I. Die Klage wird abgewiesen.
II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
Tatbestand:
Die Klägerin begehrt die Feststellung, dass sie einen Arbeitsunfall erlitten hat.
Die 1952 geborene Klägerin stürzte am 9. Dezember 2010 auf dem Parkplatz einer Sparkasse, als sie für ihre pflegebedürftige Schwiegermutter Geld abheben wollte. Dabei erlitt die Klägerin laut dem Bericht des Durchgangsarztes vom 15. Dezember 2010 eine Distorsion der Halswirbelsäule und eine Prellung der Lendenwirbelsäule. Zudem wurde Arbeitsunfähigkeit bescheinigt.
Mit Schreiben vom 31. Januar 2011 lehnte der Beklagte Leistungen ab, weil die Klägerin im Unfallzeitpunkt keine versicherte Tätigkeit ausgeübt habe.
Der Widerspruch der Klägerin wurde mit Widerspruchsbescheid vom 30. März 2011 zurückgewiesen.
Dagegen hat die Klägerin am 2. Mai 2011durch ihre Prozessbevollmächtigten Klage zum Sozialgericht Augsburg erhoben. Die Klägerin pflege ihre Schwiegermutter und wollte mit dem Geld für diese Einkäufe tätigen. Zwar sei ein Gang zur Bank im Gesetz nicht ausdrücklich als Pflegetätigkeit aufgeführt. Allerdings sei ein Einkauf unstreitig versichert und es sei eine pure Selbstverständlichkeit, dass dazu auch die vorherige Beschaffung der Geldmittel gehöre. Wenn vom Konto der Schwiegermutter kein Geld mehr geholt werde, könnten auch keine Einkäufe mehr getätigt werden.
Auf Nachfrage des Gerichts ist noch eine Bestätigung der Schwiegermutter der Klägerin vorgelegt worden. Demnach sollte die Klägerin am 9. Dezember 2010 Geld für ein Geldgeschenk zum Geburtstag des Sohnes der Schwiegermutter der Klägerin abheben.
Die Beteiligten sind zu einer Entscheidung durch Gerichtsbescheid gehört worden.
Für die Klägerin wird beantragt (sinngemäß):
Der Bescheid des Beklagten vom 31. Januar 2011 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 30. März 2011 wird aufgehoben und es wird festgestellt, dass der Unfall der Klägerin am 9. Dezember 2010 ein Arbeitsunfall ist.
Für den Beklagten wird beantragt,
die Klage abzuweisen.
Zur Ergänzung des Tatbestands wird auf den Inhalt der Gerichts- und Behördenakten Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Das Gericht macht von der Möglichkeit einer Entscheidung durch Gerichtsbescheid Gebrauch. Die Beteiligten sind dazu angehört worden, der Sachverhalt ist geklärt und die Sache weist keine besonderen tatsächlichen oder rechtlichen Schwierigkeiten auf, § 105 Abs. 1 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG).
Die Klage ist als kombinierte Anfechtungs- und Feststellungsklage gemäß § 54 Abs. 1 und § 55 Abs. 1 Nr. 1 SGG zulässig.
Die Klage hat in der Sache keinen Erfolg.
Der Bescheid des Beklagten vom 31. Januar 2011 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 30. März 2011 ist rechtmäßig und verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten. Denn die Klägerin hat keinen Anspruch auf die Feststellung, dass sie am 9. Dezember 2010 einen Arbeitsunfall erlitten hat.
Nach § 8 Abs. 1 des Siebten Buches Sozialgesetzbuch – Gesetzliche Unfallversicherung – (SGB VII) sind Arbeitsunfälle Unfälle von Versicherten infolge einer den Versicherungsschutz nach §§ 2, 3 oder 6 SGB VII begründenden Tätigkeit (versicherte Tätigkeit). Unfälle sind zeitlich begrenzte, von außen auf den Körper einwirkende Ereignisse, die zu einem Gesundheitsschaden oder zum Tod führen.
Für einen Arbeitsunfall ist danach in der Regel erforderlich, dass die Verrichtung des Versicherten zur Zeit des Unfalls der versicherten Tätigkeit zuzurechnen ist (innerer bzw. sachlicher Zusammenhang), dass diese Verrichtung zu dem zeitlich begrenzten, von außen auf den Körper einwirkenden Ereignis – dem Unfallereignis – geführt hat (Unfallkausalität), und dass das Unfallereignis einen Gesundheitserstschaden oder den Tod des Versicherten verursacht hat (haftungsbegründende Kausalität). Das Entstehen von länger andauernden Unfallfolgen ist keine Voraussetzung für die Anerkennung eines Arbeitsunfalls, sondern für die Gewährung einer Verletztenrente (Bundessozialgericht – BSG, Urteil vom 4. September 2007, B 2 U 28/06 R; Urteil vom 27. April 2010, B 2 U 11/09 R).
Der innere bzw. sachliche Zurechnungszusammenhang zwischen der versicherten Tätigkeit und der Verrichtung zur Zeit des Unfalls ist wertend zu ermitteln, indem untersucht wird, ob die jeweilige Verrichtung innerhalb der Grenze liegt, bis zu welcher der Versicherungsschutz in der gesetzlichen Unfallversicherung reicht (BSG, Urteil vom 13. Dezember 2005, B 2 U 29/04 R).
Die Klägerin hat bei dem Unfall am 9. Dezember 2010 einen Gesundheitsschaden erlitten. Es ist zwar – anders als in der Klageschrift dargestellt – aufgrund des Berichts des Durchgangsarztes vom 15. Dezember 2010 sehr fragwürdig, ob die Klägerin dabei mehr als eine Prellung der Lendenwirbelsäule und eine Distorsion der Halswirbelsäule erlitten hat. Denn für darüber hinausgehende Schädigungen, vor allem der linken Hand, finden sich im Durchgangsarztbericht vom 15. Dezember 2010 keine Anhaltspunkte. Insbesondere sind keinerlei äußere Verletzungszeichen oder eine Schmerzhaftigkeit dokumentiert. Zudem wurde das bei der Kernspintomographie der linken Hand am 23. Dezember 2010 festgestellte Ganglion vom Durchgangsarzt im Klinikum A-Stadt als sicher vorbestehend und nicht unfallbedingt bezeichnet und ein sicherer Hinweis für eine Diskusverletzung in Form eines TFCC wurde nicht gefunden. Zumindest mit den oben genannten Wirbelsäulenverletzungen ist aber ein Gesundheitserstschaden belegt.
Bei der unfallbringenden Verrichtung, dem Gang zur Sparkasse, um für ihre Schwiegermutter Geld abzuheben, stand die Klägerin jedoch nicht unter dem Schutz der gesetzlichen Unfallversicherung.
Nach § 2 Abs. 1 Nr. 17 SGB VII sind Pflegepersonen im Sinne des § 19 des Elften Buches Sozialgesetzbuch – Soziale Pflegeversicherung – (SGB XI) bei der Pflege eines Pflegebedürftigen im Sinne des § 14 SGB XI versichert; die versicherte Tätigkeit umfasst Pflegetätigkeiten im Bereich der Körperpflege und – soweit diese Tätigkeiten überwiegend Pflegebedürftigen zugute kommen – Pflegetätigkeiten in den Bereichen der Ernährung, der Mobilität sowie der hauswirtschaftlichen Versorgung (§ 14 Abs. 4 SGB XI). § 14 Abs. 4 Nr. 4 SGB XI nennt im Rahmen der hauswirtschaftliche Versorgung das Einkaufen, Kochen, Reinigen der Wohnung, Spülen, Wechseln und Waschen der Wäsche und Kleidung oder das Beheizen.
Pflegepersonen gemäß § 19 Satz 1 SGB XI sind Personen, die nicht erwerbsmäßig einen Pflegebedürftigen im Sinne des § 14 SGB XI in seiner häuslichen Umgebung pflegen, also jemanden, der wegen einer körperlichen, geistigen oder seelischen Krankheit oder Behinderung für die gewöhnlichen und regelmäßig wiederkehrenden Verrichtungen im Ablauf des täglichen Lebens auf Dauer, voraussichtlich für mindestens sechs Monate, in erheblichem oder höherem Maße der Hilfe bedarf.
Die Schwiegermutter der Klägerin ist ausweislich der im Gerichtsverfahren noch vorgelegten Unterlagen pflegebedürftig im o.g. Sinn und bezieht von der Krankenkasse auch Pflegegeld nach der Pflegestufe 2. Auch pflegt die Klägerin ihre Schwiegermutter in nicht erwerbsmäßiger Weise in deren häuslicher Umgebung, indem sie regelmäßig hauswirtschaftliche Verrichtungen im Sinn des § 14 Abs. 4 Nr. 4 SGB XI verrichtet.
Allerdings lag ein Versicherungsschutz der Klägerin nach § 2 Abs. 1 Nr. 17 SGB VII als Pflegeperson bei der unfallbringenden Verrichtung am 9. Dezember 2010 nicht vor, weil es sich bei dem betreffenden Gang zur Sparkasse nicht um eine gewöhnliche und regelmäßig wiederkehrende Verrichtung im Ablauf des täglichen Lebens handelte. Wie sich aus der im Gerichtsverfahren vorgelegten Bestätigung der Schwiegermutter der Klägerin ergibt, sollte die Klägerin am 9. Dezember 2010 Geld für ein Geburtstagsgeschenk an den Sohn der Schwiegermutter der Klägerin abheben. Das Gericht hat keinen Anlass daran zu zweifeln, dass diese Angaben der Schwiegermutter der Klägerin zutreffen. Denn es ist nicht anzunehmen, dass diese zulasten ihrer sie pflegenden Schwiegertochter falsche Angaben macht.
Demnach sollte die Klägerin am 9. Dezember 2010 nicht – wie vielleicht bei anderen Gelegenheiten – Geld für Besorgungen für ihre Schwiegermutter abheben. Beim Abheben von Geld kann zumindest nach Ansicht dieser Kammer ein Versicherungsschutz entgegen der Auffassung des Beklagten infrage kommen. Denn das Geldabheben ist zwar nicht ausdrücklich in § 14 Abs. 4 SGB XI als Verrichtung genannt. Doch kann es eine mehr oder weniger unvermeidbare Handlung im Vorfeld zur eigentlichen Pflegetätigkeit darstellen, auch wenn entgegen der klägerischen Argumentation natürlich auch andere Wege der Geldbeschaffung als das Abheben am Automaten möglich sind, nämlich per Überweisung. Als solche kann das Geldabheben auch in einem wesentlichen Zusammenhang mit der ausdrücklich genannten Pflegetätigkeit stehen und damit als mitversichert anzusehen sein.
Doch liegt eine solche Konstellation hier nicht vor, weil das Geld, welches die Klägerin am 9. Dezember 2010 für ihre Schwiegermutter abheben sollte, nicht beispielsweise für Einkäufe von Lebensmitteln oder für die Besorgung von Pflegebedarf gedacht war. Vielmehr sollte der Sohn der Schwiegermutter der Klägerin dieses Geld zu seinem Geburtstag erhalten. Auch wenn ein Geburtstag ein jährlich einmal wiederkehrendes Ereignis darstellt, unterscheidet sich die Besorgung eines Geschenkes bzw. der (Geld-)Mittel hierfür bei wertender Betrachtung deutlich von den üblichen Verrichtungen des Alltags. Zum einen ist dieses Ereignis bedeutend seltener und zum anderen hat es seinen Ursprung und seine Bedeutung alleine in einem engen Verwandtschafts- oder Bekanntschaftsverhältnis. Aus derartigen Sonderbeziehungen resultierende Verrichtungen genießen aber in der gesetzlichen Unfallversicherung keinen Schutz, sondern unterfallen der privaten bzw. eigenwirtschaftlichen Risikosphäre. Mit § 2 Abs. 1 Nr. 17 SGB XI wird dieser Grundsatz zwar durchbrochen, weil die Pflege durch Familienangehörige gefördert werden und deren besonderes Engagement für das Gemeinwesen Anerkennung erfahren soll, indem der Schutz der gesetzlichen Unfallversicherung auf diese Angehörigen ausgedehnt wird. Diese wären ansonsten wegen der engen familiären Bande in der Regel unversichert, vor allem wäre ein Versicherungsschutz nach § 2 Abs. 2 SGB VII meist zu verneinen. Allerdings ist eine Grenze dort zu ziehen, wo dieser Zweck nicht mehr zum Tragen kommt. Das ist beim Besorgen eines Geschenkes für nahe Angehörige der gepflegten Person der Fall. Denn die Befürchtung, dass ein Familienangehöriger die Pflege nicht mehr übernimmt, weil er beim Besorgen von Geschenken nicht versichert ist, ist unbegründet. Es ist vielmehr anzunehmen, dass sich vor allem nahe Verwandte dem Wunsch, ein Geschenk zu kaufen oder Geld für ein Geschenk abzuheben, aus sittlichen Gründen nicht verschließen werden, zumal diese Verrichtung ohnehin nur selten anfällt und häufig das Geschenk ihnen selbst oder einem anderen nahen Verwandten, zum Beispiel dem Ehegatten oder den eigenen Kindern, zugute kommen soll und daher ein erhebliches Eigeninteresse der Pflegeperson besteht. Dass es bei der Klägerin anders sein sollte, ist nicht ersichtlich.
Ein Versicherungsschutz der Klägerin als sogenannte Wie-Beschäftigte nach § 2 Abs. 2 Satz 1 SGB VII scheitert an dem engen Verwandtschaftsverhältnis zu der gepflegten Person.
Daher ist die Klage abzuweisen.
Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 183, 193 SGG.
Erstellt am: 28.09.2011
Zuletzt verändert am: 28.09.2011