L 16 B 37/04 KR ER
1. Die Beschwerde der Antragstellerin gegen den Beschluss des Sozialgerichts Dortmund vom 07.04.2004, mit dem die Antragstellerin den Erlass einer einstweiligen Anordnung begehrt hat, wird zurückgewiesen. Die Antragstellerin trägt auch die Kosten des Beschwerdeverfahrens. Der Streitwert wird auf 40.000 Euro festgesetzt (L 16 B 34/04 KR ER)
2. Auf die weitere Beschwerde der Antragstellerin gegen den (Streitwert-) Beschluss des Sozialgerichts Dortmund vom 07.04.2004 wird der Streitwert auch für das erstinstanzliche Verfahren auf 40.000 Euro festgesetzt (S 8 KR 32/04 ER = L 16 B 37/04 KR ER).
Gründe:
I. Die Antragstellerin B. (Ast) ist Inhaberin des ambulanten Pflegedienstes "Ambulante Kinderkrankenpflege S" in M. Sie erbringt Leistungen der häuslichen Krankenpflege gemäß § 37 Abs. 2 Sozialgesetzbuch Fünftes Buch (SGB V) sowie Pflegeleistungen nach dem Sozialgesetzbuch Elftes Buch (SGB XI). Sie versorgt u.a. die Versicherte der Antragsgegnerin (Ag) T M (geb. 1999 – SL) aufgrund einer Verordnung des Dr. T aus J mit ambulanter häuslicher Kinderkrankenpflege im Umfang von 24 Stunden täglich. Weitere Versicherte der Ag versorgt sie zu Stundensätzen zwischen 36 und 44 Euro. Mit Schreiben vom 03.09.2003 wandte sich die Ag an die Mutter der Versicherten SL und wies darauf hin, dass der Pflegedienst der Ast kein Vertragspartner und eine Leistungsgewährung daher prinzipiell nicht möglich sei. Die Versorgung könne aber durch einen Vertragspartner, nämlich die Familien- und Krankenpflege C, zu einem Stundensatz von 28,50 Euro sichergestellt werden. Dauerhaft könne nur dieser Betrag statt des von der Ast angesetzten Stundensatzes von 38, 25 Euro erstattet werden, sollte SL die Versorgung durch die Ast wählen.
Mit Beitrittserklärung vom 12.09.2003 trat die Ast dem Rahmenvertrag zwischen dem Landesverband freie ambulante Krankenpflege NRW (LFK) und dem VdAK/AEV vom 30.04.1999 bei. Die gemäß § 13 des Vertrages für die Vergütung maßgebliche Anlage 5 des Vertrages enthält keine besonderen Bestimmungen für Leistungen der Kinderkrankenpflege.
Am 18.02.2004 forderte die Ast die Ag auf, bis zum 26.02.2004 eine strafbewehrte Unterlassungs- und Verpflichtungserklärung zu unterzeichnen. Nach dieser Erklärung sollte sich die Ag verpflichten,
1. es künftig zu unterlassen, Patienten von Frau B. anzuschreiben und diesen gegenüber zu behaupten, der Ambulante Kinderkrankenpflege- dienst S sei nicht Vertragspartner,
2. es künftig zu unterlassen, in das Wahlrecht der Versicherten einzugreifen, die von Frau B. als Patienten versorgt werden und diese aufzufordern, die Leistungserbringung von einem anderen vorgegebenen Leistungserbringer durchführen zu lassen,
3. für jeden Fall der Zuwiderhandlung gegen die Verpflichtung eine Vertragsstrafe in Höhe von 100.000,- Euro an Frau B. zu zahlen.
Mit Schreiben vom 20.02.2004 teilte die Ag der Ast mit, sie habe nach Beitritt der Ag zu den abgeschlossenen Rahmenverträgen keine Veranlassung zu behaupten, die Ast sei keine Vertragspartnerin. Zum Zeitpunkt des Schreibens vom 03.09.2003 habe die gegenteilige Aussage aber den Tatsachen entsprochen. Die Ag habe auch nicht versucht, SL zu bewegen, die Leistungen durch einen günstigeren Leistungserbringer durchführen zu lassen. Man habe lediglich vorsorglich einen Leistungserbringer benannt, der die Leistungen zu einem Preis erbringe, den die Ag zu zahlen bereit sei. Die Versicherte sei ausdrücklich darauf hingewiesen worden, dass es ihr frei stehe, etwa die Ag zu beauftragen, allerdings dann ggf. die Mehrkosten tragen zu müssen. Die Wahlfreiheit des Versicherten sei nicht betroffen, da es seiner Entscheidung obliege, welcher Leistungserbringer beauftragt werde. Ebenfalls mit Schreiben vom 20.02.2004 informierte die Ag die Versicherte SL, der von der Ast, die nunmehr Vertragspartner sei, angesetzte Stundensatz entspreche nicht dem geschlossenen Rahmenvertrag, überschreite zudem den Stundensatz für vergleichbare Pflege durch andere Vertragspartner und entspreche damit nicht dem Wirtschaftlichkeitsgebot, da diese aufgrund vertraglicher Absprache bereit seien, die Pflege zu einem Stundensatz von 28, 50 Euro zu erbringen. Eine entsprechende Versorgung sei ab 01.03.2004 möglich. Eine darüber hinausgehende Kostenbeteiligung scheide aus. Der Anspruch auf freie Wahl des Pflegedienstes werde dadurch nicht berührt.
Am 01.03.2004 hat die Ast beim Sozialgericht (SG) Dortmund den Erlass einer einstweiligen Anordnung beantragt. Sie hat die Auffassung vertreten, die Ag sei nach dem SGB V nicht berechtigt, eine "Umversorgung" ihrer Versicherten zu Lasten der Ast vorzunehmen. Die schriftliche Aufforderung an Versicherte, den Leistungserbringer zu wechseln, stelle einen auch nicht durch das Wirtschaftlichkeitsgebot gerechtfertigten Eingriff in die durch Art. 3, 12, 14 Grundgesetz (GG) geschützten Rechte der Ast dar. Die Ag weigere sich seit Jahren, mit der Ast Vergütungssätze abzuschließen; dies sei aber erforderlich, da die Vergütungssätze der Altenkrankenpflege (im Bereich der Kinderkrankenpflege) keine Anwendung fänden. Die Ag setze ihr Verhalten auch fort. Die Eltern eines anderen Versicherten (T3) hätten sich durch die Ag gedrängt gesehen, ihre ursprüngliche Absicht der Versorgung durch die Ast aufzugeben und stattdessen den Familien- und Krankenpflegedienst Bochum zu beauftragen. Die Versorgung von SL werde zwar weiter durchgeführt, aber nur weil die Ast die Differenzbeträge gestundet habe.
Es liege auch ein Anordnungsgrund vor, da die Ast fünf Versicherte der Ag mit einer monatlichen Stundenzahl von 1240 Stunden betreue (gesamt: 13 Kinder bei 2207 Stunden) und durch die Praxis der Ag und aufgrund deren erheblichen Marktanteilen schwere wirtschaftliche Nachteile bis hin zur Existenzgefährdung befürchten müsse. Zumindest 50% der Mitarbeiter müssten mit allen nachteiligen wirtschaftlichen und rechtlichen Folgen für die Ast entlassen werden, würden die Versicherten der Ag wegfallen. Auch entstehe durch die Auseinandersetzung eine Rufschädigung, weil bei potentiellen Neukunden der Eindruck erweckt werde, die Ast verlange eine überhöhte Vergütung für ihre Leistungen.
Die Ast hat beantragt:
1. Der Ag wird bis zur Entscheidung in der Hauptsache vorläufig untersagt, bei den durch die Ast als Leistungserbringerin versorgten Versicherten in das Wahlrecht der Versicherten einzugreifen und diese aufzufordern, die Leistungserbringung von einem von der Antragsgegnerin vorgegebenen Leistungserbringer durchführen zu lassen.
2. Der Antragsgegnerin wird für jeden Fall der Zuwiderhandlung ein Ordnungsgeld bis zur Höhe von 250.000 Euro, ersatzweise Ordnungshaft bis zu (?) Monaten – diese zu vollziehen am Vorstand – angedroht.
Die Ag hat die Auffassung vertreten, sie greife nicht in die Wahlfreiheit der Versicherten ein. Ihre den Versicherten gegenüber getätigten Aussagen seien im Übrigen durch das zu beachtende Wirtschaftlichkeitsgebot gerechtfertigt. Im Übrigen stehe das Wahlrecht nur den Versicherten persönlich zu, so dass Bedenken hinsichtlich der Zulässigkeit des Antrages bestünden. Die Ag müsse die von der Ast vorgegebenen Preise nicht akzeptieren, da eine Vergütungsvereinbarung nicht bestehe. Im Übrigen sei kein Anordnungsgrund ersichtlich. Dem Erlass einer einstweiligen Anordnung stehe auch das Verbot der Vorwegnahme der Hauptsache entgegen.
Das SG hat den Antrag der Ast mit Beschluss vom 07.04.2004 abgewiesen und zur Begründung u.a. ausgeführt, ein Anordnungsanspruch liege nicht vor, da die Vergütung sich nach dem Wirtschaftlichkeitsgebot richten müsse. Dieses sichere die finanzielle Leistungsfähigkeit der gesetzlichen Krankenversicherung und rechtfertige als bedeutendes Gemeinwohlziel einen Eingriff in die durch Art. 12 GG geschützte Berufsausübungsfreiheit. Das Sachleistungsprinzip erlaube den Krankenkassen, ihren Versicherten mitzuteilen, welche Leistungserbringer Leistungen zuzahlungsfrei erbringen und bei welchen Leistungserbringern Zuzahlungen durch den Versicherten zu erwarten seien. Auch von der Dringlichkeit des Anordnungsgrundes sei das Gericht nicht überzeugt, da nicht ersichtlich sei, dass die Ast Insolvenz anmelden müsse, wenn hinsichtlich der bei der Ag versicherten Kinder lediglich eine Vergütung von 28,50 Euro je Stunde (statt mindestens 36 Euro) erfolge.
Mit weiterem Beschluss vom 07.04.2004 hat das SG den Streitwert mangels konkreter Anhaltspunkte auf 4.000 Euro festgesetzt.
Gegen die ihr am 13.04.2004 zugestellten Beschlüsse des SG Dortmund hat die Ast am 29.04.2004 Beschwerde eingelegt und vorgetragen, ein weiterer Fall belege die Wiederholungsgefahr. Der Versicherten I T4 sei zwar die Leistungserbringung durch die Ag bewilligt worden, allerdings solle die Vergütung nach den Grundsätzen der Altenkrankenpflege erfolgen. Zu diesen Vergütungssätzen könne jedoch kein Leistungserbringer die Kinderkrankenpflege erbringen. Die Ast habe die Versorgung daher ablehnen müssen. Da aber offenbar keine alternative Versorgungsmöglichkeit bestanden habe, sei es zu einer Verständigung zwischen Ast und Ag gekommen. Zwischenzeitlich habe die Ag allerdings erneut lediglich eine Vergütung nach den Grundsätzen der Altenkrankenpflege zugesagt. Im Übrigen ermächtige das Wirtschaftlichkeitsgebot die Ag nicht, einseitig Vergütungssätze festzulegen. Die Ag müsse die Vergütungssätze der Ast akzeptieren, solange diese nicht rechtsmissbräuchlich überhöht seien. Der einzelne Leistungserbringer müsse vor einer Übermacht der Krankenkassen geschützt werden. Hinsichtlich des Anordnungsgrundes sei zu beachten, dass die Ast etwa 60% ihres Umsatzes mit Versicherten der Ag mache. Im Übrigen könne sich das Verhalten der Ag als vorbildhaft für andere Krankenkassen erweisen. Zur Glaubhaftmachung hat die Ast eine eidesstattliche Versicherung vom 28.04.2004 überreicht und ein Schreiben der Ag vom 27.04.2004 vorgelegt, worin darauf hingewiesen wird, dass eine Vereinbarung über spezielle Stundensatzvereinbarungen bei Kinderkrankenpflege nicht bestehe, die Ast aber gebeten werde, sich hinsichtlich einer zukünftigen, über die Vertragssätze hinaus gehenden Zusatzvereinbarung für ambulante häusliche Kinderkrankenpflege mit ihrem zuständigen Landesverband in Verbindung zu setzen. Der jährliche Gesamtumsatz betrage 987.000 Euro, wovon auf Versicherte der Ag 595.000 Euro entfielen.
Im Hauptsacheverfahren sei bei der Streitwertfestsetzung hinsichtlich der Einnahmen eines Leistungserbringers auf einen Zeitraum von 5 Jahren abzustellen. Vom jährlichen Umsatz sei 1/3 als Gewinn zu schätzen. In einstweiligen Rechtsschutzverfahren sei die Hälfte des Streitwertes für ein etwaiges Hauptsacheverfahren zu berücksichtigen.
Die Ag hat vorgetragen, von einer "Umversorgung" könne keine Rede sein. Sie stelle den Versicherten unter Zusage der Übernahme eines Stundensatzes in Höhe von 28,50 Euro lediglich anheim, die Dienste eines kostendeckend arbeitenden Pflegedienstes oder der Ast in Anspruch zu nehmen. Die Eltern des Versicherten T3 seien nicht bereit gewesen, einen Eigenanteil zu tragen und hätten daher eine Versorgung durch den Familien- und Krankenpflegedienst Bochum GmbH gewählt. Im Übrigen sei die Ast in Kenntnis der Tatsache, dass sie nur Kinder betreue, den maßgeblichen Rahmenverträgen, die besondere Vergütungssätze für Kinder nicht vorsähen, beigetreten. Schließlich würde bei einer Versorgung zu einem Stundensatz von 28,50 Euro der Gesamtumsatz lediglich um 17% zurückgehen, wodurch die Existenz des Unternehmens der Ast kaum gefährdet sei. Es gehe nicht um den Verlust von zu betreuenden Versicherten, sondern je nach Einzelfall um einen reduzierten Stundensatz.
Die Streitwertfestsetzung von 4.000 Euro sei nicht zu beanstanden.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Inhalt der Gerichtsakte sowie der beigezogenen Verwaltungsakte der Ag Bezug genommen, die Gegenstand der Beratung gewesen sind.
II.
zu L 16 B 34/04 KR ER (einstweilige Anordnung)
Die frist- und formgerecht eingelegte Beschwerde, der das SG nicht abgeholfen hat, ist zulässig (§§ 172, 173, 174 Sozialgerichtsgesetz – SGG -). Die Beschwerde ist aber unbegründet. Das SG hat den Antrag der Ast zu Recht abgelehnt.
Gemäß § 86b Abs.2 SGG kann das "Gericht der Hauptsache" auf Antrag eine einstweilige Anordnung in Bezug auf den Streitgegenstand treffen, wenn die Gefahr besteht, dass durch eine Veränderung des bestehenden Zustandes die Verwirklichung eines Rechts des Antragstellers vereitelt oder wesentlich erschwert werden könnte (Sicherungsanordnung). Einstweilige Anordnungen sind auch zur Regelung eines vorläufigen Zustandes in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis zulässig, wenn eine solche Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile nötig erscheint (Regelungsanordnung). Der Erlass einer einstweiligen Anordnung setzt jeweils voraus, dass ein Anordnungsanspruch und ein Anordnungsgrund vom Antragsteller glaubhaft (§ 86b Abs.2 Satz 4 SGG i.V.m. § 920 Abs.2 Zivilprozessordnung) gemacht werden. Der Anordnungsanspruch bezieht sich dabei auf das materielle Recht, für das vorläufiger Rechtsschutz beantragt wird (vgl. Meyer-Ladewig, SGG, 7. Auflage, 2002, § 86 b RdNr. 27 m.w.N.).
Vorliegend fehlt es an einem Anordnungsanspruch, denn der von der Ast geltend gemachte Unterlassungsanspruch steht ihr nach der im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes gebotenen summarischen Prüfung materiell- rechtlich nicht zu bzw. ist nicht hinreichend glaubhaft gemacht.
Dem geltend gemachten Anspruch kann entgegen der Auffassung der Ag zwar nicht entgegengehalten werden, die Ast berufe sich lediglich auf die alleine den Versicherten zustehende Wahlfreiheit hinsichtlich des Leistungserbringers. Denn die Ag behauptet eine sie zumindest mittelbar betreffende Beeinflussung der Versicherten. Eine Einschränkung der Wahlfreiheit des Versicherten kann einen Leistungserbringer in der Ausübung seiner (Berufs-) Tätigkeit behindern; gegen einen solchen Eingriff kann (auch im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes) auch vor den Sozialgerichten Rechtsschutz gesucht werden.
Seit der Neuregelung des § 69 SGB V kann ein von der Ast geltend gemachter Unterlassungsanspruch insoweit statt auf (zivilrechtliches) Wettbewerbsrecht immer noch auf eine Verletzung der Art 12 und 3 GG gestützt werden, wenn Krankenkassen durch ihr hoheitliches Verhalten das Recht der freien Berufsausübung oder der Gleichbehandlung im Wettbewerb beeinträchtigen. Dabei kann – auch hier – offen bleiben, ob die von der Zivilrechtsprechung entwickelten Grundsätze über die Untersagung unlauteren Wettbewerbs von Seiten der Krankenkassen in vollem Umfang auf die nunmehr ausschließlich öffentlich-rechtlichen Rechtsbeziehungen übertragen werden können, da der verfassungsrechtlich gebotene Mindestschutz sowohl prozessual als auch materiell weiterhin zu gewährleisten ist (BSGE 89, 24-34). Das Grundrecht der Berufsfreiheit – hier der Berufsausübungsfreiheit – garantiert auch der Ast die freie Berufsausübung, von der auch die Freiheit zur staatlicherseits unbeeinflussten Teilnahme am Wettbewerb erfasst wird (vgl. BVerfGE 46, 120ff.).
Hinsichtlich der behaupteten Einschränkung der Wahlfreiheit der Versicherten ist zunächst darauf hinzuweisen, dass auch die Ag nach den maßgeblichen Schreiben an die Versicherte SL – zumindest seit Beitritt zu dem Rahmenvertrag vom 30.04.1999 – ausdrücklich auf den fortdauernden Anspruch auf freie Wahl des Pflegedienstes hingewiesen hat (Schreiben an SL vom 20.02.2004). Allein der Hinweis auf eine billigere Bezugsmöglichkeit zwingt die Versicherten nicht, hiervon Gebrauch zu machen.
Die Ag hat es nach dem Schreiben vom 03.09.2003 auch unterlassen, nur einen konkreten Leistungserbringer als Alternativversorgung zu benennen (was nicht unproblematisch sein dürfte). Auch der Fall der Versicherten Schl. zeigt, dass es der Ag nicht darum geht, die Ast grundsätzlich auszuschließen. Außerdem versorgt die Ast nach ihrem eigenen Vortrag insgesamt fünf Versicherte der Ag, so dass z.T. auch eine hinsichtlich der Vergütung reibungslose Zusammenarbeit zu unterstellen ist.
Der Hinweis der Ag auf die Vergütungs- und Kostenerstattungsproblematik, wie er etwa in dem Schreiben an die Versicherte SL vom 20.02.2004 erfolgte, gegenüber Versicherten bzw. die Ablehnung einer Bewilligung zu den von der Ast begehrten Vergütungen (dies scheint das eigentliche Interesse der Ast zu sein) begegnet auch in Hinblick auf die Konkretisierung des u.a. die Krankenkassen, aber auch die Leistungserbringer (vgl. Insbesondere § 70 Abs. 1 Satz 2 SGB V) bindenden Wirtschaftlichkeitsgebotes in § 132 a Abs. 2 Satz 5 SGB V keinen durchgreifenden Bedenken. Eine Fehlinformation der Versicherten und ein zu sanktionierender Eingriff in die Wahlfreiheit der Versicherten liegt nicht vor. Insbesondere sind die maßgeblichen Aussagen zur Vergütungshöhe nicht zu beanstanden.
Dabei kann hier dahinstehen, ob der Beitritt zum Rahmenvertrag vom 30.04.1999 nicht auch die gemäß dessen § 13 maßgeblichen Vergütungsregelungen der Anlage 5 dieses Vertrages erfasst und die Ast insoweit gezwungen ist, entsprechend den vertraglichen Vorgaben abzurechnen (bzw. – wie offenbar andere Pflegeunternehmen – eine individualvertragliche Vereinbarung mit der Ag zu treffen). Jedenfalls ergibt sich im Rahmen der erforderlichen summarischen Prüfung kein Anspruch auf Vergütung zu den von der Ast angesetzten Vergütungssätzen oder zum Abschluss einer entsprechenden Vergütungsvereinbarung. Denn selbst soweit man unterstellt, dass der Rahmenvertrag die Vergütung für Kinderkrankenpflege nicht regelt, ergibt sich aus dem Fehlen einer Vergütungsvereinbarung ein solcher Anspruch nicht.
An die von der Ast angesetzten Vergütungssätze wäre die Ag nämlich in diesem Falle mangels entsprechender rahmen- oder individualvertraglicher Vereinbarung nicht gebunden. Entgegen der Auffassung der Ast sind die Vergütungssätze nicht deswegen verbindlich, weil sie sich nicht als rechtsmissbräuchlich erweisen.
Nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (vgl. BSG, Urteil vom 25.09.2001 – B 3 KR 15/00 R – und zuletzt BSG, Urteil vom 13.05.2004 – B 3 KR 2/03 R – letzteres ausweislich der unter www.bundessozialgericht.de abrufbaren Pressemitteilung) erfolgt bei Fehlen einer vertraglichen Vereinbarung die Vergütung des Leistungserbringers nach bereicherungsrechtlichen Grundsätzen. Sämtliche Leistungen seien dann ohne rechtlichen Grund erbracht worden. Da sie aus der Natur der Sache nicht herausgegeben werden können, wäre die Ag der Ast nur zum Wertersatz verpflichtet (§§ 812 Abs. 1, 818 Abs. 2 Bürgerliches Gesetzbuch – BGB -). Nach § 818 Abs. 2 BGB soll der objektive Verkehrswert, nicht dagegen das Interesse des Entreicherten an seiner Leistung, zu ersetzen sein (vgl. Palandt, BGB 61. Aufl. 2002, § 818 RdNr. 19 m.w.N.). Auch bei Anwendung des § 612 Abs. 2 BGB (vgl. zu dessen Anwendbarkeit Landessozialgericht Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 22.04. 2004 Az: L 16 KR 270/02) erfolgte lediglich eine Vergütung nach der (orts-) üblichen Vergütung. Jedenfalls steht der Ag kein einseitiges Bestimmungsrecht gemäß §§ 315, 316 BGB zu; diese Vorschriften finden im Recht der Leistungserbringer gemäß §§ 124 ff. SGB V keine Anwendung (vgl. BSG SozR 3-2500 § 132a Nr. 1 S. 4).
Dass andere Leistungserbringer (z.B. die Familien- und Krankenpflege Bochum GmbH) häusliche Kinderkrankenpflege nicht zu den von der Ag angebotenen Vergütungssätzen erbringen, hat die Ast nicht dargetan. Ebenso fehlen bisher Anhaltspunkte dafür, dass die Ag häusliche Kinderkrankenpflege nicht zu der von ihr angebotenen Vergütung gewähren kann. Im Rahmen des einstweiligen Rechtsschutzes waren weitere Ermittlungen hierzu, zumal ohne hinreichende Anhaltspunkte und Vortrag, nicht geboten und gerechtfertigt. Es kann daher auch dahinstehen, wie die übliche Vergütung für die Kinderkrankenpflege angesichts der geringeren Zahl zu versorgender Versicherter und der geringen Zahl z.T. offenbar auch spezialisierter Leistungserbringer in einem etwaigen Hauptsacheverfahren konkret und abschließend zu ermitteln wäre.
Hinsichtlich der Vergütungsproblematik wird im Übrigen auf die seit 01.01.2004 geltenden Regelungen des § 132 a Satz 6-8 SGB V (Schiedsverfahren) verwiesen.
Das Verhalten der Ag wäre nach alledem lediglich dann zu beanstanden, wenn es für eine Information der Versicherten keinen sachlichen Grund gäbe, weil der Versicherte keinem (höherem) Vergütungsanspruch ausgesetzt wäre. Grundsätzlich richtet sich der Vergütungsanspruch des Heilmittelerbringers unmittelbar gegen die Krankenkasse (der Versicherte tritt als Vermittler für die Krankenkasse auf und der Leistungserbringer verpflichtet sich, die Leistung nach den maßgeblichen Rahmenverträgen zu erbringen – vgl. BSG, Urteil vom 10.07.1996 SozR 3-2500 § 125 Nr. 5). Auch ein etwaiger Bereicherungsanspruch bzw. ein Anspruch aus § 612 Abs. 2 BGB richtete sich unmittelbar gegen die Ag.
Eine Information der Versicherten durch die Ag erfolgt aber u.a. in deren Interesse und trägt den Beratungs- und Aufklärungsverpflichtungen gemäß §§ 14, 15 SGB I Rechnung, da die Gefahr besteht, dass der Leistungserbringer eine vertragliche Absicherung ihm gegenüber sucht und sich die Versicherten ihrerseits Leistungsansprüchen ausgesetzt sehen.
Mangels Anordnungsanspruchs sind Ausführungen zum Anordnungsgrund entbehrlich.
Die Kostenentscheidung beruht auf der entsprechenden Anwendung des §§ 197a SGG, 154 Verwaltungsgerichtsordnung. Die Streitwertfestsetzung folgt den Vorgaben des über § 197 a SGG anwendbaren § 13 Gerichtskostengesetzes (GKG). Nach § 13 Abs.1 GKG bestimmt sich der Streitwert nach der sich aus dem Antrag für die Antragsteller ergebenden Bedeutung der Streitsache. Eine exakte Bestimmung des wirtschaftlichen Interesses der Ast an der erstrebten Entscheidung ist angesichts zahlreicher Unbekannten nicht möglich. Es erscheint zwar nicht gerechtfertigt, für die Streitwertfestsetzung den vollständigen Verlust sämtlicher Versicherter der Ag zu Grunde zu legen. Die wirtschaftliche Bedeutung des behaupteten Rechtsverstoßes der Ag für die Ast liegt jedenfalls erkennbar über dem vom SG angenommenen Streitwert von 4.000,00 EUR. Der Senat schätzt die wirtschaftliche Bedeutung auch unter Berücksichtigung der weitgehenden Vorwegnahme der Hauptsache durch dieses Verfahren im einstweiligen Rechtsschutz auf 40.000,00 EUR.
III. zu L 16 B 37/04 KR ER (Streitwertbeschwerde)
Auf die zulässige Beschwerde der Ast war der Beschluss des SG Dortmund vom 07.04.2004 abzuändern und der Streitwert auf 40.000 Euro festzusetzen. Zur Begründung wird auf die vorstehenden Ausführungen zur Streitwertfestsetzung im Beschwerdeverfahren verwiesen.
Die Entscheidungen sind unanfechtbar (§ 177 SGG).
Erstellt am: 04.08.2004
Zuletzt verändert am: 04.08.2004