Der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung wird abgelehnt. Die Beteiligten haben einander keine Kosten zu erstatten.
Gründe:
Mit seinem am 31.05.2019 erhobenen Eilantrag begehrt der Antragsteller erneut die Verpflichtung des Antragsgegners zur Gewährung eines Zuschusses in Höhe von 160,00 EUR zum Zwecke einer Ausweisneubeschaffung sowie der Gewährung von Leistungen nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch – Grundsicherung für Arbeitsuchende – (SGB II). Der Antragsteller hatte bereits in der Vergangenheit unter den Aktenzeichen S 67 AS 1017/18 Er, S 67 AS 5166/18 ER und S 67 AS 5409/18 ER ähnliche einstweiligen Anordnungsverfahren eingereicht.
Der nach § 86b Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) zulässige Antrag ist unbegründet.
Nach § 86b Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) kann das Gericht der Hauptsache auf Antrag eine einstweilige Anordnung in Bezug auf den Streitgegenstand treffen, wenn die Gefahr besteht, dass durch eine Veränderung des bestehenden Zustandes die Verwirklichung eines Rechts der Antragstellerin vereitelt oder wesentlich erschwert werden könnte (Satz 1). Einstweilige Anordnungen sind auch zur Regelung eines vorläufigen Zustandes in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis zulässig, wenn eine solche Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile nötig erscheint (Satz 2). Die hier begehrte Regelungsanordnung nach § 86b Abs. 2 Satz 2 SGG setzt die Glaubhaftmachung des streitigen Rechtsverhältnisses voraus, aus dem die Antragstellerin eigene Rechte – insbesondere Leistungsansprüche – ableitet (Anordnungsanspruch). Ferner ist erforderlich, dass die besonderen Gründe für die Notwendigkeit der Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes (Anordnungsgrund) vom jeweiligen Antragsteller glaubhaft gemacht werden. Dieses ist im Rahmen einer summarischen Prüfung zu bestimmen. Die Glaubhaftmachung bezieht sich auf die reduzierte Prüfungsdichte und die, eine überwiegende Wahrscheinlichkeit erfordernde, Überzeugungsgewissheit für die tatsächlichen Voraussetzungen des Anordnungsanspruchs und des Anordnungsgrundes im summarischen Verfahren (Bundesverfassungsgericht (BVerfG), 29.07.2003 – 2 BvR 311/03 -). Können ohne die Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes schwere und unzumutbare, anders nicht abwendbare Beeinträchtigungen entstehen, die durch das Hauptsacheverfahren nicht mehr zu beseitigen wären, sind die Erfolgsaussichten in der Hauptsache nicht nur summarisch, sondern abschließend zu prüfen. Dann ist ggf. auf der Grundlage einer an der Gewährleistung effektiven Rechtsschutzes orientierten Folgenabwägung zu entscheiden (BVerfG, Beschluss vom 12.05.2005 – 1 BvR 569/05 -).
Gründe II:
Vorliegend fehlt es bereits insgesamt an der Glaubhaftmachung eines Anordnungsanspruchs.
Für das Begehren des Antragstellers, den Antragsgegner zu verpflichten, einen Zuschuss zur Neuanschaffung eines Ausweises zu verpflichten, ist keine Anspruchsgrundlage ersichtlich (vgl. auch bereits die Ausführungen der Kammer in den Beschlüssen vom 05.04.2019 – S 67 AS 1017/18 ER; vom 05.12.2018 – S 67 AS 5166/18 ER und vom 07.01.2019 – S 67 AS 5409/18 ER). Es findet sich für das Begehren des Antragstellers keine Anspruchsgrundlage im SGB II. Pass-/Ausweisbeschaffungskosten einschließlich der dazu entstehenden Nebenkosten wie z.B. Fahrkosten sind dem von der Regelleistung nach § 20 SGB II umfassten Bedarf zuzuordnen und müssen aus Ansparungen aufgebracht werden (vgl. § 20 Abs. 1 S. 4 SGB II; Saitzek, in: Eicher/Luik, SGB II, 4. Aufl. 2017, § 20 SGB II Rn. 55). Eine abweichende Festsetzung des pauschalierten Regelbedarfs zur Sicherung des Lebensunterhalts durch die Gerichte ist grundsätzlich nicht möglich (LSG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 28.01.2013, L 12 AS 1836/12 NZB – Rn. 5; LAG Baden-Württemberg, Urteil vom 21.10.2011 – L 12 AS 2597/11 – Rn. 25, jeweils nach juris). Auch das BSG hat bereits entschieden, dass die Kosten für die Beschaffung eines Passes auch für ausländische Arbeitslosengeld II-Bezieher grundsätzlich vom Regelbedarf umfasst sind (BSG; Urteil vom 12.09.2018 – B 4 AS 33/17 R). Die Passbeschaffungskosten können auch nicht als Mehrbedarf i.S.v. § 21 Abs. 6 SGB II geltend gemacht werden. Abgesehen davon, dass Voraussetzung für die Gewährung eines Mehrbedarfs ist, dass der Antragsteller überhaupt Leistungen nach dem SGB II bezieht, was vorliegend nicht der Fall ist, liegen auch die Voraussetzungen des § 21 Abs. 6 SGB II nicht vor. Denn nach dieser Regelung müsste es sich um einen unabweisbaren, laufenden, nicht nur einmaligen Bedarf handeln. Ein laufender Bedarf liegt dabei vor, wenn der besondere Bedarf im Bewilligungsabschnitt nicht nur einmal, sondern bei prognostischer Betrachtung mehrfach auftritt (Knickrehm/Hahn, in: Eicher, SGB II, 3. Aufl. 2013, § 21 SGB II Rn. 68 m.w.N.); zum Teil wird auch auf einen längeren Prognosezeitraum von ca. 1-2 Jahren abgestellt (z.B. Münder, in: LPK-SGB II, 5. Aufl., § 21 SGB II Rn. 42). Vorliegend kann auch unter Zugrundelegung eines 2-Jahres-Zeitraums nicht von einem laufenden Bedarf gesprochen werden, da ein Ausweis eine längere Gültigkeit hat als 2 Jahre. Die Pass-/Ausweisbeschaffungskosten fallen daher aufgrund der längeren Gültigkeit des Ausweises erst wieder nach Ablauf dieser Gültigkeitsdauer an. Die Übernahme der Passbeschaffungskosten kann auch nicht unter (analoger) Anwendung der Vorschriften des SGB XII erfolgen. Gemäß § 73 SGB XII können Leistungen der Sozialhilfe auch in sonstigen Lebenslagen erbracht werden, wenn sie den Einsatz öffentlicher Mittel rechtfertigen. Voraussetzung ist eine besondere, atypische Lebenslage, die eine Nähe zu den anderen im Fünften bis Neunten Kapitel des SGB XII geregelten Bedarfslagen, den unter Geltung des BSHG so bezeichneten "Hilfen in besonderen Lebenslagen", aufzuweisen hat (vgl. zu den Voraussetzungen des § 73 SGB XII: BSG, Urteile vom 28.10.2009 – B 14 AS 44/08 R – juris Rn. 20 und vom 19.08.2010 – B 14 AS 13/10 R – juris Rn. 17 f.). Hinsichtlich der Übernahme der Kosten für die Verlängerung eines (Reise-)Ausweises liegt keine besondere, atypische Lebenslage vor, die eine Nähe zu den anderen im Fünften bis Neunten Kapitel des SGB XII geregelten Bedarfslagen aufweist. Denn die Übernahme von Kosten für die Ausstellung eines (Reise-)Ausweises weist keine Nähe zu den Hilfen bei Gesundheit (Fünftes Kapitel des SGB XII), der Eingliederungshilfe für behinderte Menschen (Sechstes Kapitel), der Hilfe zur Pflege (Siebtes Kapitel) oder der Hilfe zur Überwindung besonderer sozialer Schwierigkeiten (Achtes Kapitel) auf.
Ein Anordnungsanspruch in Bezug auf die begehrte SGB II-Leistungsbewilligung wurde von dem Antragsteller ebenfalls nicht glaubhaft gemacht. Anspruch auf Arbeitslosengeld II haben nach den §§ 19, 7 Abs. 1 SGB II Personen, die das 15., aber noch nicht das 65. Lebensjahr vollendet haben, erwerbsfähig und hilfebedürftig sind und ihren gewöhnlichen Aufenthalt in Deutschland haben. Zur Bedarfsgemeinschaft gehören nach § 7 Abs. 3 S. 1 Nr. 4 SGB II auch die dem Haushalt angehörenden unverheirateten Kinder, wenn sie das 25. Lebensjahr noch nicht vollendet haben. Zulässigerweise hat der Antragsgegner den Antragsteller aufgefordert Identitätsnachweise sowie eine Ummeldebestätigung einzureichen Diese Pflicht ergibt sich aus der auch im SGB II geltenden Mitwirkungsobliegenheiten gemäß § 60 ff. SGB I. Danach sind auch Personen, die SGB II beantragen, gehalten, einen Personalausweis, einen Reisepass oder ein ähnliches gültiges Identitätsdokument tatsächlich vorzulegen. Diese Pflicht ist zwar ausdrücklich weder im SGB II noch im SGB I normiert. Es handelt sich bei dem Erfordernis des Identitätsnachweises eines Anspruchstellers aber um eine vom Gesetzgeber stillschweigend vorausgesetzte Anspruchsvoraussetzung, die wegen ihrer Selbstverständlichkeit nicht normiert worden ist (so auch LSG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 15.05.2014 – L 31 AS 762/14 B). Aus dem Zweck der Existenzsicherung ergibt sich bereits, dass der Gesetzgeber im SGB II nicht die Erbringung von Leistungen an beliebige nicht identifizierbare Personen regeln wollte. Soll die Existenz gesichert werden, setzt dies voraus, dass eine solche "Existenz" überhaupt besteht. Dies setzt den Nachweis voraus, dass bestimmte Existenzbedingungen einer bestimmten konkretisierbaren natürlichen Person im Sinne des § 1 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) als Subjekt von Rechten und Pflichten zugeordnet werden können. Dies ist dann nicht der Fall, wenn der Antragsteller keine Dokumente vorlegen kann, anhand derer er identifizierbar ist. Der Antragsgegner hat den Antragsteller somit zulässigerweise zur Vorlage eines (gültigen) Identitätsnachweises/ einer Ummeldebestätigung aufgefordert und die Grenzen der Mitwirkungspflicht nach § 65 Abs. 1 Nr. 1 bis 3 SGB I dabei auch nicht überschritten. Da es um monatliche Leistungen von mehreren hundert Euro geht, ist der Nachweis der Identität nicht unangemessen (Nr. 1). Ein wichtiger Grund für das Verhalten des Antragstellers (Nr. 2) ist für das Gericht ebenfalls nicht erkennbar. Der Antragsgegner hatte dem Antragsteller trotz Abweisung des Eilverfahrens S 67 AS 1017/18 ER ausnahmsweise vorübergehend Leistungen ausgezahlt, weswegen es ihm auch finanziell durchaus zumutbar gewesen wäre, hiervon einen neuen Ausweis zu beantragen. Warum der Antragsteller dies nicht getan hat, obwohl ihm auch der Berichterstatter des 7. Senats in dem Beschwerdeverfahren L 7 AS 198/19 B ER mit Richterbrief vom 12.04.2019 auf das Erfordernis eines gültigen Ausweisdokumentes zur Beantragung von Leistungen nach dem SGB II hingewiesen wurde, ist überhaupt nicht nachvollziehbar und auch nicht glaubhaft gemacht. Der Antragsgegner kann sich die erforderlichen Kenntnisse auch nicht selbst durch einen geringeren Aufwand als der Antragsteller beschaffen (Nr. 3).
Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 183, 193 SGG.
Erstellt am: 20.07.2020
Zuletzt verändert am: 20.07.2020