Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Münster vom 23.11.2009 wird zurückgewiesen. Kosten sind nicht zu erstatten. Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand:
Der Kläger begehrt von dem beklagten Sozialhilfeträger die Übernahme der Kosten für den Einbau eines Personenaufzugs im Rahmen der Eingliederungshilfe für behinderte Menschen gemäß §§ 53 ff. Zwölftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB XII).
Der Kläger ist am 00.00.2002 geboren. Seit seiner Geburt leidet er an einem Hydrozephalus. Dieser wurde mit einem Shunt operativ versorgt, eine Fehlbildung des Rückenmarks wurde ebenfalls operativ versorgt. Der Kläger leidet u.a. an einer neurogenen Blasen- und Mastdarmentleerungsstörung und einer Muskelhypotonie sowie einer Lähmung der Beine. Seit seiner Geburt ist bei ihm ein Grad der Behinderung von 100 festgestellt, ferner u.a. die Merkzeichen "aG" (außergewöhnliche Gehbehinderung) und "H" (Hilflosigkeit). Er ist in der sozialen Pflegeversicherung in der Pflegestufe 3 eingestuft.
Zusammen mit seinen Eltern und einem Geschwister bewohnt er eine Wohnung im ersten und zweiten Obergeschoss eines Bauernhofs. Das Erdgeschoss bewohnen die Großeltern des Klägers, der Großvater ist mit einer Knieprothese versorgt. Eigentümer des Hauses ist der Vater des Klägers. Im Erdgeschoss wohnt auch die Schwester des Vaters des Klägers, die unter erheblichen körperlichen Beeinträchtigungen nach einem Unfall leidet.
Der Vater des Klägers erzielte nach der Verdienstbescheinigung seiner Arbeitgeberin im Jahr 2004 ein steuerpflichtiges Steuerbruttoeinkommen von 38.203,08 EUR und im Jahr 2005 von (voraussichtlich) 42.069,35 EUR. Nach einem Aktenvermerk über ein Gespräch mit der Familie des Klägers vom 28.07.2005 erzielte der Vater des Klägers ein jährliches Einkommen aus Vermietung und Verpachtung von etwa 20.000 EUR.
Mit Schreiben vom 25.02.2005 beantragte der Vater des Klägers bei dem Beklagten die Übernahme der Kosten für den Einbau eines behindertengerechten Fahrstuhls. Nach den vorgelegten Kostenvoranschlägen von Fachunternehmen beliefen sich die Kosten für den Einbau des Personenaufzuges auf etwa 27.700 bis 29.500 EUR. Hinzu kamen nach einem weiteren Kostenvoranschlag vorbereitende Maurerarbeiten von 34.000 EUR; der Beklagte hielt demgegenüber Maurerarbeiten in Höhe von 12.500 EUR (netto) für erforderlich. Der Vater des Klägers wies am 25.02.2005 darauf hin, dass er bereits einen Antrag auf Kostenbeteiligung an die Pflegekasse gestellt habe.
Mit Bescheid vom 14.04.2005 gewährte die Pflegekasse des Klägers einen Zuschuss zu der Umbaumaßnahme in Höhe von maximal 2.557 EUR; die konkrete Förderungshöhe sei abhängig von den tatsächlich entstehenden Aufwendungen.
Mit Bescheid vom 05.10.2006 lehnte der Beklagte den Antrag ab. Zwar sei der begehrte Einbau eines Fahrstuhls grundsätzlich eine Maßnahme der Eingliederungshilfe gemäß §§ 53 ff. SGB XII. Allerdings handele es sich um eine gemäß § 19 Abs. 3 SGB XII einkommens- und vermögensabhängige Leistung. Das Einkommen und Vermögen der Eltern des Klägers übersteige den Schonvermögensbetrag gemäß § 90 Abs. 2 Nr. 9 SGB XII. Die Regelung des § 92 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 SGB XII sei nicht anwendbar; denn sie erfasse nur Hilfen gemäß § 55 Abs. 2 Nr. 3 Neuntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB IX), nicht aber die hier streitige Hilfe gemäß § 55 Abs. 2 Nr. 5 SGB IX.
Dagegen erhob der Kläger mit Schreiben vom 06.10.2006 Widerspruch, den der Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 25.01.2007 zurückwies.
Hiergegen hat der Kläger am 05.02.2007 Klage vor dem Sozialgericht (SG) Münster erhoben.
Er hat weiterhin die Auffassung vertreten, der Tatbestand des § 92 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 SGB XII sei erfüllt. Dessen sozialpolitisches Anliegen bestehe darin, die wirtschaftliche Situation der Eltern behinderter Kinder zu verbessern. Er benötige den Fahrstuhl, um seine Wohnung überhaupt noch verlassen zu können, insbesondere für Arztbesuche und zur Aufrechterhaltung sozialer Kontakte.
Der Kläger hat beantragt,
den Beklagten unter Aufhebung des Bescheides vom 05.10.2006 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 25.01.2007 zu verurteilen, ihm im Rahmen der Eingliederungshilfe die Kosten für den Einbau des Fahrstuhls zu gewähren.
Der Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Er hat sein Vorbringen aus dem Verwaltungs- und Widerspruchsverfahren wiederholt.
Zwischenzeitlich haben die Eltern des Klägers den Personenaufzug in ihrem Haus einbauen lassen. Mit Schriftsatz vom 05.05.2009 hat der Kläger eine Aufstellung über die ihm durch den Einbau entstandenen Gesamtkosten von insgesamt etwa 38.000 EUR vorgelegt. Der Vater des Klägers hat die Umbaumaßnahme zum Teil über ein Darlehen des Landes Nordrhein-Westfalen in Höhe von 15.000 EUR finanziert.
Der Vater des Klägers hat in der mündlichen Verhandlung vor dem SG Münster am 23.11.2009 erklärt, dass er über Vermögen in einer die Bedürftigkeit ausschließenden Höhe verfüge.
Mit Urteil vom 23.11.2009 hat das SG Münster die Klage abgewiesen. Zur Begründung hat es ausgeführt:
Der Kläger habe gegenüber dem Beklagten keinen Anspruch auf Leistungen der Eingliederungshilfe für behinderte Menschen nach dem SGB XII für den Einbau eines behindertengerechten Fahrstuhls.
Nach § 2 Abs. 1 SGB XII erhalte Sozialhilfe nicht, wer sich durch Einsatz seines Einkommens und Vermögens selbst helfen könne oder wer die erforderliche Leistung von anderen, insbesondere von Angehörigen oder von Trägem anderer Sozialleistungen erhalte. Gemäß § 19 Abs. 3 SGB XII werde Eingliederungshilfe für behinderte Menschen nach dem Sechsten Kapitel des SGB XII geleistet, soweit den Leistungsberechtigten, ihren nicht getrennt lebenden Ehegatten oder Lebenspartnern und, wenn sie minderjährig und unverheiratet sind, auch ihren Eltern oder einem Elternteil die Aufbringung der Mittel aus dem Einkommen und Vermögen nach den Vorschriften des Elften Kapitels des SGB XII nicht zuzumuten sei. Leistungen der Eingliederungshilfe seien auch Leistungen nach den §§ 26, 33, 41 und 55 SGB IX (§ 54 Abs. 1 Satz 1 SGB XII).
Diese Voraussetzungen seien nicht erfüllt. Der Kläger könne sich im Sinne der §§ 2 Abs. 1,19 Abs. 3 SGB XII durch Einsatz des Einkommens und Vermögens seiner Eltern selbst helfen. Ihm stehe unter Berücksichtigung dieser Vorschriften insbesondere verwertbares Vermögen seiner Eltern in einem seine Bedürftigkeit ausschließenden Maße zur Verfügung. Auch der Kläger selbst gehe ausweislich seiner in der mündlichen Verhandlung am 23.11.2009 abgegebenen Erklärung seines Vaters von einem verwertbaren Vermögen in einer seine Bedürftigkeit ausschließenden Höhe aus.
Entgegen der Ansicht des Klägers handele es sich bei der von ihm beantragten Hilfe nicht um eine einkommens- und vermögensunabhängige Leistung im Sinne des § 92 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 SGB XII. Nach dieser Norm sei den in § 19 Abs. 3 SGB XII genannten Personen die Aufbringung der Mittel nur für die Kosten des Lebensunterhaltes zuzumuten, die dem behinderten noch nicht eingeschulten Menschen die für ihn erreichbare Teilnahme am Leben in der Gemeinschaft ermöglichen soll. Diese Leistungen seien ohne Berücksichtigung von vorhandenem Vermögen zu erbringen (§ 92 Abs. 2 Satz 2 SGB XII).
Die vom Kläger beantragte Hilfe unterfalle zur Überzeugung der Kammer nicht dem Tatbestand des § 92 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 SGB XII. Diese Norm umfasse entgegen der Ansicht des Klägers lediglich Leistungen zum Erwerb praktischer Kenntnisse und Fähigkeiten nach § 55 Abs. 2 Nr. 3 SGB IX (Hinweis auf Lücking, in: Hauck/Noftz, SGB XII, K § 92 Rn. 14). Die vom Kläger beantragte Hilfe unterfalle jedoch, was zwischen den Beteiligten auch unstreitig sei, nicht § 55 Abs. 2 Nr. 3 SGB IX, sondern § 55 Abs. 2 Nr. 5 SGB IX ("Hilfen bei der Beschaffung, dem Umbau, der Ausstattung und der Erhaltung einer Wohnung, die den besonderen Bedürfnissen der behinderten Menschen entspricht"). Diese Auslegung gründe auf systematischen Gesichtspunkten, insbesondere auf dem Zusammenspiel zwischen § 55 SGB IX und § 92 Abs. 2 Satz 1 SGB XII. Der Wortlaut sowie die Intention des § 92 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 SGB XII stünden dieser Auslegung nicht entgegen.
Gegen dieses seinem Prozessbevollmächtigten am 22.12.2009 zugestellte Urteil des SG Münster hat der Kläger am 15.01.2010 Berufung erhoben.
Der Kläger beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Münster vom 23.11.2009 zu ändern und den Beklagten unter Aufhebung des Bescheides vom 05.10.2006 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 25.01.2007 zu verurteilen, ihm die Kosten für den Einbau des Personenaufzugs zu erstatten.
Der Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Ergänzend trägt er vor, auch die Entstehungsgeschichte des § 92 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 SGB XII spreche gegen seine Anwendung in der vorliegenden Konstellation. Vorgängernorm sei § 43 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 Bundessozialhilfegesetz (BSHG). Diese Regelung habe nur behinderte Menschen erfasst, die, obwohl im schulpflichtigen Alter, nicht oder noch nicht in einer Schule gefördert wurden.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakte sowie der beigezogenen Verwaltungsakte des Beklagten Bezug genommen. Diese sind Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen.
Entscheidungsgründe:
Die zulässige Berufung des Klägers ist nicht begründet.
Das SG Münster hat seine Klage mit Urteil vom 23.11.2009 zu Recht abgewiesen. Der Beklagte hat es mit dem angefochtenen Bescheid vom 05.10.2006 (in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 25.01.2007) rechtmäßig abgelehnt, ihm die Kosten für den Einbau des Personenaufzuges zu erstatten. Zwar begehrt der Kläger hiermit eine Leistung der Eingliederungshilfe (§ 55 Abs. 2 Nr. 5 SGB XII; dazu 1.). Jedoch ist dem Vater des minderjährigen Klägers die Aufbringung der hierfür erforderlichen Mittel aus seinem Einkommen und Vermögen möglich und zuzumuten (§ 19 Abs. 3 SGB XII; dazu 2.).
1. Gemäß § 53 Abs. 1 Satz 1 SGB XII erhalten Personen, die durch eine Behinderung im Sinne von § 2 Abs. 1 Satz 1 SGB IX wesentlich in ihrer Fähigkeit, an der Gesellschaft teilzuhaben, eingeschränkt oder von einer solchen wesentlichen Behinderung bedroht sind, Leistungen der Eingliederungshilfe, wenn und solange nach der Besonderheit des Einzelfalles, insbesondere nach Art oder Schwere der Behinderung, Aussicht besteht, dass die Aufgabe der Eingliederungshilfe erfüllt werden kann.
Die persönlichen und sachlichen Anspruchsvoraussetzungen für die Inanspruchnahme von Leistungen der Eingliederungshilfe sind erfüllt.
a) Es steht fest und zwischen den Betiligten nicht im Streit, dass der Kläger vom persönlichen Anwendungsbereich dieser Regelung erfasst wird, weil aufgrund seiner Behinderung seine Mobilität und damit seine Fähigkeit, an der Gesellschaft teilzuhaben, eingeschränkt ist.
b) Der hier streitige Einbau eines Personenaufzuges wird auch vom sachlichen Anwendungsbereich der Eingliederungshilfe für behinderte Menschen erfasst.
Leistungen der Eingliederungshilfe sind gemäß § 54 Abs. 1 Satz 1 SGB XII insbesondere die Leistungen nach § 55 SGB IX; die besonderen Tatbestände des § 54 Abs. 1 Satz 1 SGB XII sind hier thematisch nicht betroffen.
Gemäß § 55 Abs. 1 SGB IX werden als Leistungen zur Teilhabe am Leben in der Gemeinschaft die Leistungen erbracht, die den behinderten Menschen die Teilhabe am Leben in der Gesellschaft ermöglichen oder sichern oder sie so weit wie möglich unabhängig von Pflege machen und nach den Kapiteln 4 bis 6 des SGB IX nicht erbracht werden. Solche Leistungen sind gemäß § 55 Abs. 2 SGB IX insbesondere
Nr. 3: Hilfen zum Erwerb praktischer Kenntnisse und Fähigkeiten, die erforderlich und geeignet sind, behinderten Menschen die für sie erreichbare Teilnahme am Leben in der Gemeinschaft zu ermöglichen, und
Nr. 5: Hilfen bei der Beschaffung, dem Umbau, der Ausstattung und der Erhaltung einer Wohnung, die den besonderen Bedürfnissen der behinderten Menschen entspricht.
Maßgeblich ist hier § 55 Abs. 2 Nr. 5 SGB IX. Der Kläger begehrt Hilfe bei dem Umbau einer Wohnung, damit diese seinen besonderen Bedürfnissen als behinderter Mensch entspricht. Der Kläger ist aufgrund seines behinderungsbedingt eingeschränkten bzw. aufgehobenen Gehvermögens ohne den Einbau eines Personenaufzuges eigenständig gar nicht und mit Unterstützung Dritter nur mit erheblichem Aufwand in der Lage, die im 1. und 2. Obergeschoss gelegene elterliche Wohnung zu verlassen und wieder aufzusuchen. Dieses steht zwischen den Beteiligten auch nicht im Streit.
Die Hilfe zum Erwerb praktischer Kenntnisse und Fähigkeiten gemäß § 55 Abs. 2 Nr. 3 SGB IX ist hier dagegen thematisch von vornherein nicht betroffen.
2. Gemäß § 19 Abs. 3 SGB XII wird (auch) die Eingliederungshilfe für behinderte Menschen geleistet, soweit den Leistungsberechtigten, ihren nicht getrennt lebenden Ehegatten oder Lebenspartnern und, wenn sie minderjährig und unverheiratet sind, auch ihren Eltern oder einem Elternteil die Aufbringung der Mittel aus dem Einkommen und Vermögen nach den Vorschriften des Elften Kapitels des SGB XII, also den §§ 82 bis 96 SGB XII, nicht zuzumuten ist.
a) Nach den allgemeinen Regelungen der §§ 82 bis 90 SGB XII ist dem Vater des minderjährigen Klägers die Aufbringung der Mittel aus seinem Einkommen und Vermögen zuzumuten.
aa) Gemäß § 82 Abs. 1 Satz 1 SGB XII gehören zum Einkommen grundsätzlich alle Einkünfte in Geld oder Geldeswert; die dort genannten Ausnahmen greifen hier von vornherein nicht.
Der Vater des Klägers erzielte nach der Verdienstbescheinigung seiner Arbeitgeberin im Jahr 2004 ein steuerpflichtiges Steuerbruttoeinkommen von 38.203,08 EUR und im Jahr 2005 von (voraussichtlich) 42.069,35 EUR. Nach einem Aktenvermerk über ein Gespräch mit der Familie des Klägers vom 28.07.2005 erzielte er ferner ein jährliches Einkommen aus Vermietung und Verpachtung von etwa 20.000 EUR.
Es ist damit nicht nicht zu erkennen, dass sein Einkommen die maßgebliche Einkommensgrenze des § 85 Abs. 2 SGB XII unterschreitet. Denn der Beklagte hat mit Schriftsatz vom 12.06.2007 (GA 26) zu Recht ausgeführt, dass zur Einkommensgrenze gemäß § 85 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 bis 3 SGB XII gehören:
– Grundbetrag in Höhe des zweifachen Eckregelsatzes (damals 345 EUR): 690 EUR
– Familienzuschläge (3 x 242 EUR): 726 EUR
– Kosten für die Unterkunft
Die Kosten der Unterkunft sind nicht bekannt. Der Senat musste sich jedoch nicht gedrängt sehen, den Sachverhalt insoweit weiter aufzuklären. Denn angesichts der vorgenannten Einkünfte des Vaters des Klägers (insgesamt jährlich etwa 60.000 EUR) ist nicht ersichtlich, dass der Vater des Klägers selbst bei zu seinen Gunsten unterstellt hohen Kosten der Unterkunft die Einkommensgrenze des § 85 Abs. 2 SGB XII unterschreiten könnte. Dies ist auch von dem Vater des Klägers selbst nicht behauptet worden.
Der Vater des Klägers hat seine genauen Einkommens- und Vermögensverhältnisse trotz mehrfacher Aufforderung des Beklagten im Verwaltungs- und Widerspruchsverfahren nicht weiter konkretisiert. Der Beklagte hat zu Recht darauf hingewiesen, dass sie deshalb eine Ermessensentscheidung gemäß § 87 Abs. 1 Satz 3 SGB XII hinsichtlich der Zumutbarkeit des Einkommenseinsatzes über der Einkommensgrenze nicht treffen konnte.
bb) Das gemäß § 90 SGB XII einzusetzende Vermögen des Vaters des Klägers übersteigt die mit der Klage gelten gemachten Kosten für den Einbau des Personenaufzuges und damit den Bedarf ersichtlich. Der Vater des Klägers ist Eigentümer des Bauernhofes, in dem die Familie des Klägers wohnt, nebst weiterer Grundstücksflächen. Er hat darüber hinaus im Verwaltungsverfahren angegeben, über Vermögen in Höhe von mehr als 37.726 EUR zu verfügen.
b) Auf die privilegierende Regelung des § 92 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 SGB XII kann sich der Kläger entgegen seiner Rechtsauffassung mit Erfolg nicht berufen; die anderen Nummern des § 92 Abs. 2 Satz 1 SGB XII sind thematisch von vornherein nicht betroffen.
Gemäß § 92 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 SGB XII ist den in § 19 Abs. 3 SGB XII genannten Personen, zu denen der Kläger wie zuvor dargelegt gehört, die Aufbringung der Mittel bei der Hilfe, die dem behinderten noch nicht eingeschulten Menschen die für ihn erreichbare Teilnahme am Leben in der Gemeinschaft ermöglichen soll, nur für die Kosten des Lebensunterhalts zuzumuten. Gemäß § 92 Abs. 2 Satz 2 SGB XII sind die in Satz 1 genannten Leistungen ohne Berücksichtigung von vorhandenem Vermögen zu erbringen. Die Regelung des § 92 SGB XII hat im SGB XII einen Ausnahmecharakter, weil die steuerfinanzierten Leistungen der Sozialhilfe nach dem SGB XII im Sinne einer Subsidiarität bzw. eines Nachrangs staatlicher Hilfe regelmäßig eine Bedürftigkeit des Betroffenen voraussetzen (§§ 2, 19 SGB XII).
Eine Hilfe im Sinne des § 92 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 SGB XII ist die hier maßgebliche "Hilfe bei der Beschaffung, dem Umbau, der Ausstattung und der Erhaltung einer Wohnung, die den besonderen Bedürfnissen der behinderten Menschen entspricht" gemäß § 55 Abs. 2 Nr. 5 SGB IX zur Überzeugung des erkennenden Senats nicht. Dieses Auslegungsergebnis ergibt sich aus dem Wortlaut, der Systematik, der Entstehungsgeschichte sowie Sinn und Zweck des § 92 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 SGB XII.
aa) Der Wortlaut des § 92 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 SGB XII erfasst "Hilfe, die dem behinderten noch nicht eingeschulten Menschen die für ihn erreichbare Teilnahme am Leben in der Gemeinschaft ermöglichen soll". Die hier maßgebliche "Hilfe bei der Beschaffung, dem Umbau, der Ausstattung und der Erhaltung einer Wohnung, die den besonderen Bedürfnissen der behinderten Menschen entspricht", wird hiervon bereits nach dem Wortlaut des § 92 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 SGB XII nicht erfasst.
bb) Die (Binnen-)Systematik spricht eher für das hier gewonnene Auslegungsergebnis, lässt jedoch für sich genommen keinen sicheren Rückschluss zu.
§ 92 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 SGB XII erfasst "Hilfe, die dem behinderten noch nicht eingeschulten Menschen die für ihn erreichbare Teilnahme am Leben in der Gemeinschaft ermöglichen soll".
"Hilfen zum Erwerb praktischer Kenntnisse und Fähigkeiten, die erforderlich und geeignet sind, behinderten Menschen die für sie erreichbare Teilnahme am Leben in der Gemeinschaft zu ermöglichen", sind – wie oben bereits ausgeführt – in § 55 Abs. 2 Nr. 3 SGB IX normiert. Die Voraussetzungen dieser Norm sind hier nicht verwirklicht (s.o.). Hier geht es vielmehr um Hilfen zum Umbau der Wohnung gemäß § 55 Abs. 2 Nr. 5 SGB IX. Der Beklagte und das SG haben deshalb zu Recht ausgeführt, das die Regelung des § 92 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 SGB XII allein auf die Norm des § 55 Abs. 2 Nr. 3 SGB IX Bezug nimmt, nicht also auch auf § 55 Abs. 2 Nr. 5 SGB IX.
Dem steht nicht entgegen, dass § 55 SGB IX die Überschrift "Leistungen zur Teilhabe am Leben in der Gemeinschaft" trägt und Teil des Kapitels 7 des SGB XII ist, das dieselbe Bezeichnung hat. Denn § 55 Abs. 2 Nr. 3 SGB IX hat die Ermöglichung der Teilnahme (nicht: Teilhabe) am Leben in der Gemeinschaft zum Ziel (vgl. zur Terminologie auch Meusinger in: Fichtner/Wenzel, BSHG, 2. Aufl. 2003, § 40 Rn. 71).
Fraglich ist allerdings, ob die Regelung des § 55 SGB IX insoweit tatsächlich einen reflektierten differenzierten Gebrauch dieser Rechtsausdrücke durch die Gesetzgebung zum Ausdruck bringt. Zwar findet sich der Rechtsausdruck der "Teilhabe" nicht nur in der Überschrift des § 55 SGB IX, sondern auch in seinem Abs. 1 sowie in Abs. 2 Nr. 7, während der Rechtsaudruck der "Teilnahme" ausschließlich in § 55 Abs. 2 Nr. 3 SGB IX zum Einsatz kommt. Dies legt den Schluss nahe, dass die Gesetzgebung den Ausdruck der "Teilhabe" in § 55 SGB IX als Oberbegriff begreifen könnte.
Allerdings werden die Leistungen zur Teilhabe im Allgemeinen in § 1 sowie §§ 4 und 5 SGB IX näher beschrieben; die terminologische Differenzierung des § 55 SGB IX zwischen "Teilhabe" und "Teilnahme" wird dort jedoch nicht aufgenommen. Systematische Topoi sind hier daher – für sich genommen – nicht hinreichend aussagekräftig.
cc) Die Entstehungsgeschichte sowie Sinn und Zweck des § 92 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 SGB XII sprechen aber zur Überzeugung des erkennenden Senats deutlich gegen seine Anwendung in der vorliegenden Sachverhaltskonstellation.
Die Vorgängernorm des § 92 SGB XII "überträgt inhaltsgleich den bisherigen § 43 des Bundessozialhilfegesetzes" (so Bundesrat-Drucksache 559/05, S. 209), worauf der Beklagte im Berufungsverfahren zu Recht hingewiesen hat. Die Regelung des § 92 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 SGB XII entspricht dabei wörtlich § 43 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 BSHG (i.d.F. bis zum 31.12.2004).
Zum Verständnis dieser Vorgängernorm ist ein Blick auf ihre Vorgängerfassung von Nutzen. Die Vorschrift des § 43 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 BSHG hatte bis zum 30.06.2001 bereits denselben Wortlaut, allerdings ohne den Passus "noch nicht eingeschulten". Stattdessen enthielt sie den sich anschließenden Nebensatz "wenn die Behinderung eine Schulbildung voraussichtlich nicht zulassen wird".
Aufgrund dieses Nebensatzes erfasste die frühere Fassung des § 43 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 BSHG nur behinderte Menschen, die, obwohl im schulpflichtigen Alter, nicht oder noch nicht in einer Schule gefördert wurden. Mit Wirkung zum 01.07.2001 wurde dieser Nebensatz im Zuge der Verabschiedung des SGB IX durch Gesetz vom 19.06.2001 (BGBl. I S. 1046) aufgehoben und stattdessen durch den Passus "noch nicht eingeschulten" ersetzt. Diese Änderung wurde wie folgt begründet (Bundestag-Drucksache 14/5800, S. 34):
"Die Änderung der bisherigen Nummer 3 folgt aus dem heute grundsätzlich geltenden uneingeschränkten schulischen Bildungsrecht für alle Menschen. Den Begriff der "Schulbildungsunfähigkeit" gibt es seit 1997 z.B. nicht mehr im Schulgesetz von Baden-Württemberg. Auch in den Empfehlungen der KMK von 1980 ist ausgeführt, "dass grundsätzlich jeder Geistigbehinderte unabhängig von Art und Schwere seiner Behinderung in pädagogische Fördermaßnahmen einzubeziehen ist". Daher ist die Hilfeart, die dem behinderten Menschen die für ihn erreichbare Teilnahme am Leben in der Gemeinschaft ermöglichen soll, wenn seine Behinderung eine Schulbildung voraussichtlich nicht zulassen wird oder nicht zulässt, in die Hilfeart umbenannt, die im Hinblick auf den Personenkreis noch nicht eingeschulte behinderte Menschen umfasst."
Diese Ausführungen lassen die Wertung der Gesetzgebung erkennen, dass § 43 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 BSHG (i.d.F. ab dem 01.07.2001) auf die zwischenzeitlichen Erkenntnisse zur Schulbildungsfähigkeit behinderter Menschen reagiert hat. Er knüpft nicht mehr – weil wissenschaftlich überholt – an eine "Schulbildungsunfähigkeit" an, sondern nunmehr an die noch nicht erfolgte Einschulung des behinderten Menschen, aus welchen Gründen diese auch unterblieben sein mag. Erkennbar ist dabei aber die unveränderte Zielsetzung der Norm. Ihr geht es um die Sicherstellung der (insbesondere schulischen) Bildung des behinderten Menschen, und zwar durch Hilfe im Vorfeld der Schulpflicht oder für behinderte Menschen, bei denen eine Beschulung (oder eine Vorbereitung darauf) trotz grundsätzlicher Schulpflicht wegen ihrer Behinderung ausnahmsweise noch nicht aufgenommen werden konnte (so zu § 43 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 BSHG Mergler/Zink, BSHG, § 43 Rn. 21 [Stand: Mai 2002]). Diese Anknüpfung an die schulische Bildung verdeutlichen auch die Nummern 1, 2 und 4 des § 92 Abs. 2 Satz 1 SGB XII; die dortigen Nummern 6 bis 8 verfolgen das Ziel einer (sich anschließenden) beruflichen Ausbildung.
In jedem Fall verlangt § 92 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 SGB XII eine unmittelbare Investition in den Menschen zur Ausbildung seiner Fähig- und Fertigkeiten, nicht allein eine Investition in Sachen (wie den vom Kläger begehrten Umbau einer Wohnung), auch wenn letztere die Möglichkeit, schulische Bildung in Anspruch nehmen zu können, faktisch – aber eben nur mittelbar – verbessert. Sinn und Zweck der Norm ist es damit, die Eltern behinderter Kinder bezogen auf Eingliederungshilfemaßnahmen mit den Eltern nichtbehinderter Kinder gleichzustellen. Entgegen der Rechtsauffassung des Klägers ist dabei aber keine allumfassende Gleichstellung beabsichtigt. Der Gesetzgebung ging es vielmehr ausschließlich darum, die durch eine angemessene Bildung der behinderten Kinder entstehenden höheren Kosten auszugleichen (Behrend in: jurisPK-SGB XII, 1. Aufl. 2010, § 92 Rn. 14).
Die Hilfe zum Umbau einer Wohnung gemäß § 55 Abs. 2 Nr. 5 SGB IX wird deshalb von § 92 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 SGB XII nicht erfasst (Behrend, a.a.O., § 92 Rn. 29; Wolf in: Fichtner/Wenzel, SGB XII, 4. Aufl. 2009, § 92 Rn. 8; Lücking, in: Hauck/Noftz, SGB XII, K § 92 Rn. 14; im Ergebnis wohl auch Schellhorn /Hohm/Schneider, SGB XII, 18. Aufl. 2010, § 92 Rn. 20; Wahrendorf in: Grube/Wahrendorf, SGB XII, 3. Aufl. 2010, § 92 Rn. 18; vgl. auch Bieritz-Harder in: LPK-SGB XII, 8. Aufl. 2009, § 92 Rn. 11).
3. Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 SGG.
4. Die Revision war gemäß § 160 Abs. 2 Nr. 1 SGG wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache zuzulassen.
Erstellt am: 16.06.2011
Zuletzt verändert am: 16.06.2011