Die Antragsgegnerin wird im Wege der einstweiligen Anordnung verpflichtet, der Antragstellerin vorläufig für die Zeit vom 08.05.2019 bis 31.10.2019 monatliche Leistungen nach dem SGB II in gesetzlicher Höhe (Regelbedarf) zu gewähren. Im Übrigen wird der Antrag abgelehnt. Die Antragsgegnerin trägt 50 % der außergerichtlichen Kosten der Antragstellerin.
Gründe:
Der zulässige Antrag ist teilweise begründet.
Nach § 86b Abs. 2 S. 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) kann das Gericht der Hauptsache auf Antrag eine einstweilige Anordnung zur Regelung eines vorläufigen Zustandes in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis treffen, wenn eine solche Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile notwendig erscheint. Der Erlass einer einstweiligen Anordnung setzt somit voraus, dass ein materieller Anspruch besteht, für den vorläufiger Rechtsschutz begehrt wird (sog. Anordnungsanspruch) und dass der Erlass einer gerichtlichen Entscheidung besonders eilbedürftig ist (sog. Anordnungsgrund). Eilbedarf besteht, wenn dem Betroffenen ohne die Eilentscheidung eine erhebliche, über Randbereiche hinausgehende Verletzung in seinen Rechten droht, die durch die Entscheidung in der Hauptsache nicht mehr beseitigt werden kann (vgl. BVerfG, Beschluss vom 12.05.2005 – 1 BvR 569/05 Rn. 23; BVerfG, Beschluss vom 16.05.1995 – 1 BvR 1087/91 Rn. 28). Der gemäß Art. 19 Abs. 4 Grundgesetz (GG) von den Gerichten zu gewährende effektive Rechtsschutz bedeutet auch Rechtsschutz innerhalb angemessener Zeit. Daraus folgt, dass gerichtlicher Rechtsschutz namentlich in Eilverfahren so weit wie möglich der Schaffung solcher vollendeter Tatsachen zuvorzukommen hat, die dann, wenn sich eine Maßnahme bei (endgültiger) richterlicher Prüfung als rechtswidrig erweist, nicht mehr rückgängig gemacht werden können (BVerfG, Beschluss vom 16.05.1995 – 1 BvR 1087/91 Rn. 28). Der von der Antragstellerin geltend gemachte Anordnungsanspruch und die Eilbedürftigkeit sind glaubhaft zu machen (§ 86b Abs. 2 S. 4 SGG in Verbindung mit §§ 920 Abs. 2, 294 Abs. Zivilprozessordnung (ZPO)). Für die Glaubhaftmachung genügt es, wenn die tatsächlichen Voraussetzungen von Anordnungsanspruch und Anordnungsgrund überwiegend wahrscheinlich sind (vgl. BSG, Beschluss vom 08.08.2001 – B 9 V 23/01 B). Ob ein Anordnungsanspruch vorliegt, ist in der Regel durch summarische Prüfung der Erfolgsaussichten in der Hauptsache zu ermitteln. Können ohne die Gewährung von Eilrechtsschutz jedoch schwere und unzumutbare Nachteile entstehen, die durch das Hauptsacheverfahren nicht mehr zu beseitigen wären, ist eine abschließende Prüfung erforderlich (BVerfG, Beschluss vom 12.05.2005 – 1 BvR 569/05). Liegt ein Anordnungsanspruch nicht vor, ist ein schützenswertes Recht zu verneinen und der Eilantrag abzulehnen. Hat die Hauptsache hingegen offensichtlich Aussicht auf Erfolg, ist dem Eilantrag stattzugeben, wenn die Angelegenheit eine gewisse Eilbedürftigkeit aufweist. Bei offenem Ausgang muss das Gericht anhand einer Folgenabwägung entscheiden, die die grundrechtlichen Belange des Antragstellers umfassend einstellt (BVerfG a.a.O. Rn 26; vgl. auch Keller in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, a.a.O. Rn 29, 29a).
Der Antragstellerin sind im Rahmen der Folgenabwägung SGB II-Leistungen zu gewähren. Ob ein Anordnungsanspruch besteht, vermag die Kammer nicht abschließend zu beurteilen. Die Antragstellerin gehört dem Grunde nach zu dem Personenkreis, für den Leistungen des SGB II vorgesehen sind. Im einstweiligen Rechtsschutzverfahren nicht abschließend zu klären ist hingegen die Frage, ob die Antragstellerin die weitere Voraussetzung des § 7 Abs. 1 S. 1 Nr. 3 SGB II i.V.m. § 9 Abs. 1 SGB II erfüllt, d.h. bei ihr Hilfebedarf besteht. Die Kammer vermochte im Rahmen der im einstweiligen Rechtsschutzverfahren möglichen Prüfungsdichte nicht aufzuklären, ob die Antragstellerin mit Herrn L eine Bedarfsgemeinschaft i.S.d. § 7 Abs. 3 Nr. 3 lit. c SGB II bildet und in welchem Umfang hierdurch ggf. die Hilfebedürftigkeit entfällt. Hierzu werden im Rahmen des Hauptsacheverfahrens weitere Ermittlungen anzustellen sein. Die Folgenabwägung (vgl. BVerfG, Beschluss vom 12.05.2005 – 1 BvR 569/05) fällt zugunsten der Antragstellerin aus. Hierbei sind insbesondere die Bedeutung der beantragten Leistungen für die Antragstellerin gegen die fiskalischen Interessen der Antragsgegnerin, die vorläufig erbrachten Leistungen im Fall des Obsiegens in der Hauptsache möglicherweise nicht zurückzuerhalten, abzuwägen. Das Interesse der Antragsgegnerin muss im konkreten Fall hinter den Interessen der Antragstellerin zurücktreten. In Anbetracht dessen, dass die Leistungen zur Grundsicherung für Arbeitssuchende nach dem SGB II der Sicherstellung eines menschenwürdigen Lebens dienen, kann der Antragstellerin im Lichte des in Art. 1 i.V.m. Art. 19 Abs. 4 des GG verankerten Gebots des effektiven Rechtschutzes und der Menschenwürde nicht zugemutet werden, ohne ausreichende staatliche Existenzsicherung eine Entscheidung in der Hauptsache abzuwarten (LSG NRW, Beschluss vom 03.04.2013 – L 7 AS 2403/12 B).
Demgegenüber entstehen bei der Antragsgegnerin "nur" finanzielle Nachteile, wenn die Antragstellerin im Hauptsacheverfahren mit ihrem Begehren nicht durchdringen sollte.
Gründe II:
Der Anordnungsgrund hinsichtlich des Regelbedarfes ergibt sich bereits aus dem Wesen des SGB II als existenzsichernde Leistung.
Der Antrag war jedoch abzulehnen soweit die Bedarfe der Unterkunft und Heizung betroffen sind. Eine konkrete Gefährdung der gemeinsam mit Herrn L angemieteten Wohnung ist nicht glaubhaft gemacht worden, insbesondere dass gegenüber dem Vermieter bereits Mietrückstände entstanden sind. Auch wenn nicht schematisch auf das Vorliegen einer fristlosen Kündigung abzustellen ist, ist für das Vorliegen eines Anordnungsgrundes weiterhin eine konkrete Gefährdung der Wohnung erforderlich.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 Abs. 1 SGG analog.
Erstellt am: 08.11.2019
Zuletzt verändert am: 08.11.2019