Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Dortmund vom 05.04.2017 wird zurückgewiesen. Kosten sind auch im zweiten Rechtszug nicht zu erstatten. Die Revision wird nicht zugelassen.
Gründe:
I.
Streitig ist Krankengeld für die Zeit vom 20.05. bis zum 29.11.2015.
Der 1966 geborene Kläger ist bei der Beklagten krankenversichert. Vom 08.06.2013 bis zum 07.06.2014 bezog er Arbeitslosengeld nach dem Dritten Buch Sozialgesetzbuch. Ab dem 02.06.2014 war er wegen unterschiedlicher Leiden durchgehend arbeitsunfähig erkrankt und erhielt von der Beklagten ab dem 08.06.2014 Krankengeld. Die Krankschreibung erfolgte regelhaft durch den Facharzt für Psychiatrie und Psychotherapie Dr. A auf Grund einer schweren depressiven Episode ohne psychotische Symptome, zuletzt am 04.05.2015 für die Zeit bis zum 18.05.2015. Am 17.05.2015 bescheinigte dann der Hausarzt D dem Kläger Arbeitsunfähigkeit für die Zeit vom 18. bis 19.05.2015 wegen einer akuten Infektion der oberen Atemwege und Fieber. Dr. A suchte der Kläger erst wieder am 20.05.2015 auf. Dieser bescheinigte erneut Arbeitsunfähigkeit wegen schwerer depressiver Episode ohne psychotische Symptome und wegen einer Somatisierungsstörung. Mit Bescheid vom 26.05.2015 bewilligte die Beklagte dem Kläger Krankengeld bis zum 19.05.2015. Darüber hinaus bestehe kein Anspruch mehr, da die Arbeitsunfähigkeit lediglich bis zum 19.05.2015 durchgehend bescheinigt worden sei. Die Pflichtmitgliedschaft in der Krankenversicherung, die nur noch auf Grund des Krankengeldbezuges bestanden habe, habe somit am 19.05.2015 geendet. Den hiergegen eingelegten Widerspruch wies die Beklagte zurück (Widerspruchsbescheid vom 11.06.2015).
Zur Begründung seiner dagegen gerichteten Klage hat der Kläger vorgetragen, er sei am 19.05.2015 nicht in der Lage gewesen, einen Arzt aufzusuchen oder wegen eines Hausbesuchs anzurufen. Er pflege seine schwerkranke Mutter, was ihn erheblich psychisch belaste. Erst am 20.05.2015 habe er sich wieder etwas besser gefühlt, sodass er wieder einen Arzt habe aufsuchen können. Es habe bereits 2014 erhebliche Probleme mit der Beklagten wegen des Krankengeldbezugs gegeben. Auch der hieraus resultierende Stress habe ihn sehr belastet.
Das Sozialgericht (SG) Dortmund hat zur Klärung der gesundheitlichen Verhältnisse des Klägers Befundberichte eingeholt und ausgewertet. Anschließend hat es die Klage abgewiesen (Urteil vom 05.04.2017). Der Kläger habe keinen Anspruch auf Krankengeld über den 19.05.2015 hinaus. Die Voraussetzungen für die Bewilligung von Krankengeld seien bei zeitlich befristeter Bescheinigung der Arbeitsunfähigkeit für jeden Zeitabschnitt erneut und gesondert festzustellen (Bundessozialgericht (BSG), Urteil vom 16.12.2014 – B 1 KR 19/14 R -; Urteil vom 26.06.2007 – B 1 KR 8/07 R-). Notwendig seien somit fortlaufende Bescheinigungen (§ 192 Abs. 1 Nr. 2 SGB V); allein das objektive Vorliegen der Arbeitsunfähigkeit genüge nicht (BSG, Urteil vom 02.11.2007 – B 1 KR 38/06 R -; Urteil vom 08.11.2005 – B 1 KR 30/04 R -). Daran fehle es hier. Dem Kläger sei am 17.05.2015 Arbeitsunfähigkeit bis zum 19.05.2015 bescheinigt worden. Eine neue Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung habe Dr. A dem Kläger erst am 20.05.2015 ausgestellt. Nach der im Mai 2015 noch gültigen, alten Rechtslage sei ein Anspruch auf Krankengeld erst ab dem Tag (neu) entstanden, der dem Tag der Feststellung der Arbeitsunfähigkeit folge (§ 46 Satz 1 Nr. 2 Fünftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB V) in der Fassung vom 17.07.2009, gültig vom 01.08.2009 bis 22.07.2015). Die Bescheinigung von Dr. A hätte damit erst ab dem 21.05.2015 zu einem neuen Anspruch auf Krankengeld führen können. Zu diesem Zeitpunkt sei der Kläger aber nur noch freiwilliges Mitglied der Beklagten ohne Anspruch auf Krankengeld gewesen. Die Folgen der unterbliebenen oder nicht rechtzeitigen ärztlichen Feststellung der Arbeitsunfähigkeit seien grundsätzlich vom Versicherten zu tragen. Eine Ausnahme hiervon komme nur dann in Betracht, wenn ein Versicherter wegen Geschäfts- oder Handlungsunfähigkeit nicht mehr in der Lage gewesen sei, einen Arzt aufzusuchen und kein Vertreter bestellt gewesen sei oder die Beklagte bzw. der Arzt eine weitere Krankschreibung verhindert habe, soweit der Versicherte alles Zumutbare unternommen habe, um eine Krankschreibung zu erhalten (BSG, Urteil vom 02.11.2007 – B 1 KR 38/06 R -; Urteil vom 08.11.2005 – B 1 KR 30/04 R -). Ein solcher Ausnahmetatbestand sei hier nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme und unter eingehender Würdigung des Vortrags der Beteiligten nicht gegeben. Der Kläger habe am 19.05.2015 – wie bereits in den Vormonaten – an einer schweren depressiven Episode gelitten. Diese Erkrankung habe nach den widerspruchsfreien Feststellungen des behandelnden Facharztes für Psychiatrie und Psychotherapie Dr. A nicht zu einer Störung der Geistestätigkeit oder einer Beeinflussung der freien Willensbildung des Klägers geführt. Vielmehr hätten sich bei der Untersuchung am 20.05.2015 keine Auffälligkeiten gezeigt; der Zustand des Klägers sei gegenüber früher unverändert gewesen. Aus dem Befundbericht des Hausarztes D folge keine abweichende Beurteilung des Gesundheitszustandes. Zwar habe der Hausarzt einen akuten Infekt der Atemwege diagnostiziert und die Ansicht vertreten, der Kläger sei dadurch vom 17. bis 20.05.2015 gehindert gewesen, seinen Alltag selbstständig zu regeln. Dies stehe jedoch im Widerspruch zum Vortrag des Klägers, sich in diesem Zeitraum intensiv um die Pflege seiner Mutter gekümmert zu haben. Zudem habe der Kläger am 20.05.2015 sowohl den Hausarzt als auch seinen Psychiater aufsuchen können. Die weitere Einschätzung des Hausarztes, es sei wegen der schweren Depressionen fraglich, ob der Kläger im vorgenannten Zeitraum in der Lage gewesen sei, behördliche Angelegenheiten zu regeln, werde nicht durch die erhobenen Befunde gestützt. Denn ausweislich der Patientenkartei habe der Hausarzt D am 17.05.2015 keine Depression diagnostiziert und am 20.05.2015 lediglich eine mittelgradige depressive Episode. Zusammenfassend beständen daher keinerlei Anhaltspunkte dafür, dass der Kläger sich am 19.05.2015 krankheitsbedingt nicht mit der erforderlichen Sorgfalt um seine Angelegenheiten habe kümmern können. Ebenfalls bestände kein Anhalt dafür, dass ein behandelnder Arzt oder die Beklagte die rechtzeitige, erneute Krankschreibung des Klägers verhindert haben.
Das Urteil ist dem Kläger am 26.05.2017 zugestellt worden. Er hat hiergegen am 19.06.2017 Berufung eingelegt und vorgetragen: Bei der Bewertung des Befundberichts von Dr. A habe sich ein "Missverständnis eingeschlichen". Dr. A stelle diesen Fehler mit dem der Berufungsschrift beigefügten Attest vom 08.05.2017 richtig. Danach habe bei ihm am 20.05.2017 eine "fortgesetzte schwere depressive Störung mit Handlungsunfähigkeit" vorgelegen.
Der Kläger beantragt schriftsätzlich,
das Urteil des SG Dortmund vom 05.04.2017 abzuändern und die Beklagte unter Abänderung des Bescheides vom 26.05.2015 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 11.06.2015 zu verurteilen, ihm Krankengeld für die Zeit vom 20.05.2015 bis zum 29.11.2015 zu gewähren.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Zur Begründung nimmt sie Bezug auf die Entscheidungsgründe des Urteils des SG sowie die Ausführungen im angefochtenen Bescheid und Widerspruchsbescheid. Aus der erst mit der Berufung vorgelegten Bescheinigung von Dr. A ergebe sich nichts anderes. Die darin erstmals behaupteten Einschränkungen der Handlungs- und Geschäftsfähigkeit stünden im Widerspruch zu dem Befundbericht vom 11.04.2016 desselben Arztes. Zudem treffe der Mediziner nur eine Bewertung für den Untersuchungstag, d.h. den 20.05.2015, nicht jedoch für den hier relevanten Vortag.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakten sowie der Verwaltungsvorgänge der Beklagten Bezug genommen.
II.
Der Senat kann über die Berufung des Klägers nach § 153 Abs. 4 Sozialgerichtsgesetz (SGG) durch Beschluss entscheiden, weil er die Berufung einstimmig für unbegründet hält und eine mündliche Verhandlung entbehrlich ist. Der Kläger ist auf dieses Vorgehen vom Senat mit Verfügung vom 14.05.2018 – zugestellt am 24.05.2018 – hingewiesen worden. Eine Stellungnahme hierzu hat er zwar angekündigt, doch trotz der gesetzten Nachfrist nicht abgegeben.
Die zulässige Berufung ist nicht begründet. Das SG hat die Klage zu Recht abgewiesen, denn der Bescheid der Beklagten vom 26.052015. in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 11.06.2015 ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten (§ 54 Abs. 2 Satz 1 SGG). Der Kläger hat keinen Anspruch auf Krankengeld über den 19.05.2015 hinaus. Zur Begründung nimmt der Senat nach eigener Prüfung zur Vermeidung von Wiederholungen auf die Entscheidungsgründe des erstinstanzlichen Urteils Bezug (§ 153 Abs. 2 SGG).
Der Vortrag des Klägers im Berufungsverfahren gibt keinen Anlass, hiervon abzuweichen. Der Kläger macht geltend, das die Klage abweisende Urteil beruhe auf einem "Missverständnis" bzw. "Fehler". Mit dem im Berufungsverfahren zu den Akten gereichten Attest vom 08.05.2017 stelle sein behandelnder Psychiater Dr. A klar, dass er – der Kläger – am 20.05.2015 an einer "schweren depressiven Störung" litt, die seine Handlungsunfähigkeit zur Folge gehabt habe. Selbst wenn man dies als zutreffend unterstellen würde, könnte der Klage nicht stattgegeben werden, denn auf eine Handlungsunfähigkeit, die möglicherweise am 20.05.2015 beim Kläger vorgelegen hat, kommt es nicht an. Um fortlaufend seine Arbeitsunfähigkeit nachzuweisen, hätte er sich nämlich nicht erst am 20.05.2015 von einem Arzt die Arbeitsunfähigkeit bescheinigen lassen müssen, sondern bereits am 19.05.2015. Zu diesem (Vor-)Tag verhält sich das Attest von Dr. A indes nicht. Im Übrigen bietet das Attest vom 08.05.2017 auch keinen tatsächlichen Anhalt dafür, dass der Kläger (zumindest) am 20.05.2015 handlungs- oder geschäftsunfähig gewesen sein könnte. Das Attest von Dr. A enthält nämlich keine Befunde, Diagnosen o.ä., die von seinem Befundbericht vom 11.04.2016 abweichen. Damals aber gab Dr. A auf die Frage des Gerichtes, ob der Kläger aufgrund der bei ihm bestehenden Gesundheitsstörungen im Zeitraum vom 17. bis zum 20.05.2015 gehindert gewesen sei, seinen Alltag eigenständig zu regeln oder seine Angelegenheiten zu organisieren, an: "Der Kläger wurde von mir am 20.05.2015 untersucht. Dabei wurde festgestellt, dass der Zustand des Klägers sich nicht geändert hat. Es bestand weiterhin Arbeitsunfähigkeit". Auf die Frage des Gerichts, ob der Kläger in diesem Zeitraum in der Lage gewesen sei zu lesen, den Inhalt von Schreiben zu erfassen oder behördliche Angelegenheiten zu regeln, erklärte der Arzt: "Es bestand keine zusätzlichen Auffälligkeiten. Wie oben geschrieben ist, war der Zustand wie früher. Es lagen keine Änderungen vor.". Schließlich antwortete Dr. A auf die Frage des SG, ob eine krankhafte Störung der Geistestätigkeit vorgelegen habe und dadurch die freie Willensbildung des Klägers ausgeschlossen gewesen sei, er also nicht mehr der Lage gewesen sei, seine Entscheidung von vernünftigen Erwägungen abhängig zu machen: "Es lag kein Störung der Geistestätigkeit vor." und "Er war in der Lage, seinen Willen frei und unbeeinflusst zu bilden.". Die davon (scheinbar) abweichende Aussage von Dr. A, der Kläger sei "am 20.05.2015" "handlungsunfähig" gewesen, stellt somit eine unzutreffende rechtliche Bewertung des Arztes in Bezug auf die von ihm selbst erhobenen und geschilderten Befunde und die gestellten Diagnosen dar. Dies wird dadurch bestätigt, dass Dr. A angibt, der "Zustand" des Klägers habe sich während der von im Zeitraum vom 12.08.2014 bis 11.04.2016 festgestellten Arbeitsunfähigkeit "nicht geändert". Dass während dieser gesamten Zeit Handlungsunfähigkeit vorlag, behaupten aber weder Dr. A noch der Kläger. Gegen Handlungs- und/oder Geschäftsunfähigkeit am von Dr. A bescheinigten 20.05.2015 spricht abschließend, dass selbst der Kläger vorträgt, an diesem Tag sei es ihm besser gegangen, so dass er sich sowohl bei Dr. A als auch bei seinem Hausarzt zur Untersuchung habe vorstellen können. Der geltend gemachte Krankengeldanspruch trotz unterbliebener rechtzeitiger erneuter Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung besteht somit nicht (vgl. zur Rspr. des BSG: Urteil vom 11.05.2017 – B 3 KR 22/15 R – m.w.N.).
Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 193, 183 SGG.
Die Voraussetzungen für die Zulassung der Revision liegen nicht vor (§ 160 Abs. 2 SGG).
Erstellt am: 04.12.2018
Zuletzt verändert am: 04.12.2018