Die Klage wird abgewiesen. Kosten sind nicht zu erstatten.
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten darüber, ob der Grad der Behinderung (GdB) des am xxx geborenen Kläger mit 100 festzustellen ist.
Am 10.07.2007 stellte der Kläger beim damaligen Versorgungsamt erstmals einen Antrag auf Feststellung seines GdB. Zur Begründung verwies er unter anderem auf einen erlittenen Herzinfarkt sowie eine Schwerhörigkeit und überreichte in Ablichtung die Verordnung einer Brille seines behandelnden Augenarztes Herrn Dr. xxx.
Zur Aufklärung des Sachverhaltes holte das Versorgungsamt von den behandelnden Ärzten des Klägers Befundberichte ein, und zwar neben dem Augnarzt von Frau xxx (Allgemeinmedizin), Herrn Dr. xxx (Kardiologie), Herrn xxx (HNO) und Herrn Dr. xxx (Urologie). Des Weiteren wurde der Kläger versorgungsmedizinisch untersucht durch Herrn xxx (Internist). Dieser bewertete den Gesamt-GdB des Klägers mit 60 und hielt auch die gesundheitlichen Voraussetzungen des Merkzeichens "RF" für gerechtfertigt, wobei er folgende Gesundheitsstörungen mit einem Einzel-GdB berücksichtigte:
1.Hörminderung, Einzel-GdB 50 2.Koronare Herzkrankheit, abgelaufener Herzinfarkt, Einzel-GdB 30 3.Chronische Atemwegserkrankung, Einzel-GdB 30.
Mit Bescheid vom 06.11.2007 stellte das Versorgungsamt xxx den GdB des Klägers ab Antrag mit 60 sowie auch die gesundheitlichen Voraussetzungen für das Merkzeichen "RF" fest.
Der Kläger erhob Widerspruch mit der Begründung, sein Prostata- , sein Nieren- und sein Blasenleiden sowie auch das Bronchialleiden seien nicht hinreichend berücksichtigt worden.
Die Bezirksregierung wies den Widerspruch des Klägers mit Widerspruchsbescheid vom 12.02.2008 als sachlich unbegründet zurück, da die Beeinträchtigungen mit einem GdB von 60 richtig bewertet seien.
Hiergegen wendet sich der Kläger mit der am 04.03.2008 erhobenen Klage. Unter Bezugnahme auf einen zur Akte gereichten Herzkatheterbericht vom 17.01.2008 (Herr Prof. Dr. xxx) verweist der Kläger darauf, es habe nochmals ein Stent eingesetzt werden müssen. Des Weiteren seien Blutungen im Urin festgestellt worden und er müsse jede viertel Stunde zur Toilette. Auch sei vor 1 1/2 Jahren ein Tumor aus der Blase entfernt worden. Bezogen auf das urologische Leiden überreicht der Kläger Ablichtungen von Berichten über stationäre und ambulante Behandlungen im Februar 2008 (Herr Prof. xxx, Klinikum xxx).
Der Kläger beantragt,
die Beklagte unter entsprechender Aufhebung des Bescheides vom 26.11.2207 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 12.12.2008 zu verurteilen, bei ihm ab Antrag am 10.07.2007 einen Grad der Behinderung von 100 festzustellen.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Unter Vorlage der Verwaltungsakten sowie einer gutachterlichen Stellungnahme von Herrn Dr. xxx vom 08.04.2009 hält die Beklagte die angefochtenen Verwaltungsentscheidungen weiterhin für rechtmäßig.
Zur Aufklärung des Sachverhaltes hat das Gericht Beweis erhoben und zunächst ein allgemeinmedizinisches Gutachten eingeholt von Herrn Dr. xxx, niedergelassener Facharzt für Innere und Allgemeinmedizin in xxx. Dieser hat den Kläger am 18.11.2008 ambulant untersucht und in Kenntnis der überlassenen Gerichts- und Verwaltungsakten unter den 02.12.2008 ein schriftliches Sachverständigengutachten verfasst. Der gerichtliche Sachverständige bestätigt einen Gesamt-GdB von 60 ab Juli 2007, wobei er eine Hörminderung (Einzel-GdB 50), ein Herzleiden (Einzel-GdB 20), ein Lungenleiden (Einzel-GdB 10) und ein Harnleiden bei Prostatavergrößerung (Einzel-GdB 10) berücksichtigt. Anlässlich der Untersuchung überreichte der Kläger dem Sachverständigen weitere medizinische Unterlagen, so einen Bericht von Herrn Dr. xxx (Neurologie, Psychiatrie) vom 24.09.2008, ein Attest von Herrn xxx (Orthopädie) vom 26.11.2008, sowie die Berichte von Frau Dr. xxx (Kardiologie) vom 29.09.2008 und des Klinikums xxx (Kardiologie) vom 18.09.2008.
Der Kläger erklärt sich mit dem Ergebnis der durchgeführten Beweisaufnahme ausdrücklich nicht einverstanden und meint, wegen nochmaligen Blutungen sowie ständiger orthopädischer Beschwerden seien weitere Sachaufklärungen, insbesondere ein urologisches und ein orthopädisches Gutachten notwendig.
Nach Prüfung der Sach- und Rechtslage hat das Gericht allerdings nur nochmals einen hno-ärztlichen Befundbericht von Herrn xxx mit Audiogrammen, zuletzt vom 11.08.2008 beigezogen.
Hinsichtlich des weiteren Sach- und Streitstandes und der Einzeilheiten der Beweisaufnahme wird Bezug genommen auf den Inhalt der Gerichts- und Verwaltungsakten bzw. auf die den Beteiligten überreichten Ablichtungen und Abschriften.
Entscheidungsgründe:
Die Klage ist zulässig, aber unbegründet.
Die angefochtenen Verwaltungsentscheidungen verletzen den Kläger nicht in seinen Rechten im Sinne des § 54 Absatz 2 Satz 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG). Sie sind weder unter formellen noch unter materiell rechtlichen Gesichtspunkten zu beanstanden.
I.
In formeller Hinsicht kommt eine Fehlerhaftigkeit des Widerspruchsbescheides allenfalls im Hinblick auf eine Unzuständigkeit der Bezirksregierung xfür den Erlass des Widerspruchsbescheides vom 12.02.2008 in Betracht, wovon die Kammer allerdings nicht ausgeht.
Die Zuständigkeit der Bezirksregierung Münster als Widerspruchbehörde folgt vorliegend aus der Anwendung von § 85 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 SGG. Nach dem in dieser Norm geregelten Devolotivprinzip ist der Widerspruchsbescheid grundsätzlich von der nächsthöheren Behörde zu erlassen.
Seit Inkrafttreten des 2. Gesetzes zur Straffung der Behördenstruktur in Nordrhein-Westfalen (2. Straffungsgesetz, in Kraft seit Januar 2008) mit Eingliederung der ehemaligen Versorgungsverwaltung in die Kreise und kreisfreien Städte (= Art. 1 des 2. Straffungsgesetzes = Gesetz zur Eingliederung der Versorgungsämter in die allgemeine Verwaltung des Landes Nordrhein-Westfalen – Eingliederungsgesetz – ) hat die Bezirksregierung Münster über Widersprüche gegen Feststellungsbescheide nach dem Schwerbehindertenrecht und auch über den Widerspruch des Klägers gegen den Bescheid vom 26.11.2007 entschieden, da sie sich bei Anwendung von § 2 Absatz 2 Satz 2 des Eingliederungsgesetzes sowie von § 85 Abs.2 Satz 1 Nr. 1 SGG als Aufsichtsbehörde und gleichzeitig nächsthöhere Behörde hierzu befugt und verpflichtet sah.
Zweifel an der Zuständigkeit der Bezirksregierung als Widerspruchsbehörde ergeben sich zunächst nicht im Hinblick auf § 85 Absatz 2 Satz 1 Nr. 4 SGG, der die Widerspruchbehörde abweichend von Nr. 1 in Angelegenheiten der kommunalen Selbstverwaltung regelt. Diese Regelung ist vorliegend nicht einschlägig, denn es handelt sich bei den auf die Kreise und kreisfreien Städte übertragenen Feststellungsaufgaben nach dem Schwerbehindertenrecht nicht um Selbstverwaltungsangelegenheiten, sondern entsprechend dem Wortlaut in § 2 Satz 2 Satz 1 Eingliederungsgesetz um Pflichtaufgaben zur Erfüllung nach Weisung, die eben keine reinen Selbstverwaltungsaufgaben darstellen (vgl. OVG Münster 13, 356, 358).
Ob allerdings im Geltungsbereich des SGG eine Aufsichtsbehörde im Regel- oder Zweifelsfall als nächsthöhere Widerspruchsbehörde anzusehen ist, dürfte vom 10. Senat des Landessozialgericht Nordrhein-Westfalen (LSG NRW) ablehnend gesehen werden, wobei dieser insoweit aus dem Gesetzgebungsverfahren auf eine nicht planwidrige Gesetzeslücke schließt (vgl. Urteil Landessozialgericht Nordrhein-Westfalen – LSG NRW – vom 05.03.2008 – L 10 SB 10/06 -). Eine Gesetzeslücke, sei sie nun planwiderig oder auch nicht, kann allerdings nur dann angenommen werden, wenn der Begriff Aufsichtsbehörde im Sinne von § 2 Absatz 2 Satz 2 des Eingliederungsgesetzes nicht zumindest gleichzeitig als Bezeichnung der nächsthöheren Widerspruchsbehörde auszulegen wäre, wovon allerdings nach hiesiger Auffassung unter Berücksichtigung des gesetzgeberischen Willens auszugehen ist. So war während des Gesetzgebungsverfahrens zum 2. Straffungsgesetz eine regelmäßige Gleichsetzung von Aufsichts- und Widerspruchsbehörde im Geltungsbereich der Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) in § 7 Ausführungsgesetz zur VwGO (in der bis zum 31.10.2007 geltenden Fassung) normiert. Der Landesgesetzgeber hat die in dieser Norm zum Ausdruck kommende Regelung aufgegriffen und im Eingliederungsgesetz den Begriff Aufsichtsbehörde auch im Sinne von nächsthöherer Widerspruchsbehörde verstanden und eine ausdrückliche gesetzliche Regelung als überflüssig angesehen. Dies zeigt sich offensichtlich an der praktischen Umsetzung des Eingliederungsgesetzes. So wurde die Bezirksregierung Münster als Landesbehörde von der Landesregierung bzw. dem zuständigen Ministerium veranlasst, die Widerspruchsbescheide in den Feststellungsverfahren nach dem Schwerbehindertenrecht zu erteilen.
Im Übrigen wäre der Widerspruchsbescheid vom 12.02.2008 auch dann nicht aufzuheben, wenn keine Sonderzuständigkeit der Bezirksregierung Münster für die Erteilung dieses Widerspruchsbescheides anzunehmen wäre, wobei sich – im Ergebnis allerdings unbeachtliche – Zuständigkeitsbedenken insoweit nur bezogen auf die örtliche Zuständigkeit ergeben würden (vgl Urteil des Sozialgerichts Dortmund vom 20.05.2009 – S 51 (3) SB 198/08 -).
Die sachliche Zuständigkeit einer Bezirksregierung würde sich auch bei Außerachtlassung von § 2 Abs. 2 Satz 2 Eingliederungsgesetz unverändert aus § 85 Absatz 2 Satz 1 Nr. 1 SGG ableiten. So sind nach dem Landesorganisationsrecht für das Land Nordrhein-Westfalen beim Fehlen einer anderslautenden Regelung die Bezirksregierungen grundsätzlich als nächsthöhere Behörde anzusehen, wenn als Ausgangsbehörde ein Kreis oder eine kreisfreie Stadt gehandelt hat (vgl. § 8 Absatz 3 des Landesorganisationsgesetz Nordrhein-Westfalen – LOG – ).
Ohne Anerkennung einer Sonderregelung im Eingliederungsgesetz dürfte sich nach allgemeinen Landesorganisationsrecht die Bezirksregierung Arnsberg als örtlich zuständige Widerspruchsbehörde für Feststellungsbescheide der Stadt Dortmund auf dem Gebiet des Schwerbehindertenrechtes ergeben. Aber selbst unter diesem Gesichtspunkt wäre der angefochtene Widerspruchsbescheid vom 12.02.2008 jedenfalls nicht aufzuheben, denn diese örtliche Unzuständigkeit wäre jedenfalls bei Anwendung von § 42 Satz 1 des Zehnten Buches des Sozialgesetzbuches (SGB X) unbeachtlich. So ist offensichtlich, dass bei der vorliegenden gebundenen Entscheidung im Schwerbehindertenrecht eine Verletzung von Vorschriften über die örtliche Zuständigkeit die Entscheidung in der Sache nicht beeinflusst hätte.
II.
Der Kläger wird zur Überzeugung der Kammer nach der freien, aus dem Gesamtergebnis des Verfahrens gewonnenen Überzeugung durch die Feststellungen in den angefochtenen Verwaltungsentscheidungen auch materiellrechtlich nicht beschwert.
Insoweit wurden die aktenkundigen medizinischen Unterlagen mit dem von Herrn Dr. xxx eingeholten Sachverständigengutachten und der Vortrag der Beteiligten eingehend und sorgfältig gewürdigt. Im Ergebnis schließt sich die Kammer nach gründlicher Prüfung den Ausführungen und Wertungen von Herrn Dr. xxx an. Dieser ist bezogen auf Beurteilungen auf dem Gebiet des Schwerbehindertenrechtes ein überaus erfahrener Gerichtsgutachter. Er hat auch vorliegend seine Ausführungen nachvollziehbar begründet und richtet sich durchgehend und treffend nach den im Schwerbehindertenrecht maßgeblichen Kriterien. Der Kläger selbst schätzt zwar seine Beschwerden als überaus gravierender ein als im Gutachten von Herrn Dr. xxx dargestellt. Die Auffassung des Klägers hat die Kammer allerdings nicht überzeugt, denn es handelt sich um eine rein subjektive Einschätzung ohne schlüssige Begründung auf Basis des für das Schwerbehindertenrecht maßgeblichen Wertungssystems.
Menschen sind gemäß § 2 Abs. 1 des Neunten Buches des Sozialgesetzbuches (SGB IX) behindert, wenn ihre körperliche Funktion, geistige Fähigkeit oder seelische Gesundheit mit hoher Wahrscheinlichkeit länger als sechs Monate von dem für das Lebensalter typischen Zustand abweichen und daher ihre Teilhabe am Leben in der Gesellschaft beeinträchtigt ist. Die Auswirkungen auf die Teilhabe am Leben in der Gesellschaft werden als GdB nach Zehnergraden abgestuft festgestellt (vgl. § 69 Abs. 1 Satz 3 SGB IX). Liegen mehrere Beeinträchtigungen vor, so wird der GdB nach den Auswirkungen der Beeinträchtigungen in ihrer Gesamtheit und unter Berücksichtigung der wechselseitigen Beziehungen festgestellt (vgl. § 69 Abs. 3 Satz 1 SGB IX).
In den Hinweisen zur Beweisanordnung wurde ausgeführt, dass sich die maßgeblichen Regelungen zur Bildung von Einzel- und Gesamt-GdB anhand der jeweils gültigen Fassung der "Anhaltspunkte für die ärztliche Gutachtertätigkeit im Sozialen Entschädigungsrecht" und nach dem Schwerbehindertenrecht ergeben (AHP, zuletzt vorliegend in der Fassung von November 2008). Die AHP sind grundsätzlich als antizipierte Sachverständigengutachten zu verstehen, die in der Praxis wie Richtlinien für die ärztliche Gutachtertätigkeit wirken und hinsichtlich ihrer generellen Richtigkeit nicht durch Einzelfallbegutachtungen widerlegt werden können. Sie haben normähnliche Wirkung und sind im Interesse einer gleichmäßigen Rechtsanwendung (Gleichbehandlung aller Behinderten) wie untergesetzliche Normen von den Gerichten anzuwenden (vgl. BSG – Urteil vom 18.09.2003 – B 9 SB 3/02 R -).
Inzwischen hat der Gesetzgeber durch die Neuregelung in § 30 Abs. 17 Bundesversorgungsgesetz (BVG) auch eine gesetzliche Grundlage für die in den AHP getroffenen Regelungen und damit auch für die Bewertung des GdB geschaffen (vgl. Gesetz vom 30.12.2007, BGBl. I Seite 2904). Mit Wirkung ab Januar 2009 hat das Bundesministerium für Arbeit und Soziales dann von dieser Ermächtigungsgrundlage Gebrauch gemacht und die AHP durch die "Versorgungsmedizinischen Grundsätze" (VmG) ersetzt. Die in dieser Verordnung nun rechtsverbindlich getroffenen Regelungen gelten im Schwerbehindertenrecht gleichermaßen wie im Sozialen Entschädigungsrecht (vgl. § 69 Abs. 1 S. 4 SGB IX). Entscheidungserheblich ist das Inkrafttreten der verabschiedeten Verordnung vorliegend allerdings nicht, denn die bis Ende 2008 in den AHP niedergelegten Vorgaben zur Bestimmung des GdB sind in den VmG nahezu vollständig übernommen worden. Die VmG sind im Internet abrufbar unter der Adresse: www.bgblportal.de/BGBL/bgbl1f/anlageband bgbl108057.pdf.
Die Behinderung des Klägers beruht auf mehreren Gesundheitsstörungen, durch die die Teilhabe am Leben in der Gesellschaft beeinträchtigt ist. In derartigen Fällen sind als Basis für eine Gesamt-GdB Bildung vorab für die einzelnen Beeinträchtigungen nach Funktionssystemen zusammengefassten Einzel-GdB zu bilden (vgl. AHP Nr. 18, 19 und VmG Teil A Nr. 2, 3) …
Die Teilhabe des Klägers am Leben in der Gesellschaft ist im Falle des Klägers zunächst durch ein gravierendes Hörleiden beeinträchtigt. Die Kammer bewertet diese Gesundheitsstörung in Übereinstimmung mit dem gerichtlichen Sachverständigen und den beratenden Arzt der Beklagtenseite mit einem Einzel-GdB von 50. Bei Berechnung des Hörverlustes entsprechend dem vom behandelnden HNO-Arzt Herrn xxx übersandten Audiogramm vom 11.08.2008 ergibt sich für das rechte Ohr eine hochgradige Schwerhörigkeit (ca. 75 %) und für das linke Ohr eine hoch- bis mittelgradige Schwerhörigkeit (ca. 60 %). Bei Anwendung der Tabellen B und D in den AHP bzw. VmG ( vgl. Nr. 26.5 bzw. Teil B Nr. 5) bestätigt sich die Richtigkeit eines GdB von 50 für die Hörstörung des Klägers.
Des Weiteren ist die Teilhabe des Klägers am Leben in der Gesellschaft durch ein Herzleiden beeinträchtigt. Es besteht bei dem Kläger ein Zustand nach abgelaufenen Herzinfarkt bei coronarer Herzkrankheit. Der von dem Sachverständigen insoweit vorgesehene GdB von 20 ist bei Anwendung der Vorgaben in den AHP und VmG (vgl. Nr. 26.9 und Teil B Rdnr. 9) schlüssig nachvollziehbar. So ist bei einem Herzleiden nicht in erster Linie die Art der Erkrankung sondern die hieraus bedingte Leistungseinbuße maßgeblich. Dies zu Grunde legend ist ein GdB von 20 angemessen aber auch ausreichend, denn der Kläger ist – wie Herr Dr. xxx ausführt – ergometrisch durchaus noch bis 75 Watt belastbar. Ein höherer GdB als 20 kommt für das Herzleiden nicht in Betracht, da pathologische Messdaten bei der Belastung von 75 Watt nicht gemessen wurden.
Die Teilhabebeeinträchtigung durch die chronische Atemwegserkrankung des Klägers ist nach dem Gutachten von Herrn Dr. xxx mit einem Einzel-GdB von 10 zu berücksichtigen. Die Kammer sieht keine Veranlassung auf Basis der Ausführungen in den AHP bzw. VmG (vgl. Nr. 26.8. und Teil B Nr. 8) für die Atemstörung einen höheren Einzel-GdB anzunehmen. So ergab die von dem gerichtlichen Sachverständigen durchgeführte Lungenfunktionsmessung weder Hinweise für eine obstruktive noch für eine restriktive Ventilationsstörung.
Im Funktionsbereich der Harnorgane bestehen weitere Gesundheitsstörungen durch wiederkehrende Blutungen und eine Prostatavergrößerung bei vermehrtem Harndrang, wobei der Kläger die wesentliche Beeinträchtigung der Teilhabe am Leben in der Gesellschaft durch die erforderlichen gehäuften Toilettengänge erfährt. Im Hinblick auf das Ergebnis der durchgeführten Beweisaufnahme und unter Beachtung der Vorgaben in den AHP und VmG (vgl. Nr. 26.12 bzw. Teil B Nr. 12) kann allerdings wohl kein höherer Einzel-GdB als 10, allenfalls ein Einzel-GdB von "knapp" 20 angenommen werden. Die Zeit der Heilungsbewährung von 2 Jahren nach Entfernung des Harnblasentumors war – wie Herr Dr. xxx ausführt – im Februar 2007 und damit bereits vor Antragstellung am 10.07.2007 abgelaufen. Zu berücksichtigen bleiben als dauerhafte Teilhabebeeinträchtigungen wiederholte Blutbeimengungen im Urin und die Prostata-Hyperplasie mit häufigem und imperativem Harnlassen. Wesentliche dauerhafte Beschwerden mit erheblicher Auswirkung auf das Gesamtausmaß der Behinderung lassen sich nicht ableiten, zumal – wie Herr Dr. xxx ausführt – chronische Harnwegsentzündungen nicht nachgewiesen sind. Insoweit hält die Kammer die von dem Kläger angegebene Häufigkeit der erforderlichen Toilettenbesuche (alle viertel Stunde) jedenfalls als Dauerbeeinträchtigung nicht für glaubhaft. So weilte der Kläger bei Schluss der mündlichen Verhandlung schon etwa 1 Stunde im Sitzungssaal, ohne dass er wegen eines Toilettenbesuches dem Raum verlassen hat.
Weitere Gesundheitsstörungen mit Auswirkungen auf den Gesamt-GdB sind zur Überzeugung der Kammer nicht zu berücksichtigen, insbesondere nicht auf orthopädischen Fachgebiet. Insoweit sollen zeitweilige orthopädische Beschwerden des Klägers nicht in Frage gestellt werden. Allerdings lassen sich auf Basis der von dem Sachverständigen durchgeführten Funktionsprüfungen wesentliche dauerhafte Beschwerden nicht herleiten.
Die Kammer hat die Beweisanregungen des Klägers, weitere Sachverständigengutachten einzuholen, eingehend geprüft, vermochte dem Antrag allerdings nicht zu folgen. So handelt es sich bei Herrn Dr. xxx um einen sozialmedizinisch sehr erfahrenen Gutachter, der als Allgemeinmediziner zuverlässig einschätzen kann, ob in bestimmten Fachbereichen eine Zusatzbegutachtung erforderlich ist. Die Unsicherheit bezogen auf die hno-ärztliche Bewertung wurde im Gutachten deutlich und durch die Einholung des Befundberichtes von Herrn xxx beseitigt. Im Übrigen hat der Sachverständige die Notwendigkeit der Einholung eines Zusatzgutachtens anlässlich der Beantwortung der Beweisfrage 7 ausdrücklich verneint. Die anschließenden Stellungnahmen des Klägers ergaben keine neuen Aspekte, die hierüber hinaus die Notwendigkeit einer Zusatzbegutachtung verdeutlicht hätten.
Zur Bildung des Gesamt-GdB, d. h. bei der Bewertung der vorstehend beschriebenen Beeinträchtigungen der Teilhabe am Leben in der Gesellschaft in ihrer Gesamtheit unter Berücksichtigung der wechselseitigen Beziehungen, ist – wie in den AHP und VmG dargelegt (vgl. Nr. 19 und Teil A Nr. 3) – von der Gesundheitsstörung auszugehen, mit dem höchsten Einzel-GdB im Vordergrund des Leidensbildes des Betroffenen steht. Sodann ist zu überprüfen, ob durch die weiteren Beeinträchtigungen des Gesamtausmaß der Behinderung größer wird und der höchste Einzel-GdB erhöht werden muss. Von Bedeutung ist insoweit insbesondere, ob sich einzelne Beeinträchtigungen verstärken, überschneiden oder unabhängig voneinander auftreten. Leichte Beeinträchtigungen mit einem Einzel-GdB von 10 bleiben bei der Gesamtbeurteilung im Regelfall unberücksichtigt, denn diese führen grundsätzlich nicht zu einer Zunahme des Ausmaßes der Gesamtbehinderung. Auf bei leichten Beeinträchtigungen von einem Einzel-GdB von 20, ist es vielfach nicht gerechtfertigt, auf eine wesentliche Zunahme des Ausmaßes des Gesamtbeurteilung zu schließen.
Im Beschwerdebild des Klägers ist das hno-ärztliche Leiden mit einem Einzel-GdB von 50 führend. Die weiterhin hinzutretenden Leiden rechtfertigen eine Anhebung des Gesamt-GdB auf 60, aber keineswegs auf 70 oder höher. Die Wechselwirkungen zwischen der Hörminderung und der Herzerkrankung wurden im Gutachten von Herrn Dr. xxx nachvollziehbar dargestellt und rechtfertigen unter Berücksichtigung der teilweisen Überschneidungen aber auch der unabhängig von einander bestehenden Aspekte eine Anhebung des Gesamt-GdB auf 60. Die weiteren Gesundheitsstörungen des Klägers lassen das Gesamtausmaß der Behinderung unberührt. Dies gilt insbesondere auch bezogen auf die Funktionsstörungen in dem Bereich der Harnorgane. Selbst wenn diese wegen der gehäuften Toilettenbesuche mit einen Einzel-GdB von 20 zu bewerten wären, würde das Gesamtausmaß der Behinderung nicht wesentlich größer. So würde es sich im Sinne der AHP jedenfalls um einen "leichten" zwanziger Wert handeln. Es besteht insbesondere keine chronische Harnwegsinfektion.
Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 183, 193 SGG.
Erstellt am: 10.02.2010
Zuletzt verändert am: 10.02.2010