Die Berufung des Beklagten gegen das Urteil des Sozialgerichts Dortmund vom 27. Januar 1998 wird zurückgewiesen. Der Beklagte hat auch im Berufungsverfahren die außergerichtlichen Kosten zu erstatten. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten um die Leistung von Versorgungsrente nach dem Soldatenversorgungsgesetz (SVG) in Verbindung mit dem Bundesversorgungsgesetz (BVG).
Der am ——1961 geborene Kläger trat am 16.08.1982 in die Bundeswehr ein. Bis zur Beendigung des Wehrdienstverhältnisses am 15.10.1994 diente er als Soldat auf Zeit.
Bei der ärztlichen Untersuchung im Rahmen der Musterung (November 1980) wurde u.a. wegen eines nachgewiesenen Krampfaderleidens am linken Unterschenkel die Fehlerziffer IV 69 festgestellt.
Aufgrund des Ergebnisses einer wegen des linksseitigen Krampfaderleidens im Juni 1984 durchgeführten Untersuchung wurde dem Kläger von seiten der Bundeswehr zu einer Operation geraten, um die Weiterverpflichtung als Zeitsoldat zu ermöglichen. Bei der am 11.10.1984 im Bundeswehrkrankenhaus O. durchgeführten Operation kam es zu einer Durchtrennung der linken Oberschenkelvene. Nach Verlegung in die Chirurgische Universitätsklinik M. wurde diese durch dreifachen Venenbypass überbrückt, und, um einen sicheren Abschluß zu gewähren, eine arterio-venöse Fistel angelegt. Wegen eines postthrombotischen Syndroms mit Ausbildung eines Unterschenkelgeschwürs bei Verschluß der Oberschenkelvene links er folgte im Juli 1985 erneut eine operative Behandlung. Bei einer weiteren im August 1985 in der Universitätsklinik M. durchgeführten ambulanten Untersuchung wurden reizlos verheilte Stauungsgeschwüre im Bereich des linken Innenknöchels beschrieben und das konsequente Tragen eines elastokompressiven Strumpfes, Stärke II, weiterhin für erforderlich gehalten. Unter dieser konservativen Therapie heilten die Unterschenkelgeschwüre ab.
Auf Veranlassung des Wehrbereichsgebührnisamtes III, Düsseldorf, erstattete Prof. Dr. B—-, M——, im Oktober 1986 sein Gutachten. Er stellte im Bereich des linken Unterschenkels eine teils livide verfärbte, narbig veränderte Fläche als Folge des alten Unterschenkelgeschwürs fest. Die Entstehung von druckbedingten Durchblutungsstörungen im Bereich der linken unteren Extremität – so Prof. Dr. B—- – könnte nur durch das ständige Tragen eines Kompressionsstrumpfes verhindert werden.
Gestützt auf sein Gutachten vom 27.10.1986 und der dazu ergangenen Stellungnahme des Arztes des Sanitätsamtes der Bundeswehr, Dr. L—–, erkannte das Wehrbereichsgebührnisamt III, Düsseldorf, durch Bescheid vom 04.02.1987 als Wehrdienstbeschädigung ein "postthrombotisches Syndrom im Bereich des linken Beines infolge intraoperativer Verletzung der Schenkelvene links" mit einer Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) um 30 vom Hundert (v.H.) an und gewährte für die Zeit vom 01.10.1984 bis zum 31.08.1985 einen Ausgleich nach dem SVG. Über den 31.08.1985 hinaus wurde die Leistung von Ausgleich mit der Begründung abgelehnt, es handele sich bei der Grunderkrankung "Stammvarikose (Krampfaderleiden) im Bereich des linken Beines" nicht um eine Wehrdienstbeschädigung im Sinne des § 81 Abs. 1 SVG.
Die hiergegen erhobene Beschwerde wurde durch Bescheid vom 24.08.1987 bindend zurückgewiesen.
Nach Beendigung des Wehrdienstverhältnisses beantragte der Kläger bei der Versorgungsverwaltung am 30.01.1995 die Gewährung von Beschädigtenversorgung.
Durch Bescheid vom 14.08.1995 erkannte der Beklagte ein "postthrombotisches Syndrom im Bereich des linken Beines infolge intraoperativer Verletzung der Schenkelvene links" als Wehrdienstbeschädigung, hervorgerufen durch schädigende Einwirkungen im Sinne des § 81 SVG, an.
Die Leistung einer Rente lehnte der Beklagte mit der Begründung ab, die Schädigungsfolgen bedingten keine MdE um wenigstens 25 v.H. Dazu verwies der Beklagte auf die Entscheidung der Wehrbereichsverwaltung.
Den dagegen eingelegten Widerspruch wies der Beklagte nach Einholung der versorgungsärztlichen Stellungnahme der Ärztin I. durch Widerspruchsbescheid vom 04.01.1996 mit der Begründung zurück, unter Berücksichtigung der Akten des Wehrbereichsgebührnisamtes III liege bereits seit 1985 eine MdE von weniger als 25 v.H. vor. Daß sich die Schädigungsfolgen seitdem verschlimmert hätten, lasse sich weder den Akten der Wehrbereichsverwaltung noch seinem, des Klägers, Vortrag entnehmen.
Am 05.02.1996 hat der Kläger beim Sozialgericht (SG) Dortmund Klage erhoben. Zu deren Begründung hat er vorgetragen, die auf die Schädigungsfolgen zurückzuführenden körperlichen Beeinträchtigungen, die bis August 1985 mit einer MdE von 30 v.H. bewertet worden seien, bestünden nach wie vor. Schon der kleinste Stoß oder der Schlag gegen das linke Bein führe zu einem sofortigen Anschwellen, das nur durch sofortige Kompression gelindert werden könne. Er könne nicht mehr joggen, da es schon nach zirka einem Kilometer zu starken Schmerzen komme. Auch befürchte er in Zukunft Komplikationen, die sogar zum Verlust des Beines führen könnten.
Zum Nachweis seiner Behauptung hat der Kläger Berichte der Chirurgischen Universitätsklinik M. über ambulante Behandlungen in dem Zeitraum 1984 bis 1988 übersandt.
Der Kläger hat beantragt,
den Beklagten unter Abänderung des Bescheides vom 14.08.1995 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 04.01.1996 zu verurteilen, ihm ab Januar 1995 Versorgungsrente nach einer MdE um 30 v.H. zu gewähren.
Der Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Er hat sich auf die Ausführungen der Versorgungsärztin Dr. R. gestützt, die eine Verschlimmerung der schädigungsbedingten Befunde gegenüber der Begutachtung durch Prof. Dr. B—- verneint und eine schädigungsbedingte MdE um 20 v.H. für ausreichend erachtet hat.
Das SG hat zur Klärung der Frage einer schädigungsbedingten wesentlichen Änderung und der Höhe der MdE von Dr. B—–, Chefarzt der Gefäßchirurgischen Klinik des Evangelischen Krankenhauses M——, das Gutachten vom 08.01. und die ergänzende Stellungnahme vom 08.08.1997 eingeholt.
Der gerichtliche Sachverständige hat den Eintritt einer Verschlimmerung gegenüber 1987 bejaht. Nach dem Ergebnis der von ihm durch geführten Untersuchung bestehe diese in einer erheblichen Zunahme der sekundären Krampfaderbildung, erheblich ausgeprägten trophischen Weichgewebsveränderungen im Bereich des linken Unterschenkels (Innenknöchels) mit präulcerösen Hautveränderungen bei Gefahr der erneuten Geschwürsbildung und der zunehmenden Umfangsvermeh rung der linken unteren Extremität mit Ödembildung. Zusätzlich hätten sich venöse Kollateralen (Umgehungskreisläufe) im Unter bauch und über dem Schambein ausgebildet. Die MdE, bedingt durch das postthrombotische Syndrom der linken unteren Extremität, schätzte der Sachverständige unter Berücksichtigung der Anhaltspunkte für die ärztliche Gutachtertätigkeit im sozialen Entschädigungsrecht und nach dem Schwerbehindertengesetz (Anhaltspunkte), Ausgabe 1983, mit 30 v.H. ein. Dazu hat der Sachverständige aus geführt, die kurzen Beschreibungen in den Anhaltspunkten könnten ein postthrombotisches Syndrom nur partiell beschreiben. Es sei grundsätzlich üblich, den postthrombotischen Symptomenkomplex in seiner Gesamtheit zu beurteilen. Nach allgemein anerkannter Klassifizierung werde eine MdE um 30 v.H. angenommen für eine deutliche Schwellneigung auch bei geringer Belastung, trophischen Hautschäden als Folge der chronisch-venösen Insuffizienz, bei häufigen oder dauernden Beschwerden im betroffenen Bein mit der Notwendigkeit der häufigen Hochlagerung zur Entlastung und Linderung der subjektiven Beschwerden bei deutlichen Veränderungen der apparativen Meßparameter. Der aufgezeigte Symptomenkomplex liege bei dem Kläger vor. Daß dieser sich nach seinen eigenen Angaben zwischen 1988 und 1996 nicht in ärztliche Behandlung begeben habe, sei verständlich, weil ihm zum einen die Gesundheitsstörungen als irreversibel bekannt und zum anderen der Umgang mit der Erkrankung und ihren Symptomen nach Jahren geläufig sei. Im übrigen sei eine erneute Geschwürsbildung sicherlich durch das disziplinierte Tragen des Kompressionsstrumpfes und das adäquate Verhalten des Klägers vermieden worden.
Das SG ist dem Sachverständigen Dr. B—– im wesentlichen gefolgt und hat den Beklagten mit Urteil vom 27.01.1998 zur Leistung von Versorgung nach einer MdE um 30 v.H. verurteilt. Es hat die beim Kläger vorliegende Schädigung für so schwerwiegend gehalten, daß sie mit einer MdE um 25 v.H. zu bewerten sei; dies habe zur Folge, daß der Beklagte gemäß § 31 Abs. 2 BVG Grundrente nach einer MdE um 30 v.H. zu leisten habe.
Gegen das ihm am 24.02.1998 zugestellte Urteil hat der Beklagte am 11.03.1998 Berufung eingelegt und zu deren Begründung eine weitere versorgungsärztliche Stellungnahme von Frau Dr. R—– vorgelegt, die darauf hingewiesen hat, die vom Sachverständigen Dr. B—– zur Begründung einer MdE um 30 v.H. zusätzlich aufgeführten venösen Kollateralen im Unterbauch seien schon 1986 beschrieben worden; seit 1987 seien keine Unterschenkelgeschwüre mehr aufgetreten.
Der Beklagte und Berufungskläger beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Dortmund vom 27. Januar 1998 abzuändern und die Klage abzuweisen.
Der Kläger und Berufungsbeklagte beantragt,
die Berufung gegen das Urteil des Sozialgerichts Dortmund vom 27. Januar 1998 zurückzuweisen.
Er hat sich auf die Gründe des angefochtenen Urteils gestützt.
Der Senat hat Beweis erhoben durch Einholung eines weiteren gefäßchirurgischen Gutachtens von Dr. B—–, St.-Elisabeth-Krankenhaus E—-, Gefäßchirgische Klinik. Dieser hat in seinem Gutachten vom 16.06. und seiner ergänzenden Stellungnahme vom 10.08.1998 zusammenfassend ausgeführt, er schließe sich in vollem Umfang den gutachtlichen Ausführungen des im erstinstanzlichen Verfahren gehör ten Sachverständigen Dr. B—– an. Das beim Kläger bestehende Krankheitsbild, das gekennzeichnet sei durch immer wieder aufbrechende Unterschenkelgeschwüre, eine geschädigte Haut im Bereich des Fußes und des distalen Unterschenkels, die ausgedehnte Ausbildung von venösen Kollateralen, Schwellneigung am linken Unterschenkel und die Notwendigkeit, einen vom Mittelfuß bis in den Hüftbereich reichenden Kompressionsstrumpf zu tragen, rechtfertige eine MdE um 30 v.H …
Hinsichtlich aller weiteren Einzelheiten wird auf den übrigen In halt der Gerichtsakte, der vom Beklagten und vom Wehrbereichsgebührnisamt III Düsseldorf beigezogenen Akten verwiesen.
Entscheidungsgründe:
Die statthafte sowie form- und fristgerecht eingelegte Berufung (§§ 143, 151 Abs. 1 SGG) ist zulässig, aber unbegründet.
Das SG hat den Beklagten zu Recht zur Leistung von Versorgungsrente nach einer MdE um 30 v.H. verurteilt.
Denn die als Folgen der während des Wehrdienstes erlittenen Schädigung anerkannten Gesundheitsstörungen bedingen eine MdE von 25 v.H. (§§ 80, 81 SVG; §§ 31, 30 BVG), was einen Anspruch auf Leistung von Grundrente nach einer MdE um 30 v.H. begründet (§ 31 Abs. 2 BVG).
Zwar ist die Entscheidung der Wehrbereichsgebührnisverwaltung vom 04.02.1987 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides für den Beklagten verbindlich, jedoch nicht hinsichtlich der schädigungsbedingten MdE nach Ablauf des Zeitraums, für den Ausgleich gewährt worden ist (01.10.1984 – 31.08.1985). Denn einen die Höhe der MdE festsetzenden Ausspruch für die Zeit ab 01.09.1985 bis zum Ausscheiden aus dem Dienst im Oktober 1994 enthält der Tenor der Entscheidung der Wehrbereichsgebührnisverwaltung nicht (vgl. BSG, Ur teil vom 16.05.1995 – 9 RV 1/94 – in: SozR 3-3200 § 88 SVG Nr. 1; Urteil vom 02.07.1997 – 9 RV 21/95 – in: SozR 3-3200 § 88 SVG Nr. 2).
Des Nachweises einer wesentlichen Änderung gegenüber den Verhältnissen, die für die Entscheidung der Wehrbereichsverwaltung maßgebend waren (§ 48 Sozialgesetzbuch, Zehntes Buch – Verwaltungsverfahren – (SGB X)), deren Voraussetzungen ebenfalls gegeben waren, bedurfte es daher nicht; für die Zeit ab 01.09.1985 beinhaltete der Bescheid des Wehrbereichsgebührnisamtes III vom 04.02.1987 keinen Verwaltungsakt mit Dauerwirkung.
Wie das SG unter Zugrundelegung des Gutachtens von Dr. B—– zu Recht in seinen Entscheidungsgründen dargelegt hat, ist die schädigungsbedingte MdE um 25 v.H. zu bewerten.
Zu diesem Ergebnis ist auch der Senat unter Berücksichtigung des weiteren gefäßchirurgischen Gutachtens des gerichtlichen Sachverständigen Dr. B—– gelangt, der sich in vollem Umfang der Beurteilung des im erstinstanzlichen Verfahren gehörten Sachverständigen angeschlossen hat.
Infolge der bei der Operation erlittenen Verletzung des tiefen Venensystems ist es bei dem Kläger zu einer tiefen Beinvenenthrombose und zu rezidivierender Geschwürsbildung gekommen, auf die nach den übereinstimmenden Ausführungen der gerichtlichen Sachverständigen eine ausgeprägte Drainagestörung des linken Beines im Sinne einer chronisch-venösen Insuffizienz mit Schwellneigung, ei ne ausgeprägte Krampfaderbildung und trophische Weichgewebsstörungen im Bereich des linken Unterschenkels zurückzuführen sind.
Die Schwellneigung als Folge der erheblich reduzierten Drainageleistung ist durch die – wenn auch nur geringfügige – Umfangvermehrung am linken Unterschenkel nachgewiesen. Der Sachverständige Dr. B—– hat – wenn auch nur angedeutet – eine wassersüchtige Schwellung am linken Unterschenkel festgestellt. Zu berücksichtigen ist jedoch, daß die Schwellneigung naturgemäß bei körperlicher Belastung und warmer Witterung zunimmt. Dafür, daß auch ohne Belastung eine venöse Stauung und Schwellneigung vorliegen, spricht auch das vom Kläger angegebene nächtliche Kribbeln. Starke Schwellungen und Stauungen können nur durch das konsequente Tragen des Kompressionsstrumpfes vermieden werden. Exemplarisch sei dazu ergänzend auf die Feststellungen von Dr. B—– bei der Untersuchung des Klägers am 16.08.1998 verwiesen: "Am stehenden Patienten färbt sich ohne den Kompressionssstrumpf innerhalb weniger Minuten der gesamte Unterschenkel dunkel livide an. Die ausgeprägten, unter der Haut gelegenen Krampfadern linksseitig füllen sich mächtig auf."
Die sekundäre Krampfaderbildung, die beim Kläger das bei einem postthrombotischen Zustand übliche Maß bei weitem übersteigt, er streckt sich über die linke Leiste in den Bereich des linken Beckenkammes sowie zum linken Unterbauch und über das Schambein. Das oberflächliche, erheblich erweiterte Venensystem stellt den Umgehungskreislauf für das in der Leiste und im Becken verschlossene und im Bereich des mittleren Oberschenkels in seiner Leistung deutlich reduzierte tiefe Venensystem dar.
Außerdem bestehen bei dem Kläger als Folge rezidivierender Unterschenkelgeschwürsbildungen erhebliche, ausgeprägte trophische Weichgewebsveränderungen. Am gesamten Fuß und distalen Unterschenkel ist die Haut schwarzbläulich verfärbt und im Bereich des Innenknöchels in einem Areal von 10,6 Zentimeter bräunlich hyperpig mentiert, teils depigmentiert, narbig eingezogen und schuppig. In dem gesamten Bereich ist die Haut ausgedünnt und auf der Unterlage nicht ausreichend verschieblich.
Von dem Ausmaß der Hautschädigung konnte sich der Senat in der letzten mündlichen Verhandlung ein Bild machen.
Zu Recht hat das SG die festgestellten Schädigungsfolgen – abweichend von den Feststellungen der Sachverständigen – lediglich mit einer MdE von 25 v.H. bewertet. Dieser Vomhundertsatz wird nach Auffassung des Senats dem schädigungsbedingten Zustand des Klägers gerecht. Zu dieser Auffassung hat letztlich wohl auch der gerichtliche Sachverständige Dr. B—– geneigt, als er zur Begründung der von ihm angenommenen MdE um 30 v.H. angeführt hat, nach den Anhaltspunkten sei die MdE in Zehnersätzen anzugeben. Nach dem Inhalt seiner ergänzenden Stellungnahme vom 10.08.1998 liegt die MdE im Bereich zwischen 20 und 30.
Dem Beklagten ist zwar zuzugeben, daß die Vorgaben der MdE-Tabelle in den bei der Einschätzung der MdE zu berücksichtigenden Anhalts punktendem Wortlaut nach nicht erfüllt sind. Eine vom Wortlaut abweichende Einschätzung kann jedoch nach der besonderen Lage des Einzelfalls mit einer die besonderen Gegebenheiten darstellenden Begründung getroffen werden (Anhaltspunkte 1996, Nr. 18 (3), Seite 30 unten). Zudem ist der schädigungsbedingte Zustand hinsichtlich des Ausmaßes der Beeinträchtigung im allgemeinen Erwerbsleben dem in den Anhaltspunkten zur Beurteilung eines postthrombotischen Syndromes beschriebenen Zustand vergleichbar.
Nach der Nr. 26.9 der Anhaltspunkte 1996, die insoweit im wesentlichen mit denen in den Anhaltspunkten 1983 übereinstimmen, wird eine chronisch-venöse Insuffizienz (zum Beispiel bei Krampfadern), ein postthrombotisches Syndrom mit geringem, belastungsabhängigem Oedem, nicht ulcerösen Hautveränderungen, ohne wesentliche Stauungsbeschwerden ein- oder beidseitig mit 0 bis 10 v.H., mit erheb licher Oedembildung, häufig (mehrmals im Jahr) rezidivierenden Entzündungen ein- oder beidseitig mit 20 bis 30 v.H. bewertet.
Beim Kläger liegen sowohl nach den Feststellungen der Sachverständigen als auch nach seinen eigenen Angaben weder eine erhebliche Oedembildung vor, noch treten mehrmals im Jahr rezidivierende Entzündungen auf. Von einer erheblichen Oedembildung ist nämlich nur auszugehen, wenn es sich nicht nur um belastungsabhängige Oedeme handelt. Das folgt daraus, daß nach den Anhaltspunkten ein postthrombotisches Syndrom mit geringen belastungsabhängigen Oedemen … mit einer MdE von 0 bis 10, ein postthrombotisches Syndrom mit erheblicher Oedembildung … mit einer MdE um 20 bis 30 v.H. bewertet wird.
Ebenso kann nicht von häufig, d.h. mehrmals im Jahr, auftretenden, sondern nur von mehrfachen rezidivierenden Entzündungen gesprochen werden. Ärztlich dokumentiert ist seit 1988 lediglich ein beginnendes Geschwür bei der Untersuchung durch den gerichtlichen Sachverständigen Dr. B.
Aufgrund der glaubhaften Angaben des Klägers und des objektiven Befundes der Haut im Innenknöchelbereich und am distalen Unterschenkel ist der Senat jedoch davon überzeugt, daß es seit 1988 zu rezidivierenden Geschwürsbildungen, wenn auch nicht mehrmals im Jahr, gekommen ist. Zwar hat der Kläger von "Hautaufbrüchen" berichtet. Als medizinischer Laie konnte er jedoch nicht erkennen, ob es sich bei den Aufbrüchen um beginnende Geschwüre gehandelt hat. Denn auch das von Dr. B—– im Juni 1998 diagnostizierte beginnende Unterschenkelgeschwür stellte sich aus Laiensicht lediglich als eine kleine eingezogene Hautlaesion dar. Daß der Kläger bei derartigen "Hautaufbrüchen" keine ärztliche Hilfe in Anspruch genommen hat, spricht nicht gegen die Glaubwürdigkeit seiner Aussage. Denn schon 1987, als er sich letztmalig wegen eines Unterschenkelgeschwürs in ärztlicher Behandlung befunden hatte, wurde ihm im wesentlichen strenge Bettruhe mit Hochlagern des Beines bis zur Ausheilung und anschließend das weitere Tragen des Stützstrumpfes angeraten. Dabei und auch bei der Anlegung eines Kompressionsverbandes handelt es sich um Maßnahmen, die der Kläger selbst durchführen kann und auch durchgeführt hat.
Die in den Anhaltspunkten beschriebenen Folgen des postthrombotischen Syndroms – erhebliche Oedembildung, häufige rezidivierende Entzündungen – stellen jedoch nur einen partiellen Ausschnitt aus dem gesamten postthrombotischen Symptomenkomplex dar. Die bei dem Kläger neben der Oedem- und Geschwürsbildung bestehenden weiteren, dem postthrombotischen Symptomenkomplex zuzuordnenden Beeinträchtigungen entsprechen den in den Anhaltspunkten beschriebenen mit einer MdE von 20 bis 30 bewerteten Symptomen eines postthrombotischen Syndroms.
So ist der Kläger aufgrund der Schädigungsfolgen gezwungen, dauernd einen Kompressionsstrumpf zu tragen, der vom Mittelfuß bis zur Hüfte reicht. Damit ist eine massive Beeinträchtigung der Lebensqualität verbunden, der ebenfalls bei der MdE-Einschätzung Rechnung zu tragen ist. Denn dabei sind nicht nur die Auswirkungen von Funktionsbeeinträchtigungen im (allgemeinen) Erwerbsleben, sondern in allen Lebensbereichen zu berücksichtigen. Die MdE ist ein Maß für die körperlichen, geistigen, seelischen und sozialen Auswirkungen einer Funktionsbeeinträchtigung aufgrund eines Gesundheitsschadens (Anhaltspunkte 1996 Nr. 18, S. 28 f). Nicht nur in den Sommermonaten bei warmer Witterung stellt das Tragen des Kompressionsstrumpfes eine Beeinträchtigung in allen Lebensbereichen dar. Es ist davon auszugehen, daß allein schon das ständige Tragen des Strumpfes auch bei normalen Temperaturen eine Einengung bedeutet und zu Juckreiz führt.
Hinzu kommt noch, daß der ausgedehnten Krampfaderbildung und den ausgeprägten Hautschäden am Fuß und Unterschenkel – von denen sich auch der Senat ein Bild machen konnte – eine erheblich entstellende Bedeutung zukommt, die nach den Anhaltspunkten bei der Beurteilung der MdE nicht außer acht zu lassen ist (Anhaltspunkte 1996 Nr. 26.18, S. 138). Der Kläger ist gezwungen, auch in den Sommermonaten lange Hosen zu tragen. Selbst die Sportarten, die ihm trotz der schädigungsbedingten funktionellen Beeinträchtigung noch möglich wären (zum Beispiel Schwimmen) sind ihm verwehrt, ebenso Badeurlaube.
Bei der Einschätzung der schädigungsbedingten MdE mit 25 v.H. durfte schließlich nicht unberücksichtigt bleiben, daß sich beim Kläger das postthrombotische Syndrom weit in den Beckenbereich ausgedehnt hat. In einem solchen Fall können nach den Anhaltspunkten (1983, S. 70; 1996, S. 91) höhere MdE-Werte in Betracht kommen!
Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 183, 193 Abs. 1 SGG.
Der Senat hat davon abgesehen, dem Beklagten Mutwillenskosten aufzuerlegen, weil er davon ausgeht, daß bereits dieser Hinweis Anlaß zu einem sachgerechten Verhalten in Zukunft geben wird. Der vom Senat nach eingehender mündlicher Verhandlung gewonnene und den Beteiligten erläuterte Eindruck von der Sach- und Rechtslage hätte spätestens zu diesem Zeitpunkt den Vertreter des Beklagten veranlassen müssen, eine sachgerechte Prozeßerklärung abzugeben und die Berufung zurückzunehmen. Dies gilt umso mehr, als ärztliche, gerichtliche Sachverständige mit nachvollziehbaren Gründen eine vertretbare MdE-Einschätzung abgegeben haben.
Anlaß, die Revision zuzulassen, besteht nicht, weil die Rechtssache keine grundsätzliche Bedeutung hat, § 160 Abs. 2 SGG.
Erstellt am: 19.08.2003
Zuletzt verändert am: 19.08.2003