Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Dortmund vom 23.05.2000 wird zurückgewiesen. Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten. Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten darüber, ob dem Kläger Versorgung nach dem Opferentschädigungsgesetz (OEG) zusteht.
Der 1960 geborene Kläger ist der Vater der im 00.1993 geborenen N T. Die Ehe mit der Kindesmutter C wurde im 00.1995 geschieden. Der Kläger wohnte weiterhin in E, während die Kindesmutter nach C1 verzog. Nach Unstimmigkeiten der Eltern über den Verbleib des Kindes übertrug das Amtsgericht E durch Beschluss vom 26.10.1996 das Aufenthaltsbestimmungsrecht für das Kind N einstweilig dem Jugendamt der Stadt E. Diesen Beschluss hatte die Kindesmutter erwirkt, nachdem der Kläger die Übertragung des Sorgerechtes auf sich beantragt hatte. Anlässlich eines Anhörungstermins im November 1996 bei der Stadt E wurde nach Angaben des Klägers vereinbart, dass N ihre Mutter am 00.00.1996 besuchen sollte.
Anlässlich einer Zeugenvernehmung vom 13.12.1996 (LKA 0000, 000000/0000-0) machte der Kläger folgende Angaben und erstattete zugleich Strafanzeige wegen Kindesentführung gegen seine geschiedene Ehefrau:
"Ich brachte N persönlich am 00.00.1996 zu meiner Frau. Wir sprachen dort ab, dass ich das Kind am nächsten Tag um 12 h mittags wieder abhole. Als ich erschien, sagte meine Frau, N sei krank und könne nicht reisen. Ich kam mit in die Wohnung und nahm N, zog sie an und ging mit dem Kind und den Sachen hinunter auf die Straße. Es gab eine ziemlich heftige verbale Auseinandersetzung und auch ein Zerren an mir und am Kind, weil meine Frau versuchte, mir N zu entreißen. Unten auf der Straße war das Aufsehen zu groß, so ging ich wieder mit N ins Haus. Ich wollte das seelische Trauma für N so gering als möglich halten. Wir vereinbarten dann, dass N noch einen Tag bei meiner Frau bleibt, damit sie zum Kinderarzt gehen kann. Ich muss aber sagen, dass N zwar einen Husten hatte, ich aber eine Reise an dem Tag, genau wie die Hinreise nach C einen Tag vorher, verantworten konnte, da das Kind keinen schwächlichen Eindruck machte und auch nicht mäkelte.
Meine Frau ging auch mit N zum Kinderarzt, der sie krank schrieb. Am 00.00.1996 um 12 h mittags war vereinbart, dass ich meine Tochter von meiner Frau abhole.
Ich erschien zur vereinbarten Zeit. Meine Frau gab aber vor, N sei immer noch krank. Das Kind war zu der Zeit bei einer Nachbarin. Das teilte mir meine Frau auch mit. Als ich dort klingelte, kam mir N auch gleich mit freudiger Begrüßung entgegen. Sie war nur mit einer Strumpfhose, Pantoffeln und einem Pullover bekleidet. Ich nahm das Kind, packte noch ein paar Sachen von ihr zusammen und wollte die Wohnung verlassen, aber der Streit und das Gezerre an mir ging von neuem los. Auf der Straße gab es dann eine große Auseinandersetzung und jemand muss auch die Polizei verständigt haben. Als die Beamten eintrafen, wurde ich erstmals von meinem Kind getrennt und in den Funkwagen gesetzt. Das Kind wurde meiner Frau übergeben. Nachdem ich eine Stunde im Funkwagen gesessen hatte, durfte ich noch einmal hochgehen und mich von meinem Kind verabschieden. Am 00.00.1996 habe ich mein Kind zum letzten Mal gesehen.
Am 06.12.1996 bekam ich den Herausgabebeschluss des Amtsgerichts E per Fax. Am Montag, dem 00.00.1996, war ich mit einem Gerichtsvollzieher und der Sachbearbeiterin des Jungendamtes T1, Frau X, an der Wohnung meiner Frau. Sie öffnete jedoch nicht. Gestern, am 00.00.1996 hatte der Gerichtsvollzieher das Original über den Postweg bekommen und wir gingen diesmal zu einem Schlosser, der uns die Wohnungstür öffnete in die Wohnung, wir trafen jedoch niemanden an. Die Wohnung war zwar beheizt und es brannte Licht, auch Kinderkleidung lag herum, doch weiß ich, da ich das Haus schon seit Tagen beobachtete, dass meine Frau seit spätem Sonntag nicht mehr in der Wohnung sein kann. Ich bin trotzdem am Montag zur Wohnung gegangen, weil ich alle Möglichkeiten ausschöpfen möchte, mein Kind zurückzubekommen.
Das alleinige elterliche Sorgerecht übertrug das Amtsgericht E durch Beschluss vom 14.03.1997 auf den Kläger und verpflichtete die Kindesmutter zugleich, das Kind – notfalls mit Gewalt – an den Kläger herauszugeben.
Am 16.04.1997 beantragte der Kläger beim Land Nordrhein-Westfalen (Beklagter zu 1.) die Gewährung von Gewaltopferentschädigung, weil er Opfer einer Kindesentziehung geworden sei. Folgen der Gewalttat seien bis heute nicht beherrschbare Erregungs- und Erschöpfungszustände, die dazu geführt hätten, dass er seinen Beruf bei der E1 U habe aufgeben müssen. Der Kläger überreichte entsprechende ärztliche Bescheinigungen und Gutachten.
Der Beklagte zu 1) lehnte den Antrag mit Bescheid vom 25.06.1998 ab. Er führte zur Begründung aus, das Verhalten der Kindesmutter stelle wahrscheinlich eine Kindesentziehung nach § 235 StGB a.F. dar; es sei aber nicht feststellbar, dass es sich um einen vorsätzlichen rechtswidrigen tätlichen Angriff im Sinne des § 1 OEG gehandelt habe. Eine feindliche Absicht gegenüber der Tochter des Klägers von Seiten der Kindesmutter sei nicht feststellbar. Der Widerspruch des Klägers blieb erfolglos (Widerspruchsbescheid vom 30.03.1999).
Gegen diese Entscheidung hat der Kläger am 21.04.1999 vor dem Sozialgericht Dortmund (SG) Klage erhoben.
Einen weiteren Antrag auf Versorgung nach dem OEG stellte der Kläger am 02.04.1999 beim Land Berlin (Beklagter zu 2.) Er berief sich auf die Folgen der bei der Wegnahme des Kindes durch die Polizeibeamten erlittenen Blutergüsse, Einschränkungen der Halswirbelsäule, Platzwunden am Hinterkopf sowie schwerwiegende daraus folgende seelische Traumata.
Das Land Berlin lehnte den Antrag mit Bescheid vom 04.05.1999 ab. Es führte zur Begründung aus, dass die bei der Wegnahme des Kindes erlittenen Körperverletzungen keine dauerhaften Schädigungen mit einer bleibenden Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) seien. Eine Entschädigung nach dem OEG komme auch deshalb nicht in Betracht, weil der vom Kläger geschilderte Sachverhalt keinen vorsätzlichen rechtswidrigen tätlichen Angriff im Sinne des § 1 OEG darstelle. Diese Entscheidung bestätigte der Beklagte zu 2. mit Widerspruchsbescheid vom 30.09.1999.
Gegen diese Entscheidung hat der Kläger am 06.10.1999 Klage erhoben. Das SG hat beide Klagen zur gemeinsamen Verhandlung und Entscheidung miteinander verbunden.
Der Kläger hat wiederholend vorgetragen, dass nach seiner Ansicht ein vorsätzlicher rechtswidriger tätlicher Angriff insbesondere durch die gewaltsame Wegnahme des Kindes durch die Polizeibeamten vorliege.
Das SG hat die Klagen durch Urteil vom 23.05.2000 abgewiesen. Der Senat verweist auf die Entscheidung.
Gegen die ihm am 03.07.2000 zugestellte Entscheidung hat der Kläger am 06.07.2000 Berufung eingelegt. Er wiederholt sein bisheriges Vorbringen. Er wendet sich mit Nachdruck gegen die Urteilsbegründung des SG, wonach ein tätlicher Angriff nur dann vorliege, wenn ein gewaltsames, handgreifliches Vorgehen gegen eine Person in kämpferischer feindseliger Absicht vorgelegen habe. Vielmehr habe das BSG mehrfach in Fällen des Kindesmissbrauches dargelegt, dass der Gesetzeswortlaut des § 1 OEG eine Entschädigung nicht in den Fällen ausschließe, in denen der Täter ohne Gewalt und ohne Tätlichkeit, sondern nur mit List und unter Ausnutzung eines Vertrauensverhältnisses spielerisch vorgegangen ist. Entscheidend sei allein die Rechtsfeindlichkeit, nicht das aggressive Vorgehen des Täters. In seinem Schriftsatz vom 01.08.2000 hat der Kläger auf Seite 3 ergänzend vorgetragen, dass den amtierenden Polizeibeamten die Rechtszusammenhänge anlässlich der Kindesentziehung nicht bekannt sein konnten. Sie hätten vielmehr als Werkzeug der Mutter gehandelt und in rechtswidriger Weise die Tochter an die Kindesmutter übergeben. Seither sei die Tochter nicht wieder aufgetaucht. Der Kläger weist abschließend daraufhin, dass er durch die Entziehung der Tochter eine dauerhafte psychische Gesundheitsstörung erlitten habe, die durch die jahrelange Ungewissheit kontinuierlich verschlechtert worden sei. Auch die vorzeitige Zurruhesetzung zum 00.00.1998 sei schädigungsbedingt erfolgt.
Der Prozessbevollmächtigte des Klägers beantragt,
das Urteil des SG Dortmund vom 23.05.2000 abzuändern und den Beklagten und 1) zu verurteilen, dem Kläger unter Aufhebung des Bescheides vom 25.06.1998 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 30.03.1999 zu verurteilen, ihm wegen der Folgen der Gewalttat vom 00.00.1996 Versorgung nach den Vorschriften des OEG zu gewähren und den Beklagten zu 2) zu verurteilen, dem Kläger unter Aufhebung des Bescheides vom 04.05.1999 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 30.09.1999 wegen der Folgen der Gewalttat vom 00.00.1996 Versorgung nach den Vorschriften des OEG zu gewähren.
Der Vertreter der Beklagten beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie halten die angefochtene Entscheidung für zutreffend.
Wegen weiterer Einzelheiten des Sach- und Streitstandes verweist der Senat auf die Gerichts- und Verwaltungsakten der Beklagten sowie der beigezogenen Akten der Staatsanwaltschaften und des Amtsgerichts C 000 DS 000/00.
Entscheidungsgründe:
Die Berufung ist unbegründet.
Das SG hat die Klagen zu Recht abgewiesen.
Der Kläger wird durch die angefochtenen Verwaltungsentscheidungen nicht beschwert im Sinne des § 54 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG).
Dem Kläger steht keine Entschädigung nach § 1 OEG zu. Nach dieser Vorschrift erhält derjenige, der durch einen vorsätzlichen, rechtswidrigen tätlichen Angriff gegen seine oder eine andere Person eine gesundheitliche Schädigung erlitten hat, wegen der gesundheitlichen und wirtschaftlichen Folgen auf Antrag Versorgung in entsprechender Anwendung der Vorschriften des Bundesversorgungsgesetzes. Dabei geht das Bundessozialgericht (BSG) in ständiger Rechtsprechung, der der Senat sich anschließt, davon aus, dass die Verletzungshandlung im OEG eigenständig, allerdings in Anknüpfung an die Vorschriften des Strafgesetzbuches (StGB), geregelt ist. Unter einem Angriff im Sinne des § 1 Abs. 1 OEG ist eine in feindlicher Willensrichtung unmittelbar auf den Körper eines Anderen gerichtete gewaltsame Einwirkung gemeint (BSG, Urteil vom 10.09.1997, – 9 RVg 1/86 -; BSG, Urteil vom 03.02.1999 – 9 RVg 7/97 R -; BSG SozR 3,3800, § 1 Nrn. 1, 4, 11 und 12). Dies kann – worauf der Kläger zutreffend hingewiesen hat – entgegen der Auffassung des Sozialgerichtes auch durch List erfolgen. Die Feindseligkeit des tätlichen Angriffes in § 1 Abs. 1 OEG ist nicht als innere Tatsache definiert. Entscheidend ist vielmehr, ob das Verhalten des Täters rechtsfeindlich war (BSG, Urteil vom 28.05.1997 – 9 RVg 1/95 -).
Der Senat geht davon aus, dass der Kläger Opfer einer Straftat, nämlich einer Kindesentführung im Sinne des § 235 StGB in der bis 1998 geltenden Fassung geworden ist. Danach machte sich derjenige strafbar, der eine Person unter 18 Jahren durch List, Drohung oder Gewalt ihren Eltern, ihrem Vormund oder ihrem Pfleger entzog. Geschützte Rechtsgüter dieser Bestimmung waren nach Schönke- Schroeder – StGB – 1997 § 235 Rdnr. 1 f. die elterliche Sorge und mittelbar auch das Kindeswohl. Den Darlegungen des Sozialgerichtes, wonach der tätliche Angriff im Rahmen des § 235 StGB a.F. nur durch gewaltsames handgreifliches Vorgehen in kämpferischer feindseliger Absicht erfolgen konnte, kann nicht gefolgt werden. Vielmehr war stets anerkannt, dass als Mittel des Entziehens neben Drohung und Gewalt auch List in Betracht kam (vgl. Lackner, StGB mit Erläuterungen, 22. neubearb. Aufl., § 235 Anm. 4). Auch konnte unstreitig die Kindesentziehung von einem sorgeberechtigten Elternteil gegenüber dem anderen begangen werden (vgl. Lackner, a.a.O., Anm. 2). Auch war stets anerkannt, dass Beeinträchtigungen des eingeschränkten Personen-Sorgerechts (Verkehrsrecht) als Bestandteil des natürlichen Elternrechtes geschützt waren (vgl. dazu im Einzelnen OLG Bremen in: JR 1961 S. 107 f.). Wenn aber schon die Befugnis zum persönlichen Verkehr, die dem einen Elternteil in der Regel nur für einen kurzen, meist nur nach Tagen oder sogar nach Stunden bemessenen Zeitraum eingeräumt wurde, geschützt war, so muss das erst recht für den im Übrigen noch personensorgeberechtigten Kläger gelten. Es steht zur Überzeugung des Senates fest, dass das Kind N seinem leiblichen Vater entzogen wurde. Dies geschah durch List. Hierzu genügt ein geflissentliches Verbergen der Absicht oder der zur Erreichung der Absicht gebrauchten Mittel (OLG Bremen, a.a.O., S. 108), während andererseits bei ganz einfachen Täuschungshandlungen (alltägliche Lügen) eine List nicht vorliegt (vgl. RG in JW 24, 305).
Das Bestreiten der Kindesmutter dem Kläger gegenüber anlässlich der ersten Abholversuche, dass sich die Tochter in der Wohnung aufhalte, kann zwar noch nicht als echte List angesehen werden. Auch ist es dem Kläger gelungen, das Kind in der Wohnung aufzufinden, an sich zu nehmen und mit dem Kind das Haus zu verlassen. Demgegenüber ist das Verhalten der Klägerin bei den späteren Abholversuchen – auch mit Hilfe von Vollstreckungsbeamten – als echte List anzusehen, denn die Ehefrau des Klägers hatte das Kind bei einer Nachbarin versteckt, die später auch wegen Beihilfe zur Kindesentziehung verurteilt worden ist. Insoweit tragen die späteren Einzelakte des Dauerdeliktes das Merkmal der List, wie etwa auch das Verbergen von Mutter und Kind in einem Frauenhaus unter falschem Namen. Dagegen sind – entgegen der Auffassung des Klägerbevollmächtigten – die Voraussetzungen für eine Kindesentziehung mit Gewalt unter Berücksichtigung des vom Kläger geschilderten Geschehensablaufes nicht erfüllt: Zwar hat der Kläger bei der Wegnahme des Kindes durch die Polizeibeamten multiple Verletzungen wie Blutergüsse und Platzwunden erlitten. Das Vorgehen der Polizisten war aber angesichts der vom Kläger geschilderten eskalierten Situation auf der Straße nicht rechtswidrig, weil sie zur Anwendung polizeilicher Gewalt befugt waren. Aber selbst wenn die Polizeibeamten infolge irriger Annahme von Umständen, bei deren Vorliegen ein Rechtfertigungsgrund gegeben gewesen wäre (Erlaubnistatbestandsirrtum) gehandelt hätten, wäre dies nur fahrlässig gewesen. Ein derartiger Erlaubnistatbestandsirrtum ist gem. § 1 Abs. 1 Satz 2 OEG ausdrücklich in den Schutzbereich des Gesetzes einbezogen worden. Eine vorsätzliche Gewalttat im Sinne des § 1 OEG entfiele auch unter diesen Umständen (vgl. hierzu BSG, Urteil vom 10.09.1997 – 9 RVg 9/95 -).
Für ein gewaltsames Handeln der Kindesmutter gegenüber ihrem Kind liegen nach den Angaben des Klägers vor der erzwungenen Rückgabe des Kindes an seine Mutter keine Anhaltspunkte vor.
Allein das Vorliegen der strafbewährten Kindesentziehung durch List im Sinne des § 235 StGB a.F. stellt nach der Überzeugung des Senates noch keinen tätlichen Angriff im Sinne des § 1 Abs. 1 OEG dar. Selbst Opfer von Straftaten werden nicht ausnahmslos, sondern nur als Betroffene einer mit Gewaltanwendung verbundenen Straftat entschädigt (BT-Drucksache 7/2506 S. 10; BSG SozR 3,3800 – § 1 Nr. 18). Vielmehr ist eine unmittelbar auf den Körper eines anderen abzielende Einwirkung erforderlich (so auch BSGE 77, 11. 13 = SozR 3,3800 § 1 Nrn. 7 und 12 sowie LSG NRW L7 VG 25/99, Urteil vom 31.05.2000).
Diese Voraussetzungen sind nicht erfüllt. Abgesehen von dem nicht rechtswidrigen Polizeieinsatz ist der Kläger nicht tätlich angegriffen worden. Die Kindesmutter hat nach den eigenen Angaben des Klägers weder bei der eigentlichen Trennung des Klägers von seiner Tochter noch bei den späteren Handlungen zur Aufrechterhaltung des Dauerdeliktes (Verstecken des Kindes bei einer Nachbarin, Leben unter fremdem Namen in Frauenhäusern) die Kindesentziehung in die körperliche Integrität des Klägers eingegriffen.
Der Kläger kann sich zur Stützung seiner Ansicht auch nicht auf die Rechtsprechung des BSG berufen, wonach die Gefahr schwerer psychischer Schädigung auch bei gewaltfreiem Missbrauch von Kindern einen staatlichen Opferschutz erfordert (vgl. BSGE 77, 11, 13 = SozR 3,3800, § 1 Nr. 7). Mit dieser Entscheidung hat das BSG aber nicht dem tätlichen Angriff von seinen (schweren) Folgen her neu definiert, sondern nur den tätlichen Angriff ohne Bindung an den Gewaltbegriff des Strafrechtes näher bestimmt (BSGE 77, 7, 9; SozR 3,3800, § 1 Nr. 18). Nach Auffassung des erkennenden Senates bleibt aber stets ein Eingriff in die körperliche Integrität des Opfers für einen tätlichen Angriff erforderlich.
Ebenso wenig kann der Kläger seine Ansicht auf den vom BSG entschiedenen Fall der massiven Drohung mit einem sofort folgenden körperlichen Übel (Lebensbedrohung) stützen (SozR 3,3800, § 1 Nr. 11). Denn auch bei dieser Fallgestaltung stand eine schwere Verletzung der körperlichen Integrität des Opfers unmittelbar bevor, während sich das aktive Handeln der Kindesmutter bei der Wegnahme des Kindes am 00.00.1996 und den nachfolgenden Handlungen (Anwendung mehrerer Listen) nicht unmittelbar gegen den Körper des Klägers richtete (vgl. dazu etwa BSGE 84, 54, 56), sondern ganz vorrangig auf die Rückgabe und das Behalten des leiblichen Kindes bezog.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Die Revision wird wegen grundsätzlicher Bedeutung der Streitsache zugelassen.
Erstellt am: 29.09.2003
Zuletzt verändert am: 29.09.2003