Auf die Beschwerde der Antragstellerinnen wird der Beschluss des Sozialgerichts Köln vom 29.04.2015 geändert. Der Antragsgegner wird im Wege der einstweiligen Anordnung verpflichtet, den Antragstellerinnen vorläufig Leistungen nach dem SGB II als Regelbedarf und Kosten der Unterkunft nach den gesetzlichen Bestimmungen ab dem 27.03.2015 für die Dauer von sechs Monaten, längstens bis zur Entscheidung in der Hauptsache, zu gewähren. Der Antragsgegner trägt die erstattungsfähigen außergerichtlichen Kosten der Antragstellerinnen in beiden Rechtszügen. Den Antragstellerinnen wird für das Beschwerdeverfahren ratenfreie Prozesskostenhilfe bewilligt und Rechtsanwältin U in L beigeordnet.
Gründe:
I.
Die Antragstellerinnen begehren im einstweiligen Rechtsschutzverfahren Leistungen nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch – Grundsicherung für Arbeitsuchende – (SGB II).
Die am 00.00.1977 geborene Antragstellerin zu 1) sowie ihre am 00.00.1998 geborene Tochter, Antragstellerin zu 2), sind bulgarische Staatsangehörige. Sie reisten am 09.02.2004 unter falschem Namen in die Bundesrepublik ein, gaben sich als mazedonische Staatsbürgerinnen aus und erhielten eine ausländerrechtliche Duldung. Bis die Ausländerbehörde im Februar 2010 feststellte, dass sie nicht mazedonische, sondern bulgarische Staatsangehörige sind, bezogen die Antragstellerinnen Leistungen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz. Nach Auskunft des Ausländeramtes L besteht ein rechtmäßiger Aufenthalt seit dem 07.09.2010. Die Antragstellerin zu 1) ist im Besitz einer seit dem 16.02.2011 gültigen unbefristeten Arbeitsberechtigung gemäß § 284 SGB III, die ihr die Aufnahme einer beliebigen beruflichen Tätigkeit erlaubt. Weiterhin liegt seit dem 31.08.2011 eine Freizügigkeitsbescheinigung vor.
Im Anschluss an einen Beschluss des Sozialgerichts (SG) Köln vom 18.03.2011 – S 33 AS 1570/11 ER – erhielten die Antragstellerinnen seit dem 01.08.2011 vom Antragsgegner ohne Anerkennung einer Rechtspflicht SGB II – Leistungen einschließlich der anteiligen Wohnungskosten in Form kommunaler Nutzungsgebühren für eine stadteigene Unterkunft, die sie mit den Eltern der Antragstellerin zu 1) und einer weiteren Person seit Jahren bewohnen. Nachdem er die Zahlungen bereits zum 01.03.2015 eingestellt hatte, lehnte der Antragsgegner den Weiterbewilligungsantrag der Antragstellerinnen vom 20.02.2015 durch Bescheid vom 02.03.2015 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 01.04.2015 ab. Die hiergegen am 08.04.2015 erhobene Klage (S 7 AS 1212/15) ist noch anhängig.
Am 27.03.2015 haben die Antragstellerinnen den Erlass einer einstweiligen Anordnung beantragt und im Wesentlichen ausgeführt, sie hielten sich bereits seit mehreren Jahren rechtmäßig in Deutschland auf. Sie erfüllten die Voraussetzungen, um Leistungen nach dem SGB II zu erhalten. Sie könnten nicht mehr nur allein von geliehenem Geld von Nachbarn und der Unterstützung von Verwandten leben.
Der Antragsgegner hat die Auffassung vertreten, die Antragstellerinnen seien gemäß § 7 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 SGB II von den Leistungen ausgeschlossen. Aufenthaltsgrund sei allein die Arbeitssuche, andere Aufenthaltsrechte der Antragstellerinnen seien nicht ersichtlich. Ein Daueraufenthaltsrecht bestehe erst ab dem 07.09.2015.
Das SG hat durch Beschluss vom 29.04.2015 den Eilabtrag abgelehnt. Es teilt die Auffassung des Antragsgegners. Da die Antragsstellerin zu 1) keiner Erwerbstätigkeit nachgehe, könne sie kein Aufenthaltsrecht aus einem Status als Arbeitnehmer nach § 2 Abs. 2 Nr. 1, Abs. 3 Nr. 2 FreizügG/EU für sich in Anspruch nehmen. Es bestehe auch kein Daueraufenthaltsrecht nach § 4 a FreizügG/EU, da sich die Antragstellerinnen noch nicht seit 5 Jahren rechtmäßig in Deutschland aufhielten. Der unrechtmäßige Aufenthalt der Antragsteller im Zeitraum 09.02.2004 bis 07.09.2010 unter falscher Identität und falscher Staatsangehörigkeit habe dabei unberücksichtigt zu bleiben. Der Leistungsausschluss erfasst nach Ansicht des SG auch solche Fälle, in denen der Antragsteller über gar kein Aufenthaltsrecht verfüge, weil er wirtschaftlich inaktiv sei. Der Leistungsausschluss des § 7 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 SGB II sei mit europarechtlichen Regelungen vereinbar. Das SG hat dazu auf die Entscheidung des Europäischen Gerichtshofes (EuGH) vom 11.11.2014 (C-333/13) in der Rechtssache Dano verwiesen. Der EuGH habe dort entschieden, dass Art. 24 Abs. 1 der Richtlinie 2004/38/EG i.V.m. Art. 7 Abs. 1 Buchst. b dieser Richtlinie und Art. 4 der Verordnung (EG) Nr. 883/2004 einer mitgliedstaatlichen Regelung nicht entgegenstehe, nach der EU Ausländer besondere beitragsunabhängige Leistungen – wie nach dem SGB II – nicht erhielten, sofern diesen EU Ausländern nicht ein Aufenthaltsrecht nach der Richtlinie 2004/38/EG zustehe. Letzteres sei bei der Antragstellerin zu 1), die sich zwar länger als 3 Monate, aber weniger als 5 Jahre rechtmäßig in der Bundesrepublik Deutschland aufhalte, der Fall, da sie keiner der in Art. 7 der Richtlinie aufgeführten Fallgruppen angehöre.
Mit der nach Zustellung des Beschlusses am 04.05.2015 dagegen am 06.05.2015 erhobenen Beschwerde machen die Antragstellerinnen geltend, die Frage der Europarechtskonformität des Leistungsausschlusses sei durch die Entscheidung des EuGH in der Rechtssache Dano nicht beantwortet. Ihrer Ansicht nach sei der Ausschluss nicht europarechtskonform. Im Übrigen hat die Antragstellerin zu 1) mit eidesstattlicher Versicherung vom 05.05.2015 erklärt, sie könne auch bei Unterstützung durch ihre Eltern und mit dem Kindergeld für die Tochter nicht leben. Anderenfalls müsse sie stehlen gehen. Sie benötige schließlich wegen psychischer Beeinträchtigungen dringend den Krankenversicherungsschutz.
Die Antragstellerinnen beantragen sinngemäß,
den Beschluss des Sozialgerichts Köln vom 29.04.2015 zu ändern und den Antragsgegner im Wege der einstweiligen Anordnung zu verpflichten, ihnen vorläufig Leistungen nach dem SGB II zu gewähren.
Der Antragsgegner beantragt,
die Beschwerde zurückzuweisen.
Er erachtet die erstinstanzliche Entscheidung für zutreffend.
Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und der beigezogenen Verwaltungsakte des Antragsgegners verwiesen.
II.
Die zulässige Beschwerde ist begründet.
Der Antragsgegner ist verpflichtet, den Antragstellerinnen die Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes nach dem SGB II im tenorierten Umfang vorläufig zu gewähren.
Nach § 86b Abs. 2 S. 1 SGG kann das Gericht der Hauptsache auf Antrag eine einstweilige Anordnung in Bezug auf den Streitgegenstand treffen, wenn die Gefahr besteht, dass durch eine Veränderung des bestehenden Zustands die Verwirklichung eines Rechts des Antragstellers vereitelt oder wesentlich erschwert werden könnte. Einstweilige Anordnungen sind auch zur Regelung eines vorläufigen Zustandes in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis zulässig, wenn eine solche Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile nötig erscheint (§ 86b Abs. 2 S. 2 SGG). Der Erlass einer einstweiligen Anordnung setzt grundsätzlich voraus, dass der Antragsteller das Bestehen eines zu sichernden Rechts (den so genannten Anordnungsanspruch) und die Notwendigkeit einer vorläufigen Regelung (den so genannten Anordnungsgrund) glaubhaft macht (§ 86 b Abs. 2 S. 4 SGG, § 920 Abs. 2 der Zivilprozessordnung – ZPO -).
Nach Maßgabe dieser Kriterien ist ein Anordnungsanspruch gegeben. Der Senat kann offen lassen, ob den Antragstellern oder der Antragstellerin zu 1) bereits vor dem 07.09.2015 ein Daueraufenthaltsrecht zusteht oder ob den Antragstellerinnen nicht möglicherweise – entsprechende Ermittlungen sind nicht ersichtlich – über die Antragstellerin zu 2) ein von ihr abgeleitetes eigenes Aufenthaltsrecht zusteht oder nicht. Ob die Voraussetzungen des Leistungsausschlusses tatbestandlich erfüllt sind (vgl. Urteil des LSG NRW vom 05.05.2014 – L 19 AS 430/13, juris, beim BSG anhängig B 14 AS 33/14 R) und/oder ob der Leistungsausschluss nach § 7 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 SGB II auch Anwendung findet auf Unionsbürger ohne materielles Aufenthaltsrecht.(vgl. LSG NRW vom 10.10.2013 – L 19 AS 129/13; juris; beim BSG anhängig B 4 AS 64/13 R) bedarf ebenso wenig einer Entscheidung wie die Frage, ob der Leistungsausschluss gemäß § 7 Abs. 1 S. 2 Nr. 2 SGB II dem Anspruch entgegensteht oder wegen Verstoßes gegen EU-Recht nicht greift (s. LSG NRW Urteil vom 28.11.2013 – L 6 AS 130/13 – juris). Denn dem Antragsteller stehen die beantragten vorläufigen Leistungen jedenfalls auch nach § 328 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 (Nr. 2) Drittes Buch Sozialgesetzbuch (SGB III) zu (im Ergebnis ebenso LSG Berlin-Brandenburg Beschluss vom 27.05. 2014 – L 34 AS 1150/14 B ER – juris, mwN).
Nach der über § 40 Abs. 2 Nr. 1 SGB II anwendbaren Vorschrift des § 328 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 SGB III kann über die Erbringung von Geldleistungen vorläufig entschieden werden, wenn die Vereinbarkeit einer Vorschrift, von der die Entscheidung über den Antrag abhängt, mit höherrangigem Recht Gegenstand eines Verfahrens vor dem Bundesverfassungsgericht (BVerfG) oder dem Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften (EuGH) ist.
Die Ablehnung von Leistungen durch Bescheid vom 02.03.2015 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 01.04.2015 steht der Bewilligung vorläufiger Leistungen nach § 328 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 SGB III nicht entgegen.
Der Ablehnungsbescheid ist nicht bestandskräftig; das Klageverfahren beim SG Köln – S 7 AS 1212/15 ist noch nicht abgeschlossen. Die Ablehnung als solche lässt den Anspruch auf vorläufige Leistungen gemäß § 328 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 SGB III nicht bereits aus rechtssystematischen Gründen entfallen. Einer entsprechenden in Literatur und Rechtsprechung vertretenen Auffassung (LSG Berlin-Brandenburg Beschluss vom 20.03.2014 – L 29 AS 514/14 B ER – juris; vom 17.03.2014 – L 20 AS 502/14 B ER – juris; Aubel in jurisPK-SGB II, § 40 Rz. 61.1) schließt sich das Gericht nicht an.
Der Senat folgt der Rechtsprechung des BSG, wonach Leistungsbescheide über vorläufige Leistungen (vorläufige Leistungsbescheide) durch die endgültige Festsetzung (endgültige Leistungsbescheide) ersetzt werden und sich dann auf sonstige Weise im Sinne des § 39 Abs. 2 SGB X erledigen (BSG Urteil vom 10.05.2011 – B 4 AS 139/10 R – juris; vgl. auch LSG NRW Urteil vom 31.10.2012 – L 12 AS 691/11 – juris; LSG Berlin-Brandenburg Beschluss vom 20.03.2014 – L 29 AS 514/14 B ER – juris; vom 17.03.2014 – L 20 AS 502/14 B ER – juris, Aubel in jurisPK-SGB II aaO). "Auf andere Weise erledigen" kann sich ein vorläufiger Leistungsbescheid in diesem Zusammenhang aber nur dann, wenn die Voraussetzungen für seinen Erlass nicht mehr vorliegen (vgl BSG Urteil vom 10.05.2011 – B 4 AS 139/10 R – juris; LSG NRW Urteil vom 31.10.2012 – L 12 AS 691/11 – juris). Dem folgend entfällt der Anspruch auf vorläufige Leistungen nach § 328 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 SGB III bei Erlass eines Ablehnungsbescheides erst dann, wenn kein Vorlageverfahren mehr anhängig ist (oder durch die Bestandskraft des Ablehnungsbescheides feststeht, dass keine Leistungen zustehen). Denn § 328 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 SGB III ermächtigt dazu, eine "Zwischenregelung" zu treffen, bis die Rechtsfragen, die zu Grund, Höhe oder Dauer des Anspruchs entscheidungserheblich sein müssen, geklärt sind (vgl etwa Düe in Brand SGB III 6. Aufl. § 328 Rdnrn 2, 12). Gerade wenn der Leistungsträger nach einfachgesetzlicher Überprüfung zu dem Ergebnis gelangt ist, ein Anspruch bestehe nicht, nicht in dieser Höhe oder nicht in diesem zeitlichen Umfang, beginnt der Anwendungsbereich des § 328 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 SGB III. Denn der Gesetzgeber hat mit dieser Vorschrift eine Handhabe bieten wollen, die Leistungen für den Berechtigten kurzfristig verfügbar zu machen und Härten zu vermeiden, die mit längeren Bearbeitungs- oder Zeiten der Unsicherheit über die Rechtslage verbunden sind (Düe aaO Rdnr 2, 5). Für die Dauer des Vorlageverfahrens bleibt jedenfalls, solange der Ablehnungsbescheid nicht bestandskräftig geworden ist, Raum für eine Ermessensentscheidung, ob und ggfs in welcher Höhe dennoch Leistungen gewährt werden. Anwendungsbereich des und Anspruch aus/über § 328 Abs. 1 Nr. 1 SGB III werden auch ergebnisorientiert nicht dadurch eingeschränkt, dass der Leistungsträger seine – nach einfachgesetzlicher Rechtslage dann auch regelmäßig zutreffende – Auffassung durch einen Ablehnungsbescheid bereits verlautbart hat. Folgt man dieser Ansicht nicht, hätte der Leistungsträger es in der Hand, bei gleichgelagerter Bedarfs- und Interessenlage die Möglichkeit, vorläufige Leistungen in Anspruch zu nehmen, auch im Sinne einer "Zwischen"-Regelung zu steuern, d.h. zu verhindern.
Im Unterschied zu § 42 SGB I setzt § 328 Abs. 1 Nr. 1 SGB III nicht voraus, dass der Anspruch (dem Grunde nach) besteht. Gerade die durch Vorlageverfahren zu klärende Unsicherheit über entscheidungserhebliche Rechtsfragen (Vereinbarkeit mit höherrangigem Recht) macht den selbstständigen Anwendungsbereich der Vorschrift aus, der einer Erledigung nach § 39 Abs. 2 SGB X entgegen steht. Eine Beschränkung des Anwendungsbereichs der Regelung in § 328 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 und 2 SGB III auf die Fälle, in denen leistungsbegründende, nicht aber – wie hier – leistungsausschließende Normen Gegenstand des Verfahrens sind (so aber SG Karlsruhe Beschluss vom 29.12.2014 – S 15 AS 4229/14 ER), lässt sich über die allgemein üblichen Regeln zur Auslegung einer Norm nicht begründen. Selbst wenn es sich bei § 328 Abs. 1 Satz 1 SGB III nicht um eine eigenständige materiell-rechtliche Anspruchsgrundlage, sondern (nur) um eine Verfahrensvorschrift handeln sollte, sind weder dem Wortlaut noch der Systematik auch nur ansatzweise Anhaltspunkte für eine solche weitreichende Beschränkung zu entnehmen. Die Ermächtigung zum Erlass einer "Zwischen"-Regelung hat nicht nur den Leistungsträger, sondern auch den Antragsteller im Blick. Er soll nicht (allein) die Nachteile tragen müssen, die mit längeren Bearbeitungszeiten in den von § 328 Abs. 1 Satz 1 Nrn 1 bis 3 SGB III genannten Fällen verbunden sind. Dazu gehören zweifellos auch leistungsausschließende Normen. Der Gesetzgeber der Vorgängerregelung zu § 328 SGB III (§ 147 AFG) hatte jedenfalls sämtliche Entscheidungen zu Grund und Höhe im Blick, über die dann auch vorläufig entschieden werden dürfe (Düe aaO Rn 5). Im Übrigen ist die Unterscheidung zwischen leistungsbegründenden und leistungsausschließenden Normen von vorneherein nicht sachgerecht, um den Anwendungsbereich der Norm zu bestimmen. Dieser Unterschied bildet sich selten in der gesetzestechnischen Ausgestaltung so klar ab wie hier im Falle des Leistungsausschlusses nach § 7 Abs. 1 Satz 2 SGB II. Wie etwa die Altersgrenzen in § 7 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGB II zeigen, können leistungsausschließende Merkmale ohne weiteres auch in die leistungsbegründende Norm eingearbeitet werden.
Die Voraussetzungen des Leistungsanspruchs nach dem SGB II sind glaubhaft gemacht. Ungeachtet des Umstandes, dass die vorläufige Leistung gemäß § 328 SGB III ein aliud gegenüber der endgültigen Bewilligung darstellt (BSG Urteil vom 06.04.2011 – B 4 AS 119/10 R – BSGE 108, 86-97), ist hier davon auszugehen, dass eine vorläufige Bewilligung sowohl vom Antragsteller beantragt worden ist, als auch Gegenstand der Verwaltungsentscheidung des Antragsgegners war. Bereits mit der Beantragung von Leistungen nach dem SGB II mit dem Hinweis darauf, dass keinerlei Einkommen und Vermögen vorhanden seien, haben die Antragstellerinnen hinreichend deutlich gemacht, dass sie sich in einer wirtschaftlichen Notsituation befinden, die eine unmittelbare Leistungsbewilligung erforderlich macht. Spätestens mit der Beantragung gerichtlichen Eilrechtsschutzes haben die Antragstellerinnen endgültig zu verstehen gegeben, dass sie (ab März 2015 weiterhin, zumindest) die Bewilligung vorläufiger Leistungen begehren. Vor diesem Hintergrund und mit dem Wissen, dass die Frage der Vereinbarkeit des Leistungsausschlusses nach § 7 Abs. 1 S. 2 Nr. 2 SGB II mit dem europäischen Gemeinschaftsrecht Gegenstand eines Vorlageverfahrens beim EuGH ist, kann die Leistungsablehnung des Antragsgegners nur so verstanden werden, dass damit auch keine vorläufigen Leistungen bewilligt werden sollten.
Die Leistungsvoraussetzungen im Übrigen (§§ 7 Abs. 1 S. 1 Nrn. 1 – 4; 8, 9 SGB II zum Alter, zur Erwerbsfähigkeit, zum gewöhnlichen Aufenthalt und zur Hilfebedürftigkeit) erachtet das Gericht für glaubhaft gemacht. Der Leistungsanspruch aus § 22 Abs. 1 S. 1 SGB II erstreckt sich auch auf die anteilige kommunale Nutzungsgebühr der Antragstellerinnen für die u.a. mit den Eltern/Großeltern bewohnte Unterkunft als eine Geldleistung für angemessene Unterkunftsaufwendungen. (vgl. bereits LSG für das Saarland 13.04.2010 – L 9 AS 18/09 -, juris Rn. 42). Auch andere Aufwendungen als Mietzahlungen aufgrund förmlicher Mietverträge über Wohnraum sind im Rahmen des § 22 Abs. 1 S. 1 SGB II übernahmefähig (siehe Luik in Eicher, SGB II, 3. Aufl. 2013, § 22 Rn 36, 37, mwN; ebenso Berlit in Münder u.a., SGB II, 5. Aufl. 2013, § 22 Rn. 37). Auch in "irregulären" Unterkunftsverhältnissen ist die Nutzungsentschädigung – wie explizit bei der Obdachlosenunterbringung – Aufwendung im Rahmen der KdU (siehe auch Berlit in Münder u.a., SGB II, 5. Aufl. 2013, § 22 Rn. 37). Hier besteht seit Jahren fortgesetzt ein öffentlich-rechtliches Benutzungsverhältnis. Dafür haben die Antragstellerinnen eine (anteilige) Nutzungsentschädigung an die Kommune als Eigentümerin des betroffenen städtischen Wohnraums in Höhe des anteiligen Mietwertes zu entrichten. Der Antragsgegner hat in der Vergangenheit bis Ende Februar 2015 zuletzt 550,76 EUR monatlich für beide Person als angemessene Kosten der Unterkunft und Heizung (KdU) anerkannt.
Geht man mit dem Antragsgegner davon aus, dass in der Person der Antragstellerinnen tatbestandlich die Voraussetzungen des Leistungsausschlusses nach § 7 Abs.1 S. 2 Nr. 2 SGB II erfüllt sind, ist die Vereinbarkeit dieses Leistungsausschlusses mit europäischem Gemeinschaftsrecht Gegenstand der Vorlage des BSG gemäß Art. 267 AEUV (BSG Vorlagebeschluss vom 12.12.2013 – B 4 AS 9/13 R = ZFSH/SGB 2014, 158-164). Die Fragen, die das BSG dem EuGH zur Europarechtskonformität bzw zur Europarechtswidrigkeit dieses Ausschlusses vorgelegt hat, sind auch nach dem Urteil des EuGH vom 11.11.2014 – C 333/13 in Sachen Dano weiterhin von entscheidungserheblicher Bedeutung. So hat das BSG mit Blick auf diese Entscheidung des EuGH durch Beschluss vom 11.02.2015 – B 4 AS 9/13 R das Verfahren lediglich bezogen auf die Vorlagefrage I.1. für erledigt erklärt. Alle anderen Vorlagefragen erachten EuGH und BSG mit dem Urteil vom 11.11.2014 noch nicht für beantwortet. Im Übrigen betraf die Entscheidung des EuGH mit einer Antragstellerin, die nach den Feststellungen des vorlegenden Gerichts und des EuGH keine Arbeit suchte, eine andere Fallgestaltung. Die Entscheidung des EuGH enthält Ausführungen zur Anwendbarkeit der VO 883/2004 und der URL (s auch Senatsurteil vom 28.11.2013 – L 6 AS 103/13), nicht aber zur Europarechtskonformität des § 7 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 SGB II.
Soweit abhängig vom rechtlichen Ansatz die in den o.a. Revisionsverfahren beim BSG zur Klärung anstehenden Rechtsfragen von entscheidungserheblicher Bedeutung sind, gelten die obigen Ausführungen für § 328 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 SGB III entsprechend.
Bei dem in Rede stehenden Arbeitslosengeld II handelt es sich um eine (Geld-) Leistung, auf die bei zutreffender Beurteilung des Ermessens nach Maßgabe des § 328 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 (Nr. 2) SGB III ein Rechtsanspruch besteht.
Der Umstand, dass der Gesetzgeber den Tatbestand "Gegenstand eines Verfahrens beim Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften" in § 328 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGB III nicht mit der Rechtsfolge einer gebunden Entscheidung verknüpft hat, sondern der Behörde für diesen Fall eine Entscheidung nach pflichtgemäßen Ermessen eingeräumt hat, spricht nicht von vorneherein gegen eine Ermessensreduzierung auf "Null" (so aber LSG Berlin-Brandenburg Beschluss vom 10.12.2014 – L 20 AS 2697/14 B ER "scheidet allein deshalb aus"). Dieses Argument ist in diesem Zusammenhang nicht tragfähig, da sich mit dieser Begründung jegliche Ermessensreduzierung auf "Null" als nicht gewollt darstellen ließe. Nach allgemein anerkannten Grundsätzen kann bei der zugewiesenen pflichtgemäßen Ausübung des Ermessens (§ 39 SGB I) aber im Einzelfall das Ermessen so weit eingeengt sein, dass nur (die) eine Entscheidung rechtmäßig ist und über diesen Weg eine bestimmte Entscheidung zu ergehen hat, auf die der der Betroffene einen Rechtsanspruch hat.
Unabhängig von der Zielrichtung der Geldleistungen dürfte es regelmäßig pflichtwidrig sein, bei Erfüllung der Voraussetzungen nach § 328 Abs. 1 S. 1 Nrn. 1 und 2 SGB III jegliche vorläufige Leistung abzulehnen (so auch Düe in Brand, SGB III, 6. Auflage 2012, § 328 Rn 18). Angesichts des existenzsichernden Charakters des Arbeitslosengeldes II sowohl in Gestalt der Regelleistung als auch der Kosten der Unterkunft und des aus Art. 1 Abs. 1 Grundgesetz (GG) i.V.m dem Sozialstaatsprinzip des Art. 20 Abs. 1 GG abgeleiteten Grundrechts auf Gewährleistung eines menschenwürdigen Existenzminimums (vgl. BVerfG Urteil vom 18.07.2012 – 1 BvL 10/10, 1 BvL 2/11 – juris Rn. 62) wird nach Überzeugung des Senats der Ermessensspielraum weiter eingeengt und im Ergebnis auf Null reduziert, so dass ein Anspruch auf die vorläufige Bewilligung des Arbeitslosengeldes II in voller Höhe besteht (vgl. Eicher aaO; s auch LSG Thüringen Beschluss vom 25.04.2014 – L 4 AS 306/14 B ER – juris; LSG Berlin-Brandenburg Beschluss vom 27.05.2014 – L 34 AS 1150/14 B ER – www.sozialgerichtsbarkeit.de; SG Halle/Saale Beschluss vom 30.05.2014 – S 17 AS. 2325/14 ER – juris, mwN jeweils zur Ermessensreduzierung auf Null bei existenzsichernden SGB II-Leistungen).
Für die Verpflichtung des Antragsgegners zur Erbringung der Leistungen besteht auch ein Anordnungsgrund. Den Antragstellerinnen drohen ohne eine einstweilige Anordnung schwerwiegende Nachteile, die durch das Hauptsacheverfahren nicht mehr abgewendet werden können.
Hinsichtlich des Regelbedarfs folgt dies für die in der Vergangenheit hingenommenen und für die in Zukunft abzuwendenden Beeinträchtigungen schon aus dem unmittelbaren Grundrechtseingriff (Art. 1 Abs. 1 GG), der durch die Verweigerung der zur Deckung des täglichen Lebensbedarfs erforderlichen Mittel entsteht.
Im Kern gilt dies auch für den Anordnungsgrund hinsichtlich der Kosten der Unterkunft. Der Auffassung, ein Anordnungsgrund sei regelmäßig erst mit der Erhebung der Räumungsklage anzunehmen, da erst dann konkret Wohnungslosigkeit drohe, die in einem bestimmten Zeitfenster des Klageverfahrens durch die vorläufige Gewährung (auch) von Kosten der Unterkunft (vgl. §§ 543 Abs. 2 S. 2; 569 Abs. 3 Nr. 2 BGB) abgewendet werden könne (vgl LSG NRW Beschlüsse vom 19.05.2014 – L 19 AS 805/14 B ER – ; vom 14.08.2014 – L 2 AS 1229/14 B ER – ; vom 13.05.2015 – L 12 AS 47/15 B ER – ) folgt der Senat nicht mehr. Schon zu einem früheren Zeitpunkt können wesentliche Nachteile zu gewärtigen sein, die ein Zuwarten bis zur Entscheidung in der Hauptsache unzumutbar erscheinen lassen.
Neben der andauernden Beeinträchtigung wegen fehlender Kosten der Unterkunft als Teil der ein menschenwürdiges Existenzminimum sichernden Leistung (Alg II) (Art. 1 GG iVm Art. 20 Abs. 1 GG) (vgl. BVerfG Urteil vom 18.07.2012 – 1 BvL 10/10, 1 BvL 2/11 – juris Rn. 62)) kann die Wohnung schon früher als Lebensmittelpunkt konkret gefährdet und damit das Grundrecht aus Art. 13 GG so beeinträchtigt sein, dass eine Regelungsanordnung erforderlich ist. In diesem Zusammenhang den Blick auf die Erhebung der Räumungsklage zu fokussieren, hält der Senat nicht für ausreichend. Wenn auch die Zahlung von Unterkunftskosten zur Abwendung der außerordentlichen Kündigung noch nach Erhebung der Räumungsklage möglich ist, gilt dies doch nicht mit vergleichbar zuverlässiger Vorhersehbarkeit für die ordentliche Kündigung nach § 573 Abs. 2 Nr. 1 BGB. Durch die Nachzahlung der Rückstände wird die Kündigung nicht unwirksam, da §§ 543 Abs. 2 S. 2, 569 Ab. 3 Nr. 2 BGB im Rahmen dieser Kündigung nicht anwendbar ist (BGH Urteil vom 10.10.2012 – VIII ZR 107/12). Die danach entscheidende Frage, ob der Mieter seine vertraglichen Pflichten schuldhaft nicht unerheblich verletzt hat, indem er in einem zur fristlosen Kündigung berechtigendem Ausmaß mit der Mietzahlung deshalb in Verzug ist, weil die Kosten der Unterkunft nicht (rechtzeitig) vom Jobcenter gezahlt worden sind, wurde schon bislang – soweit ersichtlich – in der Rechtsprechung der Zivilgerichte nicht einheitlich behandelt (vgl. hierzu etwa AG Lichtenberg Urteil vom 19.12.2013 – 17 C 33/13 – Rdnr 22; BGH Urteil vom 21.10.2009 – VIII ZR 64/09 – juris; LSG NRW Beschluss vom 19.05.2014 – L 19 AS 805/14 B ER – juris mwN; LSG Berlin-Brandenburg Beschluss vom 22.07.2014 – L 10 AS 1393/14 B ER – juris), ist aber jüngst vom BGH in ähnlichem Zusammenhang dahingehend beantwortet worden, dass das Ausbleiben existenznotwendiger Sozialleistungen dem Verzug des Mieters nicht entgegensteht (Urteil vom 04.02.2015 – VIII ZR 175/14). Angesichts der regelmäßig kurzen Kündigungsfrist nach § 573c Abs. 1 BGB droht hier bereits innerhalb weniger Wochen ein Wohnungsverlust. Die Rechtsverteidigung gegenüber einer Räumungsklage ist zudem dadurch erschwert, dass die dort beklagten Antragsteller grundsätzlich keine Prozesskostenhilfe erhalten können, da der Zahlungsrückstand ja besteht. Der Leistungsträger dürfte sich aber regelmäßig nicht in der Pflicht sehen, die Kosten der Rechtsverteidigung zu übernehmen. Ist damit die Gefahr des Wohnungsverlustes nicht abgewendet, wird hier auch die durch Art. 2 Abs. 1 GG geschützte Privatautonomie unter dem Blickwinkel der eigenbestimmten Gestaltung von Rechtsverhältnissen gefährdet.
Vor diesem Hintergrund erscheint es dem Gericht zur Gewährung effektiven Rechtsschutzes geboten, den wesentlichen Nachteil als Anordnungsgrund unabhängig von einem bestimmten Zeit- und Verfahrensfenster unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls zu beurteilen. Dabei können nicht nur Umstände im Zusammenhang mit dem Verlust der alten Wohnung, sondern auch nicht zuletzt finanzielle Aspekte bei der Beschaffung neuen Wohnraums von Bedeutung sein, wie etwa die allgemeine Situation auf dem örtlichen Wohnungsmarkt, finanzielle Nachteile in Form von Mahnkosten und Zinsen direkt aus dem Mietverhältnis und Versorgungsverträgen, die fortwirkende Störung des Vertrauensverhältnisses bezogen auf das Miet- als Dauerschuldverhältnis, Kosten der (einer) Räumungsklage, Umzugskosten ggfs Einlagerungskosten, Verlust von sozialen Bindungen uVm (LSG NRW Beschluss vom 29.01.2015 – L 6 AS 2085/14 B ER).
In der Gesamtwürdigung hält der Senat hier den Anordnungsgrund für gegeben. Angesichts der Hilfebedürftigkeit der Antragsteller, die trotz Hilfestellungen von Freunden und Verwandten wegen Mietrückständen mit der bereits angedrohten Kündigung rechnen müssen, ist es glaubhaft, dass die Wohnung als ihr Lebensmittelpunkt konkret gefährdet ist. Daraus wird auch der auf einen aktuellen Bedarf gerichtete existenzsichernde Charakter nicht nur des Regelbedarfs, sondern auch der Kosten der Unterkunft und Heizung deutlich (vgl. BVerfG Urt. v. 09.02.2010 – 1 BvL 1/09, 1 BvL 3/09, 1 BvL 4/09, juris ). Insofern handelt es sich auch hier um eine für die Zukunft abzuwendende Beeinträchtigung aus dem unmittelbaren Grundrechtseingriff (Art. 1 Abs. 1 GG). Angesichts des Umstandes, dass es um eine stadteigene Unterkunft handelt, für die auch in diesem Zusammenhang eine Kündigung angedroht wird, ergeben sich auch keine Anhaltspunkte für eine für eine besondere Nähe zum Vermieter oder eine nur vorgeschobene Gefährdungslage.
Das Gericht hat der Antragstellerin (antragsgemäß) Leistungen ab Antragstellung beim SG zuerkannt, da nach überschlägiger Berechnung jedenfalls der sich so ergebende Betrag zum Ausgleich der auflaufenden Mietzinsforderungen benötigt wird, um der Gefährdung zu begegnen. Nur so kann vermieden werden, dass die Nachteile des Zahlungsverzugs in der Zukunft weiter wirken. Die Dauer der Verpflichtung des Antragsgegners ist im Einklang mit dem nach dem Gesetz üblichen Bewilligungszeitraum, vgl. § 41 Abs. 1 S. 4 SGB II auf sechs Monate, längstens bis zur Entscheidung in der Hauptsache beim SG Köln im Klageverfahren S 7 AS 1212/15 beschränkt.
Die Kostenentscheidung folgt aus der entsprechenden Anwendung des § 193 SGG.
Dieser Beschluss ist nicht mit der Beschwerde an das Bundessozialgericht anfechtbar (§ 177 SGG).
Die Voraussetzung für die Bewilligung von Prozesskostenhilfe für das Beschwerdeverfahren, insbes. die hinreichende Erfolgsaussicht im Sinne von § 73 a Abs.1 S.1 SGG iVm § 114 ZPO folgt aus dem o.a. Dargelegten.
Dieser Beschluss ist ebenfalls nicht mit der Beschwerde an das Bundessozialgericht anfechtbar (§ 177 SGG).
Erstellt am: 29.06.2015
Zuletzt verändert am: 29.06.2015