Die Beklagte wird verpflichtet, den Bescheid vom 06.10.2014 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 20.11.2014 abzuändern und den Klägern in der Zeit vom 01.04.2014 bis 30.09.2014 monatlich weitere Kosten der Unterkunft und Heizung in Höhe von 400,00 Euro zu gewähren. Die Beklagte trägt die außergerichtlichen Kosten der Kläger.
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten über die Höhe der zu gewährenden Kosten der Unterkunft und Heizung. Die XXXX, XXXX, XXXX und XXXX geborenen Kläger beantragten am 10.04.2014 Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II) bei der Beklagten. Der Kläger zu 1) hatte bis zum 13.04.2014 ALG I bezogen. Die Kläger zu 1) und zu 2) waren je zu ½ Miteigentümer des Mehrfamilienhauses V. 7 in C gewesen. Am 19.02.2014 schlossen die Kläger zu 1) und 2) mit ihrem Sohn, dem Zeugen G L, einen notariellen Kaufvertrag, in dem sie ihm das Haus zu einem Kaufpreis von 144.000,00 Euro veräußerten. Der Kaufpreis wurde komplett zur Tilgung der auf dem Haus lastenden Darlehensverbindlichkeiten verwendet. In § 5 des Kaufvertrages war vorgesehen, dass sich die Kläger zu 1 und 2) an den gesamten Wohnräumen des Obergeschosses ein lebenslanges Wohnrecht vorbehalten, welches auch in das Grundbuch eingetragen werden sollte. Ferner war vorgesehen, dass die auf das Wohnrecht anfallenden Nebenkosten wie Wasser, Kanal, Müllabfuhr und Heizkosten von den Klägern zu 1) und 2) getragen werden sollten. Bei der Antragstellung legten die Kläger einen Mietvertrag mit dem Zeugen vor, wonach sie ab 01.04.2014 eine Grundmiete von 400,00 Euro, Nebenkosten i.H.v. 130,00 Euro und Heizkosten i.H.v. 174,00 Euro an den Zeugen zu zahlen haben. Die Beklagte bat um Darlegung, aus welchen Gründen das Haus so kurz vor Beantragung der SGB II-Leistungen veräußert worden sei. Der Kläger zu 1) gab hierzu an, dass er sich die Hausfinanzierung nach Kündigung seines Arbeitsverhältnisses im Jahre 2012 nicht mehr habe leisten können. Er habe das Haus damals schon veräußern wollen. Der Zeuge sei an einem Erwerb interessiert gewesen, da dieser jedoch nur einen befristeten Arbeitsvertrag gehabt habe, habe er keine Finanzierung erhalten. Erst am 17.01.2014 habe dieser einen unbefristeten Arbeitsvertrag erhalten, so dass er das Haus dann finanzieren konnte. Einen entsprechenden Beleg legte der Kläger zu 1) vor. Die Beklagte bewilligte daraufhin mit Bescheid vom 28.06.2014 für die Zeit vom 01.04.2014 bis 30.09.2014 SGB II-Leistungen ohne jedoch die Grundmiete als Bedarf zu berücksichtigen. Hiergegen legte die Kläger Widerspruch ein. Trotz des lebenslangen Wohnrechts sei die Miete zu zahlen. Der Notar X, der den Kaufvertrag beurkundet hatte, teilte der Beklagten auf Veranlassung der Kläger mit, dass das dingliche Wohnrecht von Gesetz her immer unentgeltlich sei, die Vertragsparteien daneben jedoch schuldrechtliche Vereinbarungen wie z.B. einen Mietvertrag treffen könnten. Der Kaufvertrag sage hierzu nichts aus, da schuldrechtliche Vereinbarungen nicht zum Inhalt der beschränkt persönlichen Dienstbarkeit gemacht werden könnten. Die Beklagte wies den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 29.07.2014 als unbegründet zurück. Voraussetzung für die Übernahme der Miete sei, dass diese auch tatsächlich entstehen würde. Dies sei hier nicht der Fall, da hier die Unterkunft unentgeltlich gewährt werden müsse. Lediglich die Neben- und Heizkosten müssten übernommen werden, da dies der Kaufvertrag vorsehe. Auch sei eine Zahlung der Miete nicht nachgewiesen. Ferner sei auch der enge zeitliche Zusammenhang zwischen Hausverkauf und Beantragung der SGB II-Leistungen zu sehen. Dieser Bescheid wurde zunächst bestandkräftig. Am 08.09.2014 teilte die Beklagte den Klägern mit, dass die Heizkosten unangemessen seien und ab dem 01.04.2015 nur noch die angemessenen Kosten in Höhe von 156,48 Euro monatlich übernommen werden könnten. Am 17.09.2014 beantragte der Klägerbevollmächtigte die Überprüfung des Bewilligungsbescheides vom 28.06.2014 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 29.07.2014 nach § 44 SGB X. Er machte geltend, dass die Kaltmiete in Höhe von 400,00 Euro zu übernehmen sei. Hätte es den Hausverkauf nicht gegeben, hätten zumindest die Darlehenszinsen übernommen werden müssen. Den Überprüfungsantrag lehnte die Beklagte mit Bescheid vom 06.10.2014 ab, der hiergegen gerichtete Widerspruch vom 31.10.2014 blieb erfolglos. Ergänzend zur bisherigen Argumentation verweist die Beklagte in dem Widerspruchsbescheid vom 20.11.2014 noch auf einen Beschluss des LSG Baden-Württemberg, L 12 AS 4387/10, wonach die Voraussetzung zur Übernahme von Unterkunftskosten sei, dass der Hilfebedürftige einer konkreten Zahlungsverpflichtung ausgesetzt sei, was vorliegend nicht der Fall sei. Auch wenn vorliegend ein Mietvertrag bestehe, verstoße dieser nach § 138 BGB gegen die guten Sitten, da dieser in erster Linie darauf angelegt sei die Vermögensverhältnisse zum Schaden der Träger der Leistungen nach dem SGB II und damit auf Kosten der Allgemeinheit zu regeln. Die Kläger könnten ihren Unterkunftskostenbedarf durch das eingeräumte Wohnrecht decken, da der Zeuge die Ausübung dulden müsse ohne hierfür eine gesonderte Entschädigung verlangen zu können. Hiergegen haben die Kläger am 17.12.2014 Klage erhoben. Die Kläger sind der Auffassung, dass die von der Beklagten zitierte Entscheidung eine andere Fallkonstellation betreffe. Außerdem verstoße der Mietvertrag nicht gegen die guten Sitten, da dieser überhaupt Grundlage dafür gewesen sei, dass der Zeuge bereit gewesen sei das Haus zu erwerben. Da er Darlehnsverbindlichkeiten habe eingehen müssen, habe er diese in Form von Mieteinnahmen refinanzieren müssen.
Die Kläger beantragen,
die Beklagte zu verpflichten, den Bescheid vom 06.10.2014 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 20.11.2014 abzuändern und den Klägern in der Zeit vom 01.04.2014 bis 30.09.2014 monatlich weitere Kosten der Unterkunft und Heizung in Höhe von 400,00 Euro zu gewähren.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Die Beklagte ist weiterhin der Auffassung, dass der Mietvertrag gegen die guten Sitten verstoße und daher gem. § 138 BGB nichtig sei. Im Übrigen vertieft sie ihren bisherigen Vortrag.
Die Kammer hat zu Beweiszwecken den Produktionsarbeiter G I uneidlich als Zeugen vernommen. Wegen der Einzelheiten wird auf die Sitzungsniederschrift vom 30.05.2016 verwiesen.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakte sowie der beigezogenen Verwaltungsakten der Beklagten Bezug genommen, welche Gegenstand der mündlichen Verhandlung waren.
Entscheidungsgründe:
Die zulässige Klage ist begründet. Die angefochtenen Bescheide sind rechtwidrig und beschweren die Kläger in ihren Rechten gemäß § 54 Abs. 2 Satz 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG). Den Klägern stehen trotz der bindend gewordenen Bescheide für die Zeit vom 01.04.2014 bis 30.09.2014 höhere Leistungen nach dem SGB II zu, da die entsprechenden Bewilligungsbescheide i.S.d. § 44 SGB X rechtswidrig waren und ihnen deshalb Sozialleistungen zu Unrecht nicht erbracht worden sind. Die Kläger haben einen Anspruch auf Übernahme von höheren Kosten der Unterkunft und Heizung. Die Kläger erfüllen die Leistungsvoraussetzungen des § 7 Abs. 1 Satz 1 SGB II, insbesondere sind sie hilfebedürftig i.S.d. § 9 SGB II. Die Kläger haben einen Anspruch auf Übernahme der Grundmiete in Höhe von 400,00 Euro monatlich gem. § 22 Abs. 1 Satz 1 SGB II. Nach dieser Vorschrift werden Leistungen für Unterkunft und Heizung in Höhe der tatsächlichen Aufwendungen erbracht, wenn diese angemessen sind. Dies setzt voraus, dass der Hilfebedürftige einer konkreten Zahlungsverpflichtung ausgesetzt ist (BSG, Urteil vom 20.08.2008, B 14 AS 38/08 R). Nach Auffassung der Kammer ist dies vorliegend der Fall. Die schuldrechtliche Mietvereinbarung kann neben dem unentgeltlichen Wohnrecht nach § 1093 BGB bestehen (vgl. Alpmann in: Herberger/Martinek/Rüßmann u.a., jurisPK-BGB, 7. Aufl. 2014, § 1093 BGB Rdn. 9). Dies ist auch zwischen den Parteien nicht mehr streitig. Der mit dem Zeugen geschlossene Mietvertrag ist nicht nach § 138 BGB nichtig. Ein Verstoß gegen die guten Sitten liegt nicht vor. Der Mietvertrag war nicht nach Inhalt, Zweck und Beweggrund in erster Linie darauf angelegt, Vermögensverhältnisse zum Schaden des SGB II-Trägers und damit auf Kosten der Allgemeinheit zu regeln. Der Zeuge hat glaubhaft und nachvollziehbar dargelegt, dass für ihn die Mietzahlungen der Kläger unabdingbare Voraussetzung für den Erwerb des Hauses waren. Er war verpflichtet einen Kaufpreis für das Haus zu zahlen und musste hierfür Darlehensverbindlichkeiten eingehen. Diese konnte er alleine aus seinem Einkommen als Produktionsarbeiter nicht aufbringen, zumal er von seinem Einkommen auch den Lebensunterhalt seiner Ehefrau und seines Kindes sicherstellen muss. Auch wenn sich der Notar X –verständlicherweise- nicht mehr an die Einzelheiten der Vertragsverhandlungen erinnern kann, hat der Zeuge glaubhaft ausgeführt, wie er bereits bei den Kaufvertragsverhandlungen die Mietzinszahlungen thematisiert hat. So hat er seine Verwunderung geschildert, dass in dem Kaufvertrag die Kläger zu 1) und 2) nur zur Übernahme von Neben- und Heizkosten verpflichtet werden, nicht jedoch zur Zahlung der Grundmiete und wie ihm der Notar versichert habe, dass es kein Problem sei, dass die Kläger trotzdem zusätzlich eine Miete zahlen. Auch die Zeitnähe zwischen Beantragung der SGB II-Leistungen und dem Verkauf des Hauses und Abschluss des Mietvertrages spricht vorliegend nicht für eine zielgerichtete Handlung zu Lasten des SGB II-Trägers. Für die Kammer ist es nachvollziehbar, dass der Zeuge mit einem befristeten Arbeitsvertrag keinen Kredit für den Hauskauf erhalten konnte. Die Kläger haben nachgewiesen, dass der Arbeitsvertrag des Zeugen im Januar 2014 entfristet worden ist. Im Februar 2014 erfolgte dann der Verkauf des Hauses. Die Beantragung der SGB II-Leistungen im April 2014 ist alleine dem Auslaufen des ALG I-Anspruches geschuldet. Das zeitliche Zusammentreffen ist letztendlich zufällig. Gegen eine Schädigungsabsicht spricht auch, dass die Beklagte ohnehin Kosten der Unterkunft und Heizung in Höhe der Darlehenszinsen hätte bewilligen müssen, wenn die Kläger das Haus nicht verkauft hätten. Die Kammer sieht sich auch nicht im Widerspruch zu der von der Beklagten angeführten Entscheidung des LSG Baden-Württemberg vom 08.02.2011, L 12 AS 4387/10. In der dortigen Fallgestaltung hat der Vermieter (Sohn der Kläger) das Hauseigentum unentgeltlich durch eine Erbschaft erlangt. Die dortige Klägerin hatte zu Gunsten ihres Sohnes auf ihren Pflichtteil verzichtet. Darlehnsverbindlichkeiten bestanden offensichtlich keine mehr, so dass der Vermieter keinen laufenden monatlichen Belastungen ausgesetzt war. Hätte die Klägerin selbst geerbt, hätte sie außer den Neben- und Heizkosten keine weiteren Unterkunftskosten zahlen müssen. Der dortige Beklagte hätte daher über diese Kosten hinaus keine weiteren Unterkunftskosten bewilligen müssen. Das LSG Baden-Württemberg hat in dieser Konstellation zutreffend die Schlussfolgerung gezogen, dass die Kläger den Mietvertrag alleine geschlossen haben um ihrem Sohn zu Lasten des SGB II-Trägers eine weitere Einnahmequelle zu erschließen, zumal das bestehende Wohnrecht dort zunächst auch bewusst verschwiegen worden war. Die Kammer hat auch keine Veranlassung gesehen, von einem Scheingeschäft i.S.d. § 117 Abs. 1 BGB auszugehen. Auf die bisherigen Ausführungen wird verwiesen. Da die Kläger über einen wirksamen Mietvertrag verfügen, schulden sie ab 01.04.2014 die Zahlung einer Grundmiete in Höhe von 400,00 Euro monatlich. Diese Kosten sind als tatsächliche Aufwendungen nach § 22 Abs. 1 Satz 1 SGB II von der Beklagten bei der Leistungsbewilligung zu berücksichtigen.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 SGG.
Die Berufung ist gem. § 144 Abs. 1 Nr. 1 SGG zulässig, da der Beschwerdewert 750 Euro übersteigt.
Erstellt am: 24.05.2017
Zuletzt verändert am: 24.05.2017