I. Die Klage wird abgewiesen.
II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
Tatbestand:
Zwischen den Beteiligten steht im Streit, ob der Kläger einen Arbeitsunfall erlitten hat.
Der 1960 geborene Kläger ist selbstständiger Gleitschirm- und Drachenflugausbilder sowie Ski- und Snowboardlehrer. Er verunglückte am 23. November 2008 in L., Spanien, als er mit einem "Speedrider" einen Flugversuch unternahm. Dabei erlitt er ein Schädel-Hirn-Trauma mit Frakturen und Kontusionsblutungen, weswegen er bis Ende Januar 2009 in verschiedenen Einrichtungen stationär behandelt wurde.
Ende März 2010 beantragte der Kläger bei der Beklagten eine freiwillige Unternehmerversicherung für seine Tätigkeit als Fluglehrer und die Beklagte nahm ihn rückwirkend ab 1. Juni 2006 auf.
Im Juni 2010 zeigte der Kläger dann den Unfall vom 23. November 2008 an. Er habe seinen Speedrider mitgenommen, um das zukünftige Training und die Möglichkeiten der Schulung zu erproben. Eigentlich sei ein Speedrider dazu gedacht, mit Skiern die Piste hin-
abzufahren und kleine Sprünge durchzuführen. Das sollte als Ergänzung für seine Flugschule dienen, um Umsatzeinbußen im Winter auszugleichen und die unternehmerische Tätigkeit auf diesen Bereich auszudehnen. Später ergänzte der Kläger auf Nachfrage, er habe zum Saisonabschluss eine betreute Reise nach L. durchgeführt. Diese sei nicht offiziell ausgeschrieben worden, um den Rahmen klein zu halten. Auf der Reise habe er Teilnehmer im Tandemflug und im Streckenfliegen ausbilden wollen. Es habe sich um eine Fortbildungsreise und damit einen erkennbar geschäftlichen Hintergrund gehandelt. Die Kosten seien von den Teilnehmern selbst getragen worden.
Die Beklagte lehnte mit Bescheid vom 19. Juli 2012 die Anerkennung als Arbeitsunfall ab. Bei der Reise habe es sich nicht um eine Betriebsreise gehandelt. Zum Unfallzeitpunkt habe der Kläger außerdem keinen Flug mit dem Gleitschirm unternommen und Freunde oder Kollegen begleitet oder betreut, sondern einen Speedrider getestet. Es sei nicht zu erkennen, inwieweit der Speedridingversuch eine dem Unternehmen dienende Tätigkeit gewesen sei.
Der Widerspruch wurde mit Widerspruchsbescheid vom 12. Oktober 2012 zurückgewiesen.
Dagegen hat der Kläger durch seine Prozessbevollmächtigten am 31. Oktober 2012 Klage zum Sozialgericht Augsburg erheben lassen. Der Kläger habe ab Winter 2009 Speedriding anbieten und deswegen auf der Reise das zukünftige Training und die Schulungsmöglichkeiten erproben und das notwendige Ausbildungskonzept dafür erarbeiten wollen. Die Reise habe der Aus- und Fortbildung langjähriger Flugschüler gedient. Der Versicherungsschutz beginne bereits mit vorbereitenden Tätigkeiten für ein Unternehmen.
Klägerseits ist außerdem noch ein Plan für eine Aus- und Fortbildungsreise vom 18. bis 29. November 2008 in L. vorgelegt worden.
Das Gericht hat am 28. November 2013 die weiteren Teilnehmer der Reise als Zeugen vernommen. Im Wesentlichen haben die Zeugen angegeben, dass der Kläger individuelle Ausbildungspunkte mit ihnen absolvieren wollte, dass keiner den Unfall des Klägers beob-
achtet habe und dass bekannt war, dass der Kläger den Speedrider mitnehmen und vorführen wollte. Der Kläger selbst hat seinen Vortrag vertieft. Wegen der Einzelheiten wird auf die Niederschrift über den Beweisaufnahmetermin verwiesen.
Im Anschluss daran ist für den Kläger ergänzend ausgeführt worden, die Zeugen hätten bestätigt, dass es sich um eine Aus- und Fortbildungsreise gehandelt habe. Sie seien größtenteils über den Speedrider informiert gewesen und hätten von dem Test bzw. einer Vorführung durch den Kläger gewusst. Bevor der Kläger das Gerät vorführen könne, habe er es testen müssen. Damit sei ein Zusammenhang zu seiner unternehmerischen Tätigkeit gegeben gewesen.
Die Beklagte hat ergänzt, es habe eine reelle Möglichkeit gefehlt, den neuen Schirm in einer Flugschule gewinnbringend einzusetzen. Zudem habe der Kläger bei dem unfallbringenden Sprung keine Vorführung geplant gehabt, sondern den Speedrider für sich testen wollen.
Für den Kläger wird beantragt:
Der Bescheid der Beklagten vom 19. Juli 2012 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 12. Oktober 2012 wird aufgehoben und es wird festgestellt, dass der Unfall des Klägers vom 23. November 2008 ein Arbeitsunfall ist.
Für die Beklagte wird beantragt,
die Klage abzuweisen.
Zur Ergänzung des Tatbestands wird auf den Inhalt der Gerichts- und Behördenakten sowie die Niederschriften über die Termine am 28. November 2013 und am 18. März 2014 Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die Klage ist als kombinierte Anfechtungs- und Feststellungsklage gemäß § 54 Abs. 1 und § 55 Abs. 1 Nr. 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) zulässig.
Die Klage hat jedoch in der Sache keinen Erfolg.
Der Bescheid der Beklagten vom 19. Juli 2012 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 12. Oktober 2012 ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten. Denn der Kläger hat keinen Anspruch auf die Feststellung, dass er am 23. November 2008 einen Arbeitsunfall erlitten hat.
Nach § 8 Abs. 1 des Siebten Buches Sozialgesetzbuch – Gesetzliche Unfallversicherung – (SGB VII) sind Arbeitsunfälle Unfälle von Versicherten infolge einer den Versicherungsschutz nach §§ 2, 3 oder 6 SGB VII begründenden Tätigkeit (versicherte Tätigkeit). Unfälle sind zeitlich begrenzte, von außen auf den Körper einwirkende Ereignisse, die zu einem Gesundheitsschaden oder zum Tod führen.
Für einen Arbeitsunfall ist danach in der Regel erforderlich, dass die Verrichtung des Versicherten zur Zeit des Unfalls der versicherten Tätigkeit zuzurechnen ist (innerer bzw. sachlicher Zusammenhang), dass diese Verrichtung zu dem zeitlich begrenzten, von außen auf den Körper einwirkenden Ereignis – dem Unfallereignis – geführt hat (Unfallkausalität), und dass das Unfallereignis einen Gesundheitserstschaden oder den Tod des Versicherten verursacht hat (haftungsbegründende Kausalität). Das Entstehen von länger andauernden Unfallfolgen ist keine Voraussetzung für die Anerkennung eines Arbeitsunfalls, sondern für die Gewährung einer Verletztenrente (Bundessozialgericht – BSG -, Urteil vom 4. September 2007, B 2 U 28/06 R).
Der innere bzw. sachliche Zurechnungszusammenhang zwischen der versicherten Tätigkeit und der Verrichtung zur Zeit des Unfalls ist wertend zu ermitteln, indem untersucht wird, ob die jeweilige Verrichtung innerhalb der Grenze liegt, bis zu welcher der Versicherungsschutz in der gesetzlichen Unfallversicherung reicht (BSG, Urteil vom 13. Dezember 2005, B 2 U 29/04 R). Für die Beurteilung, ob die Verrichtung, bei der sich der Unfall ereignet hat, im sachlichen Zusammenhang mit der versicherten Tätigkeit stand, ist maßgebend, ob der Versicherte eine dem Beschäftigungsunternehmen dienende Tätigkeit ausüben wollte und ob diese Handlungstendenz durch die objektiven Umstände des Einzelfalls bestätigt wird. Zu prüfen ist, ob der Verletzte eine eigene Tätigkeit verrichtet hat, deren Ergebnisse dem Unternehmen und nicht ihm selbst unmittelbar zum Vorteil oder Nachteil gereichen sollten (vgl. BSG, Urteil vom 13. November 2012, B 2 U 27/11 R).
Eine Verrichtung ist jedes konkrete Handeln eines Verletzten, das (objektiv) seiner Art nach von Dritten beobachtbar und (subjektiv) – zumindest auch – auf die Erfüllung des Tatbestandes der jeweiligen versicherten Tätigkeit ausgerichtet ist. Diese auch als "Handlungstendenz" bezeichnete subjektive Ausrichtung des objektiven konkreten Handelns des Verletzten ist eine innere Tatsache. Wenn das beobachtbare objektive Verhalten allein noch keine abschließende Subsumtion unter den jeweiligen Tatbestand der versicherten Tätigkeit erlaubt, diese aber auch nicht ausschließt, kann die finale Ausrichtung des Handelns auf die Erfüllung des jeweiligen Tatbestandes, soweit die Intention objektiviert ist (sogenannte objektivierte Handlungstendenz), die Subsumtion tragen. Die bloße Absicht einer Tatbestandserfüllung (erst recht nicht eine niedrigere Vorsatzstufe) reicht hingegen nicht (BSG, Urteil vom 5. Mai 2012, B 2 U 8/11 R).
Nicht den Tatbestand einer versicherten Verrichtung erfüllen auch Handlungen, die als Vorbereitungshandlung oder Nachbereitungshandlung dazu ausgeführt werden, eine Verrichtung zu ermöglichen oder zu unterstützen, die ihrerseits erst den Tatbestand einer versicherten Tätigkeit erfüllt. Einen allgemeinen Versicherungstatbestand der "versicherten Vorbereitungshandlung" gibt es nicht (BSG, Urteil vom 13. November 2012, B 2 U 27/11 R).
Dabei müssen die versicherte Tätigkeit, der Unfall und die Gesundheitsschädigung im Sinn des Vollbeweises, also mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit, nachgewiesen werden. Für den ursächlichen Zusammenhang als Voraussetzung der Entschädigungspflicht, der nach der auch sonst im Sozialrecht geltenden Lehre von der wesentlichen Bedingung zu bestimmen ist, reicht grundsätzlich die "hinreichende" Wahrscheinlichkeit – nicht allerdings die bloße Möglichkeit – aus (BSG in SozR 3-2200 § 551 RVO Nr. 16, m. w. N.). Eine solche Wahrscheinlichkeit ist anzunehmen, wenn nach vernünftiger Abwägung aller Umstände den für den Zusammenhang sprechenden Faktoren ein deutliches Übergewicht zukommt, so dass darauf die richterliche Überzeugung gestützt werden kann (BSG, BSGE 45, 285; 60, 58). Hierbei trägt der Anspruchsteller, also die Klägerseite, die objektive Beweislast für die anspruchsbegründenden Tatsachen, d.h. deren etwaige Nichterweislichkeit geht zu ihren Lasten (vgl. BSG, Urteil vom 5. Februar 2008, B 2 U 10/07 R).
Nach diesen Grundsätzen stand der Kläger bei seiner zum Unfall führenden Verrichtung, dem Flugversuch mit dem Speedrider, am 23. November 2008 nicht unter dem Schutz der gesetzlichen Unfallversicherung.
Zur Überzeugung des Gerichts steht fest, dass der Kläger am 23. November 2008 ein Schädel-Hirn-Trauma erlitten hat, das auch zu stationären Behandlungen bis Ende Januar 2009 geführt hat. Das ergibt sich insbesondere aus dem Bericht des Hospitals in G. und dem Entlassungsbericht der Fachklinik E. über den Reha-Aufenthalt vom 18. Dezember 2008 bis 29. Januar 2009.
Ferner steht für das Gericht fest, dass die anderen Teilnehmer der Reise nach L. zum Teil wussten, dass der Kläger seinen Speedrider dabei hatte und auch testen und vorführen wollte. Nicht erwiesen ist für das Gericht aber, dass zumindest einigen Teilnehmern bekannt war, dass der Kläger am 23. November 2008 den Speedrider testen und vorführen wollte. Weiter sieht das Gericht es auch nicht als erwiesen an, dass der Kläger bei seinem unfallbringenden Flugversuch mit dem Speedrider eine Vorführung vor den Reiseteilnehmern geplant hatte. Schließlich geht das Gericht davon aus, dass Speedriding zum damaligen Zeitpunkt ganz überwiegend als Wintersportart angesehen und betrieben wurde.
Dieser Sachverhalt ergibt sich zur vollen Überzeugung des Gerichts aus den Angaben des Klägers im Verwaltungs- und Gerichtsverfahren und den Aussagen der im Termin am 28. November 2013 vernommenen Zeugen. Das Gericht sieht keinen Anlass, am Wahrheitsgehalt der Zeugenaussagen zu zweifeln. Mit Ausnahme der Zeugin B. ist demnach allen Zeugen bekannt gewesen, dass der Kläger seinen Speedrider auf die Reise nach L. mitnehmen und testen wollte. Allerdings hat kein Zeuge den Unfall beobachtet und es wusste auch niemand, dass der Kläger am 23. November 2008 dieses Sportgerät vorführen wollte. Ferner hat nur die Zeugin B. ein gewisses Interesse an dem Gerät bekundet. Im Übrigen haben alle Zeugen ausgesagt, dass auf der Reise nach L. Aus- bzw. Fortbildungseinheiten mit dem Kläger durchgeführt wurden bzw. werden sollten und dass sie deswegen – mit Ausnahme des Zeugen S.M. – an der Reise teilgenommen haben.
Soweit der Kläger über seinen bisherigen Vortrag hinaus in der mündlichen Verhandlung am 18. März 2014 erstmals vorgetragen hat, er habe den unfallbringenden Flug zum Zweck der Vorführung des Speedriders unternommen, ist das für das Gericht nicht glaubhaft. Der Kläger hat dies bisher in Bezug auf diesen konkreten Flug nicht angegeben und konnte auch nicht nachvollziehbar erläutern, warum er diesen Umstand erst jetzt nach jahrelangem Verfahren und bei anwaltlicher Vertretung und Beratung vorgebracht hat. Der Verweis darauf, er sei bisher nicht danach gefragt worden, überzeugt nicht. Dass es sich hierbei um einen wichtigen Umstand handeln könnte, musste auch dem Kläger längst klar gewesen sein.
Aufgrund dieser Umstände handelte es sich beim unfallbringenden Flugversuch am 23. November 2008 um keine wesentlich betriebsdienliche Tätigkeit. Vielmehr stellte es eine unversicherte Vorbereitungshandlung dar. Das folgt daraus, dass der Kläger damit keine unmittelbar versicherte Handlung ausgeführt hat. Denn Versicherungsschutz bestand nur für seine bisher ausgeübte Tätigkeit als Gleitschirm- und Drachfluglehrer. Bei der Sportart Speedriding handelt es sich zwar nach dem Bekunden des Klägers auch um eine Form des Gleitschirmfliegens. Allerdings wird und wurde diese, so hat es der Kläger selbst weiter angegeben, ganz überwiegend, nämlich zu etwa 90%, mit Skiern und als Wintersportart betrieben. Seine Überlegung ging ja auch dahin, mit dem Speedriding seine unternehmerische Tätigkeit auf neue geschäftliche Felder zu erstrecken. Auch wenn einem Unternehmer in der Position des Klägers zuzubilligen ist, dass er neue Sportgeräte bzw. Sportarten natürlich hinsichtlich möglicher Geschäftschancen ins Auge fassen kann, so ist dem Gericht bei normativer Betrachtung dennoch die Verbindung zur versicherten Tätigkeit noch zu vage, als dass bereits Versicherungsschutz angenommen werden könnte. Bei der unfallbringenden Verrichtung ist eine Motivation des Klägers dahin, dass er eine Vorführung mit dem Ziel, die Reiseteilnehmer für den Speedrider zu begeistern, unternehmen wollte. Denn er wusste nicht, ob und dass diese ihn sehen können, und er musste andererseits sogar wissen, dass kaum ein Teilnehmer Interesse am Speedriding hatte. Es bleibt also nur, dass der Kläger den Speedrider für sich testen wollte. Diesbezüglich kann aber nicht von einer konkreten der versicherten unternehmerischen Tätigkeit dienenden Handlung gesprochen werden, weil der Test nicht unter den Bedingungen stattfand, unter denen der Speedrider – aus damaliger Sicht – geschäftlich ganz überwiegend genutzt hätte werden können. Auch damals galt Speedriding als Wintersportart, die zu 90% als solche betrieben wurde und bei der mit Skiern geflogen wird. Für diese Art des Gleitschirmfliegens waren somit nach dem Dafürhalten des Gerichts die Bedingungen am Unfallort in L. alles andere als realistisch. Daher finden sich nicht genügend objektivierbare Anhaltspunkte dafür, dass der Kläger mit seinen Überlegungen und Aktivitäten bereits ein Stadium erreicht hatte, das schon als versichert angesehen werden könnte. Vielmehr bewegten sich die auf einen geschäftlichen Betrieb des Speedridings bezogenen Tätigkeiten des Klägers noch im Vorbereitungsstadium.
Daher ist die Klage abzuweisen.
Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 183, 193 SGG.
Erstellt am: 31.03.2014
Zuletzt verändert am: 31.03.2014