Die Beschwerde des Antragsgegners gegen den Beschluss des Sozialgerichts Köln vom 26.08.2014 wird zurückgewiesen. Der Antragsgegner hat die außergerichtlichen Kosten der Antragstellerin auch im Beschwerdeverfahren zu erstatten. Der Antragstellerin wird für das Beschwerdeverfahren ab dem 15.09.2014 Prozesskostenhilfe bewilligt und Rechtsanwältin U, L, beigeordnet.
Gründe:
I.
Der Antragsgegner wendet sich gegen seine einstweilige Verpflichtung zur Erbringung von Grundsicherungsleistungen nach dem SGB II.
Die am 00.00.1988 geborene Antragstellerin ist italienische Staatsangehörige. Sie beantragte am 29.02.2014 die Bewilligung von Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II und gab an, seit 2011 (mit Unterbrechung) in der Bundesrepublik Deutschland und ab Mitte 2014 im Zuständigkeitsbereich des Antragsgegners gewohnt zu haben bzw. zu wohnen. Sie legte eine bis Dezember 2017 ausgestellte Versichertenkarte der AOK vor.
Mit Bescheid vom 06.08.2014 lehnte der Antragsgegner der Antrag ab. Die Antragstellerin habe keinen Anspruch auf Leistungen, weil sie keinen Arbeitnehmerstatus und kein Daueraufenthaltsrecht habe. Über den Widerspruch gegen diesen Bescheid ist nach Aktenlage bislang nicht entschieden worden.
Am 15.08.2014 hat die Antragstellerin beantragt, den Antragsgegner im Wege der einstweiligen Anordnung zur Zahlung von Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts zu verpflichten. Sie hat in einer eidesstattlichen Versicherung angegeben, sie sei mittellos, gegenwärtig in einer caritativen Einrichtung untergebracht und benötige Hilfe. Sie hat einen Mutterpass über eine bestehende Schwangerschaft mit voraussichtlichem Entbindungstermin am 10.09.2014 vorgelegt.
Mit Beschluss vom 26.08.2014 hat das Sozialgericht Köln den Antragsgegner verpflichtet, der Antragstellerin "Regelbedarf nach § 20 SGB II für die Zeit ab dem 15.08.2014 bis zur rechtskräftigen Entscheidung in der Hauptsache, längstens für die Dauer von sechs Monaten nach Maßgabe der gesetzlichen Bestimmungen zu gewähren." Das Sozialgericht hat darauf hingewiesen, dass die Antragstellerin aufgrund der vorläufig zugesprochenen Leistungen in der gesetzlichen Krankenversicherung nach § 5 Abs. 1 Nr. 2a SGB V pflichtversichert sei.
Gegen den am 28.08.2014 zugestellten Beschluss richtet sich die Beschwerde des Antragsgegners vom 01.09.2014, mit der er sich insbesondere gegen seine "sich zusätzlich ergebende Verpflichtung, auch den Krankenversicherungsschutz sicherzustellen" wendet. Insoweit sei kein Anordnungsgrund nachgewiesen. Das LSG Nordrhein-Westfalen habe mit Beschluss vom 15.05.2013 – L 2 AS 775/13 B ER festgestellt, auch bei ruhenden bzw. nicht vorliegenden Krankenversicherungsschutz bestehe Anspruch auf ausreichende Notversorgung. Ungeklärt sei der Hintergrund der vorgelegten Versicherungskarte der AOK sowie der Status der Antragstellerin in der italienischen Krankenversicherung.
Die Antragstellerin hat eine Mitgliedsbescheinigung der AOK vorgelegt, wonach sie vom 19.09.2011 bis 31.12.2011 und vom 25.05.2012 bis 31.05.2013 als krankenversicherungspflichtige Beschäftigte gemeldet war. Wie es zur Versicherungszeit vom 25.05.2012 bis 31.05.2013 gekommen ist, sei ihr unerklärlich, zumal sie erst im März 2013 wieder in die Bundesrepublik eingereist sei. Die Antragstellerin beantragt die Bewilligung von Prozesskostenhilfe.
II.
Die zulässige Beschwerde ist unbegründet. Zu Recht hat das Sozialgericht den Antragsgegner im Wege der Folgenabwägung zur einstweiligen Erbringung von Regelleistungen nach § 20 SGB II an die Antragstellerin verpflichtet.
Insbesondere zutreffend hat das Sozialgericht dabei angenommen, dass die Antragstellerin einen Anordnungsgrund für den Erlass der begehrten Regelungsanordnung nach § 86b Abs. 2 SGB II durch die Darlegung ihrer Mittellosigkeit glaubhaft gemacht hat.
Ob ein Anordnungsanspruch im Sinne eines im Hauptsacheverfahren voraussichtlich durchsetzbaren Anspruchs auf Gewährung von Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II glaubhaft gemacht ist, muss offen bleiben. Zwar erfüllt der Antragstellerin die Leistungsvoraussetzungen nach § 7 Abs. 1 S. 2 Nr. 1 bis 4 SGB II. Sie hat das 15. Lebensjahr vollendet, die Altersgrenze nach § 7a SGB II noch nicht erreicht, ist erwerbsfähig, hat ihre Hilfebedürftigkeit glaubhaft gemacht und ihren gewöhnlichen Aufenthalt in der Bundesrepublik Deutschland. Umstritten und fraglich ist alleine, ob der Leistungsausschluss nach § 7 Abs. 1 S. 2 Nr. 2 SGB II eingreift, weil sich das Aufenthaltsrecht der Antragstellerin allein aus dem Zweck der Arbeitsuche ergeben kann. Vor diesem Hintergrund sind Leistungen im Wege der Folgenabwägung zuzusprechen. Bei der Folgenabwägung überwiegt das Interesse der Antragsteller am einstweiligen Bezug existenzsichernder Leistungen – schon ohne die hier zusätzlich zu gewichtende Besonderheit der Schwangerschaft der Antragstellerin mit der sich hieraus ergebenden Notwendigkeit einer Sicherstellung der medizinischen Versorgung – das fiskalische Interesse des Antragsgegners, bei ungeklärter Rechtslage keine finanziellen Aufwendungen erbringen zu müssen (ständige Rechtsprechung der zuständigen Senate des Landessozialgerichts, vgl. nur Beschluss des Senats vom 10.09.2014 – L19 AS 1565/14 B m.w.N.).
Fehl geht die Annahme der Beschwerde, hinsichtlich des Krankenversicherungsschutzes sei die Prüfung des Anordnungsgrundes rechtswidrig unterblieben. Das Sozialgericht hat insoweit keine selbständige Verpflichtung des Antragsgegners ausgesprochen, sondern lediglich die bestehende Rechtslage erläutert. Die Bewilligung von Arbeitslosengeld II im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes begründet Versicherungspflicht in der gesetzlichen Krankenversicherung, soweit Ausnahmetatbestände nicht erfüllt sind.
Nach § 5 Abs. 1 Nr. 2a SGB V sind Personen in der Zeit, für die sie Arbeitslosengeld II nach dem SGB II beziehen, soweit sie nicht familienversichert sind, pflichtversichert. Die gilt nicht, wenn diese Leistung nur darlehensweise gewährt wird oder nur Leistungen nach § 24 Abs. 3 S. 1 SGB II bezogen werden. Die Versicherungspflicht gilt nach Satz 2 auch, wenn die Entscheidung, die zum Bezug der Leistung geführt hat, rückwirkend aufgehoben oder die Leistung zurückgefordert oder zurückgezahlt worden ist. Die nach dem angefochtenen Beschluss zu erbringenden Leistungen werden nicht nur darlehensweise gewährt. Die Gewährung beruht auf der Entscheidung des Gerichts im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes. Eine solche Verpflichtung stellt keine darlehensweise Bewilligung dar. Das SGB II sieht die Leistung von Arbeitslosengeld II als Darlehen (nur) für besondere Fallkonstellationen vor. So können Darlehen nach § 24 Abs. 1 S. 1 SGB II für besonderen Finanzierungsbedarf gewährt werden, wenn ein vom Regelbedarf umfasster, unabweisbarer Bedarf nicht gedeckt ist. Nach § 24 Abs. 4 SGB II können Darlehen gewährt werden, wenn in dem Monat, für den Leistungen erbracht werden, voraussichtlich Einnahmen anfallen. Leistungen können nach § 24 Abs. 5 SGB II als Darlehen erbracht werden, wenn der Verbrauch oder die Verwertung von Vermögen nicht sofort möglich sind. Nach § 22 Abs. 6 S. 3 SGB II soll eine Mietkaution als Darlehen erbracht werden. Auszubildenden kann nach § 27 Abs. 4 SGB II ein Darlehen gewährt werden. Diese Fallkonstellationen liegen nicht vor. § 5 Abs. 1 Nr. 2a SGB V normiert einen Katalog von Ausnahmen, bei deren Vorliegen trotz der Gewährung von Leistungen nach dem SGB II keine Versicherungspflicht eintreten soll. Die Zahlung von Arbeitslosengeld II aufgrund einer gerichtlichen Entscheidung ist nicht als Ausnahme benannt. Eine vom Wortlaut der Ausnahmetatbestände abweichende Auslegung ist nicht möglich. Die Voraussetzungen der Versicherungspflicht nach § 5 Abs. 1 Nr. 2a SGB II sind erfüllt, nach Aktenlage dagegen keiner der Ausnahmetatbestände. Die Antragstellerin ist nicht familienversichert. Sie erhält nicht nur Leistungen nach § 24 Abs. 3 S. 1 SGB II. Dies wären Leistungen der Erstausstattung für die Wohnung mit Haushaltsgeräten, für Bekleidung und bei Schwangerschaft oder für Anschaffung und Reparatur von orthopädischen Schuhen oder für die Reparatur von therapeutischen Geräten und Ausrüstungen. Die Versicherungspflicht der Antragstellerin ist nicht nach § 5 Abs. 5a SGB V ausgeschlossen. Hiernach ist nicht nach Abs. 1 Nr. 2a versicherungspflichtig, wer unmittelbar vor dem Bezug von Arbeitslosengeld II privat krankenversichert war oder weder gesetzlich noch privat krankenversichert war und zu den in § 5 Abs. 5 SGB V oder den in § 6 Abs. 1 oder 2 SGB V genannten Personen gehört oder bei Ausübung seiner beruflichen Tätigkeit im Inland gehört hätte. Der Versicherungspflicht steht auch nicht entgegen, dass der Antragsgegner bislang keine Anmeldung vorgenommen und die nach § 252 Abs. 1 S. 2 SGB II zu tragenden Beiträge nicht geleistet hat. Die Versicherungspflicht entsteht unabhängig von der Anmeldung und Beitragszahlung (zuletzt zusammenfassend SG Berlin Beschluss vom 10.07.2014 – S 81 KR 1172/14 ER; zur Funktion der Meldung zu Krankenversicherung Beschluss des Senats vom 15.05.2014 – L 19 AS 745/14 B ER).
Vor diesem Hintergrund geht der Senat davon aus, dass der Antragsgegner seiner Verpflichtung zur Meldung des Leistungsbezugs an den Krankenversicherungsträger und Abführung der Beiträge nachkommen wird und sieht von einem klarstellenden Ausspruch insoweit ab.
Die Kostenentscheidung beruht auf einer entsprechenden Anwendung von § 193 SGG.
Die Voraussetzungen für die Bewilligung von Prozesskostenhilfe für das Beschwerdeverfahren nach §§ 73a Abs. 1 S. 1 SGG, 114 f. ZPO liegen ab dem Eingang der Erklärung zu den persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen am 15.09.2014 vor.
Dieser Beschluss ist nicht mit der Beschwerde an das Bundessozialgericht anfechtbar (§ 177 SGG).
Erstellt am: 09.10.2014
Zuletzt verändert am: 09.10.2014