Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Münster vom 12.08.1999 wird zurückgewiesen. Kosten sind auch im zweiten Rechtszug nicht zu erstatten. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten über die Gewährung von Teilversorgung nach dem Bundesversorgungsgesetz (BVG).
Der am … geborene und seitdem in Ungarn lebende Kläger ist ungarischer Staatsbürger und ungarischer Volkszugehöriger. Im August 1947 wurde er bei der Explosion eines von ihm gefundenen, aus dem 2. Weltkrieg stammenden Artilleriegeschosses schwer verletzt. Die Splitterverletzung führte zur Erblindung des rechten Auges. Der Kläger führt auch den inzwischen eingetretenen Verlust der Sehkraft des rechten Auges und damit seine völlige Erblindung auf diese Granatsplitterverletzung zurück. Er bezieht wegen der Verletzung vom August 1947 ab 01.09.1994 nach dem ungarischen Gesetz Nr. XLV von 1994 über die Kriegsopferversorgung eine Kriegsinvalidenrente und ein Pflegegeld.
Im Februar 1997 beantragte der Kläger Versorgungsleistungen nach dem BVG. Der Beklagte lehnte den Antrag mit Bescheid vom 29.06.1998 und Widerspruchsbescheid vom 05.05.1999 mit der Begründung ab, der Kläger gehöre nicht zum Personenkreis des § 7 Abs. 1 BVG; die Voraussetzungen des § 8 BVG lägen ebenfalls nicht vor.
Der Kläger hat am 01.06.1999 Klage erhoben. Er hat die Auffassung vertreten, seine Verletzung sei eine Folge nachträglicher Auswirkungen kriegerischer Vorgänge, die einen kriegseigentümlichen Gefahrenbereich hinterlassen hätten (§ 5 Abs. 1 Buchst. e BVG); daher habe er Anspruch auf Versorgung nach dem BVG.
Der Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Mit Gerichtsbescheid vom 12.08.1999 hat das Sozialgericht Münster die Klage abgewiesen. Es hat eine unmittelbare Kriegseinwirkung mit der Begründung verneint, wesentliche Bedingung für die Schädigung sei das unverständige Handeln des Klägers gewesen. Ein Anspruch nach dem BVG bestehe auch schon deshalb nicht, weil der Kläger Leistungen nach ungarischem Recht beziehe (§ 7 Abs. 2 BVG).
Gegen das ihm am 30.08.1999 zugestellte Urteil hat der Kläger am 12.10.1999 Berufung eingelegt. Er trägt vor, er habe es als Vorschulkind nicht gewusst, dass er es mit einem Zündkörper zu tun gehabt habe, und meint, dass ihm deshalb Versorgung nach dem BVG zustehe. Er ist im übrigen der Auffassung, dass die Bundesrepublik Deutschland als Rechtsnachfolgerin des Deutschen Reiches für alle Folgen des Krieges einzustehen habe und dass der Deutsche Gesetzgeber eine Doppelversorgung nicht habe ausschließen wollen.
Der Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Er sieht zwar die Voraussetzungen des § 5 Abs. 1 Buchst. e BVG für gegeben an. Er meint außerdem, Ansprüche nach dem BVG seien nicht schon nach § 7 Abs. 2 BVG ausgeschlossen; eine entsprechende Feststellung hat er in einem während des Berufungsverfahrens am 30.11.1999 ergangenen Bescheid getroffen. Der Beklagte ist jedoch der Auffassung, dass die Berufung aus den in den angefochtenen Bescheiden genannten Gründen keinen Erfolg haben kann.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts wird auf den übrigen Inhalt der Streitsache sowie auf die den Kläger betreffende Verwaltungsakte des Beklagten Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Der Senat konnte durch Urteil entscheiden, obwohl der Kläger im Termin vom 28.11.2000 weder erschienen noch vertreten war. Der Kläger war mit der Terminsmitteilung auf diese Möglichkeit hingewiesen worden.
Die zulässige Berufung des Klägers ist nicht begründet. Der Kläger hat schon deshalb keinen Anspruch auf Teilversorgung nach dem BVG (§§ 64 bis 64e i.V.m. §§ 30 und 31 BVG), weil weder die personenmäßigen Voraussetzungen des § 7 Abs. 1 noch die des § 8 BVG vorliegen.
Nach § 7 Abs. 1 Nr. 1 und Nr. 2 BVG wird dieses Gesetz – unter dort näher genannten Voraussetzungen – auf Deutsche und deutsche Volkszugehörige angewendet. Zu diesem Personenkreis gehört der Kläger, der Ungar ist, nicht.
Nach § 7 Abs. 1 Nr. 3 BVG wird dieses Gesetz zwar auch angewendet auf andere Kriegsopfer, die ihren Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt im Geltungsbereich des BVG – also in Deutschland – haben, wenn die Schädigung mit einem Dienst im Rahmen der deutschen Wehrmacht oder militärähnlichem Dienst für eine deutsche Organisation in ursächlichem Zusammenhang steht oder in Deutschland oder einem zur Zeit der Schädigung von der deutschen Wehrmacht besetzten Gebiet durch unmittelbare Kriegseinwirkung eingetreten ist. Diese Voraussetzungen liegen beim Kläger jedoch ebenfalls nicht vor. Denn es fehlt schon daran, dass der Kläger seinen Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt in Deutschland hat.
Darüberhinaus kann allerdings in anderen als den in § 7 Abs. 1 bezeichneten, besonders begründeten Fällen mit Zustimmung des Bundesministers für Arbeit und Sozialordnung (BMA) Versorgung gewährt werden (§ 8 Satz 1 BVG). Dabei bedarf die allgemeine Einbeziehung einer Kriegsopfergruppe in den Anwendungsbereich des Gesetzes auch der Zustimmung des Bundesministers für Finanzen (§ 8 Satz 2 BVG).
Gemäß A III Buchst. a der Regelungen für die Versorgung von Kriegsopfern in Ost- und Südeuropa des BMA vom 07.12.1990 (Richtlinien Ost 1990 – VIa 4 – 53340-9 – liegt eine allgemeine Zustimmung (§ 8 Satz 2 BVG) für andere – d.h. nicht ehemalige Deutsche – Kriegsopfer vor, die die Voraussetzungen des § 7 Abs. 1 Nr. 3 mit Ausnahme des Wohnsitzes erfüllen. Von dieser allgemeinen Zustimmung wird der Kläger nicht erfaßt. Denn die Schädigung des Klägers stand nicht im Zusammenhang mit einem Dienst im Rahmen der deutschen Wehrmacht oder einem militärischen Dienst für eine deutsche Organisation. Auch ist die Schädigung nicht in Deutschland oder in einem zur Zeit der Schädigung von der deutschen Wehrmacht besetzten Gebiet durch unmittelbare Kriegseinwirkungen eingetreten. Der Unfall des Klägers hat sich vielmehr erst über zwei Jahre nach dem Ende des zweiten Weltkrieges ereignet.
Der Senat sieht auch keine sonstigen bedeutsamen Gründe dafür, in Abweichung von der allgemeinen Zustimmung des BMA beim Kläger einen besonders begründeten Fall i.S.v. § 8 BVG anzuerkennen. Ein solcher kann nur durch eine Beziehung zum BVG, insbesondere zu seinen Vorschriften über den anspruchsberechtigten Personenkreis (§ 7 BVG) inhaltlich bestimmt und begrenzt werden (BSG SozR 3100 § 8 Nrn. 1, 3 u. 5). Betrachtet man die Anforderungen des § 7 Abs. 1 Nr. 3 BVG unter diesem Gesichtspunkt, so ergibt sich, daß im Falle des Klägers von zwei kumulativ erforderlichen Voraussetzungen – einerseits jetziger Wohnsitz oder gewöhnlicher Aufenthalt in Deutschland, andererseits Dienst im Rahmen der deutschen Wehrmacht usw. oder unmittelbare Kriegseinwirkungen während der deutschen Besatzung – keine vorgelegen hat. Als Beziehung zum BVG bleibt nur eine unmittelbare Kriegseinwirkung (§ 1 Abs. 2 Buchst. a BVG) – allerdings erst nach der Beendigung der Besetzung durch deutsches Militär – im Sinne nachträglicher Auswirkungen kriegerischer Vorgänge, die einen kriegseigentümlichen Gefahrenbereich hinterlassen haben (§ 5 Abs. 1 Buchst. e BVG). Damit besteht zwar eine Beziehung zu einem Schädigungstatbestand des BVG, aber nicht zu den Vorschriften über den anspruchsberechtigten Personenkreis (§ 7 Abs. 1 BVG), worauf es nach der Rechtsprechung des BSG vor allem ankommt (BSG a.a.0.). Für eine Anwendung des § 8 BVG müßte der zur Entscheidung stehende Sachverhalt dem in § 7 Abs. 1 BVG geregelten ähnlich sein oder nahestehen. Das ist aber, wenn die für die Gewährung einer Entschädigung an ausländische Staatsangehörige aufgestellten Voraussetzungen in mehrfacher Hinsicht nicht erfüllt sind, nicht der Fall (BSG SozR 3100 § 8 Nr. 3).
Würde auch in einem solchen Fall Versorgungsschutz nach dem BVG bestehen, würde der Tatsache, dass § 8 BVG eine Ausnahmevorschrift ("besonders" begründeter Fall) ist, nicht ausreichend Rechnung getragen.
Der Senat hat nicht entschieden, ob der Wegfall etwaiger Ansprüche nach dem BVG wegen der Leistungen des ungarischen Staates nach dem Gesetz Nr. XLV von 1994 über die Kriegsopferversorgung (Verbot der Doppelversorgung § 7 Abs. 2 BVG; BSG SozR 3-3100 § 7 Nrn. 1, 2 u. 3, BSG-Urteile vom 28.07.1999 – B 9 V 19/98 R – und vom 03.02.1999 – B 9 V 9/98 R -) durch die Feststellung des Beklagten im Bescheid vom 30.11.1999 beeinflußt werden kann. Insoweit bedarf es keiner Entscheidung, da schon unter Berücksichtigung von §§ 7 Abs. 1 und 8 BVG kein Versorgungsanspruch nach deutschem Recht besteht.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 SGG.
Der Senat hat die Revision nicht zugelassen, da die Rechtssache nicht grundsätzliche Bedeutung hat und das Urteil nicht von höchstrichterlicher Rechtsprechung abweicht.
Erstellt am: 17.08.2003
Zuletzt verändert am: 17.08.2003