I. Die Klage wird abgewiesen.
II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
Tatbestand:
Streitig ist ein Anspruch des Klägers auf einen Elektrorollstuhl.
Der 1942 geborene Kläger stürzte am 20. Oktober 2006 bei Mäharbeiten an einer Böschung und fiel über eine Mauer mehrere Meter tief herab auf den Rücken. Die dabei erlittenen Verletzungen führten auch zu einer inkompletten Querschnittslähmung. Seit 18. April 2008 bezieht der Kläger Rente auf unbestimmte Zeit als Vollrente. Als Unfallfolge ist auch eine aufgehobene Geh- und Stehfähigkeit anerkannt. Der Kläger ist deswegen auf einen Rollstuhl angewiesen und hat von der Beklagten einen Aktivrollstuhl und im September 2007 auch ein sogenanntes Handbike Marke Speedy Duo 2 erhalten. Die Beklagte sagte mit Schreiben vom 27. November 2007 zudem die Kostenübernahme für Transporte des Klägers und seines Rollstuhls zur Krankengymnastik, zu Arztbesuchen und zu Therapien zu, wenn der Kläger sich wetterbedingt nicht selbst zu den entsprechenden Einrichtungen begeben könne.
Anfang April 2008 erkundigte sich der Kläger bei der Beklagten nach einem Zuschuss für einen Dreh- und Schwenksitz für ein Auto. Im Juli 2008 fragte er wegen eines Zuschusses zum Kauf eines Autos mit Schwenksitz nach, wobei seine Ehefrau als Fahrerin benannt wurde. Die Unfallklinik M. hielt in ihrer Stellungnahme vom 28. August/15. Oktober 2008 aufgrund des Lähmungsbildes die Versorgung mit einem Turnout-Schwenksitz für erforderlich.
Daraufhin bewilligte die beklagte Berufsgenossenschaft dem Kläger mit Bescheid vom 17. Oktober 2008 als Kraftfahrzeughilfe einen Zuschuss zur Anschaffung eines Pkw Toyota Yaris und die Kosten der behinderungsbedingten Zusatzausstattungen und Umbauten für einen Turnout-Schwenksitz. In den Erläuterungen wurde auch darauf hingewiesen, wann anstelle eines elektrisch betriebenen Krankenfahrzeugs ein Zuschuss zur Beschaffung eines Kraftfahrzeugs zu zahlen ist.
Im März 2010 begehrte der Kläger dann die Versorgung mit einem Elektrorollstuhl, da er mit dem Auto Ziele in der Innenstadt nicht erreichen könne.
Die Beklagte lehnte dies mit Bescheid vom 11. Mai 2010 ab. Der Kläger habe einen Zuschuss zur Anschaffung eines Kraftfahrzeugs erhalten. Daher bestehe kein weiterer Anspruch auf Kostenübernahme eines Elektrorollstuhls.
Der Widerspruch des Klägers wurde mit Widerspruchsbescheid vom 11. August 2010 zurückgewiesen.
Dagegen hat der Kläger am 25. August 2010 Klage zum Sozialgericht Augsburg erhoben. Er sei nicht darüber aufgeklärt worden, dass sämtliche Ansprüche mit dem Zuschuss zur Anschaffung des Toyota Yaris hinfällig seien. Mit seinem jetzigen Rollstuhl könne er sich nur sehr eingeschränkt fortbewegen und auch seine Frau könne den Rollstuhl nur sehr schwer schieben. Wäre er aufgeklärt worden, hätte er auf den Zuschuss für das Kfz verzichtet.
Die Beteiligten sind zu einer Entscheidung durch Gerichtsbescheid gehört worden.
Der Kläger beantragt (sinngemäß):
Der Bescheid der Beklagten vom 11. Mai 2010 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 11. August 2010 wird aufgehoben und die Beklagte wird verurteilt, dem Kläger einen Elektrorollstuhl zu bewilligen.
Für die Beklagte wird beantragt,
die Klage abzuweisen.
Zur Ergänzung des Tatbestands wird auf den Inhalt der Gerichts- und Behördenakten Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Das Gericht macht von der Möglichkeit einer Entscheidung durch Gerichtsbescheid Gebrauch. Die Beteiligten sind dazu angehört worden, der Sachverhalt ist geklärt und die Sache weist keine besonderen tatsächlichen oder rechtlichen Schwierigkeiten auf, § 105 Abs. 1 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG).
Die zulässige Klage hat in der Sache keinen Erfolg.
Der Bescheid der Beklagten vom 11. Mai 2010 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 11. August 2010 ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten. Denn der Kläger hat keinen Anspruch auf Bewilligung eines Elektrorollstuhls.
Die §§ 26 bis 43 des Siebten Buches Sozialgesetzbuch – Gesetzliche Unfallversicherung – (SGB VII) enthalten Regelungen zu den Leistungen der Unfallversicherungsträger bei Heilbehandlung, den Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben und den Leistungen zur Teilhabe am Leben in der Gemeinschaft. So bestimmen die §§ 26 Abs. 1, 27 Abs. 1 Nr. 4 und 31 SGB VII i.V.m. der Verordnung über die orthopädische Versorgung Unfallverletzter (OrthVersorgUVV), dass der Anspruch auf Heilbehandlung auch die Versorgung mit Hilfsmitteln wie Krankenfahrzeugen umfasst. Voraussetzung ist, dass diese den Erfolg der Heilbehandlung sichern oder die Folgen von Gesundheitsschäden mildern oder ausgleichen. Nach § 6 Abs. 1 und 2 OrthVersorgUVV sind Krankenfahrzeuge zu gewähren, wenn die Gehfähigkeit des Verletzten durch Unfallfolgen erheblich beeinträchtigt ist und die Behinderung durch Körperersatzstücke oder orthopädische Hilfsmittel nicht genügend behoben werden kann. Anstelle eines Krankenfahrzeugs soll der Träger der Unfallversicherung einem erheblich gehbehinderten Verletzten auf Antrag einen Zuschuss zur Beschaffung eines Kraftfahrzeugs gewähren, wenn der Verletzte in der Lage ist, ein Kraftfahrzeug zu führen oder wenn ihm ein geeigneter Fahrer zur Verfügung steht.
Kraftfahrzeughilfe kann auch nach § 40 Abs. 1 SGB VII erbracht werden, wenn der Versicherte infolge Art oder Schwere des Gesundheitsschadens nicht nur vorübergehend auf die Benutzung eines Kraftfahrzeugs angewiesen ist, um die Teilhabe am Arbeitsleben oder am Leben in der Gemeinschaft zu ermöglichen. Die Abgrenzung zwischen den beiden Hilfen richtet sich nach dem damit verfolgten Zweck: Die Kraftfahrzeughilfe nach § 40 SGB VII dient der Teilhabe am Arbeitsleben bzw. dem Leben in der Gemeinschaft, während die Leistungen nach § 31 SGB VII i.V.m. der OrthVersorgUVV die medizinische Rehabilitation bezwecken (vgl. Bereither-Hahn/Mehrtens, Gesetzliche Unfallversicherung, § 31 SGB VII Rz. 7.2).
Demnach ist ein Anspruch auf Versorgung mit einem Elektrorollstuhl dann ausgeschlossen, wenn der Unfallversicherungsträger im Rahmen der Leistungen zur medizinischen Rehabilitation bereits einen Zuschuss zur Beschaffung eines Kraftfahrzeugs gewährt hat.
So ist es im Fall des Klägers. Der von der Beklagten mit Bescheid vom 17. Oktober 2008 gewährte Zuschuss zum Erwerb des Toyota Yaris und die Übernahme der Umbaukosten erfolgte allein als Leistung zur medizinischen Rehabilitation. Dies ergibt sich aus den Erläuterungen im Bescheid. Die Voraussetzungen für eine Kraftfahrzeughilfe nach § 40 SGB VII lagen auch nicht vor, weil der Kläger zum einen nicht arbeitet, also Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben ausscheiden. Zum anderen kann er zur Teilhabe am Leben in der Gemeinschaft öffentliche Verkehrsmittel oder seinen Rollstuhl, eventuell in Verbindung mit dem Handbike, benutzen. Eine (schwere) Fehlerhaftigkeit des Bescheids vom 17. Oktober 2008, die dessen Aufhebbarkeit oder Nichtigkeit annehmen lassen könnte, ist daher nicht ersichtlich.
Wegen § 6 Abs. 2 OrthVersorgUVV besteht daher kein Anspruch des Klägers mehr auf Versorgung mit einem Elektrorollstuhl als Hilfsmittel zur medizinischen Rehabilitation.
Daran ändert auch nichts, dass der Kläger annimmt, über seine Wahlmöglichkeit nicht genügend aufgeklärt worden zu sein. Denn selbst wenn man eine Verletzung der Beratungspflicht durch die Beklagte annehmen würde, könnte daraus – etwa im Wege des sozialrechtlichen Herstellungsanspruchs – kein Anspruch auf Gewährung eines Elektrorollstuhls abgeleitet werden, da das SGB VII i.V.m. der § 6 Abs. 2 der OrthVersorgUVV eine derartige Doppelleistung im Rahmen der Leistungen zur medizinischen Rehabilitation gerade vermeiden will. Dieser vom Kläger gewünschte Zustand wäre daher nicht rechtmäßig und dürfte deshalb nicht hergestellt werden.
Auch andere Grundlagen für einen Anspruch auf Bewilligung eines Elektrorollstuhls sind nicht ersichtlich. Insbesondere hat die Beklagte ermessensfehlerfrei dargelegt, dass ein zusätzlicher Elektrorollstuhl nicht notwendig und daher nicht zu gewähren ist. Der Kläger hat bereits das Handbike Speedy Duo 2 und einen Aktivrollstuhl. Damit kann er nähere und auch fernere Ziele erreichten. Zudem hat die Beklagte bei schlechten Witterungsverhältnissen den Transport des Klägers und seines Rollstuhls sichergestellt. Damit ist der Kläger nicht darauf angewiesen, dass seine Ehefrau ihn schiebt, wenn es dieser vor allem bei schlechtem Wetter nicht möglich ist. Zu bedenken ist auch, dass gerade das Handbike und die Transportmöglichkeit dem Kläger die Erreichbarkeit auch entfernterer Ziele sichern – ungeachtet der Möglichkeit, den für die Mitnahme des Klägers umgebauten Toyota Yaris zu benutzen. Demzufolge ist es nicht zu beanstanden, dass die Beklagte zusätzlich die Kosten für einen Elektrorollstuhl nicht übernimmt.
Daher ist die Klage abzuweisen.
Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 183, 193 SGG.
Erstellt am: 23.11.2010
Zuletzt verändert am: 23.11.2010