Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Sozialgerichts Gelsenkirchen vom 06. Februar 1998 geändert und die Klage abgewiesen. Kosten sind in beiden Rechtszügen nicht zu erstatten. Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand:
Streitig ist der Beginn der Regelaltersrente.
Der am … 1927 geborene Kläger wurde im März 1942 im Bergbau angelegt und war während des gesamten Erwerbslebens knappschaftlich rentenversichert. Zum 31. Juni 1987 kehrte er ab und war anschließend arbeitslos. Bereits ab November 1977 hatte er Bergmannsrente wegen Vollendung des 50. Lebensjahres bezogen, die nach der Abkehr in Knappschaftsausgleichsleistung umgewandelt wurde (Bescheide vom 31. Dezember 1977 und 25. August 1987). Ab August 1988 bewilligte ihm die Beklagte flexibles Knappschaftsruhegeld wegen Vollendung des 60. Lebensjahres und Arbeitslosigkeit (Leistungsart (LEAT) 17) nach § 48 Abs. 2 des Reichsknappschaftsgesetzes (RKG) (Rentenbescheide vom 12. August 1988 und 6. Februar 1989). In den Akten befinden sich Anpassungsmitteilungen über die jährlichen Rentenanpassungen zum 01. Juli der Jahre 1989 bis einschließlich 1992, wobei 1992 gleichzeitig die Rente mit Wirkung zum 01. Januar 1992 in persönlichen Entgelt punkte (pEP) umgewertet und als Altersrente wegen Arbeitslosigkeit in gleicher Höhe weiter gewährt wurde. Soweit ersichtlich, fand in der Folgezeit keine Bearbeitung der Akte von Hand stand.
Im September 1996 übersandte die Beklagte dem Kläger ein Vordruck schreiben "Umwandlung der bisher bezogenen Rente in Altersrente" (Vordruck 22614 RRG 1992). Unter Verwendung dieses Vordrucks beantragte der Kläger im Oktober 1996, ihm Regelaltersrente von frühestmöglichen Zeitpunkt an zu gewähren. Die Beklagte bewilligte Regelaltersrente (LEAT 16) ab dem 01. Oktober 1996 (= Beginn des Antragsmonats), wobei der Nettozahlbetrag um DM 95,98 DM über demjenigen der zuvor bezogenen Altersrente wegen Arbeitslosigkeit lag (Bescheid vom 17. Oktober 1996). Mit seinem Widerspruch begehrte der Kläger einen früheren Rentenbeginn, weil ihm nicht bekannt gewesen sei, dass für den Bezug der Regelaltersrente ein weiterer Antrag zu stellen war. Die Beklagte wies den Widerspruch zurück, weil der Rentenbeginn zutreffend nach § 99 6. Buch Sozialgesetzbuch (SGB VI) festgestellt worden sei. Eine Pflicht, den Kläger früher auf eine mögliche Antragstellung hinzuweisen, habe nicht bestanden, da kein konkreter Beratungsanlass gegeben war. Im Übrigen habe sie allgemein darauf hingewiesen, dass nach dem SGB VI ein Wechsel zwischen Altersrenten bei entsprechender Antragstellung möglich sei (Widerspruchsbescheid vom 28. Januar 1997).
Mit seiner am 20. Februar 1997 erhobenen Klage hat der Kläger die Zahlung der Regelaltersrente bereits ab November 1992 begehrt und zur Begründung auf ein Urteil des erkennenden Senats vom 28. November 1996 hingewiesen.
Der Kläger hat beantragt,
die Beklagte unter Abänderung des Bescheides vom 17. 10.1996 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 28.01. 1997 zu verurteilen, ihm die Regelaltersrente wegen Vollendung des 65. Lebensjahres bereits ab dem 01.11.1992 unter Anrechnung der von der Beklagten gezahlten Rentenleistungen nach Maßgabe der gesetzlichen Bestimmungen zu gewähren.
Die Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie hat ihre Entscheidung weiter für zutreffend gehalten.
Das Sozialgericht (SG) hat die Beklagte antragsgemäß verurteilt und gemeint, sie habe pflichtwidrig versäumt, dem Kläger auf die mögliche Antragstellung hinzuweisen, weshalb er im Rahmen eines sozialrechtlichen Herstellungsanspruchs so zu behandeln sei, als habe er den Antrag rechtzeitig gestellt. Eine Beratungs- und Aufklärungspflicht bestehe insbesondere, wenn Versicherte das 65. Lebensjahr vollendeten. Dieser Pflicht sei sie aber erst durch das Schreiben vom September 1996 nachgekommen (Urteil vom 06. Februar 1998).
Mit ihrer am 26. Februar 1998 eingegangenen Berufung hat sich die Beklagte gegen die Verurteilung gewandt und gemeint, ein geeigneter Fall im Sinne des § 115 Abs. 6 SGB VI, bei dem sie auf die Umwandlung der zuvor bezogenen Altersrente wegen Arbeitslosigkeit in Regelaltersrente hätte hinweisen müssen, sei nicht gegeben. Dies setze vielmehr voraus, dass es sich um eine Gestaltungsmöglichkeit handele, bei der ein finanzieller Vorteil für den Betroffenen ganz offensichtlich auf der Hand liege und ohne großen Verwaltungsaufwand feststellbar sei, was hier nicht zutreffe. Sachverhalte, bei denen sich durch Umwandlung in eine Regelaltersrente ein höherer Rentenzahlbetrag ergebe, seien nur durch Vorgabe konkreter Suchmerkmale und Einsatz spezieller Suchprogramme zu ermitteln gewesen. Im Übrigen seien beim Inkrafttreten des SGB VI wegen der Vereinigung der beiden deutschen Staaten andere Prioritäten zu setzen gewesen. Aufgrund dieser Sachzwänge habe sie erst 1995 begonnen, geeignete Fälle zu ermitteln, bei denen die Umwandlung der vorgezogenen Altersrente in eine Regelaltersrente zu höheren Zahlbeträgen führte. Dabei habe sie 38.196 Fälle von Versicherten der Geburtsmonate Dezember 1926 bis einschließlich Dezember 1929, die am 31. Dezember 1991 flexibles Knappschaftsruhegeld bezogen hatten, herausgefiltert, bei denen in jedem Einzelfall durch eine individuelle Probe berechnung habe ermittelt werden müssen, ob sich ein höherer Zahlbetrag ergebe. Die Probeberechnungen hätten ergeben, dass sich bei 32.880 Fällen (= 86 %) kein höherer Rentenzahlbetrag ergab.
Die Beklagte hat im einzelnen dargelegt, welche für die Ermittlung des Rentenzahlbetrags wesentlichen Änderungen durch das SGB VI ab Januar 1992 eingeführt wurden und dazu ausgeführt, dass diese im Einzelfall sowohl zu einer Erhöhung als auch zu einer Verringerung des Rentenzahlbetrages führen konnten. Ohne Probeberechnung sei keine individuelle Prognose möglich gewesen. Deshalb habe nach der Rechtsprechung des 8. Senats des Bundessozialgerichts (BSG) keine Hinweispflicht bestanden. Die durchgeführte Aktion habe nicht dazu gedient, geeignete Fälle im Sinne des § 115 Abs. 6 SGB VI zu ermitteln, sondern sei die Wiederaufnahme einer bereits vor 1992 praktizierten, vorübergehend eingestellten Versichertenbetreuung gewesen.
Allgemein habe sie im Kompass, ihrem amtlichen Mitteilungsblatt, im Februar 1993 durch den Aufsatz von Wolfgang Störmann Altersrenten können wechseln darauf hingewiesen, dass nach dem SGB VI auch eine andere Altersrente beantragt werden könne, die unter Umständen zu einen höheren Zahlbetrag führe. Soweit zwei kleinere Dienststellen daneben die von ihnen betreuten Ver sicherten bereits früher auf die Möglichkeit einer Antragstellung hingewiesen hätten, sei dies weder von konkreten noch von allgemeinen Dienstanweisungen gedeckt gewesen; vielmehr hätten diese Dienststellen, soweit sie einer Antragstellung ohne vorherige Probeberechnung angeregt hätten, sogar gegen Dienstan weisungen verstoßen.
Betrachte man lediglich den Jahrgang des Klägers (1927), so seien bei der Aktion 12.743 Fälle (= 33,36 % von 38.196) geprüft worden, wobei sich nur in 1.953 Fällen (= 15,33 %) eine höhere Rente ergeben habe. Betrachte man nur die Rentenbezieher der LEAT 17 dieses Jahrgangs (5.187, davon 4.966 wie der Kläger nicht vor Vollendung des 55. Lebensjahres erwerbs- oder berufsunfähig) so ergebe sich, dass für die Zeit bis August 1996 maximal 24,95 % (24,98 %) für die anschließende Zeit bis zum 31. Dezember 1997 maximal 25,32 % (25,97 %) begünstigt zu sein. Damit liege in der Mehrzahl der Fälle keine Begünstigung vor.
Der neueren Rechtsprechung des 4. Senats des BSG, wonach sich beim Wechsel zwischen Altersrenten den Rentenbeginn nach § 100 Abs. 1 SGB VI bestimme, sei nicht zu folgen, da hierdurch die Systematik des SGB VI durchbrochen und das Antragsprinzip beseitigt werde.
Die Beklagte beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Gelsenkirchen vom 06.02.1998 zu ändern und die Klage abzuweisen.
Der Kläger beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Er hält das angefochtene Urteil für zutreffend und meint, eine Hinweispflicht der Beklagten habe sowohl nach § 14 1. Buch Sozialgesetzbuch (SGB I) als auch nach § 115 Abs. 6 SGB VI bestanden. Das BSG habe im Urteil vom 09. Dezember 1997 zutreffend gemeint, dass der Beklagten eine Beobachtungspflicht und eine daraus herzuleitende Pflicht zum Handeln, d. h. zur entsprechenden Beratung von Versicherten, obliege. Den neueren Ansatz des 4. Senats des BSG hält er ebenfalls für zutreffend.
Wegen der Darstellung der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstands wird auf den Inhalt der Gerichtsakten und der beigezogenen Verwaltungsakten der Beklagten Bezug genommen; sämtliche Akten sind Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen.
Entscheidungsgründe:
Die Berufung ist begründet.
Gegenstand des Verfahrens ist der Bescheid vom 17. Oktober 1996 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 28. Januar 1997. Hierin hat die Beklagte Regelaltersrente auf unbestimmte Zeit bewilligt und den monatlichen Wert dieser Rente auf zunächst DM 3.659,26 (Nettozahlbetrag) festgestellt. Diese Verfügungssätze entsprechen dem Antragsbegehren des Klägers und sind, da der Kläger sie nicht angefochten hat, in Bestandskraft erwachsen. Widerspruch und Klage richten sich allein gegen die – weitere – Feststellung der Beklagten, die Regelaltersrente beginne erst ab dem 01.11.1996. Nur über die Rechtmäßigkeit dieses Verfügungssatzes ist hier zu befinden, wobei sich allerdings bei einem früheren Beginn auch der monatliche Wert der Rente ändern kann (vgl. BSGE 81, 251, 254f = SozR 3-2600 § 115 SGB VI Nr. 2).
Entgegen der Auffassung des SG ist der Kläger durch den Bescheid vom 17. Oktober 1996 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 28. Januar 1997 nicht beschwert, weil dieser Bescheid nicht rechtswidrig ist, § 54 Abs. 2 Satz 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG). Denn die Beklagte hat den Rentenbeginn zu Recht auf den 01. November 1996 festgelegt, § 99 Abs. 1 Satz 2 SGB VI. Nach dieser Vorschrift wird eine Rente, wenn sie – wie hier – nicht bis zum Ende des 3. Kalendermonats nach Ablauf des Monats beantragt wird, in dem die Anspruchsvoraussetzungen erfüllt sind, von dem Kalendermonat an geleistet, in dem die Rente beantragt wird. Ein früherer Rentenbeginn ergibt sich weder unmittelbar aus den Vorschriften des SGB VI ("Primärebene", im Folgenden 1.) noch aus einer Wiedereinsetzung in den vorigen Stand oder nach den Grundsätzen des sozialrechtlichen Herstellungsanspruchs ("Sekundärebene", im Folgenden 2.).
1. Das vom Kläger ab dem 01. August 1988 bezogene flexible Knappschaftsruhegeld (KnRG) wegen Vollendung des 60. Lebensjahres und Arbeitslosigkeit (§ 48 Abs. 2 RKG) war mit dem Inkrafttreten des SGB VI am 01. Januar 1992 nach § 300 Abs. 4 Satz 1 SGB VI in unveränderter Höhe als Altersrente wegen Arbeitslosigkeit weiter zuzahlen, §§ 300 Abs. 4 Satz 2, 33 Abs. 2 Nr. 4, 38 SGB VI. Allein wegen dieser Rechtsänderung war eine Neufeststellung der Rente nicht vorzunehmen, §§ 300 Abs. 1, 5, 306 Abs. 1 SGB VI. Es musste lediglich eine Umwertung der Rente dahingehend vorgenommen werden, dass auf der Grundlage des Rentenbescheids nach dem RKG nunmehr pEP ermittelt wurden. So ist die Beklagte auch vorgegangen. Die Altersrente wegen Arbeitslosigkeit wurde zum 01. Juli der Jahre 1989 bis 1992 lediglich auf der Basis der durch Umwertung ermittelten pEP angepasst, ohne dass die Rentenakten dabei von Hand bearbeitet wurden (vgl. dazu BSGE 81, 251, 254f = SozR 3-2600 § 115 SGB VI Nr. 2).
Eine Feststellung der Rente nach den neuen, zum 01. Januar 1992 in Kraft getretenen Berechnungsvorschriften des SGB VI mit einer entsprechenden neuen Ermittlung der pEP nach der Rechtslage im Zeitpunkt der Rentenantragstellung war erst nach Zugang des Antrags auf Regelaltersrente im Oktober 1996 zulässig, § 300 Abs. 1 und 3 in Verbindung mit § 88 Abs. 1 Satz 1 SGB VI. Denn das neue Recht kennt einen Wechsel von der einen zur andern Art der Altersrente, während ein solcher Wechsel nach der vor dem 01. Januar 1992 bestehenden Rechtslage nicht möglich war (vgl. BSG SozR 3-2600 § 115 SGB VI Nr. 3).
Die verschiedenen Renten wegen Alters (vgl. § 33 Abs. 2 SGB VI) sind nach dem Aufbau des § 88 Abs. 1 Satz 1 SGB VI eigenständige Renten (im Sinne der besitzgeschützten "bisherigen Rente" und den neu festzustellenden "späteren Rente"), so dass bei aufeinander folgenden Altersrenten nicht § 306 Abs. 1 SGB VI gilt, sondern eine Neufeststellung vorliegt, bei der die pEP auf der Basis des Rechts neu zu ermitteln sind, das zur Zeit des Rentenbeginns, der wiederum vom Rentenantrag abhängt, gilt. Denn mit der Einführung des SGB VI wurde das "Versicherungsfallprinzip" durch das "Rentenbeginnprinzip" ersetzt. Dieses hat den Vorteil, dass nicht ständig zu prüfen ist, ob altes Recht noch weiter anzuwenden ist (vgl. BT-Drucksache 11/4124, Seite 206 zu § 291 des SGB VI-Entwurf = § 300 SGB VI). Die Ausnahmevorschrift des § 302 Abs. 1 SGB VI, wonach Versicherten, die zur Zeit des Inkrafttretens des SGB VI das 65. Lebensjahr vollendet hatten, die Rente stets als Regelaltersrente zu leisten ist, bestätigt die Regel, dass die noch nicht 65-jährigen die Vorteile der abgestuften Rentenfälle nach dem neuen Recht (auf Antrag) in Anspruch nehmen können (vgl. BSGE 81, 251, 253 = SozR 3-2600 § 115 SGB VI Nr. 2).
Auch wenn die Anspruchsvoraussetzungen für die Regelaltersrente beim Kläger bereits mit Vollendung des 65. Lebensjahres am 08. Oktober 1992 erfüllt waren, und damit das Stammrecht auf Regelaltersrente entstanden war, können nach § 99 Abs. 1 Satz 2 SGB VI die Feststellung der Regelaltersrente und die Aufnahme der darauf beruhenden Zahlungen erst ab dem Kalendermonat erfolgen, in dem die Rente beantragt wird (oder als beantragt gilt). Ein früherer Rentenbeginn, wie er vom Kläger begehrt wird, scheidet aus, weil der Antrag nicht innerhalb der Frist von 3 Monaten, die hier am 31. Januar 1993 endete, gestellt worden ist (BSG a.a.O.).
Soweit sich der Kläger demgegenüber auf die davon abweichende Rechtsprechung des BSG vom 02. August 2000 (BSG SozR 3-2600 § 100 Nr. 1) beruft, vermag der erkennende Senat dem nicht zu folgen. Soweit der 4. Senat nämlich mit dieser Entscheidung das Rechtskonzept, wie es vor Inkrafttreten des SGB VI bestand (vgl. dazu BSG SozR 3-2200 § 1248 RVO Nr. 2 mit weiteren Nachweisen), über den dortigen Fall hinaus auch für das SGB VI fortführen will (BSG SozR 3-2600 § 100 Nr.1), ist ihm nicht beizutreten.
Der 4. Senat des BSG meint in der erwähnten Entscheidung, es gebe nur einen Versicherungsfall wegen Alters und deshalb auch nur eine Altersrente im SGB VI. Dies führte bei konsequenter Anwendung des § 306 Abs. 1 SGB VI zu dem Ergebnis, dass es für Bestandsrentner bei der Rentenhöhe vor Inkrafttreten des SGB VI verbliebe, soweit sich nicht eine abweichende spezialgesetzliche Regelung findet, an der es hier gerade mangelt. § 306 Abs. 1 SGB VI enthält den Grundsatz, dass aus Anlass einer Rechtsänderung die einer Rente zugrundegelegten pEP nicht neu bestimmt werden, wenn vor dem Zeitpunkt einer solchen Änderung ein Anspruch auf Leistung einer Rente bestand, soweit nicht in den nachfolgenden Spezialregelungen etwas anderes bestimmt ist. Der Grundsatz des § 306 Abs. 1 SGB VI bedeutet, dass allein die Änderung von Rechtsvorschriften keine wesentliche Änderung im Sinne von § 48 Abs. 1 SGB X ist (vgl. BSG SozR 3-2600 § 300 SGB VI Nr. 7; BSG SozR 3-2600 § 306 SGB VI Nr. 1 mit weiteren Nachweisen). Entgegen der Auffassung des BSG im genannten Urteil vom 02. August 2000 (BSG SozR 3-2600 § 100 Nr. 1) enthält § 100 SGB VI eine solche Spezialregelung nicht. Denn nicht § 100 SGB VI, sondern die §§ 300 ff. SGB VI und etwaige weitere Spezialregelungen bestimmen abschließend, ob und inwieweit Bestandsrentner in Gesetzesänderungen einbezogen werden. Zu Recht ist deshalb die höchstrichterliche Rechtsprechung (vgl. BSG SozR 3-2600 § 88 SGB VI Nr. 2) davon ausgegangen, dass bei Fortbezug einer Rente wegen Erwerbsunfähigkeit aufgrund eines Versicherungsfalles vom 30.09.1982 allein das Inkrafttreten des SGB VI keine Rentenerhöhung wegen Kindererziehungszeiten bewirkt. Zwar schränken die §§ 57, 259 SGB VI nicht die Berücksichtigung von Kindererziehungszeiten – wie das alte Recht, vgl. §§ 2a, 28a AVG a.F. – auf Versicherungsfälle nach dem 30. Oktober 1985 ein, jedoch erlaubt diese zum 01.01.1992 erfolgte Rechtsänderung für sich allein keine neue Bestimmung der pEP, § 306 Abs. 1 SGB VI. Fallgruppen, in denen aus anderen Gründen das Recht des SGB VI für eine vollständige Neubestimmung der pEP zugrunde zu legen ist (vgl. dazu BSG a. a. O.), liegen beim Kläger aber nicht vor.
Die Auffassung des BSG, es gebe nach dem Recht des SGB VI nur eine einheitliche Rente wegen Alters (BSG SozR 3-2600 § 100 Nr. 1) überzeugt auch aus anderen Gründen nicht. Sie steht nämlich nicht in Einklang mit den Vorschriften über das Zusammentreffen mehrerer Renten (§ 89 SGB VI), den Bestandsschutz (§ 88 SGB VI) sowie den Rentenbeginn und die Antragstellung (§§ 99, 115 SGB VI).
§ 89 Abs. 1 SGB VI bezeichnet in Satz 2 Nrn. 1 – 6 sechs Arten der Altersrente und bestimmt deren Rangfolge für den Fall gleich hoher Zahlungsansprüche. Es handelt sich dabei um einen Spezialfall von § 89 Abs. 1 Satz 1 SGB VI, der voraussetzt, dass für den selben Zeitraum Anspruch auf mehrere Renten aus eigener Versicherung besteht. Nachvollziehbar hat die höchstrichterliche Rechtsprechung in einem anderen Fall hierzu ausgeführt, der Hinweis, diese Vorschrift kenne nur eine Regelaltersrente, sei nicht verständlich; zutreffend habe daher das LSG darauf abgestellt, dass die Beklagte LVA B. der Klägerin lediglich statt einer "Beitrittsgebietsrente" wegen Alters … ab dem 01. Januar 1992 ein Recht auf Regelaltersrente nach dem SGB VI gewährt habe. Im Falle der Klägerin greife also gerade § 89 Abs. 1 Satz 1 SGB VI ein, weil für denselben Zeitraum ab Januar 1992 zwei (gleichartige) Rechte auf Regelaltersrente aus eigener Versicherung bestünden (BSG SozR 3-2600 § 307a SGB VI Nr. 8). Rechtssystematisch kann § 89 Abs. 1 SGB VI aber nicht auf der artige Fälle reduziert werden (so wohl: BSG SozR 3-2600 § 100 Nr. 1). Der Gesetzgeber hat die Norm nämlich mit Bedacht in das 2. Kapitel des SGB VI ("Leistungen") und nicht in das 5. Kapitel ("Sonderregelungen") aufgenommen.
Begrifflich kennt das SGB VI in § 33 Abs. 2 denn auch 6 verschiedene Arten der Altersrente. Dass sich die Überschrift zu § 33 SGB VI – "Rentenarten" – nur auf Abs. 1, nicht aber auf die weiteren Absätze der Norm bezieht, kann weder dem Wortlaut noch der Systematik entnommen werden. Dementsprechend trägt § 34 Abs. 4 SGB VI der Möglichkeit verschiedener Arten der Rente wegen Alters Rechnung, indem er vorsieht, dass ein Anspruch auf Rente wegen verminderter Erwerbsfähigkeit oder Erziehungsrente nicht besteht nach bindender Bewilligung "einer Rente wegen Alters" …, anstatt nach Bewilligung der Rente wegen Alters.
Nichts anderes zeigt die Besitzschutzregelung des § 88 Abs. 1 Satz 1 SGB VI: Hat ein Versicherter eine Rente wegen Alters bezogen, werden für eine spätere Rente mindestens die bisherigen pEP zugrunde gelegt. Sie bildet damit die Grundlage dafür, dass beim Wechsel von der einen zur anderen Altersrente mindestens die bisherigen pEP zugrunde zu legen sind (vgl. z. B. Niesel in Kassler Kommentar, § 88 SGB VI Rdnr. 3 f.; Schulin in: Handbuch des Sozialversicherungsrechts 1999, § 38 Rdnr. 304 mit weiteren Nachweisen sowie Rdnr. 305; Verbandskommentar § 88 SGB VI Anmerkung 3.1).
Zu Recht hat die höchstrichterliche Rechtsprechung in dieses Regelungssystem auch die Bestimmungen über den Rentenbeginn und die Antragstellung einbezogen (BSGE 81, 251, 253f = SozR 3-2600 § 115 SGB VI Nr. 2; SozR 3-2600 § 99 SGB VI Nr. 3; BSG Urteil vom 22.10.1998, Az. B 5 RJ 56/97 R). Danach ist der Beginn der Regelaltersrente von der Antragstellung abhängig, §§ 99 Abs. 1, 115 Abs. 1 SGB VI. Mit Inkrafttreten des SGB VI gelte anstelle des Versicherungsfallprinzips der RVO das Rentenbeginnprinzip (BSGE 79, 168, 169f = SozR 3-2600 § 115 SGB VI Nr. 1; kritisch BSG SozR 3-2600 § 100 Nr. 1 und BSG SozR 3-2600 § 99 Nr.5). Die Systematik des SGB VI ist für alle Rentenarten auf den Rentenbeginn, dessen Regelung vereinheitlicht werden sollte, ausgerichtet worden (vgl. Begründung zum RRG 1992, Bundestagsdrucksache 11/4124, S.175 zu § 98 Entwurf). Anstelle der Möglichkeit, den Zahlungsbeginn einer Rente durch die Verschiebung des Versicherungsfalls zu beeinflussen (vgl. zum früheren Recht etwa § 1248 Abs. 6 RVO a.F.), haben die Versicherten im Recht des SGB VI nunmehr Einfluss auf Beginn und Höhe der Rente durch die Wahl des Antragszeitpunkts (vgl. §§ 75, 77 SGB VI). Dabei hat der Gesetzgeber auch bewusst die Folgen einer späteren Antragstellung geregelt (vgl. Niederschrift über die 521. Sitzung des BT-Ausschusses für Arbeit und Sozialordnung am 07.04.1989, S.29, zitiert nach BSGE 79, 168, 170 = SozR 3-2600 § 115 SGB VI Nr.1 m.w.N. zur Hinterbliebenenrente). Insgesamt zeigen daher Wortlaut, Gesetzesmaterialien (vgl. im übrigen auch BT-Drucksache 11/4124 zum Entwurf der §§ 32, 87, 88, 98 und 114, S.161ff), Regelungssystem (zum Zusammenhang zwischen Regelung des Zahlungsanspruchs in § 89 SGB VI, dem Antragserfordernis für jede Rentenart, der Beratungspflicht und ggf. dem Rentenbeginn, vgl. auch Niesel, a. a. O. § 89 SGB VI Rdnr. 5-7 m.w.N.) sowie der damit zum Ausdruck kommende Sinn und Zweck, dass das SGB VI sich bewusst von Versicherungsfallprinzip ab- und dem Rentenantragprinzip zugewandt hat.
2. Der Kläger ist weder aufgrund einer Wiedereinsetzung in den vorigen Stand (im Folgenden a.) noch nach den Grundsätzen des sozialrechtlichen Herstellungsanspruchs (im Folgenden b.) so zu stellen, als hätte er den Antrag auf Regelaltersrente rechtzeitig, nämlich spätestens im Januar 1993 (§ 99 Abs.1 Satz 1 SGB VI), gestellt.
a. Eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen Versäumung der Frist des § 99 Abs. 1 Satz 1 SGB VI kommt nicht in Betracht, § 27 Abs. 1 Satz 1 SGB X. Zwar ist eine Wiedereinsetzung grundsätzlich auch bei Versäumung einer Frist des materiellen Sozialrechts zulässig, wenn die betreffende Regelung dies ausdrücklich bestimmt oder ihre Auslegung dies ergibt (BSG SozR 3-5070 § 21 WGSVG mit weiteren Nachweisen; BSGE 79, 168, 171 = SozR 3-2600 § 115 SGB VI Nr. 1). Ob danach eine Wiedereinsetzung bei Versäumung der Dreimonatsfrist des § 99 Abs. 1 SGB VI grundsätzlich zulässig ist, kann hier offen bleiben. Der Kläger war nämlich nicht ohne sein Verschulden gehindert, diese Frist einzuhalten, § 27 Abs. 1 Satz 1 SGB X. Dass dem Kläger die Regelung des § 99 Abs. 1 Satz 1 SGB VI mit der Folge des Anspruchsverlustes (bei Erhebung des Antragseinwandes durch die Beklagte) bei Versäumung dieser Frist nicht bekannt gewesen ist, wie er sinngemäß vorträgt, stellt keinen Wiedereinsetzungsgrund dar. Denn nach dem Grundsatz der formellen Publizität gelten alle Gesetze mit ihrer Verkündung im Bundesgesetzblatt den Normadressaten als bekannt, ohne Rücksicht darauf, ob und wann diese tatsächlich davon Kenntnis erlangen. Eine Unkenntnis solcher Rechte, deren befristete Ausübung im Gesetz selbst ausdrücklich geregelt ist, kann deshalb eine Wiedereinsetzung nicht rechtfertigen (BSG Urteil vom 22.10.1998, Az. B 5 RJ 56/97 R).
b. Entgegen der Auffassung des SG ist der Kläger auch nicht aufgrund eines sozialrechtlichen Herstellungsanspruchs so behandeln, als hätte er den Rentenantrag spätestens im Januar 1993 gestellt. Das von der Rechtsprechung entwickelte Rechtsinstitut des sozialrechtlichen Herstellungsanspruches ist auf die Vornahme einer Amtshandlung zur Herstellung desjenigen sozialrechtlichen Zustands gerichtet, der bestünde, wenn der Versicherungsträger (oder ein für diesen handelnder Dritter) die ihm aufgrund eines Gesetzes oder konkreten Sozialrechtsverhältnisses dem Versicherten gegenüber auferlegten Haupt- oder Nebenpflichten, insbesondere zur Auskunft und zur Beratung, ordnungsgemäß wahrgenommen hätte. Demnach kommt es insbesondere auf das Vorliegen der folgenden Voraussetzungen (vgl. dazu BSG SozR 3-2600 § 58 SGB VI Nr. 2) an: Die verletzte Pflicht muss dem Träger gerade gegenüber dem Versicherten obliegen, die zugrundeliegende Norm letzterem also ein entsprechendes subjektives Recht einräumen. Die objektiv rechtswidrige Pflichtverletzung muss im Sinne einer wesentlichen Bedingung einen Nachteil des Versicherten bewirkt haben. Schließlich muss die verletzte Pflicht darauf gerichtet gewesen sein, den Betroffenen gerade vor den eingetretenen Nachteilen zu bewahren (zu diesem sogenannten Schutzzweckzusammenhang vgl. BSG SozR 3-2600 § 115 SGB VI Nr. 5).
aa. Aus einer – hier möglicherweise anzunehmenden – unterbliebenen oder ungenügenden Aufklärung der Allgemeinheit, zu der ein Versicherungsträger gemäß § 13 SGB I verpflichtet ist, kann allerdings kein sozialrechtlicher Herstellungsanspruch resultieren (BSGE 79, 168, 172 = SozR 3-2600 § 115 SGB VI Nr. 1). Etwas anderes gilt nur bei einer unrichtigen oder missverständlichen Information durch den Versicherungsträger. Der Aufsatz von Störmann im Kompass (2/93, Seiten 81 und 84) enthält eine solche Fehlinformation nicht. Nach Wiedergabe des Wortlauts von § 115 Abs. 6 Satz 1 SGB VI heißt es dort nämlich, dieser Verpflichtung komme die Bundesknappschaft nach. Einen Verstoß gegen § 115 Abs. 6 Satz 1 SGB VI vermag der Senat aber vorliegend gerade nicht festzustellen, vgl. unten cc …
bb. Ein sozialrechtlicher Herstellungsanspruch ergibt sich auch nicht aus einer Verletzung der Beratungs- und Auskunftspflicht nach § 14 f. SGB I. Voraussetzung für das Entstehen einer Beratungspflicht nach § 14 SGB I ist ein Beratungsbegehren oder zumindest ein konkreter Anlass zur Beratung (vgl. BSG a. a. O.). Eine Verletzung von Beratungs- und Auskunftspflichten mit der Folge des sozialrechtlichen Herstellungsanspruchs (insbesondere in Fällen einer erforderlichen Spontanberatung) wird vom BSG in ständiger Rechtsprechung nur dann anerkannt, wenn sich im Rahmen eines Verwaltungsverfahrens ein konkreter Anlass ergibt, den Versicherten spontan auf klar zu Tage liegende Gestaltungsmöglichkeiten hinzuweisen, die sich offensichtlich als zweckmäßig auf drängen und die jeder Verständige mutmaßlich nutzen würde (BSGE 81, 251, 254 = SozR 3-2600 § 115 SGB VI Nr. 2). Die Annahme eines konkreten Anlasses für eine Beratung setzt im Allgemeinen voraus, dass zumindest tatsächlich eine Sachbearbeitung durch einen Mitarbeiter der Beklagten von Hand und nicht nur eine EDV-gestützte, massenhafte Bearbeitung von Rentenfällen stattgefunden hat (BSG a. a. O.). Allein eine solche EDV-gestützte, massenhafte Bearbeitung von Rentenfällen lag indes den von ihr 1992 (und auch bereits früher) jeweils zum 01.07. übersandten Anpassungsmitteilungen zugrunde, wobei diejenige zum 01.07.92 zugleich eine Mitteilung über die Umwertung nach § 307 Abs. 1 SGB VI enthielt.
Für einen konkreten Anlass zur Spontanberatung ergeben sich danach keinerlei Anhaltspunkte.
cc. Ein sozialrechtlicher Herstellungsanspruch wegen Verletzung der aus § 115 Abs. 6 SGB VI resultierenden Hinweispflicht auf einen Rentenantrag, der grundsätzlich in Betracht kommt (vgl. BSGE 81, 251, 255 = SozR 3-2600 § 115 SGB VI Nr. 2; BSG-Urteile vom 13. Mai 1998 – B 8 KN 15/97 R und B 8 KN 16/97 R; BSG SozR 3-2600 § 88 SGB VI Nr. 2; BSG SozR 3-2600 § 115 Nr.4 mit weiteren Nachweisen; BSG SozR 3-2600 § 115 Nr.5), besteht im Ergebnis ebenfalls nicht.
Unerheblich ist zunächst, dass seinerzeit gemeinsame Richtlinien der Rentenversicherungsträger (vgl. dazu jetzt: Die Angestellten versicherung (Zeitschrift) 1998, Seite 449) nicht bestanden haben (vgl. BSG a. a. O.). Nach § 115 Abs. 6 Satz 1 SGB VI sollen die Träger der Rentenversicherung die Berechtigten in geeigneten Fällen darauf hinweisen, dass sie eine Leistung erhalten können, wenn sie diese beantragen. Die Rentenversicherungsträger können in gemeinsamen Richtlinien bestimmen, unter welchen Voraussetzungen solche Hinweise erfolgen sollen (Satz 2). Zwar handelt es sich bei den Tatbestandsmerkmal "in geeigneten Fällen" um einen unbe stimmten Rechtsbegriff, dieser ist jedoch – wie die zitierten Entscheidungen des BSG zeigen – im Wege der Auslegung bestimmbar. Die Richtlinien im Sinne von § 115 Abs. 6 Satz 2 SGB VI dienen insofern im Wesentlichen zur Sicherstellung einer einheitlichen Umsetzung des Rechts (vgl. BSG SozR 3-2600 § 115 Nr.5). Während sich für den Leistungsträger eine Pflicht zur Auskunft und Beratung im Sinne der §§ 14 und 15 SGB I nur bei konkretem Anlass ergibt, ist die allgemeine Hinweispflicht der Träger der Rentenversicherung nach § 115 Abs. 6 SGB VI auf geeignete Fälle beschränkt. Die Geeignetheit einer Fallgruppe richtet sich im Wesentlichen nach folgenden Merkmalen: Für den Versicherungsträger muss ohne einzelfallbezogene Sachaufklärung erkennbar sein, dass ein abgrenzbarer Kreis von Berechtigten die Anspruchsvoraussetzungen für eine Leistung erfüllt, die von solchen Personen im Regelfall in Anspruch genommen wird. Die Frage, inwieweit darüber hinaus aus der Sicht des Versicherungsträgers bei den Betroffenen ein Informationsbedürfnis bestehen muss, haben der 5. und 8. Senat des BSG dahingehend beantwortet, dass für den Versicherungsträger erkennbar sein muss, dass die Angehörigen einer abgrenzbaren Gruppe von Versicherten den Rentenantrag aus Unwissenheit nicht stellen. Eine Hinweispflicht ergibt sich danach jedenfalls bei solchen Gestaltungsmöglichkeiten, die versteckt und nur Kennern der Materie geläufig sind (BSGE 81, 251, 256 = SozR 3-2600 § 115 SGB VI Nr. 2; BSG, Urteil vom 22.10.1998, Az. B 5 RJ 56/97 R). Der 13. Senat folgt im Ansatz der Auffassung, dass eine Hinweispflicht nach § 115 Abs. 6 SGB VI nur in den Fällen besteht, in denen der Rentenversicherungsträger davon ausgehen muss, dass die Berechtigten einen Rentenantrag aus Unkenntnis (noch) nicht gestellt haben. Soweit es die erstmalige Inanspruchnahme von Altersrente betrifft, berücksichtigt er, dass diesbezüglich Anträge regelmäßig einige Zeit vor der absehbaren Erfüllung der Anspruchsvoraussetzung (insbesondere vor dem Erreichen einer bestimmten Altersgrenze) gestellt werden, um einen zeitgerechten Beginn der Rentenzahlung sicherzustellen. Gehört jemand zu einer abgrenzbaren Gruppe von Versicherten, die eine solche Rente im allgemeinen vom frühestmöglichen Zeitpunkt an beziehen, so lässt das Fehlen eines Rentenantrages im Monat der Erfüllung der Anspruchsvoraussetzung nach seiner Auffassung grundsätzlich den Schluss zu, dass dies auf Unkenntnis des betreffenden Versicherten beruht. Er sieht sich insoweit in Übereinstimmung mit § 1 der inzwischen erlassenen gemeinsamen Richtlinien der Rentenversicherungsträger (vgl. BSG SozR 3-2600 § 115 Nr.5). Im Grundsatz besteht danach in der höchstrichterlichen Rechtsprechung Einigkeit, dass in Erweiterung und Ergänzung zur spontanen Hinweispflicht bei einem konkreten Anlass nach § 14 SGB I eine Hinweispflicht im Sinne des § 115 Abs. 6 SGB VI auch ohne konkreten Anlass bei typischen Sachverhalten gegenüber einer – z.B. mit Mitteln der EDV – abgrenzbaren Gruppe von Versicherten besteht, sobald es dem Versicherungsträger möglich ist zu erkennen, dass ihre Angehörigen den Rentenantrag aus Unwissenheit nicht stellen, die Antragstellung in der Regel jedoch zu höheren Leistungen führt (BSGE 81, 251, 256 = SozR 3-2600 § 115 SGB VI Nr. 2). Nach den genannten Kriterien ist die höchstrichterliche Rechtsprechung davon ausgegangen, dass zu den typischen Sachverhalten der Erstbezug einer Regelaltersrente mit Vollendung des 65. Lebensjahres bei Erfüllung der Wartezeit, der Erstbezug einer Hinterbliebenenrente (BSG SozR 3-2600 § 88 Nr. 2) und der Erstbezug einer Altersrente für langjährig Versicherte bei Erfüllung der Wartezeitvoraussetzungen durch freiwillige Beitragszahlungen gehören (BSG SozR 3-2600 § 115 Nr.5). Um solche Fallgruppen geht es vorliegend jedoch nicht.
Darüber hinaus kann aber auch ein geeigneter Fall im Sinne von § 115 Abs. 6 Satz 1 SGB VI dann in Betracht kommen, wenn eine abgrenzbare Gruppe von Versicherten bereits eine Rente bezieht, und der Wechsel von der einen zur andern Art der Rente in der Regel zu höheren Leistungen führt (BSGE 81, 251, 256f = SozR 3-2600 § 115 SGB VI Nr. 2; Urteile vom 13.05.1998, B 8 Kn 15/97 und 16/97 R; BSG SozR 3-2600 § 99 Nr.3). Ein solcher Wechsel von der einen zur anderen Art der Altersrente war – wie dargelegt – nach der vor dem 01. Januar 1992 geltenden Rechtslage nicht möglich. Damit gegenüber den Mitgliedern der Gruppe der Bezieher einer vorgezogenen Altersrente nach altem Recht aufgrund des SGB VI eine Hinweispflicht entsteht, muss sich die anzuregende Antragstellung in der überwiegenden Zahl der Fälle günstig auswirken, ohne dass im Einzelfall eine Probeberechnung erforder lich wäre. Verwaltungsverfahren um ihrer selbst Willen müssen nicht initiiert werden, auch wenn § 88 Abs. 1 Satz 1 SGB VI sicherstellt, dass dem Versicherten keine Nachteile erwachsen können (BSG, a.a.O.). Maßgeblich ist also, ob unter den Bestandsrentner der Beklagten die Gruppe der Bezieher von Knappschaftsruhegeld wegen Vollendung des 60. Lebensjahres und Arbeitslosigkeit, die nach dem 01.01.1992 das 65. Lebensjahr vollendet haben, durch die Stellung eines Antrags auf Regelaltersrente nach dem SGB VI typischerweise einen messbaren finanziellen Vorteil auf Dauer erhalten.
Dies ist nach den von der Beklagten vorgelegten und zugrunde zulegenden Zahlen nicht der Fall. Allerdings sind die von ihr in den Anlagen zu den Schriftsätzen vom 14.04. und 26.06.2000 ausgewiesenen Prozentsätze über die "maximale Anzahl der begünstigten Fälle" nicht maßgeblich. Denn die Werte beziehen sich auf zwei Teilmengen, nämlich zum einen auf die vom 01.01.1992 bis 31.08.1996, zum anderen auf die vom 01.09.1996 bis 31.12.1997 ermittelten Begünstigten. Entscheidend ist demgegenüber das Verhältnis der Gesamtzahl der Begünstigten zu der Gesamtzahl der Rentner (ggf. differenziert nach Leistungsarten und Jahrgängen). Dabei ergibt sich die Zahl der Begünstigten (B) aus der Differenz zwischen dem (Ausgangs-) Bestand (AB) vom 31.12.1991 und bereinigtem Bestand (BB), nämlich dem (End-) Bestand (EB) vom 31.12.1997 zuzüglich der Besitzschutzfälle (BSF), also der Rentenfälle, bei dem die erfolgte Umwandlung in die Regelaltersrente nicht zu einem höheren Zahlbetrag geführt hat.
Für die LEAT 17 ergibt sich danach Folgendes:
LEAT 17 – Arbeitslosigkeit – § 48 Abs. 2 RKG
a) Gesamt
AB 39588
BB 24362
B 15226
B 38,46 %
b) nicht EU/BU vor 55
AB 36423
BB 22209
B 14214
B 39,02 %
c) EU/BU vor 55
AB 3165
BB 2153
B 1012
B 31,97 %
Die ermittelten Prozentzahlen sind zu mindern, weil bei der Berechnung unterstellt worden ist, dass alle verstorbenen Rentner zum begünstigten Personenkreis gehören, obwohl anzunehmen ist, dass auch diese nur zu einem Teil eine höhere Regelaltersrente hätten beanspruchen können. Eine weitere Minderung kann sich dann ergeben, wenn man auf einen "messbaren finanziellen" bzw. einen "ins Gewicht fallenden" Vorteil abstellt (vgl. BSGE 81, 251, 254f = SozR 3-2600 § 115 SGB VI Nr. 2). Ermittlungen hierzu bedarf es nicht, da bereits bei Zugrundelegung der für die Versicherten günstigeren Ausgangswerte die maßgebliche Schwelle von 50 % (deutlich) unterschritten wird.
Ein anderes Bild ergibt sich auch nicht, wenn die Gesamtheit der Bezieher von Knappschaftsruhegeld wegen Vollendung des 60. Lebensjahres zugrundegelegt wird. Dies zeigen folgende Berechnungen.
LEAT 18 – weibliche Versicherte – § 48 Abs. 3 RKG.
AB 2073
BB 1515
B 558
B 26,91 %
LEAT 19 – besondere Leistungsvoraussetzungen 48 I Nr. 2 RKG
a) Gesamt
AB 491
BB 222
B 269
B 54,78 %
b) nicht EU/BU vor 55
AB 452
BB 197
B 255
B 56,41 %
c) EU/BU vor 55
AB 39
BB 25
B 14
B 35,4 %
LEAT 62 – Schwerbehinderte EU/BU – § 48 Abs. 1 Nr. 1 RKG
a) Gesamt
AB 28345
BB 17414
B 10931
B 38,56 %
b) nicht EU/BU vor 55
AB 18873
BB 11014
B 7859
B 41,64 %
c) EU/BU vor 55
AB 9472
BB 6400
B 3072
B 32,43 %
Bereits aus diesen Zahlen ist ersichtlich, dass die Zahl aller begünstigten Bezieher von Knappschaftsruhegeld (deutlich) unter 50 % liegt, weil sich nur für die Rentner der LEAT 19 ein darüberliegender Prozentsatz ergibt, deren Anteil an der Gesamtzahl aber verschwindend gering ist. Die genaue Berechnung belegt dies. Dabei wird wegen der tatsächlichen Besonderheiten (keine Unter-Tage- Tätigkeit) der Kreis der Versicherten LEAT 18 – weibliche Versicherte – ausgespart. Weil der prozentuale Anteil der Begünstigten dieser Gruppe wesentlich niedriger als bei den Rentnern der LEAT 17 und 62 ist, könnte deren Einbeziehung nur zu einer Verminderung des nachstehend ausgewiesenen Prozentsatzes führen.
LEAT 17, 19, 62
a) Gesamt
AB 39588 (17) B 15226 (17)
AB 491 (19) B 269 (19)
AB 28345 (62) B 10931 (62)
AB 68424 26426
B 38,62 %
b) nicht EU/BU vor 55
AB 36423 (17) B 14214 (17)
AB 452 (19) B 255 (19)
AB 18873 (62) B 7859 (62)
AB 55748 B 22328
B 40,05 %
c) EU/BU vor 55
AB 3165 (17) B 1012 (17)
AB 39 (19) B 14 (19)
AB 9472 (62) B 3072 (62)
AB 12676 B 4098
B 32,33 %
Auch eine Differenzierung nach einzelnen Jahren (vgl. hierzu BSGE 81, 251, 254f = SozR 3-2600 § 115 SGB VI Nr. 2) führt zu keinem anderen Ergebnis. Für den hier maßgeblichen Jahrgang 1927 ergeben die Zahlen der
LEAT 17
a) Gesamt AB 7825 EB 3067
BB 4386 BSF 836
B 3439 BSF 483
BB 4386
B 43,95 %
b) nicht EU/BU vor 55
AB 7195 EB 2809
BB 3996 BSF 746
B 3199 BSF 441
BB 3996
B 44,46 %
c) EU/BU vor 55
AB 630 EB 258
BB 390 BSF 90
B 240 BSF 42
BB 390
B 38,10 %
LEAT 19
a) Gesamt
AB 97 EB 25
BB 49 BSF 16
B 48 BSF 8
BB 49
B 49,48 %
b) nicht EU/BU vor 55
AB 84 EB 21
BB 41 BSF 12
B 43 BSF 8
BB 41
B 51,19 %
c) EU/BU vor 55
AB 13 EB 4
BB 8 BSF 4
B 5 BB 8
B 38,46 %
LEAT 62
a) Gesamt
AB 5495 EB 2260
BB 3123 BSF 485
B 2372 BSF 378
BB 3123
B 43,17 %
b) nicht EU/BU vor 55
AB 3744 EB 1558
BB 2035 BSF 250
B 1709 BSF 227
BB 2035
B 45,65 %
c) EU/BU vor 55
AB 1751 EB 702
BB 1088 BSF 235
B 663 BSF 151
BB 1088
B 37,86 %
Auch hier gilt, dass (bei Aussparung der LEAT 18 aus den oben genannten Gründen) die Gesamtzahl der Rentner LEAT 17, 19 und 62 nicht zu einem überwiegenden Teil durch das neue Recht Vorteile erlangt hat, weil die über diesen Prozentsatz liegende Anzahl der Begünstigten der LEAT 19 im Vergleich zu den übrigen Gruppen praktisch nicht ins Gewicht fällt.
Eine Übersicht darüber, welche einzelnen Rechtsänderungen zu welchem Anteil höhere Renten nach sich gezogen haben, fehlt. Ihrer bedarf es auch nicht. Anzunehmen ist, dass ein Großteil der Rentenerhöhungen auf eine bessere Bewertung der Pflichtbeitragszeiten am Beginn des Versicherungslebens zurückgeht (§ 54 Abs. 4 RKG i. V. m. § 54 a Abs. 2 und 3 RKG/§ 70 Abs. 3 SGB VI in der ursprünglichen Fassung; vgl. hierzu BSGE 81, 251, 254f = SozR 3-2600 § 115 SGB VI Nr. 2). Dies wird dadurch bestätigt, dass der prozentuale Anteil der Rentner, die vor dem 55. Lebensjahr erwerbs- oder berufsunfähig, deswegen von der gegenüber der Rentenversicherung der Arbeiter und Angestellten tendenziell ungünstigeren Bewertung der ersten fünf Versicherungsjahre im Knappschaftsrecht (keine Ausklammerung dieser Jahre) nicht betroffen waren und demzufolge aus der Angleichung im neuen Recht keine Vorteile ziehen konnten, geringer ist als bei den übrigen Rentnern. Dass selbst bei diesen, also bei der Gruppe von Rentnern ohne die von der Neuregelung (insofern) nicht betroffenen Rentner der prozentuale Anteil der Begünstigten unter 50 liegt, verdeut licht in besonderem Maße, dass die Rechtsänderung bei der Bewertung der ersten Versicherungsjahre nicht von solcher Bedeutung ist, dass sie eine Hinweispflicht der Beklagten hätte nach sich ziehen können. Insgesamt erklären sich die statistischen Ergebnisse aus Rechtsgründen durch die Vielfalt der durch das RRG 1992 bewirkten Änderungen und die Tatsache, dass diese jedenfalls teilweise abhängig vom Lebenssachverhalt werterhöhende als auch wertmindernde Auswirkungen haben. Dies hat die Beklagte in dem Schriftsatz vom 18.06.1998 eingehend und überzeugend analysiert. So kann eine günstigere Bewertung der beitragsfreien Zeiten nach neuem Recht (§ 71 Abs. 1 SGB VI) davon abhängen, ob nach dem RKG (vgl. dessen § 56 Abs. 2) die durch das RRG 1992 weggefallene Halbbelegung gegeben war. Als weiteres Beispiel für die Ambivalenz der Neuregelungen ist die Bewertung der beitragsfreien Zeiten nach dem 31.12.1964 zu nennen, die sich nach dem RKG nach dem Monatswert aus den Beitrags- und beitragsfreien Zeiten bis zum Ende des Vorjahres bemessen, nach neuem Recht nach den Gesamtleistungswert (§ 71 ff. SGB VI). Danach führt das neue Recht nur bei hohen Folgebeiträgen zu einer Besserstellung, bei niedrigen zu einer Schlechterstellung. Insgesamt zeigt die angesprochene Analyse der Beklagten, dass das RRG 1992 einschneidende Änderungen bei der Rentenberechnung und insbesondere eine Vielzahl von Regelungen eingeführt hat, deren positiver oder negativer Effekt maßgeblich von den tatsächlichen Versicherungsverläufen bestimmt wird, so dass die Anzahl der durch das neue Recht Begünstigten davon abhängt, inwieweit die einzelnen Versicherungsverläufe deckungsgleich sind. Einen typischen Sachverhalt, der nach dem neuen Recht bei der überwiegenden Zahl einer Gruppe von Rentnern zu einer höheren Leistung führen würde, gibt es nach den von den Beklagten ermittelten statistischen Ergebnissen und dem oben Gesagten nicht.
Soweit vereinzelt entgegen generellen Weisungen Dienststellen der Beklagten ohne Ermittlung einer Gruppe "geeigneter Fälle" Versicherte wegen einer Änderung ihrer Altersrente angeschrieben haben, hat dies weder eine nach Artikel 3 Abs. 1 des Grundgesetzes bei Anwendung von § 115 Abs. 6 SGB VI zu beachtende Verwaltungspraxis begründet, noch den Anwendungsbereich dieser Norm erweitert.
Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 183, 193 Abs. 1 SGG.
Der Senat misst der Rechtssache im Hinblick auf die kontroverse Rechtsprechung der verschiedenen BSG-Senate grundsätzliche Bedeutung bei und lässt deshalb die Revision zu.
Erstellt am: 10.08.2003
Zuletzt verändert am: 10.08.2003