I. Die Klage wird abgewiesen.
II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
Tatbestand:
Der Kläger begehrt die Feststellung, dass er einen Arbeitsunfall erlitten hat.
Der 1968 geborene Kläger nahm ab 18. November 2009 wegen eines Abhängigkeitssyndroms an einer Rehabilitationsmaßnahme in der Fachklinik H. teil. Träger der Maßnahme war die Deutsche Rentenversicherung Schwaben. Am 7. März 2010 stürzte der Kläger auf dem Parkplatz der Klinik und zog sich dabei ausweislich des Berichts des Durchgangsarztes vom 17. März 2010 eine sogenannte Weber B-Fraktur am linken Sprunggelenk zu, die osteosynthetisch versorgt wurde.
Gegenüber der Beklagten gab der Kläger an, am 5. März 2010 habe auf Anraten der Ärzte ein Paargespräch mit seiner Frau und ihm stattgefunden. Am Unfalltag habe er seine Frau wieder nach Hause gebracht und sei anschließend in die Klinik zurückgefahren. Auf dem Weg von seinem Auto zum Klinikgebäude habe sich dann auf dem schneeverwehtem Parkplatz der Sturz ereignet.
Die Fachklinik H. bestätigte später, dass vom behandelnden Arzt ein Paargespräch für notwendig gehalten wurde und am 5. März 2010 stattgefunden hatte. Dafür habe der Kläger seine Frau abholen müssen. Auch das Zurückbringen der Ehefrau sei genehmigt worden.
Die Beklagte lehnte mit Bescheid vom 17. Mai 2010 die Anerkennung als Arbeitsunfall ab. Zum Unfallzeitpunkt habe der Kläger sich bei einer stationären Kurmaßnahme befunden. Die versicherte Tätigkeit bestehe somit grundsätzlich darin, sich zur Durchführung der medizinischen Behandlung im Gefahrenbereich der Heilbehandlungsstätte aufzuhalten und bei der Durchführung der Behandlung mitzuwirken. Mithin seien Verrichtungen umfasst, die der Behandlung dienlich seien. Eigenwirtschaftliche Tätigkeiten seien dagegen nicht versichert. Dazu zähle das Heimfahren der Ehefrau als Ausfluss der ehelichen Lebensgemeinschaft.
Mit dem Widerspruch wurde geltend gemacht, das Paargespräch sei angeordnet worden. Der Kläger habe seine Frau wieder nach Hause gebracht. Für die Ehefrau sei es ungünstig gewesen, mit dem Zug zu fahren. Versichert sei auch das Zurücklegen des Weges.
Mit Widerspruchsbescheid vom 26. August 2010 wies die beklagte Berufsgenossenschaft den Widerspruch zurück. Unbestritten habe während des Paargesprächs Versicherungsschutz bestanden. Beim Heimbringen der Ehefrau handle es sich dagegen um eine eigenwirtschaftliche Tätigkeit. Auch die Genehmigung durch die Klinik ändere daran nichts, weil nicht sämtliche Aktivitäten unter dem Schutz der gesetzlichen Unfallversicherung stünden.
Dagegen hat der Kläger durch seine Prozessbevollmächtigten am 28. September 2010 Klage zum Sozialgericht Augsburg erhoben. Unfallversicherungsrechtlich geschützt sei auch das Zurücklegen des mit der versicherten Tätigkeit zusammenhängenden Weges. Das Paargespräch habe in Zusammenhang mit der Behandlung gestanden. Es sei unverständlich, dass der Wochenendaufenthalt nicht unter dem Schutz der gesetzlichen Unfallversicherung stehen solle.
Im Erörterungstermin am 29. November 2010 hat der Kläger den Ablauf des Wochenendes vor dem Unfall erläutert und angegeben, eine frühere Heimfahrt sei wegen schlechter Wetterverhältnisse nicht möglich gewesen.
Die Beteiligten sind zu einer Entscheidung durch Gerichtsbescheid gehört worden.
Für den Kläger wird beantragt:
Der Bescheid der Beklagten vom 17. Mai 2010 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 26. August 2010 wird aufgehoben und es wird festgestellt, dass der Unfall des Klägers am 7. März 2010 ein Arbeitsunfall ist.
Für die Beklagte wird beantragt,
die Klage abzuweisen.
Zur Ergänzung des Tatbestands wird auf den Inhalt der Gerichts- und Behördenakten sowie die Niederschrift über den Erörterungstermin am 29. November 2010 Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Das Gericht macht von der Möglichkeit einer Entscheidung durch Gerichtsbescheid Gebrauch. Die Beteiligten sind dazu angehört worden, der Sachverhalt ist geklärt und die Sache weist keine besonderen tatsächlichen oder rechtlichen Schwierigkeiten auf, § 105 Abs. 1 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG).
Die Klage ist als kombinierte Anfechtungs- und Feststellungsklage gemäß § 54 Abs. 1 und § 55 Abs. 1 Nr. 1 SGG zulässig.
Die Klage hat aber in der Sache keinen Erfolg.
Der Bescheid der Beklagten vom 17. Mai 2010 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 26. August 2010 ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten. Denn bei dem Unfall des Klägers am 7. März 2010 handelt es sich nicht um einen Arbeitsunfall.
Nach § 8 Abs. 1 des Siebten Buches Sozialgesetzbuch – Gesetzliche Unfallversicherung – (SGB VII) sind Arbeitsunfälle Unfälle von Versicherten infolge einer den Versicherungsschutz nach §§ 2, 3 oder 6 SGB VII begründenden Tätigkeit (versicherte Tätigkeit). Unfälle sind zeitlich begrenzte, von außen auf den Körper einwirkende Ereignisse, die zu einem Gesundheitsschaden oder zum Tod führen.
Für einen Arbeitsunfall ist danach in der Regel erforderlich, dass die Verrichtung des Versicherten zur Zeit des Unfalls der versicherten Tätigkeit zuzurechnen ist (innerer bzw. sachlicher Zusammenhang), dass diese Verrichtung zu dem zeitlich begrenzten, von außen auf den Körper einwirkenden Ereignis – dem Unfallereignis – geführt hat (Unfallkausalität), und dass das Unfallereignis einen Gesundheitserstschaden oder den Tod des Versicherten verursacht hat (haftungsbegründende Kausalität). Das Entstehen von länger andauernden Unfallfolgen ist keine Voraussetzung für die Anerkennung eines Arbeitsunfalls, sondern für die Gewährung einer Verletztenrente (Bundessozialgericht – BSG, Urteil vom 4. September 2007, B 2 U 28/06 R; Urteil vom 27. April 2010, B 2 U 11/09 R).
Der innere bzw. sachliche Zurechnungszusammenhang zwischen der versicherten Tätigkeit und der Verrichtung zur Zeit des Unfalls ist wertend zu ermitteln, indem untersucht wird, ob die jeweilige Verrichtung innerhalb der Grenze liegt, bis zu welcher der Versicherungsschutz in der gesetzlichen Unfallversicherung reicht (Bundessozialgericht – BSG, Urteil vom 13. Dezember 2005, B 2 U 29/04 R).
Versicherungsschutz gemäß § 2 Abs. 1 Nr. 15 Buchstabe a SGB VII i.V.m. § 8 Abs. 2 SGB VII:
Nach § 2 Abs. 1 Nr. 15 Buchstabe a SGB VII sind Personen versichert, die auf Kosten einer Krankenkasse oder eines Trägers der gesetzlichen Rentenversicherung oder einer landwirtschaftlichen Alterskasse stationäre, teilstationäre oder ambulante Leistungen zur Rehabilitation erhalten. Die gesetzliche Qualifikation des Erhaltens einer Behandlung oder einer Leistung als versicherte Tätigkeit dient dem Zweck, Versicherte gegen drohende Gesundheitsgefahren aus der Behandlung, an der mitzuwirken sie verpflichtet sind (§§ 60 ff. des Ersten Buches Sozialgesetzbuch), zu schützen. Darüber hinaus sollen sie gegen die Gefahren geschützt sein, die entstehen, weil sie sich in eine besondere Einrichtung begeben müssen und dort überwiegend anderen Risiken ausgesetzt sind als zu Hause. Die versicherte Tätigkeit umfasst danach das Entgegennehmen der Behandlung sowie die Handlungen, die Versicherte vornehmen, um die Behandlung entweder zu erhalten oder an ihrer Durchführung mitzuwirken, soweit sie sich dabei im Rahmen der ärztlichen Anordnung halten (BSG, Urteil vom 27. April 2010, B 2 U 11/09 R). Versicherungsschutz besteht daher bei allen Verrichtungen, die der Rehabilitand im inneren Zusammenhang mit der stationären oder teilstationären Behandlung vornimmt und die dem Zweck der Heilbehandlung dienlich sind. Dienlich ist jede Maßnahme, die am Rehabilitationszweck ausgerichtet ist. Tätigkeiten, die wesentlich allein privaten, von der Behandlung unabhängigen Interessen dienen, sind dagegen nicht vom Versicherungsschutz umfasst. Dies betrifft etwa alltägliche Verrichtungen wie Schlafen, Essen oder Trinken. Versicherungsschutz bei rein eigenwirtschaftlichen Verrichtungen kommt nur in Betracht, wenn für den Unfall besondere, gerade mit dem Aufenthalt in der fremden Umgebung verbundene Gefahren wirksam geworden sind (vgl. HessLSG, Urteil vom 24. Oktober 2006, L 3 U 114/06).
Auch der Weg zu und von dem Ort, an dem der Betreffende die Rehabilitationsleistungen erhält, kann versichert sein, wenn es eine der versicherten Tätigkeit vor- oder nachgelagerte Tätigkeit ist und sie zu der eigentlichen Rehamaßnahme in einer mehr (z.B. bei Betriebswegen) oder weniger engen Beziehung (z.B. Weg zur versicherten Tätigkeit) steht (vgl. BSG, Urteil vom 7. September 2007, B 2 U 24/06 R).
Demzufolge bestand kein Versicherungsschutz, als der Kläger am 7. März 2010 auf dem Parkplatz der Fachklinik H. gestürzt ist.
Zwar nahm der Kläger seit dem 18. November 2009 an einer stationären Behandlungsmaßnahme des Rentenversicherungsträgers teil, die sich grundsätzlich auch über das Wochenende erstreckt, soweit dies in der Klinik verbracht wird. Im Zeitpunkt des Unfalls erhielt der Kläger aber keine Rehabilitationsleistung und war auch nicht auf dem Weg zur nächsten Maßnahme (was als Betriebsweg zu qualifizieren wäre).
Infrage kommt daher allein, ein Unfall auf dem Weg zum Ort der versicherten Tätigkeit. Dies scheitert aber daran, dass die Wochenendheimfahrt wesentlich aus eigenwirtschaftlichen Zwecken erfolgt ist. Dem Wochenende voraus ging zwar das Paargespräch am Freitag, dem 5. März 2010, an dem auch die Ehefrau des Klägers teilgenommen hat. Dieses Gespräch fand auch auf Anraten bzw. auf Wunsch der behandelnden Ärzte des Klägers statt, so dass es als der Behandlung dienlich anzusehen ist. Dass es der Kläger übernommen hat, seine Frau und seinen Sohn dazu selbst abzuholen und wieder nach Hause zurückzubringen, quasi den Fahrdienst zu leisten, ist aber davon zu trennen. Denn der Behandlung dienlich war allein die Anwesenheit der Ehefrau, nicht aber das Hin- und wieder Zurückbringen durch den Kläger. Die Gründe für diesen Fahrdienst sind allein im privaten Bereich zu sehen, nämlich darin, dass aufgrund der Arbeitszeiten und der schlechten Zugverbindungen vom Wohnort der Ehefrau des Klägers zur Klinik keine Anreise mit dem Zug möglich war und dass der Frau des Klägers keine andere Transportmöglichkeit zur Verfügung stand.
Daran ändert auch die Genehmigung der Fahrten bzw. die Sondererlaubnis dafür durch die Klinik nichts. Diese war nämlich lediglich deswegen erforderlich, weil sich der Rehabilitand bei stationären Maßnahmen üblicherweise nicht ohne Erlaubnis aus der Einrichtung entfernt und für das betreffende Wochenende an sich keine Heimfahrt des Klägers vorgesehen war. Auch wollte die Familie des Klägers das Wochenende in der Klinik verbringen. Letzteres ist im Übrigen ein weiterer Aspekt, der den eigenwirtschaftlichen Charakter der Aktivitäten nach dem Paargespräch am 5. März 2010 belegt: Das Wochenende wurde zusammen mit der Familie verbracht und nicht weiteren Behandlungen gewidmet. Dass deswegen die Rückkehr der Ehefrau des Klägers am 7. März 2010 erfolgte, liegt vor allem daran – mögen auch schlechte Witterungsverhältnisse mit hereingespielt haben.
Nach den Angaben des Klägers im Erörterungstermin hat der Kläger die Heimfahrt am Sonntag auch nicht mehr dazu genutzt, frische Kleidung zu holen. Somit können die Hin- und die Rückfahrt am 7. März 2010 auch nicht als Familienheimfahrt im Sinn des § 8 Abs. 2 Nr. 4 SGB VII gewertet werden.
Versicherungsschutz als "Wie-Beschäftigter" nach § 2 Abs. 2 SGB VII:
Die Verrichtung des Fahrdienstes für seine Ehefrau und seinen Sohn am Unfalltag kann nicht als sogenannte Wie-Beschäftigung des Klägers angesehen werden, weil seine Tätigkeit wesentlich von der familiären Beziehung geprägt war. Alleine deswegen hat der Kläger es unternommen, seine Ehefrau zu dem Gespräch in der Klinik zu holen und wieder nach Hause zurückzubringen.
Insgesamt ist daher unter keinem Gesichtspunkt ein Versicherungsschutz des Klägers bei dem Unfall am 7. März 2010 zu begründen.
Daher ist die Klage abzuweisen.
Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 183, 193 SGG
Erstellt am: 04.01.2011
Zuletzt verändert am: 04.01.2011