Auf Rev. d.Kl. wird Urteil des LSG vom 10.02.2014 aufgehoben und die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung zurückverwiesen !!!
Neues Az. = L 20 SO 90/16 ZVW
Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Gelsenkirchen vom 08.08.2013 wird zurückgewiesen. Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten. Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand:
Die Klägerin begehrt die Gewährung von Leistungen zur Deckung der Kosten für Unterkunft und Heizung nach dem Vierten Kapitel Sozialgesetzbuch Zwölftes Buch – Sozialhilfe (SGB XII) für den Zeitraum September 2012 bis August 2013.
Die am 00.00.1992 geborene Klägerin ist das einzige Kind ihres 1960 geborenen Vaters sowie ihrer 1959 geborenen und am 00.00.2013 verstorbenen Mutter. Die Klägerin und ihr Vater (bis zu ihrem Tod auch ihre Mutter) leben gemeinsam in einer seit März 2000 angemieteten Wohnung im örtlichen Zuständigkeitsbereich der Beklagten, einer kreisangehörigen Stadt im Kreis S. Im Mietvertrag sind als Mieter die "Familie L u. W I" bezeichnet. Auf Mieterseite wurde der Vertrag einzig von der Mutter der Klägerin unterzeichnet. Eine Änderung des Vertrages erfolgte in der Folgezeit nicht. Ein Untermietvertrag zwischen der Klägerin und ihren Eltern bzw. ihrem Vater wurde bislang nicht geschlossen. Beim zuständigen Amtsgericht wurde in diesem Zusammenhang zwischenzeitlich ein Antrag auf Bestellung eines Ergänzungsbetreuers gestellt, über den jedoch noch nicht entschieden ist.
Die Wohnung umfasst drei Wohnräume, eine Kammer, Küche, Diele, Bad mit Toilette sowie einen Balkon und einen Kellerraum. Es besteht die Möglichkeit der Mitbenutzung von Wasch- und Trockenräumen. Die Wohnfläche beläuft sich auf 73,8 m². Gemeinsam mit der Wohnung wurde eine Garage angemietet. Die Mietkosten beliefen sich in der Zeit seit dem 01.04.2012 auf 610,18 EUR (398,81 EUR Grundmiete, 101,93 EUR Neben- und 78,76 EUR Heizkostenvorauszahlung zzgl. 30,68 EUR für die Anmietung der Garage). Zum 01.04.2013 erhöhten sie sich auf 621,57 EUR (Erhöhung der Grundmiete um 11,39 EUR). Die Nebenkostenabrechnung des Vermieters vom 11.03.2013 weist für den Abrechnungszeitraum 2012 ein Guthaben von 248,83 EUR aus; dieser Betrag ging am 13.03.2013 auf dem Girokonto des Vaters der Klägerin ein.
Die Klägerin ist schwerstbehindert. Sie leidet unter einer myoklonischen Epilepsie mit Blinzelabsencen bei Verdacht auf Pseudo-Lennox-Syndrom, globaler Entwicklungsstörung mit Störungen der Fein- und Grobmotorik im Rahmen einer zentralmotorischen Koordinationsstörung, Störungen des Sozialverhaltens und der Sprachentwicklung sowie einer geistigen Behinderung (bei einem Intelligenzquotienten von 60). Das Versorgungsamt erkannte ihr ab November 1999 einen Grad der Behinderung von 100 sowie die Merkzeichen "G", "H" und "B" zu.
Mit Wirkung zum Eintritt der Volljährigkeit der Klägerin wurden ihre Mutter zur Betreuerin und ihr Vater zum Ersatzbetreuer bestellt (Amtsgericht S, Beschluss vom 09.03.2010 – 000). Nach dem Tod der Mutter bestellte das Amtsgericht ihren Vater zum alleinigen Betreuer (Beschluss vom 28.05.2013 – 000). Der Aufgabenkreis umfasst Gesundheitsfürsorge, Aufenthaltsbestimmung, Wohnungsangelegenheiten, Vermögensangelegenheiten und Vertretung bei Behörden und Ämtern.
Nach dem Besuch einer Förderschule für geistig Behinderte wurde die Klägerin in eine Werkstatt für behinderte Menschen (WfbM) aufgenommen. Dort erhielt sie in der Zeit vom 04.10.2012 bis zum 03.01.2014 Ausbildungsgeld i.H.v. 75,00 EUR monatlich. Der für ihre Mutter zuständige Träger der Gesetzlichen Rentenversicherung, die Deutsche Rentenversicherung (DRV) Bund, bewilligte der Klägerin mit Bescheid vom 28.08.2013 für die Zeit ab dem 08.02.2013 Halbwaisenrente von monatlich 139,40 EUR (bis Juni 2013) bzw. 139,75 EUR netto (ab Juli 2013). Die Rente wurde ab Oktober 2013 laufend gezahlt; für die Zeit vom 08.02. bis 30.09.2013 ermittelte die DRV Bund einen Nachzahlungsbetrag von 1.081,40 EUR, auf den die Beklagte einen Erstattungsanspruch wegen von ihr gewährter Leistungen nach dem Vierten Kapitel SGB XII (s.u.) anmeldete.
Die Familienkasse zahlte Kindergeld wegen der Behinderung der Klägerin über die Vollendung des 18. Lebensjahres hinaus (monatlich 184,00 EUR). Das Kindergeld wurde von der Mutter beantragt; nach ihrem Tod wurde es – so wie alle Einkünfte der Familie – weiterhin auf das als alleiniges Familienkonto genutzte Girokonto des Vaters bei der Sparkasse S überwiesen. Die Eltern bzw. der Vater reichten das Kindergeld nicht zur freien Verfügung an die Klägerin weiter; es wurde auch nicht gemäß § 74 Einkommensteuergesetz an sie abgezweigt.
Die Klägerin erhält vom Träger der Gesetzlichen Pflegeversicherung Pflegegeld, das in den Monaten September bis November 2012 monatlich 235,00 EUR und ab Dezember 2012 monatlich 305,00 EUR betrug.
Die Klägerin war Inhaberin eines (inzwischen aufgelösten) Sparbuches, dessen Guthaben seit September 2012 95,34 EUR nicht überstieg. Im Übrigen ist und war die Klägerin vermögenslos. Aus dem Nachlass ihrer Mutter gingen keine Vermögenswerte auf sie über.
Der Vater der Klägerin war bis einschließlich März 2013 erwerbstätig. In der Zeit von September 2012 bis März 2013 erzielte er monatliche Nettoverdienste zwischen 1.959,14 EUR und 2.599,75 EUR (hinsichtlich der Einzelheiten zur Höhe der Einkünfte wird auf die Verdienstabrechnungen Blatt 87 bis 101 der Gerichtsakte Bezug genommen). Seit dem 01.04.2013 bezieht er laufend Arbeitslosengeld I nach dem Dritten Buch Sozialgesetzbuch – Arbeitslosenversicherung (SGB III); der Leistungsbetrag beläuft sich auf täglich 48,43 EUR. Der Anspruchszeitraum für dieses Arbeitslosengeld endet am 30.06.2014. Die Mutter der Klägerin verfügte über keine eigenen Einkünfte.
Am 22.10.2010 beantragte die Klägerin bei der Beklagten Leistungen der Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung nach dem SGB XII. Auf Ersuchen der Beklagten nach § 45 SGB XII stellte die DRV Westfalen unter dem 01.10.2010 die volle Erwerbsminderung der Klägerin im Sinne des § 43 Abs. 2 Sozialgesetzbuch Sechstes Buch – Gesetzliche Rentenversicherung (SGB VI) jedenfalls seit dem 20.09.2010 fest; es sei unwahrscheinlich, dass die volle Erwerbsminderung behoben werden könne.
Daraufhin bewilligte die Beklagte der Klägerin, beginnend mit dem Monat September 2010, durchgehend die beantragten Leistungen. Bei der Bedarfsermittlung berücksichtigte sie anteilige Kosten der Unterkunft und Heizung in Höhe eines Drittels der für die Familie insgesamt tatsächlich anfallenden Kosten; die Kosten für Garagenmiete blieben dabei außer Ansatz.
Mit Bescheid vom 24.08.2012 bewilligte die Beklagte der Klägerin (auf einen Folgeantrag vom 17.07.2012) Leistungen nach dem Vierten Kapitel SGB XII für September 2012 bis August 2013 i.H.v. monatlich 349,83 EUR (299,00 EUR Regelbedarf nach der Regelbedarfsstufe 3 sowie 50,83 EUR Mehrbedarfszuschlag für "Erwerbsunfähige"). Kosten für Unterkunft und Heizung seien nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) nicht mehr zu berücksichtigen, weil bei volljährigen hilfebedürftigen Personen, die mit nicht hilfebedürftigen verwandten oder verschwägerten Personen in einer Haushaltsgemeinschaft zusammenlebten, ein solcher Bedarf regelmäßig nicht entstehen könne (Urteile vom 14.04.2011 – B 8 SO 18/09 R und vom 25.08.2011 – B 8 SO 29/10 R). Solche Kosten könnten nur noch dann als grundsicherungsrechtlicher Bedarf berücksichtigt werden, wenn die Miete im Einzelfall tatsächlich geschuldet werde. Dies setze voraus, dass ein wirksamer (Unter-) Mietvertrag zustande gekommen sei. Dabei seien die Vorschriften des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB) für ein sog. "In-sich-Geschäft" (§ 181 BGB) zu beachten. Wohnten die Eltern des Leistungsempfängers selber zu Miete, müsse zudem die Genehmigung des Vermieters zum Abschluss eines Untermietvertrages nachgewiesen werden (§ 553 BGB). Der Vertragsinhalt müsse auch tatsächlich vollzogen werden; dies werde in der Regel durch laufende Mietzahlungen auch schon vor Eintritt der Hilfebedürftigkeit belegt. Ein weiteres Indiz sei die Versteuerung der Mieteinnahmen als Einkommen aus Vermietung und Verpachtung. Der Mietvertrag dürfe auch nicht nur zweckgerichtet abgeschlossen worden sein, um höhere Grundsicherungsleistungen zu erzielen bzw. das Einkommen des Vermieters zu erhöhen. Bei der Klägerin seien deshalb Kosten der Unterkunft nicht mehr zu berücksichtigen. Sollte sie der Auffassung sein, Aufwendungen für Unterkunft und Heizung geltend machen zu können, möge sie diese durch geeignete Nachweise belegen.
Dagegen legte die Klägerin Widerspruch eingelegt. Die Entscheidungen des BSG beträfen allein Wohneigentum.
Mit Widerspruchsbescheid vom 27.09.2012 wies der Kreis S den Widerspruch nach Beteiligung sozial erfahrener Dritter zurück. Nach § 35 SGB XII umfassten die Grundsicherungsleistungen nur die angemessenen tatsächlichen Aufwendungen für Unterkunft und Heizung. Eine mietvertragliche Bindung zwischen der Klägerin und ihren Eltern sei nicht erkennbar; es sei weder vorgetragen noch ersichtlich, dass die Eltern von der Klägerin Miet- und Heizkosten forderten bzw. dass die Klägerin entsprechende Zahlungen leiste. Das BSG habe die von der Beklagten herangezogenen Entscheidungen zwar in Fällen getroffen, in denen Kinder im Wohneigentum der Eltern lebten; die Erwägungen seien jedoch auf Mietverhältnisse zu übertragen. Es sei auch nicht erkennbar, dass durch den Wegfall von Leistungen für Unterkunftskosten bei der Klägerin ihre Eltern selber hilfebedürftig würden.
Der Widerspruchsbescheid wurde am 27.09.2012 vom Kreis S ausgefertigt und als Übergabe-Einschreiben zur Post gegeben. Der Einlieferungsbeleg gelangte am 28.09.2012 wieder an den Kreis S; ihm lässt sich das Datum der Absendung nicht entnehmen.
Mit Änderungsbescheid vom 29.11.2012 erhöhte die Beklagte den monatlichen Leistungsbetrag für die Zeit vom 01.01. bis zum 31.08.2013 auf 358,02 EUR. Zugleich hob sie den Bescheid vom 24.08.2012 nach § 48 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch – Sozialverwaltungsverfahren und Sozialdatenschutz (SGB X) mit Wirkung ab dem 01.01.2013 teilweise auf. Die Änderung beruhte auf der Anpassung des Regelbedarfs zum 01.01.2013 und (daraus folgend) des Mehrbedarfs wegen Schwerbehinderung.
Gegen den Widerspruchsbescheid vom 27.09.2012 hat die Klägerin am 11.10.2012 zunächst schriftlich "Widerspruch" bei der Beklagten eingelegt. Ihre Mutter teilte der Beklagten hierzu am 22.10.2012 telefonisch mit, ein Mitarbeiter des Kreises S habe ihr erklärt, ein Widerspruch gegen den Widerspruchsbescheid reiche erst einmal aus. Am 24.10.2012 riet eine Mitarbeiterin der Beklagten der Mutter telefonisch, sie möge schnellstmöglich Klage beim Sozialgericht erheben.
Am 30.10.2012 (Dienstag) hat die Klägerin (nunmehr anwaltlich vertreten) Klage vor dem Sozialgericht Gelsenkirchen erhoben. In der mündlichen Verhandlung vom 08.08.2013 hat sie "den Streitgegenstand ausdrücklich auf die Kosten der Unterkunft" beschränkt. Da sie auf Dauer mit ihren Eltern in einem Haushalt lebe und ein eigenes Zimmer benötige, habe eine entsprechend große Wohnung angemietet werden müssen; ohne dieses Zusammenleben würden ihre Eltern eine kleinere Wohnung zu entsprechend geringeren Kosten anmieten können. Da die Leistungen der Beklagten auf das Gemeinschaftskonto der Familie gezahlt würden, von dem auch sämtliche Überweisungen erfolgten, zahle jeder Familienangehörige einen Anteil an Miete und Nebenkosten. Ihr – der Klägerin – stünden deshalb jetzt keine vollständig bedarfsdeckenden Grundsicherungsleistungen mehr zur Verfügung. Der bis August 2012 gewährte Betrag für Kosten der Unterkunft und Heizung sei stets zur Begleichung der Miete genutzt worden. Ihr Vater werde voraussichtlich im April 2013 arbeitslos; wegen seines Alters seien die Aussichten auf eine neue Stelle nicht gut. Mit dem verbleibenden Familieneinkommen könnten die laufenden Kosten für Strom, Versicherungen, Medikamente u.a. nicht gedeckt werden. Wenn Leistungsberechtigte mit anderen, nicht leistungsberechtigten Personen in einem Haushalt zusammen wohnten, seien die Unterkunfts- und Heizkosten nach der Zahl der zur Haushaltsgemeinschaft gehörenden Personen aufzuteilen. Eine Unterhaltsvermutung (§ 39 SGB XII) gelte im Rahmen des Vierten Kapitels SGB XII nicht. Die Berücksichtigung von Unterkunfts- und Heizkosten entspreche schließlich der Zielsetzung des SGB XII, voll erwerbsgeminderten Kindern eine unabhängige Existenz zu sichern. Folgte man der Rechtsauffassung der Beklagten, wäre zu befürchten, dass nur solche Grundsicherungsberechtigte nach dem SGB XII Leistungen für Unterkunftskosten beanspruchen könnten, die imstande seien, aus eigenem Einkommen den vereinbarten Mietzins zu zahlen. Leistungsberechtigte hingegen, die über keinerlei oder nur geringes Einkommen verfügten, könnten leer ausgehen, weil der Abschluss eines Mietvertrages zwischen Eltern und leistungsberechtigtem Kind zumindest fragwürdig sei; gerade für diesen Kreis von in besonderem Maße bedürftigen Menschen sei jedoch die Grundsicherung nach dem SGB XII gedacht. Im Übrigen brächte ein von der Beklagten geforderter, formal geschlossener Mietvertrag in vielen Fällen unnötigen bürokratischen Aufwand, wenn es nämlich wegen § 181 BGB für den Vertragsschluss zwischen Eltern und leistungsberechtigtem Kind eines Ergänzungsbetreuers bedürfe.
Mit Bescheid vom 02.08.2013 bewilligte die Beklagte während des laufenden Klagefahrens auf einen Fortzahlungsantrag der Klägerin für September 2013 bis August 2014 Leistungen i.H.v. monatlich weiterhin 358,02 EUR; Kosten für Unterkunft und Heizung blieben wiederum unberücksichtigt.
Die Klägerin hat beantragt,
die Beklagte unter Abänderung des Bescheides vom 24.08.2012 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 27.09.2012 zu verurteilen, der Klägerin Leistungen in Form der Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung nach dem SGB XII unter Berücksichtigung der tatsächlichen Unterkunftskosten ab dem 01.09.2012 zu gewähren.
Die Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Es gehe nicht um die Unterhaltsvermutung des § 39 SGB XII, sondern darum, ob bei der Klägerin überhaupt Unterkunftskosten anfielen. Ob zwischen der Klägerin und ihren Eltern ein (Unter-) Mietvertrag geschlossen worden sei, sei neben den weiteren, in den angefochtenen Bescheiden genannten Gesichtspunkten lediglich ein Indiz für einen sozialhilferechtlich relevanten Unterkunftsbedarf. Entscheidend sei, ob auf beiden Seiten ein rechtlicher Bindungswille erkennbar sei, dass also der Vermieter (Untervermieter) tatsächlich die rechtliche Herrschaftsgewalt an der Mietsache aufgeben wolle und der Mieter (Untermieter) sie übernehmen wolle mit der Möglichkeit, alle anderen Personen von der Mietsache auszuschließen, um im Gegenzug einen Mietzins zu entrichten. Im Lichte der herangezogenen Entscheidungen des BSG sei dergleichen bei der Klägerin nicht erkennbar. Ein solcher Bindungswille sei auch dann zu verneinen, wenn sich beide Mietvertragsparteien darin einig seien, höhere Sozialhilfeleistungen auszulösen. Zudem führe die Bestellung eines Ergänzungsbetreuers keineswegs regelmäßig dazu, dass höhere Sozialhilfe bezogen werden könne. Der Betreuer habe die Interessen des Betreuten zu vertreten; dessen Interesse könne nicht darin bestehen, einen Mietvertrag abzuschließen, ohne dadurch tatsächliche Vorteile zu erlangen, sondern einer Zahlungsverpflichtung allein deshalb ausgesetzt zu sein, um die wirtschaftlichen Verhältnisse der Eltern zu verbessern.
Mit Urteil vom 08.08.2013 hat das Sozialgericht die Klage abgewiesen. Es hat im Wesentlichen auf die Gründe des Widerspruchsbescheides vom 27.09.2012 Bezug genommen (§ 136 Abs. 3 Sozialgerichtsgesetz (SGG)). Zwischen der Klägerin und ihrem Vater sei unstreitig kein Untermietvertrag geschlossen worden. Auch wenn es für einen solchen Vertrag wegen der für die Klägerin eingerichteten Betreuung eines Ergänzungsbetreuers bedürfte, sei der Abschluss eines solchen Vertrages rechtlich nicht unmöglich. Fehle jedoch ein Mietvertrag, sei eine Verpflichtung der Klägerin zur Zahlung von Unterkunfts- und Heizkosten nicht erkennbar. Entsprechend der von der Beklagten herangezogenen Rechtsprechung des BSG habe ein volljähriges hilfebedürftiges Kind, das mit seinen Eltern in Haushaltsgemeinschaft lebe, keinen Anspruch auf Leistungen für Unterkunft und Heizung, wenn mangels Bindungswillens kein wirksamer Mietvertrag geschlossen worden sei (§§ 117 Abs. 1, 133 BGB). Die Kammer habe nicht die Überzeugung gewinnen können, dass die Klägerin ernsthaft Forderungen ihres Vaters ausgesetzt sei oder bei Nichtzahlung von Unterkunftskosten an ihren Vater rechtliche Konsequenzen zu befürchten habe. Da sie den Streitgegenstand auf die Unterkunftskosten beschränkt habe, müsse das Gericht die Rechtmäßigkeit der Leistungsberechnung im Übrigen nicht prüfen.
Gegen das ihr am 26.08.2013 zugestellte Urteil hat die Klägerin am 23.09.2013 Berufung eingelegt. In der mündlichen Verhandlung vor dem Senat hat sie klargestellt, dass sie den auf die Garagenkosten entfallenden Mietanteil nicht als Kosten der Unterkunft geltend macht. Zur Begründung der Berufung führt sie aus, die angefochtene Entscheidung verstoße in eklatanter Weise gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz. Nur weil sie nicht Arbeitslosengeld II, sondern Grundsicherung nach dem SGB XII beziehe, werde ihr – im Gegensatz zu anderen Nichterwerbsfähigen – keinerlei Mietzuschuss gewährt. Man enthalte ihr zu Lasten ihres Vaters, der ohnehin durch ihre Betreuung und Versorgung erheblich belastet sei, Leistungen vor. Der Widerspruchsbescheid sei frühestens am 01.10.2012 zugegangen.
Die Klägerin beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Gelsenkirchen vom 08.08.2013 aufzuheben und den Bescheid vom 24.08.2012 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 27.09.2012 dahingehend zu ändern, dass der Klägerin auch Leistungen nach dem Vierten Kapitel des SGB XII für Unterkunfts- und Heizkosten für den Zeitraum vom 01.09.2012 bis zum 31.08.2013 gewährt werden.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie hält die Entscheidung des Sozialgerichts für zutreffend.
Ermittlungsversuche des Senats bei der Deutschen Post AG zur Feststellung des genauen Tages der Übergabe des Einschreibens mit dem Widerspruchsbescheid vom 27.09.2012 sind ergebnislos verlaufen.
Hinsichtlich des Sach- und Streitstandes im Übrigen wird verwiesen auf den Inhalt der Gerichtsakte sowie der beigezogenen Verwaltungsvorgänge der Beklagten und des Kreises S; der Inhalt ist Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen.
Entscheidungsgründe:
I. Gegenstand des Berufungsverfahrens sind allein der Bescheid vom 24.08.2012 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 27.09.2012 (§ 95 SGG), und zwar nur, soweit darin Leistungen für Kosten der Unterkunft und Heizung für September 2012 bis August 2013 abgelehnt werden.
Die Klägerin hat ihr Begehren zulässigerweise (dazu ausführlich BSG, Urteil vom 14.04.2011 – B 8 SO 18/09 R Rn. 10 m.w.N.) allein auf den Verfügungsteil der genannten Bescheide beschränkt, der die Frage der Berücksichtigung von Kosten der Unterkunft und Heizung betrifft. Soweit in der Sitzungsniederschrift des Sozialgerichts vom 08.08.2013 und im erstinstanzlichen Antrag der Klägerin nur von Unterkunftskosten, nicht aber auch von Heizkosten die Rede ist, steht dies einer Einbeziehung der Heizkosten in das Verfahren nicht entgegen. Denn bei verständiger Würdigung dieser Erklärungen kann nicht davon ausgegangen werde, dass die Klägerin nur die reinen Unterkunfts-, nicht aber zugleich auch die Heizkosten berücksichtigt wissen wollte; dies gilt umso mehr, als einzelne Elemente des Anspruches nach § 35 SGB XII nicht selbständig im Klagewege verfolgt werden können (vgl. dazu BSG, Urteil vom 23.03.2010 – B 8 SO 24/08 R Rn. 9 m.w.N.). Die auf Unterkunftskosten beschränkte Formulierung erfolgte erkennbar als umgangssprachlicher, unpräziser Sprachgebrauch. Im Übrigen hat die Klägerin ihr Begehren mit dem zweitinstanzlich gestellten Antrag ausdrücklich präzisiert.
Davon ausgehend, ist der Änderungsbescheid vom 29.11.2012 nicht nach § 96 SGG Gegenstand des vorliegenden Verfahrens geworden. Zwar ändert er die ursprünglichen Bescheide mit Blick auf die Leistungshöhe, d.h. die Höhe des Regelbedarfs und des Mehrbedarfszuschlages für Schwerbehinderte, für Januar bis August 2013 ab und ersetzt insoweit diese Entscheidungen. Keine abändernde Verfügung enthält er jedoch betreffend Leistungen für Unterkunfts- und Heizkosten, um die es im vorliegenden Verfahren allein geht. Insoweit führt er vielmehr ausdrücklich aus: "Die Änderung bezieht sich allein auf / – den Regelbedarf, / – den Mehrbedarf Schwerbehinderung / ansonsten bleiben die Regelungen des vorgenannten Bescheides bestehen."
Die zeitliche Beschränkung des Verfahrensgegenstandes folgt zum einen aus den Anträgen der Klägerin in erster wie in zweiter Instanz. Zum anderen haben die Beklagte bzw. der Kreis S Leistungen für Unterkunfts- und Heizkosten in den angefochtenen Bescheiden (erst) ab September 2012 abgelehnt. Mag darin zwar zugleich eine zukunftsoffene Ablehnung dieser Leistungen erblickt werden können, so endet deren Wirkung gegebenenfalls jedenfalls schon deshalb mit Ablauf des August 2013, weil die Beklagte mit Bescheid vom 02.08.2013 auf einen Fortzahlungsantrag während des laufenden Klageverfahrens für die Zeit ab September 2013 eine erneute Regelung getroffen hat, die (u.a.) wiederum Leistungen für Unterkunfts- und Heizkosten versagte. Insofern ist jedenfalls eine Zäsur eingetreten, welche die Regelungswirkung der angefochtenen Bescheide und damit auch den vorliegend zu beurteilenden Zeitraum von vornherein auf den Ablauf des Monats August 2013 beschränkt (vgl. BSG, Urteil vom 25.08.2011 – B 8 SO 19/10 R Rn. 9 m.w.N.).
II. Die Berufung ist nach § 144 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 SGG statthaft. Die Summe des im streitigen Zeitraum auf die Klägerin entfallenden Anteils der Gesamtkosten der Familie für Unterkunft und Heizung ohne Garagenkosten (zunächst ein Drittel, seit dem Tod der Mutter die Hälfte der Gesamtkosten), für den sie von der Beklagten Leistungen begehrt, überschreitet den Mindestbeschwerdewert von 750,01 EUR bei Weitem. Bedenken gegen die Zulässigkeit der Berufung bestehen auch im Übrigen nicht.
III. Die Berufung ist jedoch unbegründet. Denn die Klage ist zwar zulässig (dazu 1.), aber unbegründet (dazu 2.).
1. Das Begehren der Klägerin, mit dem sie sich gegen die vollständige Ablehnung von Leistungen für Kosten der Unterkunft und Heizung wendet, ist als kombinierte Anfechtungs- und Leistungsklage (§ 54 Abs. 1 S. 1 und Abs. 4 und § 56 SGG) statthaft (BSG, a.a.O.).
Klagegegner (§ 70 Nr. 1 SGG) ist die Stadt S (vgl. Straßfeld, SGb 2010, 520 ff., 522; BSG, Urteil vom 12.12.2013 – B 8 SO 13/12 R Rn. 11). Die Befugnis des Kreises S zur Vertretung der Beklagten im Klage- und Berufungsverfahren ergibt sich aus § 5 Abs. 2 seiner Heranziehungssatzung (Satzung über die Durchführung der Aufgaben als örtlicher Träger der Sozialhilfe im Kreis S vom 14.12.2012).
Das Vorverfahren nach § 78 Abs. 1 S. 1 SGG wurde ordnungsgemäß durchgeführt. Die erforderliche beratende Beteiligung sozial erfahrener Dritter (§ 116 Abs. 2 SGB XII) hat stattgefunden.
Die Klagefrist (§ 87 Abs. 1 S. 1 und Abs. 2 SGG) ist eingehalten. Dabei kann offen bleiben, ob der Widerspruchsbescheid vom 27.09.2012 erst (wie von der Klägerin vorgetragen) am 01.10.2012 zuging, und ob ohnedies bereits der dagegen am 11.10.2012 bei der Beklagten eingelegte "Widerspruch" als Klageerhebung (§ 91 Abs. 1 SGG) zu gelten hat. Denn auch die am 30.10.2012 beim Sozialgericht anwaltlich ausdrücklich als solche erhobene Klage wäre jedenfalls fristgerecht. Die einmonatige Klagefrist beginnt mit der Bekanntgabe des Widerspruchsbescheides (§ 87 Abs. 2 SGG). Der Widerspruchsbescheid vom 27.09.2012 wurde durch Übergabe-Einschreiben förmlich zugestellt (§ 4 Abs. 1 Verwaltungszustellungsgesetz (VwZG) i.V.m. § 85 Abs. 3 S. 2 SGG). Das genaue Zustelldatum kann anhand des (aktenkundigen) Einlieferungsbeleges nicht nachgehalten werden; eine Nachfrage des Senats bei der Deutschen Post AG ergab, dass es wegen Löschung der entsprechenden Daten auch dort nicht mehr ermittelt werden kann. In einem solchen Fall gilt nach § 4 Abs. 2. S. 2 (erster Halbsatz) VwZG der Widerspruchsbescheid am dritten Tag nach seiner Aufgabe zur Post als zugestellt. Ausgehend vom frühestmöglichen Tag der Aufgabe des Widerspruchsbescheides per Einschreiben zur Post (27.09.2012) begann die Klagefrist am dritten Tag danach zu laufen (30.09.2012); sie endete deshalb mit Ablauf des 30.10.2012 (vgl. § 64 Abs. 2 S. 1 SGG), also des Tages, an dem die Klage beim Sozialgericht einging.
2. Die Klage ist nicht begründet. Der Bescheid vom 24.08.2012 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 27.09.2012 ist nicht rechtswidrig; die Klägerin ist daher nicht beschwert im Sinne von § 54 Abs. 2 S. 1 SGG.
a) Der Bescheid vom 24.08.2012 ist formell rechtmäßig. Insbesondere war die Beklagte für seinen Erlass sachlich und örtlich zuständig.
Die sachliche Zuständigkeit des örtlichen Trägers der Sozialhilfe folgt aus § 97 Abs. 1 SGB XII. Eine vorrangige Zuständigkeit des überörtlichen Trägers nach Landesrecht (§ 97 Abs. 1 und Abs. 2 S. 1 SGB XII i.V.m. § 2 der Ausführungsverordnung zum SGB XII des Landes Nordrhein-Westfalen) besteht nicht. Zuständiger örtlicher Träger der Sozialhilfe ist die Beklagte. Zwar ist nach § 1 Abs. 1 Ausführungsgesetz zum SGB XII des Landes Nordrhein-Westfalen (AG-SGB XII NRW) der Kreis S örtlicher Träger der Sozialhilfe. Dieser hat jedoch in § 2 Abs. 1 seiner Heranziehungssatzung grundsätzlich die kreisangehörigen Städte zur Ausführung der ihm als örtlichem Träger der Sozialhilfe nach dem SGB XII obliegenden Aufgaben herangezogen. Die insoweit in § 3 der Heranziehungssatzung normierten Ausnahmeregelungen betreffen nicht die Leistungen nach dem Vierten Kapitel SGB XII.
Die örtliche Zuständigkeit der Beklagten folgt aus § 98 Abs. 1 S. 2 SGB XII (gleichlautend § 1 Abs. 3 AG-SGB XII NRW). Die Klägerin hatte während des streitigen Zeitraumes ihren gewöhnlichen Aufenthalt (§ 30 Abs. 3 S. 2 Sozialgesetzbuch Erstes Buch – Allgemeiner Teil) durchgehend bei ihren Eltern bzw. ihrem Vater.
b) Der angefochtene Bescheid ist auch materiell rechtmäßig. Der Senat kann dabei offen lassen, ob die Klägerin im streitigen Zeitraum dem Grunde nach die Anspruchsvoraussetzungen der §§ 19 Abs. 2, 41 ff. SGB XII erfüllte. Denn ein Anspruch auf Leistungen für Unterkunft und Heizung ist schon mangels Bedarfs ausgeschlossen.
Nach § 42 S. 1 Nr. 4 SGB XII umfassen die Leistungen der Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung die Aufwendungen für Unterkunft und Heizung nach dem Vierten Abschnitt des Dritten Kapitels SGB XII. Gemäß § 35 Abs. 1 S. 1 und Abs. 4 S. 1 SGB XII werden Leistungen für Unterkunft und Heizung in tatsächlicher Höhe erbracht.
Nach der Rechtsprechung des BSG (in den von der Beklagten herangezogenen Urteilen vom 14.04.2011 – B 8 SO 18/09 R Rn. 15 und vom 25.08.2011 – B 8 SO 29/10 R Rn. 12) setzt der Anspruch auf Leistungen für Kosten der Unterkunft und Heizung bei der anspruchstellenden Person grundsätzlich einen entsprechenden tatsächlichen Bedarf – im Sinne einer wirksamen (zivil-)rechtlichen Verpflichtung gegenüber Dritten – voraus (zur vergleichbaren Problematik im Zweiten Buch Sozialgesetzbuch – Grundsicherung für Arbeitsuchende (SGB II) vgl. bereits BSG, Urteil vom 20.08.2009 – B 14 AS 34/08 R Rn. 16). Dies gilt jedenfalls dann, wenn diese Person mit anderen, nichthilfebedürftigen Personen in einer Haushaltsgemeinschaft lebt (BSG a.a.O.), wenn also weder eine Bedarfsgemeinschaft nach dem SGB II noch eine Einsatzgemeinschaft nach dem SGB XII noch eine sog. gemischte Bedarfsgemeinschaft (d.h. zwischen Leistungsberechtigten nach dem SGB II und dem SGB XII) besteht (BSG, Urteil vom 25.08.2011 – B 8 SO 29/10 R Rn. 12. Aus der Entscheidung des BSG vom 22.08.2013 – B 14 AS 85/12 R Rn. 19 ff. ergibt sich nicht etwa anderes; denn auch der dortige Kläger war nach seinem Vortrag einer rechtsverbindlichen Verpflichtung zur Zahlung von – höheren – Unterkunfts- und Heizkosten ausgesetzt).
aa) Danach kommt im vorliegenden Fall ein Anspruch auf Leistungen für Kosten der Unterkunft und Heizung nicht in Betracht. Denn weder lebte die Klägerin im streitigen Zeitraum mit ihren Eltern bzw. ihrem Vater in einer Einsatz- oder (gemischten) Bedarfsgemeinschaft – dazu (1) -, noch war sie wegen Unterkunfts- und Heizkosten einer (zivil-) rechtlichen Forderung Dritter ausgesetzt – dazu (2) -.
(1) Zwischen der Klägerin und ihren Eltern bzw. ihrem Vater bestand keine Einsatzgemeinschaft (zu diesem Begriff vgl. Coseriu in jurisPK-SGB XII, § 19 Rn. 12 ff., 17). Denn § 19 Abs. 2 i.V.m. § 27 Abs. 2 SGB XII sieht bei Leistungen nach dem Vierten Kapitel SGB XII grundsätzlich keine Berücksichtigung von Vermögen und/oder Einkommen der Eltern vor; ein Ausnahmefall wegen besonders hohen elterlichen Einkommens (§ 43 Abs. 3 S. 1 SGB XII) lag bei der Klägerin nicht vor, da elterliches Einkommen von mindestens 100.000,00 EUR nicht vorhanden war.
Eine "reine" Bedarfsgemeinschaft nach § 7 SGB II bestand ebenfalls nicht. Denn jedenfalls die Klägerin gehört dem Personenkreis des § 41 Abs. 1 und Abs. 3 SGB XII an. Die DRV Westfalen hat im Verfahren nach § 45 SGB XII festgestellt, dass die Klägerin (mindestens) seit dem 20.09.2010 voll erwerbsgemindert im Sinne des § 43 Abs. 2 SGB VI ist. Der Senat hat in Ansehung der ihm vorliegenden medizinischen Befunde keine Veranlassung, diese Einschätzung in Frage zu stellen. Zwar stünde die volle Erwerbsminderung der Klägerin ihrer Einbeziehung in eine Bedarfsgemeinschaft nach § 7 Abs. 3 SGB II nicht entgegen; denn auch volljährige – (voll) erwerbsgeminderte – Kinder (bis zur Vollendung des 25. Lebensjahres) können nach § 7 Abs. 3 Nr. 4 SGB II Mitglied einer Bedarfsgemeinschaft sein (vgl. Spellbrink/G. Becker in Eicher, SGB II, 3. Auflage 2013, § 7 Rn. 105; Hackethal in jurisPK-SGB II, § 7 Rn. 58). Der Leistungsanspruch nach dem Vierten Kapitel SGB XII bleibt jedoch vorrangig, so dass eine Leistungsberechtigung der Klägerin nach dem SGB II nicht entstehen kann (vgl. Schoch in LPK-SGB XII, 9. Auflage 2012, § 43 Rn. 7 m.w.N.).
Auch eine gemischte Bedarfsgemeinschaft (vgl. dazu BSG, Urteile vom 16.10.2007 – B 8/9b SO 2/06 R Rn. 12 ff. sowie vom 15.04.2008 – B 14/7b AS 58/06 R Rn. 25, 31) zwischen der dem Leistungsregime des SGB XII unterfallenden Klägerin und ihren ggf. dem SGB II zuzuordnenden Eltern bestand nicht (Anhaltspunkte dafür, dass die Mutter nicht dem Personenkreis des § 7 SGB II, sondern dem des § 41 Abs. 1 und Abs. 3 SGB XII zugehört hätte, sind weder vorgetragen noch ersichtlich); hätten die wirtschaftlichen Voraussetzungen dafür vorgelegen, hätten Vater und Mutter der Klägerin deshalb eine "echte" Bedarfsgemeinschaft i.S.d. § 7 Abs. 3 Nr. 3 SGB II gebildet. Denn die im Rahmen des SGB II zu berücksichtigenden Einkünfte der Eltern (bzw. nach dem Tod der Mutter allein des Vaters) reichten ersichtlich aus, um einen (fiktiven) Bedarf der Eltern nach dem SGB II zu decken:
Das in der Zeit zwischen September 2012 und März 2013 niedrigste monatliche Nettoerwerbseinkommen des Vaters belief sich auf brutto 2.749,74 EUR (netto 1.999,14 EUR). Abzüglich der Steuern und Sozialversicherungsbeiträge (750,60 EUR; § 11b Abs. 1 Nr. 1 und 2 SGB II), der Werbungskosten (15,33 EUR; § 11b Abs. 1 Nr. 5 SGB II) sowie des Erwerbstätigenfreibetrages (200,00 EUR; § 11b Abs. 1 Nr. 6, Abs. 3 SGB II) verblieb deshalb im gesamten streitigen Zeitraum ein anzurechnendes Einkommen von monatlich mindestens 1.783,81 EUR. Dieser Betrag liegt deutlich höher als der grundsicherungsrechtliche Bedarf der Eltern von 1.080,78 EUR (bis Dezember 2012) bzw. 1.096,78 EUR (ab Januar 2013); jener Bedarf setzt sich zusammen aus jeweils 337,00 EUR (bzw. 345,00 EUR) Regelbedarf des Vaters und der Mutter sowie 406,78 EUR (zwei Drittel der Kosten für Unterkunft und Heizung einschl. Garage). Nach Eintritt der Erwerbslosigkeit des Vaters der Klägerin (ab April 2013) belief sich das Einkommen des Vaters aus Arbeitslosengeld I auf täglich 48,43 EUR (für 30 Tage mithin auf 1.452,90 EUR) und lag damit ebenfalls noch erheblich oberhalb des fiktiven Bedarfs der Eltern nach dem SGB II. Nach dem Tod der Mutter lag es über dem fiktiven Grundsicherungsbedarf des Vaters von 692,87 EUR (382,00 EUR Regelbedarf zuzüglich 310,87 EUR als Hälfte der Gesamtkosten für Unterkunft und Heizung mit Garage). Zwar haben Eltern bzw. Vater der Klägerin aus elterlichem Einkommen auch Unterkunfts- und Heizkosten für die Klägerin getragen. Selbst wenn man diese monatlichen Kosten (203,38 EUR bei drei Familienmitgliedern, 310,87 EUR nach dem Tod der Mutter) als das verfügbare Einkommen mindernd berücksichtigt, überschritt das verfügbare Einkommen noch immer den (fiktiven) grundsicherungsrechtlichen Bedarf der Eltern bzw. des Vaters der Klägerin.
(2) Die Klägerin war keiner rechtsverbindlichen Verpflichtung zur Zahlung von Unterkunfts- und Heizkosten ausgesetzt.
Sie war im streitigen Zeitraum zunächst nicht selbst Partei des im März 2000 geschlossenen Mietvertrages. Zwar weist dieser Vertrag die "Familie L u. W I" als Mieter aus. Mit dieser Formulierung ist die bei Vertragsschluss siebenjährige Klägerin seinerzeit jedoch nicht zur selbst berechtigten und verpflichteten Vertragspartei geworden. Denn Kinder werden regelmäßig nicht Partei eines von ihren Eltern abgeschlossenen Mietvertrages; vielmehr fallen sie nur in dessen Schutzbereich (vgl. Teichmann in Jauernig, Bürgerliches Gesetzbuch, 15. Auflage 2014, § 535 Rn. 3). Die bloße Mitnutzung einer Wohnung kann ebenfalls keine Einbeziehung in den Mietvertrag begründen (vgl. Weidenkaff in Palandt, Bürgerliches Gesetzbuch, 73. Auflage 2014, § 535 Rn. 7). Es hätte deshalb besonderer Umstände bedurft, um die Klägerin als Partei in den Mietvertrag einzubeziehen. Solche Umstände sind indes nicht ersichtlich; ihr Vater hat dementsprechend in der mündlichen Verhandlung auf Nachfrage des Senats ausdrücklich bestätigt, dass eine Einbeziehung der Klägerin in den Mietvertrag nicht stattgefunden hat.
Auch ein Untermietverhältnis (§ 540 BGB) zwischen der Klägerin und ihren Eltern (bzw. später ihrem Vater) bestand im streitigen Zeitraum nicht. Auch dies hat der Vater auf Nachfrage des Senats ausdrücklich bestätigt.
Die Klägerin verweist allerdings darauf, ihre Eltern hätten seit jeher (zunächst im Rahmen der Unterhaltspflicht, später aus von der Klägerin zur Deckung u.a. ihrer Unterkunfts- und Heizkosten bezogenen Sozialhilfeleistungen) auch die auf sie entfallenden Mietkosten an den Vermieter abgeführt. Für die Frage einer eigenen rechtsverbindlichen Verpflichtung der Klägerin zur Tragung solcher Kosten ist dies allerdings ohne Bedeutung. Sofern sie (zutreffend; vgl. § 43 Abs. 1 a.E. SGB XII) ausführt, dass § 39 SGB XII im Bereich der Grundsicherung nach dem Vierten Kapitel SGB XII nicht anwendbar sei, ist dies im vorliegenden Zusammenhang ebenfalls ohne Belang. Denn die Beklagte verweigert Leistungen für Unterkunfts- und Heizkosten im Kern nicht deshalb, weil der entsprechende Bedarf von den Eltern gedeckt werde; sie stellt vielmehr – zutreffend – darauf ab, dass damit von vornherein kein entsprechender Bedarf in der Person der Klägerin selbst bestanden hat. Nur ein tatsächlich bestehender Bedarf jedoch kann Sozialhilfeleistungen auslösen.
bb) Geht die Rechtsprechung des BSG (Urteile vom 25.08.2011 – B 8 SO 29/10 R bzw. vom 14.04.2011 – B 8 SO 18/09 R) zu Recht davon aus, dass Sozialhilfe für Kosten der Unterkunft und Heizung eine rechtsverbindliche Verpflichtung des Betroffenen zur Tragung dieser Kosten voraussetzt, so sieht der Senat keinen rechtlichen Ansatzpunkt, hiervon im vorliegenden Fall abzuweichen.
(1) Der Klägerin ist allerdings zuzugeben, dass dieser Rechtsprechung Sachverhalte zugrundeliegen, bei denen Eltern das Wohnbedürfnis sozialhilfebegehrender, volljähriger, voll erwerbsgeminderter Kinder nicht – wie bei der Klägerin – durch eine angemietete Wohnung, sondern durch Wohneigentum sicherstellten. Der Senat erkennt durchaus, dass bei elterlichem Wohneigentum Mietzahlungen von Kindern (steuerpflichtiges) Einkommen der Eltern darstellen; diese Mietzahlungen dienen damit letztlich auf Seiten der Eltern der Vermögensbildung. Demgegenüber wirken sich bei einer Mietwohnung die allein von den Eltern aufgebrachten Wohnungskosten allein als wirtschaftliche Belastung aus. Gleichwohl kann dies nicht dazu führen, dass für Kinder in der Situation der Klägerin, bei denen in ihrer Person ein Bedarf für Wohnungskosten schlichtweg nicht anfällt, hierfür trotzdem bedarfslos Grundsicherungsleistungen gezahlt werden. Die wirtschaftliche Belastung durch solche Kosten allein auf Seiten ihrer – selbst nicht grundsicherungsberechtigten – Eltern kann deshalb auch im vorliegenden Fall bei der Klägerin selbst einen sozialhilferechtlich relevanten Bedarf von vornherein nicht begründen.
(2) Wenn die Klägerin insoweit unter Hinweis auf Art. 3 Abs. 1 Grundgesetz eine Ungleichbehandlung mit Leistungsberechtigten nach dem SGB II einwendet, so verkennt sie, dass auch Leistungen der Grundsicherung für Arbeitsuchende voraussetzen, dass beim Leistungsbegehrenden selbst ein Bedarf tatsächlich vorhanden ist. Eine Ungleichbehandlung ist deshalb von vornherein nicht zu besorgen. Zwar wird nach der im Rahmen (auch) des SGB II angewandten sog. Kopfteilmethode der bei einer Haushaltsgemeinschaft auf einen Leistungsberechtigten entfallende Unterkunfts- und Heizkostenanteil in aller Regel anhand der Personenzahl des Haushalts ermittelt, insbesondere, wenn sämtliche Haushaltsmitglieder der Grundsicherung bedürfen. Doch ist für eine Anwendung dieser Kopfteilmethode (auch) im Leistungsregime des SGB II von vornherein nur dann Raum, wenn der Leistungsbegehrende überhaupt einer verbindlichen Forderung für Unterkunfts- und Heizkosten ausgesetzt ist, mithin insoweit ein Bedarf tatsächlich feststellbar ist (vgl. etwa BSG, Urteil vom 19.03.2008 – B 11b AS 13/06 R Rn. 13 ff.). Ihre Funktion und Berechtigung hat die Kopfanteilmethode deshalb allein als verwaltungspraktikable Berechnungsweise für die auf ein einzelnes Haushaltsmitglied entfallenden Kosten; gleichzeitig vereitelt sie Missbrauch etwa durch nicht gerechtfertigte haushaltsinterne Zuweisung höherer Unterkunftskosten an ein grundsicherungsberechtigtes Haushaltsmitglied zugunsten anderer Mitglieder, denen wiederum geringere als die kopfteiligen Wohnungskosten zugeordnet werden. Werden aber Unterkunfts- und Heizkosten für ein grundsicherungsberechtigtes Haushaltsmitglied in voller Höhe von anderen Haushaltsmitgliedern getragen, ohne dass der Grundsicherungsberechtigte ihnen wiederum rechtsverbindlich zu deren Erstattung verpflichtet ist, und sind diese weiteren Haushaltsmitglieder dazu aus eigenem Einkommen oder Vermögen auch in der Lage (und steht deshalb eine Gefährdung ihres Grundrechts auf Sicherung eines menschenwürdigen Existenzminimums nicht zu befürchten), kann die Kopfteilmethode selbst keine Auswirkungen auf einen Grundsicherungsanspruch haben.
(3) Hat die Klägerin deshalb für den streitigen Zeitraum keinen Anspruch auf Leistungen nach dem Vierten Kapitel SGB XII für Unterkunft und Heizung, so erscheint dies auch keineswegs unbillig. Denn es gibt (unabhängig davon, ob die Klägerin künftig Leistungen für Unterkunft und Heizung von der Beklagten wird beanspruchen können, falls ihr Vater in das Leistungsregime des SGB II fallen und sie dann mit ihm eine gemischte Bedarfsgemeinschaft bilden sollte) in Fällen wie dem ihren hinreichende rechtliche Gestaltungsmöglichkeiten, um doch einen sozialhilferechtlichen Bedarf für Unterkunfts- und Heizkosten auszulösen.
So hätte die Klägerin etwa als Partei in den bisher nur zwischen ihren Eltern bzw. ihrem Vater und dem Vermieter bestehenden Mietvertrag aufgenommen werden können; auch hätte ein Untermietvertrag mit ihrem Vater geschlossen werden können. Auf diese Weise hätte eine rechtlich verbindliche Forderung auf Zahlung von Unterkunfts- und Heizkosten durch die Klägerin erzeugt werden können, welche sozialhilferechtlich entsprechende Bedarfe nach sich gezogen hätte. Entsprechende Vertragsgestaltungen hätten für ihre Wirksamkeit allerdings vorausgesetzt, dass die betreuungsrechtlichen und sonstigen zivilrechtlichen Vorgaben beachtet worden wären (vgl. dazu z.B. Sozialgericht Duisburg, Urteil vom 02.12.2013 – S 48 SO 128/12).
Ob die Begründung einer solchen Verbindlichkeit (wovon die Beklagte auszugehen scheint) etwa wegen eines Verstoßes gegen § 117 Abs. 1 BGB als missbräuchlich und damit unwirksam anzusehen sein kann, ist eine Frage des jeweiligen Einzelfalles und bedarf im vorliegenden Zusammenhang keiner Entscheidung. Mit Blick auf die dem Senat bekannt gewordenen Reaktionen etlicher Sozialhilfeträger auf die auch von der Beklagten herangezogenen Entscheidungen des BSG vom 14.04.2011 und 25.08.2011 gibt der Senat allerdings zu bedenken, dass die Begründung einer rechtlichen Verbindlichkeit zur Zahlung von Unterkunfts- und Heizkosten in Fällen der vorliegenden Art grundsätzlich als naheliegende und nicht beanstandungswürdige Gestaltungsmöglichkeit (in Reaktion auf die genannte Rechtsprechung) erscheint, deren Wahrnehmung kaum als missbräuchlich anzusehen wäre. Der Fall der Klägerin macht dies gerade deutlich. Denn ihre Eltern bzw. ihr Vater hatten zwar auskömmliche, aber keineswegs opulente Einkommensverhältnisse; die gesetzliche Wertung in § 43 Abs. 3 S. 1 SGB XII deutet darauf hin, dass bei derartigen wirtschaftlichen Verhältnissen im Falle der Betreuung eines voll erwerbsgeminderten, erwachsenen Kindes im elterlichen Haushalt eine wirtschaftliche Zuweisung von für das Kind entstehenden Unterkunfts- und Heizkosten an die von der Allgemeinheit aufzubringende Sozialhilfekosten durch entsprechende zivilrechtliche Gestaltungen gerechtfertigt erscheint. Betroffene Eltern wie Kinder dürften deshalb in der Regel keineswegs missbräuchlich handeln, wenn sie wirtschaftliche Einschränkungen der Eltern (die ohnehin durch die Betreuungsleistungen erheblich belastet sind) durch solche Gestaltungen zu vermeiden suchen.
IV. Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 183, 193 Abs. 1 S. 1 SGG.
V. Der Senat hat die Revision nach § 160 Abs. 2 S. 1 Nr. 1 SGG zugelassen.
Erstellt am: 03.03.2016
Zuletzt verändert am: 03.03.2016