaffelte MdE vorliege. Vom 02.11.1993 bis zum 15.10.2002 schätze er die MdE auf 30, anschließend bis 30.03.2009 auf 50 und ab dann bis auf weiteres auf 70 v. H. Wolle man auch wissen, ab wann 40 bzw. 60 v.H. vorlägen, werde vorgeschlagen, diese Prozente in die Hälfte der vorgeschlagenen Zeiträume zu legen (Gutachten vom 30.03.2009 und ergänzende Stellungnahme vom 13.05.2009).
Die Beklagte bewilligte dem V mit Bescheid vom 02.07.2009 eine Rente auf unbestimmte Zeit. Sie nahm dabei das Vorliegen eines Versicherungsfalles ab dem 01.04.1965 an, machte jedoch die Einrede der Verjährung gem. § 45 Erstes Buch Sozialgesetzbuch (SGB I) für Ansprüche vor dem 01.01.2004 geltend. Im Rahmen ihres Ermessens habe sie die Zulässigkeit dieser Einrede überprüft. Eine besonders krasse Pflichtverletzung ihrerseits könne nicht festgestellt werden. Für die Zeit ab 01.01.2004 errechnete sie einen Nachzahlbetrag, von dem abzüglich eines Einbehalts durch den Rentenversicherungsträger ein Betrag in Höhe von 65.487,36 Euro an den V ausgezahlt wurde.
Mit dem am 23.07.2009 eingelegten Widerspruch begehrte der V die Zahlung von Verletztenrente bereits ab 1965. Eine Verjährung der Ansprüche könne nicht eingetreten sein, da eine Entscheidung über die Verletztenrente damals nicht erfolgt sei und das Feststellungsverfahren somit keinen Abschluss gefunden habe. Demnach habe das weiterhin laufende Verfahren die Verjährung gehemmt.
Die Beklagte wies den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 14.07.2010 zurück. Zur Begründung führte sie aus, dass das Verfahren 1964 durch Anerkennung der Erkrankung als BK abgeschlossen worden sei. Ein Verfahren zur Feststellung eines Rentenanspruchs sei hingegen nicht eingeleitet worden, da der ärztliche Gutachter das Vorliegen einer MdE ausgeschlossen und deshalb kein Anlass bestanden habe, über die Ablehnung eines Rentenanspruchs zu entscheiden. Erst 2008 habe sie aufgrund eines Schreiben des Dr. V Kenntnis von den Erkrankungsfolgen erhalten und nach Auswertung der Berichte eine rentenberechtigende MdE ab 02.11.1993 angenommen. Die Berufsgenossenschaft habe im Rahmen pflichtgemäßen Ermessens zu prüfen, ob die Einrede der Verjährung zulässig sei. Dabei müssten die Interessen des Versicherten und der Verwaltung gegeneinander abgewogen werden. Insbesondere sei, wie vom Bundessozialgericht (BSG) gefordert, festzustellen, ob eine besonders krasse Pflichtverletzung der Verwaltung vorliege. Dies sei hier nicht der Fall. Nach der Gesetzesbegründung zur Verjährung nach § 45 SGB I sei davon auszugehen, dass im Interesse des Rechtsfriedens und der Überschaubarkeit der öffentlichen Verwaltung Ansprüche auf Sozialleistungen innerhalb einer angemessenen Frist geltend gemacht werden müssten. Somit überwögen im Fall des V die Interessen der Verwaltung. Insbesondere könne nicht nachvollzogen werden, dass noch ein offenes Verfahren vorliegen solle, da bezüglich der jeweils anhängigen Verfahren entsprechende Entscheidungen getroffen worden seien.
Der V hat am 05.08.2010 beim Sozialgericht Düsseldorf (SG) Klage erhoben und sein Vorbringen aus dem Widerspruchsverfahren im Wesentlichen wiederholt. Die Verjährung sei nicht eingetreten, so dass ihm Rente ab 1965, zumindest ab dem 02.11.1993, zu gewähren sei.
Nach dem Tod des V am 13.09.2011 hat zunächst seine Ehefrau, die Mutter der Kläger (im Folgenden: M), das Verfahren als Sonderrechtsnachfolgerin weitergeführt.
Das SG hat die Klage der M mit Urteil vom 13.08.2013 abgewiesen. Es hat sich dabei im Wesentlichen dem Inhalt des Widerspruchbescheids der Beklagten angeschlossen. Ergänzend hat es unter Bezugnahme auf Literatur und Rechtsprechung des BSG ausgeführt, dass ein Unfallversicherungsträger nicht in jedem Fall einen ablehnenden Bescheid erteilen oder den Betroffenen in anderer Weise informieren müsse, wenn er einen Leistungsanspruch nicht für gegeben halte. Dies vor allem dann nicht, wenn der Anspruch offensichtlich nicht bestehe oder der Betroffene Leistungen offensichtlich nicht erwarte. Auch könne die möglicherweise im Einzelfall anzunehmende Unterbrechung der Verjährung dadurch beendet werden, dass auch der Antragsteller das Verwaltungsverfahren nicht mehr betreibe. Rückwirkende Leistungen trotz jahrelanger Untätigkeit würden dann grundsätzlich auch nur für vier Jahre rückwirkend gewährt. Auch wenn ein Verwaltungsverfahren rechtswidrig einen abschlägigen Bescheid ergeben hätte, der bindend geworden wäre, könnten aufgrund eines erneuten Antrags nur für vier Jahre rückwirkend Leistungen verlangt werden.
Gegen das ihr am 04.09.2013 zugestellte Urteil hat die M am 17.09.2013 Berufung eingelegt und das Vorbringen im Wesentlichen wiederholt. Am 30.04.2014 ist die M ebenfalls verstorben. Das Verfahren haben ihre Söhne, die jetzigen Kläger, als Rechtsnachfolger fortgeführt. Auf Anforderung des Senats ist diesbezüglich ein gemeinschaftlicher Erbschein vorgelegt worden.
Die Kläger beantragen,
das Urteil des Sozialgerichtes Düsseldorf vom 13.08.2013 aufzuheben und die Beklagte unter teilweiser Abänderung des Bescheides vom 02.07.2009 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 14.07.2010 zu verurteilen, ihnen als Rechtsnachfolgern der Sonderrechtsnachfolgerin des verstorbenen Versicherten, Herrn L E, Rente wegen der anerkannten Berufskrankheit Nr. 4301 der Anlage 1 zur BKV für den Zeitraum vom 02.11.1993 bis 31.12.2003 nach einer MdE um 30 v. H. nach Maßgabe der gesetzlichen Vorschriften zu gewähren.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie hält das angefochtene Urteil für zutreffend.
Auf Nachfrage des Senats hat die Beklagte mitgeteilt, dass zu der Anerkennung der BK im Jahr 1965 kein Verwaltungsakt in Papierform vorliege. Sie habe aus dem Kontext der vorliegenden Unterlagen den Rückschluss gezogen, dass sie nach dem Gutachten des Prof. Dr. X eine berufsbedingte Atemwegerkrankung anerkannt habe. Ob eine Umschulung tatsächlich durchgeführt worden sei, ließe sich nicht mehr nachvollziehen. Allerdings befänden sich auf Bl. 117, 127 und 128 der Verwaltungsakten Kopien von Rentenzahlungsverfügungen, die als Konto 491 auswiesen. Dieses sei damals gewählt worden, wenn Übergangsgeld bei Berufshilfemaßnahmen gezahlt worden sei.
Wegen der Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakten und der Verwaltungsakten der Beklagten verwiesen. Dieser ist Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen.
Entscheidungsgründe:
Die zulässige Berufung ist nicht begründet.
Die Ablehnung der Zahlung von Verletztenrente für den Zeitraum vor dem 01.01.2004 im Bescheid der Beklagten vom 02.07.2009 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 14.07.2010 ist rechtmäßig und verletzt die Kläger als Rechtsnachfolger der M (§ 58 Abs. 1 S. 1 SGB I i.V. § 1922 Abs. 1 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB)), die ihrerseits Sonderrechtsnachfolgerin des V gem. § 56 SGB I war, nicht in ihren Rechten.
Die Kläger haben keinen Anspruch auf Zahlung von Verletztenrente aus der bei dem V anerkannten BK 4103 für den von ihnen geltend gemachten Zeitraum vom 02.11.1993 bis zum 31.12.2003. Der Anspruch ist verjährt (dazu 1), die Verjährung ist nicht gehemmt (dazu 2) und die Einrede der Verjährung ohne Rechtsfehler erhoben worden (dazu 3).
1) Gem. § 45 Abs. 1 SGB I verjähren Ansprüche auf Sozialleistungen in vier Jahren nach Ablauf des Kalenderjahrs, in dem sie entstanden sind.
Ansprüche auf Verletztenrente sind gem. §§ 11, 22 Abs. 1 Nr. 3 SGB I Sozialleistungen iSv § 45 SGB I (vgl. auch Wagner in jurisPK-SGB I, § 44 Rn. 13).
Gem. § 40 Abs. 1 SGB I entstehen Ansprüche auf Sozialleistungen, sobald ihre im Gesetz oder auf Grund eines Gesetzes bestimmten Voraussetzungen vorliegen.
Die gesetzlichen Voraussetzungen für die Gewährung von Verletztenrente liegen gem. § 56 Abs. 1 S. 1 SGB VII vor, wenn die Erwerbsfähigkeit des Versicherten infolge eines Versicherungsfalls über die 26. Woche nach dem Versicherungsfall hinaus um mindestens 20 v.H. gemindert ist. Die Rente beginnt mit dem Tag nach dem Ende des Anspruchs auf Verletztengeld (§ 72 Abs. 1 Nr. 1 SGB VII) bzw. mit dem Tag nach dem Eintritt des Versicherungsfalls (§ 72 Abs. 1 Nr. 2 SGB VII). Da der Versicherungsfall der BK 4301 bei dem V – wie von der Beklagten mit Bescheid vom 02.07.2009 festgestellt – am 01.04.1965 eingetreten und eine MdE in rentenberechtigender Höhe seit dem 02.11.1993 (Befundbericht des Dr. B) nachgewiesen ist, ist ein Zahlungsanspruch damit grundsätzlich ab letzterem Zeitpunkt gegeben.
Ausgehend von einer Anspruchsprüfung durch die Beklagte im Jahr 2008 sind damit Rentenansprüche verjährt, deren Entstehung in den Jahren bis 2003 datiert.
2) Die Verjährung ist entgegen der Auffassung der Kläger auch nicht gehemmt, da kein gesetzlicher Tatbestand der Hemmung eingreift.
Soweit die Kläger der Auffassung sind, eine Hemmung liege gem. § 204 Abs. 1 Nr. 12 BGB vor, so ist dieser Tatbestand zwar gem. § 45 Abs. 2 SGB I auch im sozialrechtlichen Verfahren anwendbar. Gleichwohl fehlt es an dessen Tatbestandsvoraussetzungen.
Nach dieser Vorschrift wird die Verjährung gehemmt durch die Einreichung des Antrags bei einer Behörde, wenn die Zulässigkeit der Klage von der Vorentscheidung dieser Behörde abhängt und innerhalb von drei Monaten nach Erledigung des Gesuchs die Klage erhoben wird; dies gilt entsprechend für bei einem Gericht oder bei einer in § 204 Abs. 1 Nr. 4 bezeichneten Gütestelle zu stellende Anträge, deren Zulässigkeit von der Vorentscheidung einer Behörde abhängt.
Vorliegend fehlt es bereits an einem bei einer Behörde gestellten Antrag. Nach den aktenkundigen Unterlagen ist ein Verfahren auf Prüfung einer BK im Jahr 1964 von Amts wegen durch die Beklagte betrieben worden. Ein diesbezüglicher Antrag des V auf Leistungen irgendeiner Art ist der Akte zu keinem Zeitpunkt zu entnehmen.
Aber auch dann, wenn die Vorschrift des § 204 Abs. 1 Nr. 12 BGB, wie die Kläger wohl meinen, eine allgemeine Hemmung in Fällen von Amts wegen betriebener Verfahren enthalten würde, hätte diese bereits 1965 geendet. Grund hierfür ist, dass die Hemmung gem. § 204 Abs. 2 S. 1 BGB sechs Monate nach der rechtskräftigen Entscheidung oder anderweitigen Beendigung des eingeleiteten Verfahrens endet. Zur Überzeugung des Senats ist das 1964 begonnene BK-Prüfungsverfahren zum 01.04.1965 abgeschlossen worden. Zu diesem Zeitpunkt hat der V nach seinen eigenen Angaben eine Umschulung begonnen. Wenngleich nur noch wenige Unterlagen des damaligen Verfahrens vorliegen, so sieht es der Senat im Hinblick auf die eigenen Angaben des V, die Ausführungen des Prof. Dr. X in seinem damaligen Gutachten, die Feststellungen im Versicherungsverlauf der gesetzlichen Rentenversicherung und die aktenkundigen Kassenbuchungen als gesichert an, dass die Beklagte das Verfahren durch Finanzierung einer Umschulung des V beendet hat. Soweit ein Bescheid über die Anerkennung einer BK oder Gewährung einer Verletztenrente nicht vorliegt, hindert dies den Abschluss des Verfahrens nicht. Ausweislich des Gutachtens von Prof. Dr. X lagen die Voraussetzungen hierfür seinerzeit nicht vor, sondern stellte sich eine Umschulung als geeignete Maßnahme des Unfallversicherungsträgers dar. Anhaltspunkte dafür, dass die Anerkennung einer BK oder die Gewährung von Verletztenrente im Raum gestanden hätten, ergeben sich aus der Aktenlage nicht und sind auch von den Klägern nicht vorgebracht worden. Entsprechend war eine förmliche Bescheidung hierüber nicht erforderlich (vgl. hierzu auch Seewald in Kasseler Kommentar SGB IV, § 19 Rn. 6 mwN). Ist das BK-Verfahren zum 01.04.1965 abgeschlossen worden, hat eine etwaige Hemmung der Verjährung gem. § 45 Abs. 2 SGB I i.V.m. § 204 Abs. 2 S. 1 BGB damit zum 30.09.1965 geendet.
Ergänzend weist der Senat darauf hin, dass die Hemmung auch dann im Jahr 1965 geendet hätte, wenn man das ab 1964 von der Beklagten von Amts wegen betriebene Verfahren nicht mit der Umschulung als abgeschlossen ansehen würde. In diesem Fall wäre die Hemmung gem. § 45 Abs. 2 SGB I i.V.m. § 204 Abs. 2 S. 2 BGB beendet worden. Hiernach tritt an die Stelle der Beendigung des Verfahrens die letzte Verfahrenshandlung der Parteien, des Gerichts oder der sonst mit dem Verfahren befassten Stelle, wenn das Verfahren dadurch in Stillstand gerät, dass die Parteien es nicht betreiben. Spätestens ab dem Zeitpunkt des Beginns der Umschulung ist eine weitere Verfahrensbetreibung nicht mehr erkennbar. Auch ein Verwaltungsverfahren kann durch Nichtbetreiben zum Stillstand kommen und dadurch die Unterbrechung beendigt werden. Nicht betrieben worden ist es, wenn von demjenigen, der sich auf die Unterbrechung beruft, erwartet wird, dass er auf den Verfahrensfortgang eingewirkt hätte (BSG Urt. v. 13.12.1984 – 9a RV 60/83 – juris Rn. 12). Die Verjährung tritt dabei selbst dann ein, wenn eigentlich keine Aktivität nötig ist, aber regelmäßig nach sachlichem Recht von einem Antragsteller erwartet würde. Würde er sich nämlich rühren und abschlägig (falsch) negativ beschieden, griffe bei einer späteren Wiederaufnahme gem. § 44 SGB X auch eine Vierjahresfrist für die Leistungsgewährung (BSG a.a.O. – juris Rn. 15 f.).
Eine Hemmung der Verjährung durch das Verfahren im Jahr 1964 ist auch nicht gem. § 45 Abs. 3 SGB I eingetreten. Soweit danach die Verjährung durch schriftlichen Antrag auf die Sozialleistung oder durch Erhebung eines Widerspruchs gehemmt wird, fehlt es – wie ausgeführt – an einem entsprechenden Antrag des V.
3) Die Beklagte war auch zur Verweigerung der (Nach-)Zahlung von Verletztenrente für den streitigen Zeitraum berechtigt; sie hat ohne Rechtsfehler die Einrede der Verjährung erhoben.
§ 45 SGB I verweist auch hinsichtlich der Wirkung der Verjährung auf das BGB. Nach § 214 Abs. 1 BGB ist der Schuldner nach Eintritt der Verjährung berechtigt, die Leistung zu verweigern; die Verjährung ist mithin – im Sozialrecht ebenso wie im Zivilrecht – per Einrede geltend zu machen. Da es sich um eine "Berechtigung" handelt, steht die Erhebung dieser Einrede nach allgemeiner Meinung im Ermessen des Leistungsträgers (vgl. z.B. Wagner in jurisPK-SGB I, § 45 Rn. 45).
Die Beklagte hat hier sowohl ihre Pflicht erkannt, eine Ermessensentscheidung über die Erhebung der Verjährungseinrede zu treffen als auch eine solche Ermessensentscheidung tatsächlich getroffen (vgl. z.B. BSG Urt. v. 30.10.2013 – B 12 AL 2/11 R – juris Rn. 22; Urt. v. 29.07.2003 – B 12 AL 1/02 R – juris Rn. 22). Fehler bei der Ermessensausübung sind nicht erkennbar. Insbesondere liegen etwaige Behördenfehler, die bei der Zulässigkeit der Verjährungseinrede gegebenenfalls berücksichtigt werden müssten (vgl. zB BSG Urt. v. 30.10.2013 – B 12 AL 2/11 R – juris Rn. 22 mwN), nicht vor. Darüber hinaus wären nach der Rechtsprechung des BSG auch nur besonders krasse Pflichtverletzung relevant (vgl. BSG Urt. v. 22.10.1996 – 13 RJ 17/96 – juris Rn. 31 mwN). Aus dem Verwaltungsvorgang ist keinerlei Fehlverhalten der Beklagten erkennbar und von den Klägern auch nicht geltend gemacht worden. Die Beklagte hat nach Abschluss des BK-Verfahrens 1965 erst durch den übersandten ärztlichen Bericht des Dr. V im Jahr 2008 Kenntnis von der Verschlechterung des Gesundheitszustandes des V und somit vom Vorliegen der Anspruchsvoraussetzungen erlangt und dann unmittelbar ein Verfahren von Amts wegen in Gang gesetzt.
Sonstige, für das Ermessen relevante Gesichtspunkte im Sinne einer unbilligen oder besonderen Härte, die ausnahmsweise dazu hätten Anlass geben können, das Interesse der Versichertengemeinschaft, unvorhergesehene Belastungen zu verhindern, hintanzustellen (vgl. BSG Urt. v. 30.10.2013 – B 12 AL 2/11 R – juris Rn. 23) und von der Verjährungseinrede abzusehen, liegen nicht vor. Hier ist zu beachten, dass die Erhebung der Einrede der Verjährung zugunsten der Versichertengemeinschaft gerade dem Willen des Gesetzgebers entspricht, wie sich aus der Gesetzesbegründung zu § 45 SGB I entnehmen lässt (BT-Drs. 7/868, S. 30). So ist die Verjährungsregelung ausdrücklich in das Sozialrecht übernommen worden, weil der Gesetzgeber davon ausgegangen ist, dass Ansprüche auf Sozialleistungen im Interesse des Rechtsfriedens und der Überschaubarkeit der öffentlichen Haushalte innerhalb einer angemessenen Frist geltend gemacht werden müssten. Dies gelte u.a. auch deshalb, weil der sozialpolitische Zweck der Leistung später in der Regel nicht mehr erreicht werde. Letzteres gilt im Fall der Kläger um so mehr, wenn diese darauf verweisen, der V habe stets in finanziell eng begrenzten Verhältnissen gelebt. Hier kommt zur allgemeinen Fragestellung, inwieweit eine Nachzahlung noch ihren Zweck erfüllt, noch hinzu, dass ein weiterer Nachzahlbetrag ohnehin nicht mehr dem V, sondern stattdessen nur noch den Klägern als seinen Erben zugute käme. Im Übrigen hat das SG zutreffend darauf hingewiesen, dass der V sogar dann, wenn er einen Antrag auf Verletztenrente gestellt und dieser fehlerhaft abgelehnt worden wäre, in einem Überprüfungsverfahren gem. § 44 Abs. 4 SGB X Leistungen längstens für einen rückwirkenden Zeitraum von vier Jahren hätte erhalten können.
Der Senat hat im Rahmen seines Ermessens von der Möglichkeit Gebrauch gemacht, den Klägern sogenannte Verschuldenskosten gemäß § 192 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 SGG aufzuerlegen.
Nach dieser Vorschrift kann das Gericht einem Beteiligten ganz oder teilweise die Kosten auferlegen, die dadurch verursacht werden, dass er den Rechtsstreit fortführt, obwohl ihm vom Vorsitzenden die Missbräuchlichkeit der Rechtsverfolgung oder der Rechtsverteidigung dargelegt und er auf die Möglichkeit der Kostenauferlegung bei Fortführung des Rechtsstreits hingewiesen worden ist.
Diese Voraussetzungen liegen hier vor. Die Kläger sind in der mündlichen Verhandlung vom 24.10.2014 auf die Aussichtslosigkeit der Fortführung des Rechtsstreits und die Missbräuchlichkeit der weiteren Rechtsverfolgung sowie auf die Möglichkeit der Kostenauferlegung bei Fortführung des Rechtsstreits hingewiesen worden. Sie haben den Rechtsstreit dennoch weiter fortgeführt und mit diesem Verhalten objektiv missbräuchlich gehandelt.
Eine missbräuchliche Rechtsverfolgung ist anzunehmen, wenn die Weiterführung des Rechtsstreits von jedem Einsichtigen als völlig aussichtslos angesehen werden muss (vgl. BVerfG Beschluss vom 19.12.2002 – 2 BvR 1255/02 – juris Rn. 3; Beschluss vom 03.07.1995 – 2 BvR 1379/95 – juris Rn. 10). Dies ist hier der Fall. Die Berufung der Kläger war – wie im Verhandlungstermin vom Senat ausführlich erläutert – bei rechtmäßig erhobener Einrede der Verjährung, aussichtslos. Die – anwaltlich vertretenen – Kläger haben diese Rechtslage verstanden und dennoch an ihrem Begehren festgehalten.
Die Höhe der Kostenbeteiligung hat der Senat durch Schätzung des Kostenaufwandes für die Fortführung des Berufungsverfahrens festgesetzt. Dabei hat er berücksichtigt, dass es sich bei § 192 SGG um eine Schadensersatzregelung handelt (vgl. Leitherer in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 11. Auflage 2014, § 192 Rn. 1a und Rn. 12 mwN), die bei Missbräuchlichkeit der Rechtsverfolgung das Privileg der staatlich finanzierten Kostenfreiheit des sozialgerichtlichen Verfahrens entfallen lässt und dazu führt, dass der Beteiligte die tatsächlichen Kosten für die weitere Bearbeitung des Rechtsstreits zu tragen hat (vgl. LSG Berlin-Brandenburg Urteil vom 29.02.2012 – L 29 AS 1144/11 – juris Rn. 66). Als verursachter Kostenbetrag gilt dabei mindestens der Betrag nach § 184 Abs. 2 SGG, somit für Verfahren vor dem Landessozialgericht ein Betrag von mindestens 225,00 Euro. Im Übrigen können die anfallenden Gerichtskosten geschätzt werden. Dabei sind neben den bei der Abfassung des Urteils entstehenden Kosten sämtlicher Richter und Mitarbeiter auch die allgemeinen Gerichtshaltungskosten zu berücksichtigen (vgl. Leitherer, a.a.O., § 192 Rn 14). Diese Kosten liegen in der Regel bei mindestens 1000,00 Euro (vgl. hierzu auch LSG Nordrhein-Westfalen Urteil vom 07.11.2011 – L 3 R 254/11 – juris Rn. 36; LSG Baden-Württemberg Beschluss vom 10.10.2011 – L 13 R 2150/10 – juris Rn. 22). Allein für das Absetzen des Urteils durch die Berichterstatterin sind mindestens vier Richterarbeitsstunden anzusetzen. Hinzu kommen die durch die Mitbefassung der Vorsitzenden verursachten mindestens zwei weiteren Richterarbeitsstunden. Der Wert einer Richterstunde wurde bereits 1986/1987 mit 350 bis 450 DM (dies entspricht ca. 180 bis 230 Euro) angesetzt (vgl. Landessozialgericht Baden-Württemberg Beschluss vom 10.10.2011 – L 13 R 2150/10 – juris Rn. 22 mwN). Selbst unter Berücksichtigung dieser für 1986/1987 geltenden Werte, die sich zwischenzeitlich aufgrund der allgemeinen Kostenentwicklung deutlich gesteigert haben dürften, sind somit allein für die zur Urteilsabsetzung erforderlichen Richterarbeitsstunden Kosten in Höhe von über 1000 Euro entstanden. Die den Klägern auferlegten Kosten in Höhe von 500,00 Euro liegen damit noch deutlich unter den Kosten, die sie mit der Weiterführung des Rechtsstreits tatsächlich verursacht haben. Bei der Bestimmung der Kostenhöhe hat der Senat zugunsten der Kläger deren – wie von ihnen angegeben – geringe Einkommensverhältnisse berücksichtigt.
Die Kostenentscheidung im Übrigen beruht auf § 193 SGG.
Der Senat hat die Voraussetzungen für die Zulassung der Revision (§ 160 Abs. 2 Nr. 1 oder 2 SGG) nicht als gegeben angesehen.
Erstellt am: 08.01.2015
Zuletzt verändert am: 08.01.2015