Rev. wird zurückgewiesen.
Die Berufung des Beklagten gegen das Urteil des Sozialgerichts Köln vom 17.01.2017 wird zurückgewiesen mit der Maßgabe, dass der Beklagte unter Abänderung des Bescheides vom 16.06.2015 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 07.10.2015 verurteilt wird, an den Kläger Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes für Januar 2015 zu erbringen. Der Beklagte trägt die außergerichtlichen Kosten des Klägers auch im Berufungsverfahren. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Der Beklagte wendet sich gegen die Verurteilung zur Bewilligung von Alg II für Januar 2015 an den Kläger.
Der im Jahr 1983 geborene Kläger wohnt mit seiner Ehefrau und dem gemeinsamen, 2012 geborenen Sohn in C. Er stand im streitigen Zeitraum in einer als Pendler in I ausgeübten Vollzeitbeschäftigung, für die er eine Nettovergütung in Höhe von ca. 1.800,00 EUR monatlich erhielt.
Im Januar 2015 überwies der Arbeitgeber aufgrund technischer Probleme das Arbeitsentgelt für Januar 2015 nicht wie vertraglich vereinbart zum Monatsende auf das Konto des Klägers. Dies bemerkte der Kläger in den Abendstunden am Freitag, dem 30.01.2015. Daraufhin sandte der Kläger am selben Tag um 20:08 Uhr/ 20:10 Uhr von seiner E-Mail-Adresse Bxx@googlemail.com eine E-Mail an die Adresse des Beklagten "jobcenter-C@jobcenter-ge.de" ab. In der E-Mail beantragte der Kläger für seine Bedarfsgemeinschaft ALG II. Die vom Kläger verwandte E-Mail-Adresse veröffentlichte der Beklagte auf der von ihm unterhaltenen Webseite als Kontaktmöglichkeit neben der Nennung telefonischer Servicezeiten und der Öffnungszeiten, ein Ausdruck der E-Mail erfolgte beim Beklagten nicht.
Die Entgeltzahlung für Januar 2015 floss dem Kläger am 09.02.2015 i.H.v. 1.800,00 EUR zu.
Am 04.03.2015 erinnerte der Kläger den Beklagten per E-Mail an seine E-Mail vom 30.01.2015. Der E-Mail war ein Ausdruck des Textes der E-Mail vom 30.10.2015 in Form einer Sendebestätigung beigefügt. Diese E-Mail erreichte das Postfach des Beklagten, wurde intern noch am selben Tag an das Team 641 weitergeleitet und ausgedruckt. Der Beklagte veranlasste keine Nachforschungen hinsichtlich des Eingangs der E-Mail vom 30.01.2015 in seinem E-Mail-Postfach bzw. E-Mail-Server. Mit Bescheid vom 16.06.2015 bewilligte der Beklagte dem Kläger und seiner Bedarfsgemeinschaft auf den "Antrag vom 04.03.2015" Alg II für die Zeit vom 01.03.2015 bis 31.08.2015.
Hiergegen erhob der Kläger Widerspruch und beanspruchte Alg II für die Zeit ab dem 01.01.2015 aufgrund seines am 30.01.2015 gestellten Antrages. Mit Widerspruchsbescheid vom 07.10.2015 wies der Beklagte den Widerspruch als unbegründet zurück. Ein Widerspruch hinsichtlich der Bewilligung von Leistungen ab Januar 2015 sei unzulässig, da insoweit kein Ausgangsbescheid vorliege. Denn der Bescheid vom 16.06.2015 habe nur für den Zeitraum ab März 2015 eine Regelung getroffen. Der Widerspruch sei aber auch unbegründet, da für Januar und Februar kein Leistungsanspruch bestanden habe. Denn der Kläger habe schon nicht die allgemeine E-Mail-Adresse des Beklagten "BA-Jobcenter-C@jobcenter-ge.de" verwendet. Weiter sei der Zugang der E-Mail vom 30.01.2015 jedenfalls nicht vor Montag, dem 02.02.2015, anzunehmen. Denn erst dann sei mit einer Kenntnisnahme durch den Beklagten – im Rahmen der üblichen Dienstzeiten – zu rechnen gewesen. Im Februar 2015 sei der Kläger indes nicht bedürftig gewesen.
Am 06.11.2015 hat der Kläger Klage erhoben und argumentiert, seine E-Mail vom 30.01.2015 hätte rechtzeitig und den Anspruch für Januar 2015 wahrend ankommen müssen. Denn er habe sie nachweislich abgesendet und keine Unzustellbarkeitsbenachrichtigung bekommen. Dies ermögliche den Anscheinsbeweis der erfolgten Antragstellung noch im Januar. Es komme nur auf den Zeitpunkt des Eingangs der E-Mail im Empfangspostfach an. Auf die gewählte Möglichkeit der Antragstellung habe er sich vor dem Hintergrund eines am 31.03.2014 um 23:48 Uhr mit E-Mail an dieselbe E-Mail-Adresse gestellten Antrages verlassen können, der zur Leistungsbewilligung ab 01.03.2014 geführt habe. Auf Verlangen des Beklagten hat der Kläger einen Ausdruck der Sendebestätigung der E-Mail vom 30.01.2015 vorgelegt.
Der Kläger hat beantragt,
den Bewilligungsabschnitt für Januar 2015 rückwirkend zu bewilligen.
Der Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Er ist der Klage unter Wiederholung und Vertiefung seines Vorbringens aus dem Widerspruchsverfahren entgegengetreten, wonach der Zugang eines Leistungsantrags neben dem Gelangen in den Machtbereich des Empfängers voraussetze, dass mit einer alsbaldigen Kenntnisnahme gerechnet werden könne. Diese könne nur innerhalb der Dienstzeiten angenommen werden. Vertrauensschutz greife nicht, da es keinen Bestandsschutz für die Zukunft gebe.
Mit Urteil vom 17.01.2017 hat das Sozialgericht Köln den Beklagten unter teilweiser Aufhebung des Widerspruchsbescheids vom 07.10.2015 dem Grunde nach verurteilt, an den Kläger Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts für Januar 2015 zu erbringen. Das Sozialgericht hat die Berufung zugelassen. Auf die Gründe wird Bezug genommen.
Gegen das am 25.01.2017 zugestellte Urteil richtet Berufung des Beklagten vom 22.02.2017, mit der er fortgesetzt verficht, der Zugang eines Antrages i.S.v. § 37 SGB II als empfangsbedürftige Willenserklärung erfolge erst dann, wenn auch mit persönlicher Kenntnisnahme durch einen Mitarbeiter zu rechnen sei. Gelange ein Antrag zu Unzeit – außerhalb der Dienstzeiten – in seinen Machtbereich, gehe unter Beachtung der Regelung des § 130 Abs. 3 BGB ein solcher Antrag erst in den nachfolgenden Dienstzeiten zu. Denn eine amtsempfangsbedürftige Willenserklärung stehe einer empfangsbedürftigen Willenserklärung unter Abwesenden gleich. Diese gehe erst dann zu, wenn der Empfänger nach den normalen Umständen die Möglichkeit habe, von dem Inhalt Kenntnis zu nehmen. Bei Versenden einer E-Mail an einem Freitag nach Dienstende könne daher erst am nächsten Werktag, im konkreten Fall am Montag, den 02.02.2015, der für das Antragsdatum und den Anspruchszeitraum entscheidende Antrag bewirkt werden. Auch habe der Kläger spätestens ab Erhalt der Entgeltabrechnung vom 21.01.2015 für Januar 2015 Leistungen sicherheitshalber beantragen können.
Der Beklagte beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Köln vom 17.01.2017 aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Der Senat hat eine Auskunft zur technischen Organisation des E-Mail – Empfanges beim Beklagten, zur Datenspeicherung und den Möglichkeiten einer Datensicherung im Einzelfall eingeholt. Hierauf hat die Zentrale der Bundeagentur für Arbeit mit Schreiben vom 07.07.2017 ausgeführt, eingehende und an Domains der Bundesagentur für Arbeit adressierte E-Mails würden von einem Cluster im Verwaltungszentrum der Bundesagentur für Arbeit in Nürnberg entgegengenommen, sofern der absendende Server in der Vergangenheit nicht als Versender von Spams auffällig geworden sei. Die Information hinsichtlich einer Abweisung/ Nichtannahme einer E-Mail, z. B. wegen eines Schreibfehlers gegenüber dem Absender, obliege dem Mailserver des Absenders, nicht dem Server der Bundesagentur für Arbeit. Wenn die E-Mail des Absenders zum konkreten Fall nicht abgewiesen worden sei, werde sie anhand der Kriterien der Bundesagentur für Arbeit-eigenen IT-Sicherheitsrichtlinien geprüft, bei Konformität dem internen Exchange-Verbund übergeben. Die E-Mail würden auf dem Log-Sammler 11 im Verwaltungszentrum der Bundesagentur für Arbeit 6 Monate lang aufbewahrt. Ob damals Störungen aufgetreten sind, könne nicht mehr gesagt werden, da alle Daten vernichtet seien. Ein mit den Verhältnissen vertrauter Mitarbeiter könne sich nicht an technische Störungen erinnern. Hätte, z.B. aufgrund von Nachfragen der Verdacht, bzw. die Möglichkeit im Raum gestanden hätte, dass eine E – Mail "verloren gegangen" war, hätte das IT-Systemhaus die Log-Files geprüft und Auskunft über den Verbleib der E-Mail geben können. Diese Möglichkeit bestehe jedoch nur für 6 Monate.
Zu weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichts- und der beigezogenen Verwaltungsakten Bezug genommen, deren wesentlicher Inhalt Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen ist.
Entscheidungsgründe:
Der Senat hat in Abwesenheit des mit der ordnungsgemäßen Ladung auf diese Möglichkeit (§§ 153 Abs. 1, 110, 126 SGG) hingewiesenen Klägers entschieden.
Die kraft Zulassung durch das Sozialgericht statthafte Berufung des Beklagten ist unbegründet. Zu Recht hat das Sozialgericht den Beklagten unter Abänderung seiner entgegenstehenden Entscheidung verurteilt, dem Kläger Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes nach dem SGB II für Januar 2015 zu erbringen.
Entgegen dem angefochtenen Urteil, das von einer erstmaligen Ablehnung des Antrags vom 30.01.2015 für Januar 2015 durch den Widerspruchsbescheid vom 07.10.2015 ausgeht, ist auch der Bewilligungsbescheid vom 16.06.2015 in das Verfahren einbezogen, insofern bereits durch diesen der Antrag des Klägers vom 30.01.2015 auf Bewilligung von Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes für Januar 2015 abgelehnt worden ist. Der Tenor ist entsprechend klarzustellen. Denn bei Erlass des Bescheides vom 16.06.2015 hat der Beklagte aufgrund der Erinnerung des Klägers vom 04.03.2015 an die Nichtbescheidung seines Antrages per E-Mail vom 30.01.2015 bereits Kenntnis davon, dass der Kläger Leistungen auch für die Monate Januar und Februar 2015 beansprucht. Danach liegt in der Bewilligung von Leistungen (erst) für die Zeit vom 01.03.2015 bis 31.08.2015 aufgrund eines "Antrags vom 04.03.2015" zugleich die streitgegenständliche Ablehnung des Antrags für Januar und Februar 2015.
Zu Recht hat das Sozialgericht den Beklagten zur Leistungsgewährung für Januar 2015 verurteilt. Der Bescheid vom 16.06.2015 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 07.10.2015 ist rechtwidrig, soweit ein Leistungsanspruch des Klägers für Januar 2015 verneint wird.
Im streitbefangenen Zeitraum, vom 01.01.2015 bis zum 31.01.2015, erfüllte der Kläger die Leistungsvoraussetzungen des § 7 Abs. 1 S. 1 Nr. 1, 2 und 4 SGB II, da er das 15. Lebensjahr vollendet und die Altersgrenze des § 7a SGB II noch nicht erreicht hatte, seinen gewöhnlichen Aufenthalt in der Bundesrepublik Deutschland hatte und erwerbsfähig im Sinne von § 8 Abs. 2 SGB II war. Er war auch hilfsbedürftig im Sinne von §§ 7 Abs. 1 S. 1 Nr. 3, 9 Abs. 1 SGB II. Denn er und seine Familienangehörigen, mit denen er eine Bedarfsgemeinschaft i.S.v. § 7 Abs. 3 Nr. 3a, 4 SGB II bildete, verfügten neben dem Kindergeld über kein bedarfsdeckendes Einkommen i.S.v. § 11 SGB II. Ebenfalls war kein zu berücksichtigendes Vermögen i.S.v. § 12 SGB II vorhanden. Die Leistungsauschlüsse nach § 7 Abs. 1 S. 2, Abs. 4, Abs. 4a und 5 SGB II greifen nicht zu Ungunsten des Klägers ein.
Entgegen der Auffassung des Beklagten hat der Kläger durch seine E- Mail vom 30.01.2015 den für den Anspruch auf Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts für Januar 2015 konstitutiven Antrag nach § 37 SGB II wirksam gestellt.
Nach § 37 Abs. 1 S. 1 SGB II (hier: in der vom 01.08.2013 bis 31.07.2016 geltende Fassung durch Gesetz vom 07.03.2013, BGB I 1167) werden Leistungen nach diesem Buch auf Antrag erbracht. Nach § 37 Abs. 2 S. 1 SGB II werden Leistungen nach diesem Buch nicht für Zeiten vor der Antragstellung erbracht. Der Antrag auf Leistung zur Sicherung des Lebensunterhalts wirkt auf den Ersten des Monats zurück. (§ 37 Abs. 2 S. 2 SGB II).
Mit der am 30.01.2015 abends abgesendeten E-Mail hat der Kläger wirksam die Bewilligung von Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts für Januar 2015 beantragt. Die E-Mail stellt einen Antrag i.S. v. § 37 Abs. 1 S.1 SGB II dar (1). Der Antrag gilt mit abrufbarer Speicherung der E-Mail im elektronischen Postfach (E-Mail Server) des Beklagten als zugegangen (2). Der Kläger hat den Nachweis für den Zugang erbracht (3).
1. Der Antrag auf Leistungen der Grundsicherung nach § 37 SGB II ist grundsätzlich an keine Form gebunden. Es gilt insofern der Grundsatz der Nichtförmlichkeit des Verwaltungsverfahrens (§ 9 SGB X). Der Antrag kann daher auch mündlich, fernmündlich und auch per E-Mail gestellt werden, eine eigenhändige Unterschrift (§ 126 BGB) ist nicht erforderlich. Der Antrag nach dem SGB II ist eine einseitige, empfangsbedürftige öffentlich-rechtliche Willenserklärung, auf die – soweit sich nicht aus sozialrechtlichen Bestimmungen Anderweitiges ergibt – die Regelungen des BGB entsprechend Anwendung finden (§ 130 ff BGB). Er ist daher nach den Maßstäben der §§ 133, 157 BGB auslegungsfähig. Mit der Willenserklärung des Antragstellenden muss lediglich zum Ausdruck gebracht werden, dass Leistungen vom Träger der Grundsicherung für Arbeitsuchende begehrt werden (BSG, Urteile vom 24.04.2015 – B 4 AS 22/14 R -, vom 02.04.2014 – B 4 AS 29/13 R vom 16.05.2012 – B 4 AS 166/11 R und vom 28.10.2009 – B 14 AS 56/08 R).Mit seiner E-Mail hat der Kläger hinreichend deutlich zum Ausdruck gebracht, dass er für sich und seine Familienangehörigen Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts begehrt.
2. Entgegen der Auffassung des Beklagten genügt für das Bewirken des Zugangs eines Antrages nach § 37 SGB II, dass die Erklärung, Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts zu beanspruchen, in seinen Machtbereich gelangt. Für den Zeitpunkt des Zugangs ist nicht entscheidend, wann seine Bediensteten nach den normalen Umständen – im Rahmen ihrer Dienstzeit – die Möglichkeit haben, von dem Inhalt eines elektronisch gestellten Antrag Kenntnis zu nehmen.
Ein Antrag nach § 37 SGB II ist eine einseitige empfangsbedürftige Willenserklärung auf dem Gebiet des öffentlichen Rechts. Da das Sozialgesetzbuch keine eigene Regelung über das Wirksamwerden von Willenserklärungen im Bereich des öffentlichen Rechts enthält, sind die Vorschriften des BGB für die Beurteilung der Wirksamkeit solcher Willenserklärungen entsprechend heranzuziehen, dies allerdings mit Modifikationen, die der Eigenart des Sozialrechts gerecht werden müssen (vgl. BSG, Urteil vom 24.03.2016 – B 12 R 12/14 R – m.w.N.).
Nach den Regelungen des BGB wird eine Willenserklärung, die einem anderen gegenüber abzugeben ist, in dem Zeitpunkt wirksam, in welchem sie ihm zugeht (§ 130 Abs. 1 S. 1 BGB), es sei denn sie wird vorher oder gleichzeitig widerrufen (§ 130 Abs. 1 S. 2 BGB). Dies gilt namentlich auch dann, wenn die Willenserklärung gegenüber einer Behörde abzugeben ist (§ 130 Abs. 3 BGB). Nach herrschender Meinung im Zivilrecht ist ein Zugang einer Erklärung unter Abwesenden – wie im vorliegenden Fall – dann bewirkt, wenn die Willenserklärung dergestalt in den Bereich des Empfängers gelangt ist, dass er die Möglichkeit hat, unter normalen Verhältnissen von ihr Kenntnis nehmen zu können.
Zum Bereich des Empfängers gehören hierbei insbesondere auch die von ihm zur Entgegennahme von Erklärungen bereit gehaltenen Empfangseinrichtungen wie z. B. Briefkästen, Postfach, Anrufbeantworter, Telefaxgeräte oder E-Mail Box (Wendtlandt in BeckOK BGB, Stand 15.6.2017 § 130 Rn. 12 m.w.N.). Eine elektronische Willenserklärung ist schon dann in den Machtbereich des Empfängers gelangt, wenn sie in dem für den Empfang bestimmten Einrichtung aufgezeichnet ist, eines Ausdruckes bedarf es nicht (vgl. zu § 130a ZPO BGH, Beschluss vom 25.04.2016 – IV ZB 20/05). Nach gleichfalls herrschender Meinung ist der Zugang elektronisch übermittelter Willenserklärungen als Erklärung unter Abwesenden im Zivilrecht erst dann bewirkt, wenn üblicherweise mit einer Kenntnisnahme gerechnet werden konnte, wobei bei Geschäftsleuten, Behörden usw. ein Eingang der Willenserklärung während der üblichen Geschäfts- und Bürozeiten unmittelbar nach Eingang der Nachricht in dem elektronischen Briefkasten angenommen wird, während bei einem Privatanschluss nur zu erwarten sei, dass er lediglich einmal täglich auf Eingänge durchgesehen werde, so dass von einem späteren Zugang ausgegangen werden könne (Dörner in Schulze, BGB, § 130 Rn. 4, Einsele im Münchener Kommentar zum BGB, 7.Aufl., § 130 Rn. 18, Wendtland a.a.O., Thalmaier, NJW 2011, 14, 15).
Diese Grundsätze gelten im Sozialrecht mit der Modifikation, dass es bei verfahrensrechtlich wirksamen Erklärungen – wie der Erhebung eines Widerspruchs – sowie bei fristgebundenen Anträgen für den Zeitpunkt des Zugangs allein darauf ankommt, wann die Erklärungen in den Machtbereich der Behörde gelangt sind, weil die Möglichkeit der Kenntnisnahme nach den Gepflogenheiten des Verkehrs nicht erforderlich sind. Demjenigen, der eine materiell -rechtliche Frist gegenüber einer Behörde zu wahren hat, muss gestattet sein, diese Frist voll auszuschöpfen, wenn es für den Empfänger der fristgebunden Erklärung nicht erforderlich ist, dass er sofort Kenntnis von ihrem Inhalt erlangt (BSG, Urteil vom 01.02.1979 – 12 RK 33/77).
Nach Auffassung des Senats gilt dies auch für einen Antrag nach § 37 SGB II und zwar unabhängig davon, ob dieser im Hinblick auf die Regelung des § 37 Abs. 2 S. 2 SGB II nunmehr als fristgebundener Antrag zu werten ist (ablehnend für § 37 Abs. 1 SGB II a.F.: BSG, Urteil vom 16.05.2015 – B 4 AS 166/11 R – m.w.N., wonach § 37 SGB II keine gesetzliche Frist setzt, sondern lediglich das Verhältnis zwischen Antragstellung und Leistungsbeginn regelt. Die Antragstellung selbst sei nicht an eine Frist gebunden und der Ausschluss der Leistungsgewährung vor dem Tag der Antragstellung stelle keine der Wiedereinsetzung nach § 27 Abs.1 SGB X zugängliche materiell – rechtliche Ausschlussfrist dar).
Der Antrag nach § 37 SGB II hat zum einen verfahrensrechtliche Bedeutung, indem der potentiell Leistungsberechtigte durch die Antragstellung dem Grundsicherungsträger signalisiert, dass er nunmehr die Einleitung eines Verwaltungsverfahrens (§§ 8 ff. SGB X i.V.m. § 40 Abs. 1 Satz 1 SGB II) begehrt. Insoweit entspricht § 37 Abs. 1 SGB II der Regelung zur Antragstellung beim Arbeitslosengeld (§ 323 Abs. 1 SGB III). Zum anderen kommt dem Antrag nach § 37 SGB II aber auch eine materiell – rechtliche Bedeutung zu. Der Antrag gehört zwar nicht zu den Voraussetzungen der Leistungsberechtigung nach § 7 Abs. 1 und 2 SGB II. Er hat jedoch konstitutive Wirkung für einen Anspruch auf Leistungen nach dem SGB II. Leistungen nach dem SGB II können der leistungsberechtigten Person frühestens ab Antragstellung zustehen (Aubel in: Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB II, 4. Aufl., § 37, Rn. 11).
Aufgrund dieser Wirkungen ist ein Antrag nach § 37 SGB II mit einem fristgebundenen Antrag vergleichbar. Denn einem Antrag nach § 37 SGB II kommt eine "Türöffnerfunktion" zu (BSG, Urteil vom 24.04.2015 – B 4 AS 22/14 R) und die Anforderungen an die Antragstellung sind vom Prinzip des leichten Zugangs geprägt (§ 17 Abs. 1 Nr. 3 SGB I; Gagel/Striebinger SGB II § 37 Rn. 46). Nur diese Sicht berücksichtigt zugleich die aus § 2 Abs. 2 SGB I folgende positive Verpflichtung des Grundsicherungsträgers, Ansprüche nach dem SGB II möglichst zur Entstehung zu bringen oder "wiederherzustellen" (Seewald in: Kasseler Kommentar, SGB I, Juli 2017, § 2 Rn. 12). Nach § 2 Abs. 2 SGB I sind die sozialen Rechte bei der Auslegung der Vorschriften des SGB und bei der Ausübung von Ermessen zu beachten; dabei ist sicherzustellen, dass sie sozialen Rechts möglichst weitgehend verwirklicht werden. Diesem Ziel entsprechend ist auch das Erfordernis des Zuganges im Sinne von § 130 BGB abweichend vom zivilrechtlichen Kontext der Vorschrift auszulegen. Denn im Zivilrecht geht es um den Ausgleich von Interessen und Ansprüchen grundsätzlich im Gleichordnungsverhältnis einander gegenüberstehender Parteien, während das Sozialrecht insgesamt, namentlich dann auch seine verfahrensrechtliche Durchsetzung alleine der Befriedigung von Interessen der Bürger dient, soweit sie im Rahmen der geltenden Bestimmungen zur verwirklichen sind. Zwar besteht auch im Sozialrecht eine Gleichwertigkeit der Interessen. Die Verwaltung ist jedoch nur in seltenen Fällen einseitig auf das öffentliche Interesse festgelegt; selbst dann hat sie einen Interessenausgleich zu vollziehen (BSG, Urteil vom 17.04.1986 – 7 R AR 81/84). Wenn ein Grundsicherungsträger den Zugang von Anträgen nach § 37 SGB II auf Übermittlungswegen eröffnet, die nicht an Dienstzeiten gebunden sind, wie z.B. über Telefax oder E-Mail, ist der Zugang daher bereits bewirkt, wenn die Erklärung in seinen Machtbereich gelangt.
Der Beklagte unterhält – schon lange vor dem streitgegenständlichen Zeitpunkt – eine ohne Beschränkung auf bestimmte Gegenstände der Kommunikation zur Verfügung gestellte E-Mail- Adresse, die er im Schriftverkehr, auf seiner Domain im Internet und auch in zur Verfügung gestellten Merkblättern veröffentlich hat. Damit hat er einen von seinen Dienstzeiten unabhängigen Zugang auch für Zwecke der Antragstellung im Sinne von §§ 16 SGB I, 37 SGB II eröffnet. Er hat nicht ohne darauf hingewiesen, bei Nutzung dieses Kommunikationsweges komme es für den Zugang der Erklärung nicht auf den Zeitpunkt der Speicherung, sondern den Beginn seiner nachfolgenden Dienstzeiten an. Dieser Zugang ist technisch geeignet, fristwahrende und materiell rechtlich wirksame Anträge, insbesondere auch eine Antragstellung mit der Rückwirkung von bis zu 31 Tagen (§ 37 Abs. 2 S. 2 SGB II) zu bewirken und dem Inhaber sozialer Rechte zu deren Vollverwirklichung im Sinne von § 2 SGB I zu verhelfen.
Es ist kein sachlich rechtfertigender Grund dafür ersichtlich, diesen Zugang im Sinne der Argumentation des Beklagten auf übliche Dienstzeiten, gar auf die konkret vor Ort bestehenden Dienstzeiten (im Falle des Beklagten freitags nur bis in die Mittagszeit) zu beschränken, anderenfalls die volle Verwirklichung sozialer Rechte nicht sichergestellt wäre. Denn für den Beklagten als Empfänger der Willenserklärung auf Antragstellung im Sinne von § 37 SGB II ist es nicht bedeutsam, für den praktischen Ablauf vielmehr unerheblich, ob er sofort Kenntnis von der Antragstellung erhält. Dem Antrag auf Leistungen zur Grundsicherung nach dem SGB II ist – beim Vorliegen der Leistungsvoraussetzung – gesetzlich zwingend zu entsprechend. Der Beklagte hat dem Antrag stattzugeben und Leistungen zu bewilligen, wenn die gesetzlichen Voraussetzungen erfüllt sind. Für ihn kommt es weder entscheidend noch überhaupt auf die sofortige Kenntnis vom Inhalt des Antrages und den konkreten Zeitpunkt der Antragstellung an, lediglich auf den Eingang des Antrages in seinen Machtbereich an sich. Diesem rechtlichen Rahmen trägt die – grundsätzlich auch vom Beklagten zu beachtende – Handlungsempfehlung nach den fachlichen Hinweisen der Bundesagentur für Arbeit zu § 37 SGB II (Stand der letzten Änderung vom 20.05.2011) Rechnung, insofern dort im Falle postalischer oder per E-Mail eingehender Anträge Eingangsdatum der Tag des Post- bzw. E-Mail – Eingangs ist.
Wollte der Beklagte hiervon abweichen, müsste er zur Abwendung eines Verstoßes gegen seine Verpflichtung, auf die Verwirklichung sozialer Rechte im vom Gesetz vorgesehenen Umfang hinzuwirken, einen 24 Stunden täglich und an 365 Tagen des Jahres mit Mitarbeitern besetzten Notdienst einrichten und unterhalten.
Hiergegen spricht nicht die vom Beklagten eingewendete Rechtsänderung vom 31.01.2011 innerhalb von § 37 SGB II. Nach § 37 Abs. 2 S.1 SGB II der bis zum 31.12.2010 anzuwendenden Fassung galt: "Treten die Anspruchsvoraussetzungen an einem Tag ein, an dem der zuständige Träger von Leistungen nach diesem Buch nicht geöffnet hat, wirkt ein unverzüglich gestellter Antrag auf diesen Tag zurück". Diese Bestimmung ist zum 01.01.2011 ersatzlos entfallen, zugleich jedoch die Antragsrückwirkung nach § 37 Abs. 2 S. 2 SGB II für einen Zeitraum von bis zu einem Monat eingeführt worden.
Bereits nach Vorstehendem kann grundsätzlich die Annahme des Beklagten ausgeschlossen werden, der Gesetzgeber habe hierdurch eine Rechtsänderung zum Nachteil der Leistungsempfänger bewirken und eine Antragsstellung nur noch zu Dienstzeiten zulassen wollen. Die Gesetzesmaterialen (BT-Drs. 17/3404 S 114) verhalten sich nicht hierzu, sodass alleine die Annahme verbleibt, der Gesetzgeber sei der Meinung gewesen, er habe bereits durch Einführung der Antragsrückwirkung nach § 37 Abs. 2 S. 2 SGB II eine zur vollen Verwirklichung zugemessener sozialer Rechte führende Regelung getroffen. Denn die Rückwirkung des Antrags auf den Monatsersten hat – auch – begünstigenden Charakter.
Zwar wirkt sich § 37 Abs. 2 Satz 2 SGB II einerseits zu Lasten der leistungsberechtigten Person aus, wenn ihr im Antragsmonat, aber vor dem Datum der Antragstellung Einnahmen zugeflossen sind (Aubel, a.a.O., § 37 Rn. 55). Jedoch ermöglicht es § 37 Abs. 2 S. 1 SGB II andererseits einer leistungsberechtigten Person zugleich, mit der Antragstellung bis zum letzten Tag des Monats abzuwarten, z.B. wenn sie mit einer Einnahme rechnet, die wider Erwarten ausbleibt und dennoch rückwirkend für den gesamten Monat Leistungen zu erhalten. Auch schadet eine Bedarfsdeckung durch eigene oder fremde Mittel zwischen dem Ersten des Monats und dem Datum des Antrags nicht, wenn die leistungsberechtigte Person im Antragsmonat nach Maßgabe von § 9 SGB II hilfebedürftig ist. Schon § 37 Abs. 2 S. 2 SGB II zwingt den Grundsicherungsträger deshalb, die Möglichkeit einer Antragstellung noch am letzten Tag des Monats sicherzustellen. Erst recht kann er von einem Betroffenen nicht erwarten, sich mit seinen Dienstzeiten vertraut zu machen und unter deren Berücksichtigung vorsorglich einen Leistungsantrag zu stellen, obwohl der Zufluss bedarfsdeckenden Einkommens vor Monatsende zu erwarten ist. Diese Rechtslage bewahrt zugleich den Leistungsträger vor der Bearbeitung objektiv unnötiger Anträge ohne seine Bearbeitung auch nur im Mindesten zu beeinträchtigen.
Die Annahme, dass der Gesetzgeber durch Aufhebung von § 37 Abs. 2 S.1 SGB II der bis zum 31.12.2010 geltenden Fassung eine Antragstellung außerhalb der Dienstzeiten des Leistungsträgers keinesfalls ausschließen wollte, trägt insbesondere vor dem Hintergrund der unveränderten Regelungen des SGB III zum Anspruch auf Arbeitslosengeld, der neben der Antragsstellung selbst eine persönliche Arbeitslosmeldung voraussetzt und nicht rückwirkend entsteht. So wirkt nach § 141 Abs. 3 SGB III (auch weiterhin) eine persönliche Meldung am nächsten Tag mit Dienstbereitschaft auf den Tag fehlender Dienstbereitschaft zurück, wenn die zuständige Agentur für Arbeit am ersten Tag der Beschäftigungslosigkeit nicht dienstbereit war. Gleiches gilt nach § 325 Abs. 2 S. 2 SGB III für die Antragstellung. Insoweit also nicht nur die Fiktion der rechtlich wirksamen Antragstellung, vielmehr auch des faktischen Elementes der Arbeitslosmeldung angeordnet wird und irgendein Grund zur Schlechterstellung der Leitungsinteressenten im SGB II nicht zu erkennen ist, bestärkt auch dies die Sichtweise, wonach gerade und erst recht die Antragstellung nach § 37 SGB II von konkreter Dienstbereitschaft des örtlichen Jobcenters unabhängig sein muss.
Danach wird die Antragstellung § 37 SGB II durch Eingang der E-Mail mit der auf eine Leistungsgewährung gerichteten Willenserklärung im Machtbereich des Empfängers, hier des Beklagten bewirkt. Nach der im Verfahren eingeholten Auskunft der Zentrale der Bundesagentur für Arbeit im Schreiben vom 07.07.2017 ist dessen Empfangseinrichtung so organisiert, dass eingehende und an Adressen der Bundesagentur für Arbeit adressierte E-Mails von einem Cluster im Verwaltungszentrum der Bundesagentur für Arbeit in Nürnberg entgegengenommen werden, sofern der absendende Server in der Vergangenheit nicht als Versender von Spams auffällig geworden ist. Eine E-Mail wird dann auf einem Log-Sammler Nr. 11 im Verwaltungszentrum der Bundesagentur für Arbeit 6 Monate lang aufbewahrt.
3) Der Kläger trägt die Beweislast für den Zugang des Antrags, d. h. der abrufbaren Speicherung der E-Mail im elektronischen Postfach (E-Mail Server) des Beklagten (vgl. BSG, Urteil vom 26.07.2007 – B 13 R 4/06 R; Aubel, a.a.O., § 37, Rn. 31). Der Kläger hat diesen Nachweis durch die Vorlage des Ausdrucks der Sendebestätigung mit korrekter Angabe der E-Mail -Adresse des Beklagten erbracht.
Entgegen der Auffassung des Klägers begründet der Ausdruck eines Sendeberichts mit Widergabe der korrekten E-Mail-Adresse des Beklagten allerdings keinen Anscheinsbeweis für weiteres Geschehen als eben des Versendens selbst. Denn aus dem Nachweis des Sendevorganges ist nicht verlässlich auf die Bewirkung des Zugangs, d.h. der Aufzeichnung der E-Mail auf der vom Beklagten für den Empfang bestimmten Einrichtung zu schließen. Der Beweis des ersten Anscheins greift (nur) bei typischen Geschehensabläufen ein. Es muss sich um einen regelmäßigen widerkehrenden Vorgang handeln, für den eine Verkettung von Ursachen und Wirkung typisch ist, die nach allgemeinen Erkenntnissen durchweg so beobachtet werden kann. Dies bedeutet nicht, dass die Verkettung bei allen Sachverhalten der Fallgruppe notwendig immer vorhanden ist, ausreichend ist vielmehr eine sehr große Wahrscheinlichkeit. Steht fest, dass eine bestimmte Ausgangssituation typischerweise zu einem bestimmen Geschehensablauf führt oder dass eine bestimmte Folge typsicherweise auf einem bestimmten Geschehensablauf beruht, braucht nicht bewiesen zu werden, dass es auch im konkreten Fall zu diesem Ablauf gekommen ist, wenn keine konkreten Anhaltspunkte für einen anderen Verlauf vorliegen (BGH, Urteil vom 06.06.2017- IX Zb 73/16 – m.w.N.).
Diese Voraussetzung eines Anscheinsbeweises hat der Bundesgerichtshof bislang für o.k.-Vermerke auf dem Sendebericht beim Telefax-Versand verneint, mit dem nur die Herstellung der Verbindung zwischen Sende- und Empfangsgerät angezeigt werde. Hingegen besitze das Sendeprotokoll keinen Aussagewert für die geglückte Übermittlung der Daten und das Ausbleiben von Störungen mangels einer Feststellung oder gesicherten gerichtsbekannten Erkenntnis dazu, wie oft Übertragungen an Leistungsstörungen und Defekten der verwendeten Geräte, Bedienungsfehlern oder ähnlichem scheitern und gleichwohl ein o.k.-Vermerk ausgedruckt wird (BGH, Urteil vom 06.06.2017- IX Zb 73/16 m.w.N.; siehe auch BSG, Beschluss vom 20.10.2009 – B 5 R 84/09 B). Dies ist in Instanzrechtsprechung und Literatur auf den Aussagewert des Sendeprotokolls zur Versendung einer E-Mail übertragen worden, falls diese die korrekte E-Mail-Adresse des Empfängers widergibt. Ein solches Sendeprotokoll eignet sich nicht, den Anscheinsbeweis für den Zugang zu begründen. Denn es besteht kein Erfahrungssatz, dass bei einem erfolgreichen Absenden einer elektronischen Willenserklärung typischerweise eine Aufzeichnung in der vom Empfänger bestimmten Einrichtung erfolgt. Ein Anscheinsbeweis für den Zugang wird bei Abgabe einer elektronischen Erklärung in Form einer E-Mail nur dann angenommen, wenn der Absender durch die Aktivierung der Funktionen "Eingangsbestätigung" oder "Lesebestätigung" die Abfrage im E-Mail – Postfach des Empfängers bzw. die Öffnung der E-Mail auf Seiten des Empfängers dokumentieren und belegen kann. Diese Informationen sichert der Sendebericht nicht und mangels vorhandener Erfahrungssätze zur Sicherheit und Verlässlichkeit der Datenübertragung erlaubt die Vorlage eines Sendeberichts dann auch nicht die Annahme eines Anscheinsbeweises (vgl. BGH, Urteil vom 06.06.2017- IX Zb 73/16 – m.w.N. zum (nicht erbrachten) Anscheinsbeweis für eine öffentliche Bekanntmachung durch Veröffentlichung im Internet; LArbG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 27.11.2012 – 15 Ta 2066/12; BKartA C 2. Vergabekammer des Bundes, Beschluss vom 03.02.2014 – VK 2-1/14).
Der Kläger hat bei Ermittlung seiner E-Mail am 30.01.2015 von den Funktionen "Eingangsbestätigung" bzw. "Lesebestätigung" keinen Gebrauch gemacht und kann daher durch Vorlage seines Sendeprotokolls weder den Vollbeweis noch den Anscheinsbeweis für die Speicherung seiner E- Mail auf dem Empfangsserver und damit im Machtbereich des Beklagten erbringen.
Zur Überzeugung des Senats ist der vom Kläger vorgelegten Sendebestätigung aber derselbe Beweiswert wie einem o.k.-Vermerk auf dem Sendebericht beim Telefax-Versand beizumessen, nämlich hinsichtlich der Absendung der Erklärung und dem Zustandekommen einer Verbindung mit der in der Sendebestätigung genannten E-Mail-Adresse (bei deren Unrichtigkeit eine Fehlermeldung entstünde). Der eine vollständige Übermittlung nur indizierende Beweiswert des Sendeberichts ist unter Berücksichtigung des Vorbringens des Beklagten zu würdigen. Dabei genügte dem Senat ein bloßes Bestreiten des Zugangs nicht zur Widerlegung der indizierenden Wirkung. Denn auch bei einem o.k.-Vermerk auf dem Sendebericht beim Telefax-Versand kann sich der Empfänger nicht auf bloßes Bestreiten des Zugangs beschränken; vielmehr muss er sich im Rahmen seiner sekundären Darlegungslast näher dazu äußern, welches Empfangsgerät er betreibt, ob die Verbindung in dessen Speicher aufgezeichnet wurde, ob er ein Empfangsjournal führt und dies gegebenenfalls vorlegen usw. (BGH, Urteil vom 19.02.2014 – IV ZR 163/13).
Dies ist auf die Beweislage hinsichtlich der Übermittlung einer elektronischen Willenserklärung übertragbar. Der Empfänger einer elektronischen Willenserklärung hat deshalb zur Widerlegung der indizierenden Wirkung des Sendeberichts nachvollziehbar darzulegen, warum eine Speicherung der an ihn abgesandten elektronischen Willenserklärung in seiner Empfangseinrichtungen nicht erfolgt ist bzw. aus welchen Gründen er dies nicht darlegen kann. Dem Beklagten wäre es technisch möglich gewesen, seiner sekundären Darlegungslast zu entsprechen. Nach der vom Senat eingeholten Auskunft werden E-Mails an den Beklagten auf dem Server der Bundesagentur für Arbeit 6 Monate lang aufbewahrt und zum Abruf bzw. zur Kontrolle des Eingangs einer E-Mail bereitgestellt. Erst nach 6 Monaten ohne Zugriff oder Nachfrage werden die Daten gelöscht. Danach hätte ab dem Versand der E-Mail am 30.01.2015 in den folgenden 6 Monaten die technische Möglichkeit bestanden, den Eingang der versandten Mail auf dem Server des Beklagten zu kontrollieren. Diese Beweismöglichkeit hat der Beklagte vereitelt, in dem er im – großzügig bemessenen – Zeitraum vor Löschung der Daten keinerlei Überprüfung des Eingangs einer Mail vorgenommen und dokumentiert, auch im Übrigen keine Beweissicherung betrieben hat. Anlass hierzu hat aufgrund der Erinnerung des Klägers vom 04.03.2015 an seine E-Mail vom 30.01.2015 bestanden. Diese E-Mail hat das Postfach des Beklagten erreicht und wurde intern noch am selben Tag an das Team 641 weitergeleitet, das hierdurch Kenntnis von der anspruchsrelevanten Behauptung des Klägers erhalten hat, bereits am 30.01.2015 einen Antrag gestellt zu haben. Ebenfalls innerhalb der 6-Monatsfrist hat der Kläger in seinem Widerspruch vom 17.07.2015 dezidiert dargelegt, dass er schon mit der E-Mail vom 30.01.2015 einen Antrag für die Monate Januar und Februar 2015 gestellt hat.
Vor Ablauf von 6 Monaten seit Januar 2015 hat der Beklagte aber weder den Eingang der behaupteten E-Mail überprüft noch das hierzu seinerzeit noch zur Verfügung stehendes Datenmaterial gesichert. Damit hat er seiner Darlegungslast nicht genügt, so dass er sich aus diesem Unterlassen ergebende Beweisnachteile zu tragen hat.
Kann einer sekundären Darlegungslast nicht entsprochen werden, ist der Kläger so gestellt, als habe er seiner (primären) Beweislast genügt. Nur in dem Falle, dass einer sekundären Darlegungslast entsprochen werden kann, ist es wieder Sache des Anspruchstellers, die für die Erfüllung der Anspruchsvoraussetzung notwendigen Umstände darzulegen und nachzuweisen (vgl. BGH, Urteil vom 27.07.2017 – I Z 68/16 – m.w.N.).
Der am 30.01.2015 wirksam gestellte Antrag des Klägers wirkt nach § 37 Abs. 2. S, 2 SGB II auf den 01.01.2015 zurück. Danach liegen sämtliche Voraussetzungen für den geltend gemachten Anspruch des Klägers im Januar 2015 vor.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Ein Grund zur Zulassung der Revision im Sinne von § 160 Abs. 2 SGG liegt nicht vor.
Erstellt am: 05.11.2019
Zuletzt verändert am: 05.11.2019