Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Düsseldorf vom 26.07.1996 wird zurückgewiesen. Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Streitig ist ein Anspruch auf Altersruhegeld.
Die Klägerin ist die Witwe des am 29.12.1999 verstorbenen vormaligen Klägers I … C … (I. C.). I. C. war Jude, er wurde am …1920 in C … in der B … (Rumänien) geboren und lebte seit 1948 in Israel.
Im Rentenantrag vom 31.12.1990 behauptete I. C., er habe von September 1937 bis Sommer 1940 als Lehrer an der jüdischen Schule in C … und von Sommer 1940 bis Frühjahr 1941 als Bauarbeiter in L …/V …, UdSSR, gearbeitet. Beiträge zur rumänischen bzw. sowjetischen Sozialversicherung seien gezahlt worden.
Von Sommer 1941 bis Mai 1945 habe er sich auf der Flucht in der Sowjetunion befunden. Hierzu erläuterte I. C., er sei im Juli 1940 nach C … gekommen. Zu diesem Zeitpunkt sei diese Stadt schon unter sowjetischer Herrschaft gewesen. Er habe sich als Bauarbeiter gemeldet und sei so nach L … bei V … gekommen. Als die Deutschen sich V … näher ten, sei er weiter in der Innere der Sowjetunion geflüchtet und erst 1946 nach Rumänien zurückgekehrt. I. C. legte eine Zeugenerklärung von J … S … vor, der den Baueinsatz in L … bestätigte und ausführte, man habe Anfang 1941 nach C … zurückkehren wollen, diese Stadt sei aber bereits von den Deutschen okkupiert gewesen, weshalb er und I. C. weiter in die Sowjetunion geflüchtet seien. Dort sei man zu einer Arbeitsarmee eingezogen worden.
Weiterhin behauptete I. C., er habe in seinem Herkunftsgebiet dem deutschen Sprach- und Kulturkreis (dSK) angehört und ebenso wie seine Eltern deutsch – neben rumänisch – hauptsächlich gesprochen.
Zur Bestätigung der geltend gemachten Beschäftigung als Lehrer in C … und der dSK-Zugehörigkeit legte I. C. Zeugenerklärungen von J … und K … E … vor.
Auf Anfrage der Beklagten teilte die Landesrentenbehörde NRW mit, ausgehend von einem Wohnsitz in V … sei I. C. mit Einmarsch der Deutschen nicht als Verfolgter im Sinne des BEG anzusehen, weil er bei seiner Flucht in das Innere der Sowjetunion nur ein Teil fliehender Bevölkerungsmassen gewesen sei und sich sein Schicksal nicht von dem anderer Bevölkerungsgruppen unterschieden habe.
Mit Bescheid vom 26.08.1992 lehnte die Beklagte den Rentenantrag ab. Zeiten nach dem FRG könnten nicht anerkannt werden, weil I. C. weder die Voraussetzungen von § 20 WGSVG noch von § 17a FRG erfülle. Die Anwendung von § 20 WGSVG scheitere daran, dass I. C. kein Verfolgter im Sinne des BEG sei. Insoweit stützte die Beklagte sich auf die Ausführungen der Landesrentenbehörde. § 17a FRG sei nicht erfüllt, weil I. C. sein Heimatgebiet schon vor der nationalsozialistischen Einflussnahme verlassen habe.
Im Widerspruchsverfahren führte I. C. aus, die endgültige Flucht in den sowjetischen Bereich sei erst erfolgt, als die Stadt C … bereits von den deutschen Truppen besetzt war und die Deutschen auf V … vorrückten. Er meinte, sein Auslandsaufenthalt sei deshalb verfolgungseigentümlich gewesen.
Nachdem die Landesrentenhörde bei ihrer ablehnenden Stellungnahme verblieben war, wies die Beklagte den Widerspruch mit Bescheid vom 17.03.1994 zurück.
Gegen diese Entscheidung richtete sich die am 23.03.1994 erhobene Klage. I. C. hat ergänzend vorgebracht, er sei aus C … nach C … vor der "Eisernen Garde" geflüchtet. Hierbei habe es sich um eine antisemitische Bewegung gehandelt, die durch den deutschen Nationalsozialismus gestärkt worden sei. Auch dieser Umstand begründe seine Eigenschaft als Verfolgter.
Mit Urteil vom 26.07.1996 hat das Sozialgericht die Klage abgewiesen. Es hat I.C. weder als Verfolgten i.S.d. WGSVG, noch als Berechtigten i.S.d. § 17 a FRG angesehen, weil er vor der "Eisernen Garde" geflohen sei und vor dem Zeitpunkt der nationalsozialistischen Einflussnahme auf sein Heimatgebiet dieses verlassen habe. Die Verhinderung der Rückkehr aus der UdSSR habe auf einem allgemeinen Kriegsschicksal beruht.
Gegen diese am 01.10.1996 zugestellte Entscheidung richtet sich die am 16.10.1996 erhobene Berufung. Die Klägerin meint, dass I.C. als Verfolgter anzusehen sei, weil die "Eiserne Garde" durch das nationalsozialistische Deutschland gebilligt und gefördert worden sei. Zudem sei er an der beabsichtigten Rückkehr nach C … durch den deutschen Einmarsch gehindert worden. § 17a FRG sei anwendbar, weil diese Vorschrift auch Personen begünstige, die ihr Heimatgebiet bereits vor Beginn der nationalsozialistischen Einflussnahme verloren haben, etwa weil sie vorher geflohen sind.
Die Klägerin beantragt schriftsätzlich sinngemäß,
das Urteil des Sozialgerichts Düsseldorf vom 26.07.1996 abzuändern und die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 26.08.1992 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 17.03.1994 zu verurteilen, an sie als Rechtsnachfolgerin des I. C. Altersruhegeld nach Maßgabe der gesetzlichen Vorschrift zu zahlen.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie hält die angefochtene Entscheidung für zutreffend.
Im Berufungsverfahren wurden Auskünfte des Instituts für Zeitgeschichte, München, über die Zusammensetzung der Flüchtlinge aus V …, den Status und die Funktion der "Eisernen Garde" und die Möglichkeit einer Überquerung der Frontlinie eingeholt, auf deren Inhalt Bezug genommen wird.
Hinsichtlich der Bevölkerungszusammensetzung in C … wurden Auskünfte der Heimatauskunftsstelle eingeholt, auf deren Inhalt verwiesen wird. Es wurde eine Sprachprüfung bei der Deutschen Botschaft in Israel veranlasst. Obwohl I. C. gesundheitsbedingt kaum verwertbare schriftliche Arbeiten ablieferte, hielt der zuständige Rechts- und Konsularreferent W … es für wahrscheinlich, dass I. C. zum maßgeblichen Zeitpunkt überwiegend dem dSK angehörte. Dem Sprachprüfungsprotokoll ist das Ergebnis von Feststellungen der Sprach- und Kulturzugehörigkeit der Kinder des Vaters des I. C., d. h. auch des I. C. selbst, aus dem Jahre 1971 beigefügt.
In im Wege der Rechtshilfe erfolgten Zeugenvernehmungen hat J … E … bestätigt, dass I. C. in C … Deutsch gesprochen habe sowie Lehrer an einer jüdischen Religionsschule gewesen sei. K … E … hat ausgeführt, er sei mit I. C. bis 1941 in C … gewesen, danach sei man nach Transsylvanien vertrieben worden. Er hat ebenfalls den deutschen Sprachgebrauch des I. C. bestätigt.
Die Beklagte hat keine Einwände gegen die Bejahung der Zugehörigkeit zum dSK erhoben.
Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Gerichtsakte und die beigezogene Verwaltungsakte, deren Inhalt Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen ist, verwiesen.
Entscheidungsgründe:
Der Senat konnte in Abwesenheit der Klägerin verhandeln und entscheiden, weil diese ordnungsgemäß geladen und in der Ladung auf diese Möglichkeit hingewiesen worden ist.
Die Berufung ist zulässig, nicht aber begründet. Das Sozialgericht hat die Klage zu Recht abgewiesen. Die angefochtenen Bescheide sind nicht rechtswidrig, denn I. C. hatte keinen Anspruch auf Altersruhegeld.
Die Rechtsnachfolge der Klägerin i.S.d. § 56 Abs 1 SGB I steht fest.
Die Entscheidung richtet sich noch nach den Vorschriften der RVO, weil ein Rentenbeginn vor dem 01.01.1992 geltend gemacht wird und der Antrag vor dem 31.03.1992 gestellt wurde (§ 300 Abs. 2 SGB VI).
Gemäß § 1248 Abs. 5 RVO erhält Altersruhegeld der Versicherte, der das 65. Lebensjahr vollendet hat und die Wartezeitnach Abs. 7 Satz 3, d.h. eine Versicherungszeit von 60 Kalendermonaten erfüllt hat. Versicherungszeiten sind gemäߧ 1250 Abs. 1 RVO u. a. Beitrags- und Ersatzzeiten.
I. C. hat keine als Versicherungszeiten anrechenbaren Beitragszeiten, weshalb auch keine Ersatzzeiten angerechnet werden können. Hierfür kommen nur die von ihm geltend gemachten, in Rumänien und der UdSSR zurückgelegten Beitrags- und Beschäftigungszeiten in Betracht. Dies setzt voraus, dass diese Zeiten über §§ 15/16 FRG in der deutschen Rentenversicherung berücksichtigt werden können. Erforderlich ist hierfür, dass der Betroffene zu dem vom FRG begünstigten Personenkreis zählt. Da I. C. nicht als Vertriebener im Sinne des BVFG anerkannt ist (§ 1 lit. a FRG) und er auch nicht zu dem von § 1 lit. b bis e FRG erfassten Personenkreis gehört, kann das FRG nur aufgrund der Vorschriften der §§ 20 WGSVG, 17a FRG angewendet werden. Deren Voraussetzungen sind jedoch nicht erfüllt.
I.
Gemäß § 20 Abs. 1 WGSVG stehen bei Anwendung des FRG den an erkannten Vertriebenen im Sinne des BVFG vertriebene Verfolgte gleich, die lediglich deswegen nicht als Vertriebene anerkannt sind oder anerkannt werden können, weil sie sich nicht ausdrücklich zum deutschen Volkstum bekannt haben, wenn sie im Zeitpunkt des Verlassens des Vertreibungsgebietes dem dSK angehört haben. Gemäß § 1 WGSVG gilt das WGSVG für Verfolgte im Sinne des BEG. D. h. auch § 20 WGSVG bezieht sich nur auf Personen, die sämtliche Voraussetzungen als Verfolgte im Sinne des BEG erfüllen (vgl. auch BSG, Urteil vom 09.08.1995 – 13 RJ 25/94 -).
Gemäß § 1 Abs. 1 BEG ist Verfolgter, wer Opfer der nationalsozialistischen Verfolgung ist, d.h. wer aus Gründen politischer Gegnerschaft gegen den Nationalsozialismus oder aus Gründen der Rasse, des Glaubens oder der Weltanschauung durch nationalsozialistische Gewaltmaßnahmen verfolgt worden ist und hierdurch Schaden an Leben, Körper, Gesundheit, Freiheit, Eigentum, Vermögen, in seinem beruflichen oder in seinem wirtschaftlichen Fortkommen erlitten hat. I.C. erfüllte diese Voraussetzungen nicht:
1) Das Sozialgericht hat zu Recht ausgeführt, dass die Verfolgteneigenschaft von I. C. nicht daraus abgeleitet werden kann, dass er 1940 wegen antijüdischer Maßnahmen aus C … in das seit Juni 1940 von der UdSSR besetzte C … zog. Denn hierbei handelt es sich nicht um einen Umstand, der auf nationalsozialistische Verfolgung zurückzuführen ist.
I. C. hat selbst ausdrücklich erklären lassen, dass Grund für seine Flucht in den sowjetischen Machtbereich das Wirken der "Eisernen Garde" war. Im Gegensatz zur Meinung von I. C. handelt es sich bei deren Aktivitäten nicht um nationalsozialistische Gewaltmaßnahmen im Sinne des BEG. Gemäß § 2 Abs. 1 BEG sind nationalsozialistische Gewaltmaßnahmen solche Maßnahmen, die aus den Verfolgungsgründen des § 1 auf Veranlassung oder mit Billigung einer Dienststelle oder eines Amtsträgers des Reiches, eines Landes, einer sonstigen Körperschaft, Anstalt oder Stiftung des öffentlichen Rechts, der NSDAP, ihrer Gliederungen oder ihrer angeschlossenen Verbände gegen den Verfolgten gerichtet worden sind. Das Institut für Zeitgeschichte hat in seiner Auskunft vom 19.01.2000 nachvollziehbar dargelegt, dass die "Eiserne Garde" eine zeitweilig illegale, nach der Besetzung von Bessarabien und der Bukowina durch die Sowjetunion im Sommer 1940 jedoch staatlicherseits gebilligte rumänische Organisationen war. Die "Eiserne Garde" war unter Ministerpräsident Antonescu unter neuem Namen durch Erteilung mehrerer Ministerposten in die Regierungsverantwortung eingebunden. Zwar wurde die "Eiserne Garde" im Laufe der Jahre vom nationalsozialistischen Deutschland immer unterschiedlich intensiv unterstützt. Nachdem die "Eiserne Garde" nach einem Putschversuch im Jahre 1941 erneut aufgelöst wurde, gab die deutsche Seite in der innerrumänischen Auseinandersetzung jedoch nicht dieser, sondern dem Ministerpräsidenten Antonescu den Vorzug. Dies zeigt, dass es sich bei der "Eisernen Garade" zwar um eine mit den deutschen Nationalsozialisten ideologisch verwandte und eventuell befreundete Organisation handelte, ihr Wirken jedoch keine Maßnahme einer deutschen Dienststelle oder der NSDAP im Sinne des § 2 Abs. 1 BEG war.
Auch antijüdische Maßnahmen der rumänischen Regierung, insbesondere die rumänischen Judengesetze vom 09.08.1940 und vom 04.10.1940, sind keine nationalsozialistischen Gewaltmaßnahmen im Sinne des § 2 BEG, denn Maßnahmen selbstständiger ausländischer Staaten begründen keinen Entschädigungsanspruch gegen Deutschland (Blessin-Giessler, Kommentar zum BEG, Anm. IV 2 zu § 2 BEG; OLG Neustadt vom 31.01.1964, RzW 1964, 260).
2) Die Verfolgteneigenschaft ergibt sich auch nicht daraus, dass I.C. nach seiner Flucht in die UdSSR aufgrund des Vorrückens der deutschen Truppen gezwungen war, weiter in der Innere der UdSSR zu flüchten. Entgegen den Darlegungen des Sozialgerichts beruht dies jedoch nicht darauf, dass derjenige, der aus Verfolgungsfurcht vor den heranrückenden deutschen Truppen floh, dabei jedoch in dem Staat blieb, in dessen Machtbereich er schon bisher lebte, keinen Entschädigungsanspruch für Fluchtschäden hat. Denn der dieser Auffassung zugrundeliegenden Rechtsprechung des BGH, wonach Juden in derartigen Fällen ein Teil fliehender Bevölkerungsmassen waren und kein spezifisches Verfolgungsschicksal erlitten haben, ist nach der Rechtsprechung des Senates (Urteil vom 9.7.2001 – L 3 RJ 116/00 -) nicht zu folgen. Zudem ergibt sich aus der Auskunft des Instituts für Zeitgeschichte vom 17.08.1998 sehr wohl ein spezifisches Verfolgungsschicksal der jüdischen Einwohner von V …, wenn es dort zusammenfassend heißt, dass die Juden möglichst weit, aus anderer Motivation, zu einem höheren Prozentsatz und mit einem anderen Ziel geflüchtet sind.
Entscheidend ist vielmehr, dass § 1 Abs. 1 BEG einen verfolgungsspezifischen Schaden erfordert, der bei der Weiterflucht des I. C. in das Innere der UdSSR nicht eingetreten ist. In V … befand I. C. sich nach eigenem Bekunden nur vorübergehend zur Durchführung von Bauarbeiten, ohne dass er dort seinen Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt begründet hätte. Durch seine Weiterflucht ist daher kein Schaden i.S.d. § 1 BEG eingetreten. Der Schaden, der ihm eventuell durch das Verlassen von C … entstanden ist, beruht – wie ausgeführt – nicht auf nationalsozialistischen Gewalt maßnahmen, sondern der Tätigkeit der "Eisernen Garde" bzw. der rumänischen Regierung.
3) Schließlich wird der Status des I.C. als Verfolgter auch nicht dadurch begründet, dass er nach Beendigung der Bauarbeiten in V … aufgrund des Vorrückens der deutschen Truppen gehindert war, in seine Heimat nach C … zu rückzukehren. Denn insoweit hat I. C. tatsächlich kein spezifisches jüdisches Verfolgungsschicksal erlitten. Das Institut für Zeitgeschichte hat in seiner Auskunft am 02.04.2001 mitgeteilt, dass bereits ein Versuch, die Frontlinie zu durchqueren, lebensgefährlich war. Hinzu kommt, dass sog. Ortsfremde, also Personen ohne gültige Reisepapiere, in der Regel interniert und in vielen Fällen erschossen wurden. Die nationalsozialistische Judenverfolgung war ein hinzutretendes Gefahrenmoment, indes ist anzunehmen, dass auch ein nichtjüdischer rumänischer Staatsangehöriger, nachdem er einmal in der Sowjetunion war, diese während des Krieges nicht unter Durchquerung der Front hätte verlassen können.
Zusammengefasst kann festgehalten werden, dass I.C. vor der "Eisernen Garde" (bzw. antijüdischen Maßnahmen der rumänischen Regierung) geflüchtet ist und anschließend aufgrund allgemeiner Kriegsumstände daran gehindert war, in sein Heimatgebiet zurückzukehren. Ein derartiges Schicksal begründet keinen Status als Verfolgter des Nationalsozialismus.
II.
Auch § 17a FRG ist nicht anwendbar.
Gemäß § 17a FRG finden die für die gesetzliche Rentenversicherung maßgebenden Vorschriften des FRG Anwendung auch auf Personen, die bis zu dem Zeitpunkt, in dem der nationalsozialistische Einflussbereich sich auf ihr jeweiliges Heimat gebiet erstreckt hat, 1) dem dSK angehört haben, 2) das 16. Lebensjahr bereits vollendet hatten oder im Zeitpunkt des Verlassens des Vertreibungsgebietes dem dSK angehörten und 3) sich wegen ihrer Zugehörigkeit zum Judentum nicht zum deutschen Volkstum bekannt hatten, und die Vertreibungsgebiete verlassen haben. § 17a FRG setzt damit nicht voraus, dass der Antragssteller einen Verfolgungsschaden erlitten hat, der Gesetzesworlaut spricht allgemein von "Personen" (hierzu Gerhard, Mitteilung LVA Rheinprovinz 1990, 389 f.).
1) Indes ist für die Anwendung von § 17a FRG grundsätzlich Voraussetzung, dass der Versicherte auch zu dem Zeitpunkt, zu dem der nationalsozialistische Einfluss sich auf sein Heimatgebiet erstreckt hat, in diesem Gebiet seinen Wohnsitz mit ständigem Aufenthalt hatte. Dies folgt bereits aus dem Gesetzeswortlaut, wonach die in § 17a Buchstabe a 1 bis 3 FRG genannten persönlichen Voraussetzungen bis zu einem bestimmten Zeitpunkt vorliegen müssen und an ein tatsächliches Verhalten des Betroffenen anknüpfen. Auch Sinn und Zweck von § 17a FRG spricht für eine derartige Auslegung. Nach der Gesetzesbegründung wurde den von § 17a FRG erfassten Personen durch die Auswirkungen der nationalsozialistischen Gewaltherrschaft das familiäre Umfeld und die soziale Großgruppe entzogen (BT-Drucksache 11/5530 S. 127). § 17a FRG bezweckt damit eine Erweiterung des nach dem FRG anspruchsberechtigten Personenkreises (d.h. der aufgrund ihres deutschen Volkstums Heimatvetriebenen) um die Personen jüdischen Glaubens, die dem dSK angehörten und ein individuelles Verfolgungsschicksal deswegen nicht erlitten haben, weil sie sich rechtzeitig – z. B. durch Auswanderung oder Flucht – der Verfolgung entziehen konnten, die also, ohne Verfolgte sein zu müssen, auch heimatvertrieben waren (Verbandskommentar Anm. 3.7 67 § 17a FRG; vgl. auch Arbeitsanweisung LVA Rheinprovinz R 3.4 zu § 17a FRG).
Ausnahmsweise steht das Verlassen des Heimatgebietes vor dem Zeitpunkt, zu dem sich der nationalsozialistische Einfluss bereich hierauf erstreckte, der Anwendung von § 17a FRG nicht entgegen, wenn der Antragssteller vor der Einbeziehung seines Heimatgebietes in den nationalsozialistischen Einflussbereich aus berechtigter Furcht vor künftigen nationalsozialistischen Verfolgungsmaßnahmen ausgewandert oder in ein anderes Vertreibungsgebiet geflüchtet ist. Der Verlust der Heimat muß dann in einem inneren (sachlichen und zeitlichen) Zusammenhang mit der bevorstehenden nationalsozialistischen Verfolgung eingetreten sein (Verbandskommentar a.a.O., Arbeitsanweisung LVA Rheinprovinz, a.a.O.). Nicht ausreichend ist auch in diesem Zusammenhang, dass das Heimatgebiet – wie im Fall von I. C. – aufgrund fremdstaatlicher Gewaltmaßnahmen verlassen wurde. In einem solchen Fall ist der Verlust des Wohnsitzes ausschließlich durch die Handlung des fremden Staates und damit unabhängig von bevorstehenden nationalsozialistischen Verfolgungsmaßnahmen eingetreten. Ein rechtfertigender Grund für die Einstandspflicht des deutschen Staates für den Heimatverlust durch Einbeziehung des Antragsstellers in die Begünstigung des FRG fehlt dann.
2) Schließlich führt auch die Tatsache, dass I.C. nach Beendigung der Bauarbeiten 1941 nicht mehr in sein Heimatgebiet zurückkehren konnte, nicht dazu, dass er so zu behandeln ist, als ob er erst 1941 – nach Erstreckung des nationalsozialistischen Einflussbereiches auf sein Heimatgebiet am 06. April 1941 (hierzu Verbandskommentar Rdnr. 3.3 zu § 17a) dieses verlassen hätte. Denn wie aufgeführt, ist diese Rückkehrverhinderung nicht rechtlich wesentlich auf antijüdische nationalsozialistische Maßnahmen zurückzuführen, sondern auf allgemeinen Kriegsumstände. Niemand hätte gefahrlos die Front durchqueren können.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Die Voraussetzungen für die Zulassung der Revision (§ 160 Abs. 2 SGG) sind nicht gegeben.
Erstellt am: 11.08.2003
Zuletzt verändert am: 11.08.2003