Die Beschwerde des Antragstellers gegen den Beschluss des Sozialgerichts Münster vom 27.05.2019 wird zurückgewiesen. Kosten sind nicht zu erstatten.
Gründe:
I.
Der Antragsteller begehrt im Beschwerdeverfahren höhere Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes.
Der am 00.00.1970 geborene, erwerbsfähige Antragsteller ist seit 2002 zugelassener Rechtsanwalt. Er lebt alleinstehend in einer 93 m² großen Wohnung in der I-Straße 00, N, für die eine monatliche Miete von 817,86 EUR zu zahlen ist. Die Wohnung wird vom Antragsteller teilweise als Rechtsanwaltsbüro benutzt. Der Antragsteller bezieht seit Januar 2005 – mit Unterbrechungen – Leistungen nach dem SGB II.
Am 31.08.2018 schloss der Antragsteller mit Herrn N einen für die Zeit vom 01.09.2018 bis 31.08.2019 befristeten Praktikumsvertrag ab. Es wurde eine Praktikumsvergütung von 3,90 EUR/Stunde bei einer wöchentlichen Arbeitszeit von 20 Stunden vereinbart.
Auf seinen Antrag vom 30.11.2018 bewilligte der Antragsgegner dem Antragsteller mit Bescheid vom 14.03.2019 vorläufige SGB II-Leistungen für die Zeit vom 01.11.2018 bis 31.12.2018 iHv monatlich 513,84 EUR und für die Monate Januar bis April 2019 iHv monatlich 521,84 EUR. Dabei setzte der Antragsgegner einen monatlichen Gewinn von 810,86 EUR an. Nach Abzug der Einkommensfreibeträge und der Berufshaftpflichtversicherung rechnete die Klägerin ein bereinigtes Erwerbseinkommen von monatlich 361,89 EUR an.
Der Antragsteller widersprach der vorläufigen Leistungsbewilligung mit Schreiben vom 31.03.2019.
Am 01.04.2019 hat der Antragsteller beim Sozialgericht Münster beantragt, den Antragsgegner im Wege der einstweiligen Anordnung zur Zahlung von Leistungen iHv monatlich insgesamt 883 EUR in der Zeit vom 01.11.2018 bis 30.04.2019 zu verpflichten. Der Antragsgegner habe den Gewinn zu hoch angesetzt, weil bei den Betriebsausgaben die Kosten für seinen Praktikanten zu Unrecht nicht berücksichtigt worden seien.
Mit Beschluss vom 27.05.2019 hat das Sozialgericht den Antrag abgelehnt. Leistungen vor Antragstellung könnten im Wege der einstweiligen Anordnung mangels Anordnungsgrund nicht begehrt werden. Für die Zeit ab Antragstellung sei ein Anordnungsanspruch nicht glaubhaft gemacht worden. Streitig seien lediglich die Personalausgaben, die der Antragsgegner zu Recht nicht als Betriebsausgaben berücksichtigt habe. Die Kosten für den Praktikant seien nicht notwendig, da nach § 40a Abs. 5 der Verordnung über den Bildungsgang und die Abiturprüfung in der gymnasialen Oberstufe und dem Runderlass des Ministeriums für Schule und Bildung (Abl. NRW 02/19) keine Vergütungspflicht vorgesehen sei. Der Antragsteller könne mithin unentgeltlich einen Praktikanten einstellen.
Gegen den ihm am 29.05.2019 zugestellten Beschluss hat der Antragsteller am 05.06.2019 vor dem Sozialgericht Beschwerde eingelegt. Er habe für die Zeit ab dem 01.05.2019 einen Fortzahlungsantrag gestellt, über den der Beklagte noch nicht entschieden habe. Seine Umsätze habe er nur durch die Hilfe des Praktikanten erzielen können. Dieser wäre ohne Zahlung der Praktikumsvergütung von 3,90 EUR nicht bei ihm geblieben. Das Sozialgericht habe die Alg-II-VO grammatikalisch, systematisch, historisch und telelogisch falsch ausgelegt.
Am 19.06.2019 hat der Antragsgegner den Widerspruch des Antragstellers gegen den Bewilligungsbescheid vom 14.03.2019 als unbegründet zurückgewiesen. Ob der Antragsteller gegen den ihm am 25.06.2019 zugestellten Widerspruchsbescheid Klage eingereicht hat, ist dem Senat nicht bekannt.
Mit Bescheid vom 21.06.2019 hat der Antragsgegner dem Antragsteller vorläufig Leistungen iHv monatlich 587,59 EUR für den Zeitraum vom 01.05.2019 bis 31.10.2019 bewilligt. Hiergegen hat der Antragsteller mit Schreiben vom 16.07.2019 Widerspruch eingelegt und unter anderem ausgeführt, dass die Nichtberücksichtigung der Praktikantenvergütung rechtswidrig sei. Über diesen Widerspruch hat der Antragsgegner noch nicht entschieden.
II.
Die zulässige Beschwerde des Antragstellers ist unbegründet. Zu Recht hat das Sozialgericht den Antrag des Antragstellers hinsichtlich höherer Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts abgelehnt. Zur Begründung nimmt der Senat zunächst auf die zutreffenden Ausführungen des Sozialgerichts Bezug (§ 142 Abs. 2 Satz 3 SGG). Rückwirkende Leistungen vor Antragstellung im Eilverfahren im Wege der einstweiligen Anordnung können nur bei einem sog. "Nachholbedarf", d.h. wenn die Nichtgewährung in der Vergangenheit in die Gegenwart fortwirkt und eine gegenwärtige Notlage bewirkt, zugesprochen werden (vgl. Beschluss des Senats vom 27.10.2016 – L 7 AS 920/16 B ER; Keller, in: Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer/Schmidt, SGG, 12. Auflage, § 86b Rn. 35a mwN). Hierfür ist weder etwas ersichtlich, noch wird dies vom Antragsteller glaubhaft gemacht. Vielmehr ist der Bewilligungsbescheid erst am 14.03.2019 ergangen, sodass der Antragsteller im März 2019, mithin kurz vor seinem gerichtlichen Eilantrag einen Betrag iHv 2.593,20 EUR nachgezahlt bekommen hat, sodass eine gegenwärtige Notlage schon deswegen nicht konstatiert werden kann.
Zutreffend hat das Sozialgericht auch herausgearbeitet, dass hinsichtlich der Praktikantenvergütung keine notwendigen Betriebsausgaben iSv § 3 Abs. 2 Alg-II-VO vorliegen, da gesetzlich keine Vergütungspflicht für das hier vorliegende Praktikum vorgesehen ist. Selbst wenn die Notwendigkeit der Beschäftigung eines Praktikanten gegeben sein sollte, was angesichts der schwachen Auslastung des Antragstellers zweifelhaft erscheint, ist jedenfalls die Notwendigkeit eines vergüteten Praktikanten nicht gegeben.
Unabhängig davon kam eine Berücksichtigung der Personalkosten auch nach § 3 Abs. 3 Satz 1 Alg-II-VO nicht in Betracht. Tatsächliche Ausgaben sollen danach nicht abgesetzt werden, soweit diese ganz oder teilweise vermeidbar sind (1. Alt.) oder offensichtlich nicht den Lebensumständen während des Bezuges der Leistungen zur Grundsicherung für Arbeitsuchende entsprechen (2. Alt.). Der Antragsgegner hat bei dem Antragsteller lediglich ein bereinigtes Erwerbseinkommen von 361,89 EUR berücksichtigt. Würden die Personalkosten von einem Praktikanten iHv monatlich 480,99 EUR abgezogen, hätte dies zur Folge, dass bei dem Antragsteller kein Erwerbseinkommen berücksichtigt werden könnte. Mithin würde der in Teilzeit beschäftigte Schülerpraktikant mehr verdienen als sein Arbeitgeber, ein seit 17 Jahren praktizierender Rechtsanwalt und Volljurist, der in Vollzeit beschäftigt ist. Weiterhin hätte erst die Beschäftigung eines Praktikanten zur Folge, dass der ohnehin schon überschaubare Ertrag des Antragstellers, nicht nur nicht erhöht, sondern sogar auf Null reduziert wird. Ein solches Beschäftigungsmodell entspricht evidentermaßen nicht den Lebensumständen während des SGB II-Leistungsbezugs. Anders als der Antragsteller meint, kommt es bei grammatikalischer und teleologischer Auslegung auf die Lebensumstände eines SGB II-Leistungsempfängers und nicht eines durchschnittlichen Rechtsanwalts an. Der Vergleich mit den durchschnittlichen Personalkosten von Rechtsanwälten oder sonstigen Marktteilnehmern ist daher irrelevant. Erwerbsfähige Leistungsberechtigte haben gemäß § 2 Abs. 2 Satz 1 SGB II in eigener Verantwortung alle Möglichkeiten zu nutzen, ihren Lebensunterhalt aus eigenen Mitteln und Kräften zu bestreiten. Der Einsatz eines Praktikanten ist bei dieser Sachlage nur dann angemessen, wenn hierdurch eine Wertschöpfung zu erreichen ist, etwa weil der Umsatz gesteigert, die Kosten reduziert oder der Mandantenstamm erweitert wird. Dies ist vorliegend nicht gegeben. Vielmehr wird das Gegenteil erreicht: Eine an sich ertragshaltige Tätigkeit wird erst durch die Beschäftigung eines Praktikanten ertraglos. Dass der Antragsteller zivilrechtlich an den Praktikumsvertrag bis zum 31.08.2019 gebunden ist, steht dem nicht entgegen, denn § 3 Abs. 3 Satz 1, 2. Alt. Alg-II-VO stellt – anders als die 1. Alt. – nicht auf Vermeidbarkeit der Kosten ab.
Die vorgenannten Ausführungen gelten entsprechend für den Bewilligungsbescheid vom 21.06.2019, soweit Praktikumskosten als Betriebsausgaben geltend gemacht werden. Soweit der Antragsteller Raumkosten für Mietnachzahlungen geltend macht, kann hierauf – mangels Nachholbedarf – wie dargelegt keine einstweilige Anordnung gestützt werden. Entsprechendes gilt für die vom Antragsteller geltend gemachten Verspätungs- und Zwangsgelder. Die weiteren Positionen für Beiträge und Telefonkosten können mangels Anordnungsgrund einer Klärung im Hauptsacheverfahren vorbehalten werden, denn der Antragsteller hat aus dem Bewilligungsbescheid vom 21.06.2019 Anfang Juli 2019 eine Nachzahlung von über 1.500 EUR erhalten, sodass dem Antragsteller, der zudem über Schonvermögen aus Optionsscheingeschäften verfügt, ein Abwarten des Widerspruchsverfahrens einstweilen möglich und zumutbar ist. Zudem hat der Antragsteller jüngst 1.000 EUR aus einem am 16.01.2019 vor dem Sozialgericht Münster mit dem Beklagten geschlossenen Vergleich erhalten.
Die Kostenentscheidung beruht auf einer entsprechenden Anwendung von § 193 SGG und trägt dem Ausgang des Rechtsstreits Rechnung.
Dieser Beschluss kann nicht mit der Beschwerde angefochten werden (§ 177 SGG).
Erstellt am: 26.08.2019
Zuletzt verändert am: 26.08.2019