Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Aachen vom 13.05.2019 wird zurückgewiesen. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Der Kläger begehrt die Bewilligung höherer Grundsicherungsleistungen nach dem SGB II für den Zeitraum von April 2018 bis September 2018.
Der am 00.00.1958 geborene Kläger bezieht laufend Grundsicherungsleistungen nach dem SGB II. Er wohnt in einer seit 2009 angemieteten Wohnung zusammen mit seiner am 00.00.1981 geborenen Ehefrau und dem am 00.00.2008 geborenen gemeinsamen Sohn, für den im streitigen Zeitraum Kindergeld i.H.v. 194,00 EUR monatlich bezogen wurde. Das Warmwasser wird dezentral erzeugt.
Nach einer Ortsbesichtigung im Verfahren S 23 AS 742/14 erkannte der Beklagte im Wege eines Prozessvergleiches an, dass der Kläger in dem Zeitraum vom 01.04.2014 bis 31.01.2015 von seiner Ehefrau getrennt lebte. In den nachfolgenden Bewilligungszeiträumen ging der Beklagte bei der Bedarfsermittlung davon aus, dass zwischen dem Kläger und seiner Ehefrau keine Bedarfsgemeinschaft i.S.v. § 7 Abs. 3 Nr. 3a SGB II besteht. Seit November 2015 verfügte der Kläger über kein eigenes Konto. Die bewilligten Grundsicherungsleistungen überwies der Beklagte auf das Konto seiner Ehefrau. Über dieses Konto hatte der Kläger keine Vollmacht.
Die Ehefrau erzielte im streitbefangenen Zeitraum im Rahmen einer zunächst auf den Zeitraum vom 01.03.2018 bis 31.08.2018 befristeten, später dann verlängerten Beschäftigung als Reinigungskraft monatliche Einkünfte in unterschiedlicher Höhe. Das Entgelt wurde im Folgemonat ausgezahlt.
Mit Bescheid vom 29.03.2018 bewilligte der Beklagte u.a. dem Kläger vorläufig nach § 41a SGB II Grundsicherungsleistungen i.H.v 488,99 EUR monatlich für den Zeitraum von April 2018 bis September 2018 unter Ansatz eines monatlichen Einkommens seiner Ehefrau i.H.v. 577,50 EUR brutto (460,00 EUR netto). Hierbei nahm er das Bestehen einer Bedarfsgemeinschaft des Klägers mit seiner Ehefrau und dem gemeinsamen Sohn an.
Am 18.04.2018 legte der Kläger Widerspruch gegen den Bescheid mit der Begründung ein, dass eine Bedarfsgemeinschaft mit seiner Ehefrau nicht bestehe. Es sei keine Änderung der Verhältnisse eingetreten. Mit Widerspruchsbescheid vom 09.10.2018 wies der Beklagte den Widerspruch als unbegründet zurück.
Hiergegen hat der Kläger am 12.10.2018 Klage erhoben. Er hat die Ansicht vertreten, eine Bedarfsgemeinschaft mit seiner Ehefrau könne nicht mehr angenommen werden, da sie dauerhaft getrennt in einer gemeinsamen Wohnung lebten. Aufgrund der zu niedrigen Zahlungen sei er daher mittellos und wisse nicht, wovon er leben solle. Dass keine Bedarfsgemeinschaft bestehe, sei auch bereits vom Sozialgericht Aachen in dem Verfahren S 23 AS 742/14 festgestellt worden.
Der Kläger hat beantragt,
den Beklagten unter Abänderung des Bescheides vom 29.03.2018 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 09.10.2018 zu verurteilen, ihm Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes nach Maßgabe der gesetzlichen Bestimmungen ohne Berücksichtigung einer Bedarfsgemeinschaft mit Frau C zu gewähren.
Der Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Der Beklagte hat eine Bedarfsgemeinschaft angenommen, dass kein dauerhaftes Getrenntleben nachgewiesen sei. Die Eheleute hätten weder ein Scheidungsverfahren in die Wege geleitet noch ihre finanziellen Angelegenheiten voneinander getrennt.
Mit Bescheid vom 04.12.2018, adressiert an die Ehefrau des Klägers, hat der Beklagte u.a. die Höhe der an den Kläger zu gewährenden Grundsicherungsleistungen für den Zeitraum vom 01.04.2018 bis 30.09.2018 abschließend auf 462,04 EUR monatlich festgesetzt. Mit weiterem Bescheid vom 04.12.2018 hat der Beklagte vom Kläger zuviel erbrachte Leistungen i.H.v. monatlich 26,95 EUR, insgesamt 161,70 EUR nach § 41a Abs. 6 SGB II zurückgefordert. Der Kläger und seine Ehefrau haben keinen Widerspruch gegen die Bescheide erhoben.
Mit Urteil vom 13.05.2019, auf dessen Begründung Bezug genommen wird, hat das Sozialgericht Aachen die Klage abgewiesen.
Gegen dieses Urteil richtet sich die Berufung vom 04.06.2019,
Der Kläger verfolgt sein Begehren weiter.
Der Kläger beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Aachen vom 13.05.2019 aufzuheben und den Beklagten unter Änderung des Bescheides vom 04.12.2018 zu verurteilen, ihm höhere Grundsicherungsleistungen nach dem SGB II für die Zeit vom 01.04.2018 bis 30.09.2018 nach Maßgabe der gesetzlichen Bestimmungen zu gewähren.
Der Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Der Beklagte stützt das angefochtene Urteil.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und der Verwaltungsakten der Beklagten sowie der beigezogenen Akten des Sozialgerichts Aachen, S 23 AS 742/14,S 7 AS 919/18 ER, S 7 AS 848/18, S 4 AS 415/18 ERS 21 AS 354/19, S 21 AS 289/19 ER, S 21 AS 81/18, S 21 AS 448/19, S 21 AS 193/19 und S 21 AS 337/19 ER Bezug genommen, deren wesentlicher Inhalt Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen ist.
Entscheidungsgründe:
Die zulässige Berufung ist unbegründet.
Gegenstand des Berufungsverfahrens ist der Bescheid vom 04.12.2018, mit dem Beklagte die dem Kläger mit Bescheid vom 29.03.2018 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 09.10.2018 nach § 41a SGB II vorläufig bewilligten Leistungen abschließend nach § 41a Abs. 3 SGB II festgesetzt hat. Denn dieser Bescheid hat den angefochtenen Bescheid vom 29.03.2018 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 09.10.2018 ersetzt und damit erledigt i.S.v. § 39 SGB X, ohne dass es einer Aufhebung oder Änderung dieser vorläufigen Entscheidung bedurft hätte (vgl. zu den Rechtswirkungen einer abschließenden Entscheidung im Verhältnis zu einer vorläufigen Bewilligung: BSG, Urteil vom 05.07.2017 – B 14 AS 36/16 R m.w.N.). Damit ist der Bescheid Gegenstand des erstinstanzlichen Verfahrens nach § 96 SGG geworden. Der dem Sozialgericht insoweit unterlaufene Verfahrensfehler hindert eine Entscheidung über die Berufung nicht (Schmidt in Meyer-Ladewig, SGG 12. Aufl., § 96 Rn. 12,12a).
Der Erstattungsbescheid vom 04.12.2018, mit dem der Kläger nach § 41a Abs. 6 S. 3 SGB II zur Erstattung der überzahlten vorläufig für die Zeit vom 01.04.2018 bis 30.09.2018 erbrachten Leistungen herangezogen wird, ist nicht Gegenstand des Klageverfahrens geworden. Der Erstattungsbescheid vom 04.12.2018 ändert weder den Bewilligungsbescheid vom 29.03.2018 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 09.10.2018 ab noch ersetzt er diesen. Bei den beiden Verfügungen – abschließende Festsetzung der Leistung nach § 41a Abs. 3 S. 1 SGB II im Bescheid vom 04.12.2018 und der daraus folgenden Erstattungsforderung § 41a Abs. 6 S. 3 SGB – handelt es sich um zwei selbstständige, voneinander unabhängige Verfügungen, die separat erlassen oder in einem gemeinsamen Verwaltungsakt zusammengefasst werden können. Hier sind sie separat erlassen worden. Die abschließende Festsetzung des Leistungsanspruchs im Bescheid vom 04.12.2018 entfaltet lediglich Tatbestandswirkung für die Berechnung des Erstattungsanspruches nach § 41a Abs. 6 S. 3 SGB II.
Das Sozialgericht hat im Ergebnis zutreffend die Klage abgewiesen.
Der Kläger ist durch den Bescheid vom 04.12.2018 nicht beschwert i.S.v. § 54 Abs. 2 SGG.
Der Beklagte hat zu Recht im Bescheid vom 04.12.2018 die Höhe der Grundsicherungsleistungen an den Kläger für den streitbefangenen Zeitraum abschließend auf 462,04 EUR monatlich festgesetzt.
Der Beklagte ist bei der Bedarfsermittlung zutreffend davon ausgegangen, dass der Kläger mit seiner Ehefrau im streitbefangenen Zeitraum eine Bedarfsgemeinschaft i.S.v. § 7 Abs. 3 Nr. 3a SGB II gebildet hat. Danach gehören als Partnerin oder Partner der erwerbsfähigen Leistungsberechtigten die nicht dauernd getrennt lebende Ehegattin oder der nicht dauernd getrennt lebende Ehegatte. Mit dem Anknüpfen an den Status der Ehe in § 7 Abs. 3 Nr. 3a SGB II unterstellt der Gesetzgeber im Sinne einer verwaltungspraktischen Anwendung der SGB II-Vorschriften regelmäßig das Vorhandensein einer durch Ehe und Familie typischerweise gegebenen wirtschaftlichen und sonstigen Lebenssituation. Dabei liegt es im Wesen einer typisierenden gesetzlichen Verallgemeinerung, dass mit dem Bezug auf bestimmte tatsächliche Verhältnisse bzw. sozialtypische Befunde eine weite, alle betroffenen Gruppen und Regelungsgegenstände einbeziehende Betrachtung stattfindet. Hierbei darf sich der Gesetzgeber grundsätzlich am Regelfall orientieren und ist nicht gehalten, Besonderheiten jeweils durch Sonderregelungen auszunehmen Es soll gerade nicht bei jeder Gestaltungsform der Ehe im Einzelfall geprüft werden, ob mit ihr auch eine bestimmte Form des Zusammenlebens und Wirtschaftens verbunden ist (BSG, Urteil vom 18.02.2010 – B 4 AS 49/09 R). Die Auslegung des Begriffs "Getrenntleben" richtet sich daher auch im Rahmen des SGB II nach familienrechtlichen Grundsätzen (BSG, Urteil vom 16.04.2013 – B 14 AS 71/12 R m.w.N.). Nach § 1567 BGB leben Ehegatten getrennt, wenn zwischen ihnen keine häusliche Gemeinschaft besteht und ein Ehegatte sie erkennbar nicht herstellen will, weil er die eheliche Lebensgemeinschaft ablehnt. Maßgebend ist also ein objektiv hervortretender Trennungswille (siehe hierzu BSG, Urteil vom 16.04.2013 – B 14 AS 71/12 R; LSG Sachsen, Urteil vom 19.01.2017 – L 7 AS 1438/14 m.w.N.).
Zur Überzeugung des Senats ist ein solcher Trennungswille des Ehepaars nicht erwiesen. Denn das Getrenntleben in einer ehelichen Wohnung ist nicht primär nach der Willensrichtung der Ehegatten zu beurteilen (BSG, Urteil vom 16.04.2013 – B 14 AS 71/12 R), sondern der objektive Tatbestand – die Trennung – ist in einer Weise zu verwirklichen, die der Indizwirkung des Getrenntlebens in verschiedenen Wohnungen für die Annahme der Scheiternsvermutung entspricht (Rauscher in Staudinger, BGB, 2018, § 1567 Rn. 56).
Hier nun ist ein solcher objektiv hervortretender Trennungswille nicht mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit erwiesen. Der Senat nimmt Bezug auf die Ausführung des Sozialgerichts, die er sich zu Eigen macht. Ergänzend weist der Senat darauf hin, dass nach den Feststellungen in den Protokollen zu den beiden Ortsbesichtigungen am 24.11.2014 im Verfahren S 23 AS 742/14 und am 17.12.2018 im Verfahren S 7 AS 919/18 ER, die der Senat im Wege des Urkundenbeweises verwertet, eine strikte Trennung der räumlichen Lebensbereiche des Klägers und seiner Ehefrau nicht belegt ist, da das Wohnzimmer von beiden, also gemeinsam, genutzt wird (vgl. zum Erfordernis der strikten räumlichen Trennung: Rauscher in Staudinger, a.a.O. § 1567 Rn. 59 ff). Auch mangelt es regelmäßig an einem nach außen erkennbaren Trennungswillen, wenn die Ehe über die vollzogenen Aufgabe einer häuslichen Gemeinschaft in der gemeinsamen Ehewohnung fortgesetzt wird, ohne dass ein Partner von der Möglichkeit Gebrauch macht, die Scheidung durchzusetzen (vgl. LSG Sachsen, Urteil vom 19.01.2017 – L 7 AS 1438/14 m.w.N.). Vorliegend ist nicht ansatzweise erkennbar, dass einer der Ehepartner die Scheidung anstrebt. Der Kläger trägt die Beweislast für das Getrenntleben der Ehegatten.
Auch die Höhe der dem Kläger bewilligten Leistungen ist nicht zu beanstanden.
Der Beklagte hat den monatlichen Bedarf des Klägers zutreffend i.H.v. 593,41 EUR ermittelt. Er setzt sich aus dem Regelbedarf als Partner i.H.v. 374,00 EUR (§§ 20 Abs. 1a, Abs. 4 SGB II, 8 Abs. 1 Nr. 2 RBEG i.V.m. § 2 RBSFV 2018), einem Mehrbedarf nach § 21 Abs. 7 SGB II i.H.v. 8,60 EUR und dem kopfteiligen Anteil an Kosten der Unterkunft und Heizung i.H.v. 210,81 EUR ([ 417,45 EUR Grundmiete + 132,99 EUR Betriebskostenvorauszahlung + 81,99 Heizkostenvorauszahlung) = 632,43 EUR: 3 Personen) zusammen.
Auf diesen Bedarf hat der Beklagte zutreffend das Einkommen der Ehefrau des Klägers als Partnerin i.H.v. 131,37 EUR nach §§ 7 Abs. 1 S. 1 Nr. 3, 9 Abs. 2 S. 1, 11, 11b SGB II angerechnet. Bei der abschließenden Feststellung des Leistungsanspruchs des Klägers ist nach § 41a Abs. 4 S. 1 SGB II als Einkommen der Ehefrau i.S.v. § 11 Abs. 1 S. 1 SGB II ein monatliches Durchschnittseinkommen zugrunde zu legen, da die Ausnahmetatbestände des § 41a Abs. 4. S. 2 SGB II nicht gegeben sind. Als monatliches Durchschnittseinkommen ist nach § 41a Abs. 4 S. 3 SGB II für jeden Kalendermonat im Bewilligungszeitraum der Teil des Einkommens zu berücksichtigen, der sich bei der Teilung des Gesamteinkommens im Bewilligungszeitraum durch die Anzahl der Monate im Bewilligungszeitraum ergibt (vgl. BSG, Urteil vom 11.07.2019 – B 14 AS 44/18 R). Der Ehefrau des Klägers ist in der Zeit vom 01.04.2018 bis 30.09.2018 insgesamt ein Bruttoeinkommen i.H.v. 3.970,67 EUR sowie ein Nettoeinkommen i.H.v. 3.270,84 EUR aus Erwerbstätigkeit zugeflossen. Der Senat nimmt insoweit auf die Berechnung des Beklagten vom 04.12.2018 Bezug, die er sich zu Eigen macht. Diese ergibt ein monatliches Bruttoeinkommen i.H.v. 661,78 EUR (3.970,67 EUR: 6) sowie ein monatliches Nettoeinkommen i.H.v. 545,16 EUR (3.270,84 EUR: 6). Von dem Nettoeinkommen hat der Beklagte den Freibetrag von 100,00 EUR nach § 11b Abs. 1S. 1 Nrn. 3 bis 5, Abs. 2 S. 1 SGB II und einen Erwerbstätigenfreibetrag i.H.v. 112,36 EUR nach § 11b Abs. 1 S. 1 Nr. 6, Abs. 3 SGB II (20% von 561,78 EUR = [661,78 EUR – 100,00 EUR]) abgezogen, so dass sich das anrechenbare monatliche Erwerbseinkommen auf 332,78 EUR belaufen hat. Dieses Einkommen hat der Beklagte entsprechend den prozentualen Anteilen der drei Mitglieder der Bedarfsgemeinschaft am Gesamtbedarf nach der horizontale Berechnungsmethode auf die Bedarfe der Mitglieder der Bedarfsgemeinschaft verteilt. Der Anteil des Klägers hat 39,47% am Gesamtbedarf (1.503,18 EUR = [593,41 EUR (Kläger) + 593,41 EUR (Ehefrau) + 316,36 EUR (Sohn)]) betragen. Damit hat sich die Höhe des auf den Bedarf des Klägers anrechenbaren Einkommens auf 131,37 EUR (39,47% von 332,78 EUR) belaufen.
Die Kostenentscheidung beruht § 193 SGG.
Ein Grund zur Zulassung der Revision nach § 160 Abs. 2 SGG liegt nicht vor.
Erstellt am: 04.06.2020
Zuletzt verändert am: 04.06.2020