Die Klage wird abgewiesen. Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens. Der Streitwert wird auf 1.140,76 EUR festgesetzt.
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten über Krankenhausbehandlungskosten in Höhe von 1.140,76 EUR.
Der Versicherte der Beklagten G-X E (Jahrgang XXXX, nachfolgend: Patient) wurde vom 8. Juli bis 28. Juli 2015 im Krankenhaus der Klägerin aufgrund einer psychischen Er-krankung stationär behandelt.
Die Klägerin stellte der Beklagten die Behandlung am 4. August 2015 in Höhe von 5.186,79 EUR in Rechnung. Die Beklagte beglich die Rechnung zunächst vollständig und beauftragte den Medizinischen Dienst der Krankenversicherung (MDK) am 10. Au-gust 2015 mit einer Prüfung der Verweildauer und der Nebendiagnosen. Am 10. August 2015 informierte die Beklagte die Klägerin über den Prüfauftrag. Mit Schreiben vom 12. August 2015 forderte der MDK bei der Klägerin die Übersendung von Unterlagen wie folgt an: "( ) Die Auffälligkeiten bzw. Art der Prüfung sind uns von der Auftrag gebenden Kasse wie nachstehend mitgeteilt worden: Bestand die Notwendigkeit der vollstationären Krankenhausbehandlung nach § 39 SGB V für die Dauer vom 08.07. bis 28.07.2015? Ist/Sind die Nebendiagnose(n) (ND) korrekt? Zur Bearbeitung bitten wir bis spätestens 09.09.2015 um Übersendung sämtlicher Be-handlungsunterlagen, die geeignet sind, die Fragestellung der Krankenkasse bezogen auf den Prüfanlass vollumfänglich zu beantworten bzw. die Beurteilung von Voraussetzungen, Art und Umfang der Leistungen sowie zur Prüfung der ordnungsgemäßen Abrechnung be-nötigt werden (.)".
Innerhalb der gesetzten Frist legte die Klägerin dem MDK den Entlassungsbericht vom 27. Juli 2015 mit den Laborwerten des Patienten vor.
Der MDK stellte in seinem Gutachten vom 10. November 2015 fest, dass die Verweildau-er des Patienten ab dem 24. Juli 2015 nicht nachvollzogen werden könne. Die Entlas-sung habe nach Abschluss der kardialen Diagnostik und nach Abschluss der Entgif-tungsbehandlung (7 Tage nach letztmaliger Gabe von Benzodiazepinen) am 23. Juli 2015 erfolgen können. Eine Änderung der Hautdiagnose/Nebendiagnosen führe nicht zu einer geänderten Abrechnung und sei daher nicht relevant.
Die Beklagte rechnete am 18. Dezember 2015 in Höhe von 1.140,76 EUR gegen eine unstreitige Forderung der Klägerin (Behandlungsfall F Z) auf.
Die Klägerin widersprach gegenüber der Beklagten mit Schreiben vom 15. Januar 2016 unter Beifügung einer ärztlichen Stellungnahme vom 18. Dezember 2015 zur Weiterlei-tung an den MDK. Die Beklagte wies den Widerspruch der Klägerin mit Schreiben vom 19. Januar 2016 zurück und leitete die ärztliche Stellungnahme nicht an den MDK wei-ter.
Die außergerichtliche Forderung der Klägerin auf Zahlung der aufgerechneten Behand-lungskosten blieb erfolglos.
Die Klägerin hat mit Schriftsatz vom 20. April 2018 (Zugang am 24. April 2018) ihre Klage zu dem Sozialgericht Dortmund erhoben.
Die Klägerin führt insbesondere aus, dass der Beklagten ein Erstattungsanspruch nicht zugestanden habe, sie daher nicht habe aufrechnen dürfen. Die stationäre Behandlung sei in vollem Umfang gerechtfertigt gewesen. Zudem habe sie dem MDK die angeforder-ten Unterlagen vorgelegt. Ein Widerspruchsverfahren sei von der Beklagten nicht akzep-tiert, weitere Unterlagen vom MDK nicht angefordert worden. Dies sei aber eine Oblie-genheit des MDK nach § 276 Abs. 2 SGB V.
Die Klägerin beantragt,
die Beklagte zu verurteilen, an sie einen Betrag in Höhe von 1.140,76 EUR nebst 2 Prozentpunkten Zinsen über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 19. Dezember 2015 zu zahlen.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Die Beklagte führt im Wesentlichen aus, dass nach der Stellungnahme des MDK an-hand des übermittelten Entlassungsberichts der Klägerin die Verweildauer im streitigen Fall nicht habe nachvollzogen werden können. Bei § 7 Abs. 2 Satz 4 PrüfvV handele es sich um eine materiell-rechtliche Ausschlussfrist.
Im sozialgerichtlichen Verfahren hat die Beklagte die Patientenakte an den MDK übermit-telt. In seinem Gutachten vom 25. Januar 2019 hat der MDK festgestellt, dass die gesam-te Verweildauer bei der Behandlung des Patienten nunmehr nachvollziehbar und keine sekundäre Fehlbelegung anzunehmen sei. Aus der Patientenakte ergebe sich insbe-sondere, dass der Patient zunächst mit einer deutlich geringeren Polamidon-Dosis als der tatsächlichen Substitutionsdosis behandelt worden sei. Es habe daher vom 24. bis 27. Juli 2015 eine Wiederaufdosierung vorgenommen werden müssen. Aus diesem Grund sei die Verlängerung der Verweildauer erforderlich gewesen. Diese Informationen seien dem zunächst übermittelten Entlassungsbericht nicht zu entnehmen gewesen.
Ein am 3. Februar 2020 durchgeführter Erörterungstermin ist erfolglos geblieben.
Bezüglich weiterer Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Gerichts- sowie die beigezogene Verwaltungsakte der Beklagten und die beigezogene Patientenakte der Klägerin Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die Klage ist zulässig, aber unbegründet.
1. Die zum sachlich und örtlich zuständigen Sozialgericht Dortmund formgerecht erho-bene Leistungsklage nach § 54 Abs. 5 Sozialgerichtsgesetz (SGG) ist zulässig. Das Krankenhaus der Klägerin ist ein zugelassenes Krankenhaus im Sinne des § 108 Nr. 2 Fünftes Sozialgesetzbuch (SGB V).
Die Klage ist als (echte) Leistungsklage nach § 54 Abs. 5 SGG zulässig. Es handelt sich um einen so genannten Parteienstreit im Gleichordnungsverhältnis, in dem eine Rege-lung durch Verwaltungsakt nicht in Betracht kommt (vgl. Bundessozialgericht (BSG) vom 17. Juni 2000, B 3 KR 33/99 R; vom 23. Juli 2002, B 3 KR 64/01 R). Ein Vorverfahren war mithin nicht durchzuführen, die Einhaltung einer Klagefrist nicht geboten.
2. Die Klage ist unbegründet. Die Klägerin hat keinen Anspruch auf weitere Behand-lungskosten in Höhe von 1.140,76 EUR für den Behandlungsfall F Z.
Die Aufrechnung der Beklagten vom 18. Dezember 2015 in Höhe von 1.140,76 EUR war rechtmäßig. Der Beklagten stand aus dem Behandlungsfall des Herrn G-X E ein öffent-lich-rechtlicher Erstattungsanspruch gegen die Klägerin zu. Es wurden in diesem Fall Leistungen teilweise ohne Rechtsgrund erbracht. Nach den fristgemäß vorgelegten Un-terlagen war die stationäre Behandlung des Patienten nicht in ihrer gesamten Dauer ge-rechtfertigt.
Der öffentlich-rechtliche Erstattungsanspruch wurde aus den allgemeinen Grundsätzen des öffentlichen Rechts hergeleitet und setzt voraus, dass im Rahmen eines öffentlich-rechtlichen Rechtsverhältnisses Leistungen ohne rechtlichen Grund erbracht oder sons-tige rechtsgrundlose Vermögensverschiebungen vorgenommen worden sind (vgl. BSG vom 22.07.2004, B 3 KR 21/03). Ein öffentlich-rechtliches Rechtsverhältnis liegt hier vor, da die im Verhältnis der Klägerin zur Beklagten in Bezug auf den Streitgegenstand ent-scheidenden Normen dem öffentlichen Recht, namentlich dem SGB V entstammen. Im Rahmen des öffentlich-rechtlichen Erstattungsanspruchs gelten ähnliche Grundsätze wie im Recht der ungerechtfertigten Bereicherung nach den §§ 812 ff. des Bürgerlichen Gesetzbuches. Allgemein anerkannt ist für den öffentlich-rechtlichen Erstattungsan-spruch, dass Leistungen zum Zwecke der Erfüllung einer Verbindlichkeit, die in Wirk-lichkeit nicht besteht, eine rechtsgrundlose Vermögensverschiebung darstellen und grundsätzlich zurückgefordert werden können (BSG vom 22. Juli 2004, B 3 KR 21/03 R).
Die Beklagte hat in dem Behandlungsfall des Herrn G-X E Leistungen ohne Rechts-grund erbracht. Die Klägerin hat nur Anspruch auf den unstrittigen Rechnungsbetrag, der sich aus der PEPP-Abrechnung mit einer Verweildauer des Patienten bis 23. Juli 2015 ergibt.
Nach § 7 Abs. 2 Satz 4 der Vereinbarung über das Nähere zum Prüfverfahren nach § 275 Absatz 1c SGB V (Prüfverfahrensvereinbarung – PrüfvV) in der Fassung vom 1. September 2014 (nachfolgend nur PrüfvV) hat die Klägerin einen Anspruch nur auf den unstrittigen Rechnungsbetrag. § 7 Abs. 2 Satz 4 PrüfvV enthält eine materiell-rechtliche Ausschlussfrist.
Gemäß § 7 Abs. 2 Satz 2 PrüfvV kann der MDK im Prüfverfahren von dem Krankenhaus die Übermittlung einer Kopie der Unterlagen verlangen, die er zur Beurteilung von Vo-raussetzungen, Art und Umfang der Leistung sowie zur Prüfung der ordnungsgemäßen Abrechnung benötigt. Das Krankenhaus hat die Unterlagen nach Satz 3 der Vorschrift innerhalb von 4 Wochen nach Zugang der Unterlagenanforderung an den MDK zu übermitteln. Erfolgt dies nicht, hat das Krankenhaus gemäß § 7 Abs. 2 Satz 4 PrüfvV ei-nen Anspruch nur auf den unstrittigen Rechnungsbetrag.
Die Klägerin hat dem MDK innerhalb der gesetzten Frist den Entlassungsbericht nebst Laborwerten übermittelt. Der Entlassungsbericht konnte die Verweildauer über den 23. Juli 2015 hinaus nicht begründen.
Die Kammer geht davon aus, dass § 7 Abs. 2 Satz 3 und 4 PrüfvV eine materiell-rechtliche Ausschlussfrist enthält (so auch BSG vom 19. November 2019, B 1 KR 33/18 R [obiter dictum]; Hessisches LSG vom 28. Mai 2020, L 8 KR 221/18; LSG Stuttgart vom 21. Januar 2020, L 11 KR 1437/19; SG Dortmund vom 25. Mai 2020, S 48 KR 1115/17; an-ders für § 7 Abs. 5 PrüfvV: LSG Nordrhein-Westfalen vom 9. Juli 2020, L 16 KR 395/16).
Der Wortlaut des § 7 Abs. 2 Satz 4 PrüfvV knüpft an die Aufforderung zur Übermittlung von Unterlagen an den MDK an und statuiert, dass das Krankenhaus Anspruch nur auf den unstrittigen Rechnungsbetrag hat, wenn es die Unterlagen nicht innerhalb der Frist des Satz 3 übermittelt. Aus Sicht der Kammer ergibt sich aus diesem eindeutigen Wort-laut, dass ein weitergehender Anspruch des Krankenhauses bei nicht-fristgerechter Vor-lage der Unterlagen nach dem Willen der Vertragspartner der PrüfvV ausgeschlossen sein soll.
Die Vorschrift ist mit § 17c Abs. 2 Krankenhausfinanzierungsgesetz (KHG) auch durch eine ausreichende Ermächtigungsgrundlage gedeckt. § 17c Abs. 2 KHG ermächtigt die Vertragsparteien der Prüfverfahrensvereinbarung, das "Nähere zum Prüfverfahren" zu regeln und führt nicht abschließend ("insbesondere") Regelungsinhalte auf. Hiermit ver-bleibt den Vertragsparteien nach Auffassung der Kammer ein Spielraum hinsichtlich der regelungsfähigen Inhalte der PrüfvV. Eine abschließende Auflistung und der Aus-schluss möglicher Regelungsinhalte ergibt sich aus § 17c Abs. 2 KHG gerade nicht. Zur Überzeugung der Kammer umfasst die Ermächtigung zur Regelung eines Verfahrens auch die Ermächtigung zur Implementierung von Fristen zur effizienten Gestaltung eines Verfahrens, in dem sich die Vertragspartner nach dem Willen des Gesetzgebers in einem Gleichordnungsverhältnis befinden. Jedenfalls wird die Implementierung entsprechen-der Fristen weder dem Wortlaut, noch dem Sinn und Zweck der Vorschrift nach ausge-schlossen.
Das Hessische Landessozialgericht weist in seinem Urteil vom 28. Mai 2020 (L 8 KR 221/18) zutreffend und mit Beispielen etwa aus dem Bereich der vertragsärztlichen Ho-no-
rarverteilung darauf hin, dass für entsprechende Regelungen im Gleichordnungsver-hältnis nach der Rechtsprechung des BSG keine grundsätzlichen Bedenken bestehen.
Die Wortlautauslegung wird auch von Sinn und Zweck des Prüfverfahrens gestützt. Ziel-setzung der PrüfvV ist gemäß ihres § 1 Satz 1 ein effizientes, konsensorientiertes Prüf-verfahren. Ausschlussfristen, die auch eine materiell-rechtliche Wirkung entfalten, un-terstützen ein wirtschaftliches, effizientes und zügiges Prüfverfahren. Würde die Frist keinen Ausschluss der Ansprüche bedeuten, so wäre sie nicht als effektiv zu betrachten und auch der Zügigkeit des Verfahrens würde nicht entsprochen, wenn eine verspätete Vorlage von Unterlagen jeweils Beachtung finden müsste. Das Prüfverfahren könnte ohne Not in die Länge gezogen werden, obwohl die notwendigen Unterlagen fristgerecht vorgelegt werden könnten, da sie im Zeitpunkt der Abrechnung bereits vollständig vorla-gen. Für eine unbegrenzte Vorlagemöglichkeit besteht daher zum Schutz der Vertrags-parteien auch kein Bedarf.
Für die Kammer ist es nicht entscheidend, dass die Vertragsparteien der PrüfvV die Re-gelung des § 7 Abs. 2 Satz 4 PrüfvV nicht als Ausschlussfrist bezeichnet haben. Die Rechtsfolge ergibt sich aus ihrer beabsichtigten Wirkung, nicht aus ihrer Bezeichnung.
Die von der Kammer angenommene Ausschlussfrist entfaltet vorliegend auch ihre Wir-kung, da die Klägerin nicht alle erforderlichen Unterlagen fristgemäß an den MDK über-mittelt hat. Die Klägerin war nach der Aufforderung des MDK zur Übermittlung sämtlicher Unterlagen verpflichtet, die zur Prüfung der Verweildauerprüfung (und der hier nicht ver-gütungsrelevanten Prüfung der Nebendiagnosen) beitragen konnten. Die Anforderung des MDK war hierbei nach Auffassung der Kammer ausreichend und eine weitergehen-de Konkretisierung der Anforderung nicht erforderlich, um der Obliegenheit des § 276 Abs. 2 SGB V zu entsprechen.
Der MDK hat bei der Klägerin um Übersendung sämtlicher prüfungsrelevanten Unterla-gen gebeten. Die Klägerin hat dem MDK nur den Entlassungsbericht nebst Laborwerten übermittelt. Erst aus weitergehenden Hinweisen aus der Patientenakte zur zunächst er-folgten Unterdosierung mit der Notwendigkeit einer Aufdosierung bis zum Entlas-sungstag ergab sich die Rechtfertigung der Verweildauer des Patienten. Nur die Klägerin hatte Kenntnis davon, welche konkreten Unterlagen zur Aufklärung beitragen konnten. Gerade in Fällen, in denen die Verweildauer bei einer stationären Behandlung psychi-scher Erkrankungen streitig ist, ist eine Vielzahl von Gründen denkbar, aus denen sich eine Rechtfertigung einer längeren Verweildauer rechtfertigen kann. Die Kammer geht davon aus, dass in derartigen Fallkonstellationen die Verpflichtung des Krankenhauses besteht, dem MDK auch bei einer generellen Unterlagenanforderung die im konkreten Fall maßgeblichen Unterlagen zu übermitteln (abweichend insoweit: LSG Stuttgart vom 21. Januar 2020, L 11 KR 1437/19; SG Dortmund vom 25. Mai 2020, S 48 KR 1115/17). Dies stellt keinen Widerspruch zu § 276 Abs. 2 SGB V dar, sondern rechtfertigt sich ins-besondere aus dem dort normierten Gebot der Datensparsamkeit. Der MDK müsste in diesen Fällen sonst jeweils die gesamte Patientenakte anfordern und würde damit deut-lich mehr Unterlagen einsehen müssen, als zur Prüfung erforderlich. Dies würde auch zu einer unnötigen Verzögerung des Verfahrens führen. Die Vornahme einer Auswahl der Unterlagen ist dem Krankenhaus auch zumutbar, da es gegenüber dem MDK über einen Wissensvorsprung verfügt und daher nur das Krankenhaus eine sachgerechte Auswahl vornehmen kann. Es liegt auch im Interesse des Krankenhauses, die eigene Abrechnung zu begründen.
3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a SGG in Verbindung mit §§ 161 Abs. 1, 154 Abs. 1 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO), da weder die Klägerin noch die Beklagte zu den in § 183 SGG genannten Personen gehören und die Klägerin die unterliegende Be-teiligte des Rechtsstreits ist.
4. Der Streitwert war gemäß § 52 Abs. 1 und Abs. 3 GKG in Höhe der streitbefangenen Forderung festzusetzen.
Erstellt am: 03.12.2020
Zuletzt verändert am: 03.12.2020