I. Die Klage wird abgewiesen.
II. Die Klägerin hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.
III. Die Berufung wird zugelassen.
IV. Der Streitwert wird auf 9.141,39 EUR festgesetzt.
Tatbestand:
Die Klägerin fordert von der Beklagten eine weitere Zahlung für die stationäre Behandlung eines Versicherten.
Der bei einem Unfallversicherungsträger in Tschechien versicherte O.S. (Versicherter) verunfallte am 3. April 2008 bei einer betrieblichen Fahrt auf der BAB 8 mit seinem Kleinlaster. Er wurde am selben Tag in dem von der Klägerin betriebenen Krankhaus über den Schockraum stationär aufgenommen. Es wurden eine offene Kniegelenksluxationsfraktur rechts bei Weichteilschaden, eine Fraktur des Femurkondylus lateralis rechts bei Weichteilschaden, eine distale Radiusfraktur rechts, ein stumpfes Bauchtrauma und eine Risswunde am rechten Augenlid diagnostiziert. Der Kläger erhielt einen Oberschenkelfixateur, es erfolgte die Kondylenaufrichtung, die Naht der Risswunde am Auge und die sonographische Kontrolle des Abdominaltraumas. Nach vier Tagen wurde der Kläger auf die Normalstation verlegt. Schließlich wurde er am 17. April 2008 in das Militäruniversitätskrankhaus (UVN) in P. verlegt.
Die Klägerin forderte mit Rechnung vom 2. Mai 2008 für die stationäre Behandlung des Versicherten 22.917,49 EUR von der Klägerin. Den größten Rechnungsposten bildete die DRG I02A mit 22.411,39 EUR.
Der von der Beklagten befragte Beratungsarzt äußerte allerdings unter dem 10. November 2008 Zweifel an der Berechtigung der DRG I02A und hielt überdies wegen der Unterschreitung der mittleren Verweildauer aufgrund der Verlegung nach P. einen Verlegungsabschlag für angezeigt. Es ergebe sich ein Rechnungsbetrag von 7.945,84 EUR.
Nachdem die Klägerin ihrerseits dazu Einwände vorgebracht hatte, ergab eine weitere beratungsärztliche Stellungnahme, dass die DRG I02A zu akzeptieren sei. Der Verlegungsabschlag sei aber gerechtfertigt, weil er letztlich den Minderaufwand darstellen solle. Damit sei ein Rechnungsbetrag von 13.776,10 EUR zu bezahlen.
Die Beklagte teilte daraufhin der Klägerin mit Schreiben vom 14. April 2009 mit, dass die Rechnung auf 13.776,10 EUR gekürzt worden sei und dieser Betrag überwiesen werde.
Die Klägerin forderte die Beklagte sodann mit Schreiben vom 1. Juli 2009 zur abschlagsfreien Bezahlung des noch offenen Rechnungsbetrags von 9.141,39 EUR bis 22. Juli 2009 auf.
Nach weiteren Mahnungen hat die Klägerin durch ihre Prozessbevollmächtigte am 4. Dezember 2012 Klage zum Sozialgericht Augsburg erhoben. Die Beklagte sei nicht berechtigt gewesen, den Rechnungsbetrag um einen Verlegungsabschlag zu kürzen. Die Regelung zum Verlegungsabschlag nach § 3 der Fallpauschalenvereinbarung 2008 (FPV 2008) umfasse nicht den Fall einer Verlegung in ein ausländisches Krankenhaus. Das Ziel, fehlsteuernde Anreize für eine zu frühe Verlegung weitgehend auszuschließen, könne dann nicht erreicht werden. Ferner ist auf Urteile des LSG Hessen und des SG Freiburg verwiesen worden.
Die Beklagte hat erwidert, Kostenträger sei letztlich der tschechische Sozialversicherungsträger Vseobecna zdrevotni pojistovna Ceske Republiky. Die Beklagte werde auf europarechtlicher Grundlage lediglich für dessen Rechnung tätig. Das übersehe die Klägerin. Auch sollten die Abschläge dazu führen, dass Leistungen nur dort bezahlt würden, wo sie anfielen. Ansonsten bestünde die Gefahr von Doppelzahlungen. Das hinter dem Abrechnungssystem für Krankenhausleistungen stehende System sei bei Verlegungen ins Ausland oder auch in berufsgenossenschaftliche Kliniken nicht relevant. Es könnten nicht Leistungen in Rechnung gestellt werden, die nicht erbracht worden seien.
Für die Klägerin wird beantragt:
Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin für die stationäre Behandlung des Versicherten C. im Zeitraum vom 3. April 2008 bis zum 17. April 2008 einen weiteren Betrag in Höhe von 9.141,39 EUR nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 23. Januar 2009 zu zahlen.
Für die Beklagte wird beantragt,
die Klage abzuweisen.
Zur Ergänzung des Tatbestands wird auf den Inhalt der Gerichts- und Behördenakten
sowie den Inhalt der Niederschrift über die mündliche Verhandlung Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die Klage ist zulässig, in der Sache hat sie aber keinen Erfolg.
Die Klägerin hat gegen die Beklagte wegen der Behandlung des Versicherten vom 3. bis 17. April 2008 keinen weiteren Zahlungsanspruch.
Der von der Klägerin gegenüber der Beklagten geltend gemachte Anspruch auf Zahlung von weiteren 9.141,39 EUR für die stationäre Behandlung des Versicherten vom 3. bis 17. April 2008 gemäß der Rechnung des Klinikums vom 2. Mai 2008 kann sich nur aus öffentlich-rechtlicher Geschäftsführung ohne Auftrag ergeben. Allgemeine vertragliche Beziehungen zwischen der Klägerin und der Beklagten über die Vergütung stationärer Behandlungen von Versicherten bestehen nicht, insbesondere ist die Klägerin nicht am Vertrag Ärzte/UV-Träger beteiligt und es gilt auch das krankenversicherungsrechtliche Regelungsregime nicht (entsprechend). Durch die stationäre Aufnahme des Versicherten, auch wenn er auf Veranlassung eines Durchgangsarztes eingewiesen worden sein sollte, ist ebenfalls keine vertragliche Beziehung zustande gekommen (vgl. zum Ganzen BSG, Urteil vom 12. Januar 2010, B 2 U 28/08 R).
Dass die von der Klägerin durchgeführte stationäre Behandlung des Versicherten wegen seines Arbeitsunfalls vom 3. April 2008 erforderlich war, ist weder von den Beteiligten infrage gestellt worden noch hat das Gericht daran sonst Zweifel.
Der für die Behandlung geforderte Rechnungsbetrag von 22.917,49 EUR ist durch die Beklagte bereits in Höhe von 13.776,10 EUR beglichen worden. Das ergibt sich aus dem Schreiben der Beklagten vom 14. April 2009, mit dem eine baldige Zahlung in dieser Höhe zugesagt wurde. Die Klägerin hat auch nicht vorgetragen, diese Zahlung sei nicht erfolgt. Daher nimmt das Gericht Erfüllung der Forderung in Höhe von 13.776,10 EUR an.
Ein darüber hinausgehender Anspruch der Klägerin aufgrund der stationären Behandlung des Versicherten im April 2008 besteht nicht, so dass die Beklagte den Anspruch vollumfänglich erfüllt hat. Die Beklagte durfte nämlich die geforderte Summe von 22.917,49 EUR um die hier noch streitigen 9.141,39 EUR kürzen.
Ob die Kürzung der Rechnung der Klägerin hier alleine nach § 3 Abs. 1 FPV 2008 vorgenommen werden konnte, d.h. ob die FPV 2008 überhaupt im Rahmen der Krankenhausbehandlung Unfallversicherter anzuwenden ist, kann offen bleiben. Die Beklagte hat sich jedenfalls auf eine Abrechnung nach dem Fallpauschalensystem eingelassen. Eine Berufung auf dessen etwaige Nichtanwendbarkeit wäre daher treuwidrig und somit unzulässig.
Dass und wie die Beklagte die Kürzung unter Anwendung von § 3 Abs. 1 FPV 2008 vorgenommen hat, ist jedenfalls nicht zu beanstanden. Die Regelung sieht vor, dass bei einer Verlegung in ein anderes Krankenhaus vom verlegenden Krankenhaus ein Abschlag vorzunehmen ist, wenn die im Fallpauschalen-Katalog ausgewiesene mittlere Verweildauer unterschritten wird. Die Klägerin hat hier eine Behandlung nach Ziffer I02A (Gewebe-/ Hauttransplantation, außer an der Hand, mit komplizierenden Prozeduren, Eingriff an mehreren Lokalisationen oder mit schwerem Weichteilschaden, mit äußert schwerem CC) des bei Beginn der streitgegenständlichen Krankenhausbehandlung geltenden Fallpauschalen-Katalogs G-DRG 2008 durchgeführt und abgerechnet. Das ist nach dem Dafürhalten des Beratungsarztes der Beklagten auch nicht zu beanstanden. Daher und angesichts der vorliegenden ärztlichen Unterlagen, namentlich des Entlassberichts vom 10. April 2008, hält das Gericht es für zutreffend, dass die Klägerin ihrer Rechnung die DRG I02A zugrunde gelegt hat.
Die G-DRG 2008 sahen für die Ziffer I02A allerdings eine mittlere Verweildauer von 42,7 Tagen vor. Dieser Zeitraum ist mit der stationären Behandlung vom 3. bis 17. April 2008, also über nur 15 Belegungstage, infolge der anschließenden Verlegung in das Prager Krankenhaus deutlich unterschritten worden. Damit war gemäß § 3 Abs. 1 FPV 2008 ein Abschlag in der von der Beklagten zutreffend errechneten Höhe von 9.141,39 EUR vorzunehmen.
Die Anwendung von § 3 Abs. 1 FPV 2008 war auch nicht ausgeschlossen, weil die Verlegung in ein ausländisches Krankenhaus erfolgt ist. Soweit die Klägerin dazu Urteile übersandt hat, betreffen diese zum einem nicht den Bereich der gesetzlichen Unfallversicherung und zum anderen nicht den hiesigen Fall einer Verlegung in das Ausland. Das Gericht vermag der klägerischen Argumentation, bei einer Verlegung in das Ausland sei kein Verlegungsabschlag nach § 3 Abs. 1 FPV 2008 vorzunehmen, nicht zu folgen. Insbesondere ist nämlich in diesem Fall zu sehen, dass das Argument, bei Beteiligung eines ausländischen Krankenhauses sei das Gesamtfinanzierungssystem der Krankenhäuser nicht betroffen, fehlgeht. Vorliegend ist schlussendlicher Kostenträger aller Behandlungskosten des tschechischen Versicherten gemäß Artikel 36 Abs. 2, Artikel 41 Abs. 1 i.V.m. Artikel 35 der Verordnung (EG) Nr. 884/2004 (EG) Nr. 883/2004 allein der zuständige tschechische Unfallversicherungsträger Vseobecna zdrevotni pojistovna Ceske Republiky. Für diesen besteht auch bei einem grenzüberschreitenden Sachverhalt die Gefahr, für Behandlungskosten mehrfach aufkommen zu müssen, falls mehrere Krankenhäuser – wie hier – einen Versicherten behandeln und jeweils das Entgelt für eine vollständige Behandlung abrechnen würden. Diese Gefahr eine Doppel- bzw. Mehrfachzahlung realisierte sich ganz konkret, wenn die Klägerin die Fallpauschale nach G-DRG 2008 I02A ohne Abschlag beanspruchen könnte. Für die weitere Behandlung des Versicherten im Militärkrankenhaus in P. ab dem 17. April 2008 – die bei Annahme der mittleren Verweildauer von 42,7 Tagen sogar noch den deutlich größeren Teil ausgemacht haben dürfte – sind nämlich ebenfalls zu übernehmende Kosten angefallen. Deswegen kann die für den Bereich der Krankenversicherung vertretene Einschränkung des § 3 Abs. 1 FPV 2008 nicht auf den Bereich der Behandlung Unfallversicherter übertragen werden.
Hinzu kommt, dass § 683 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) als Rechtsgrundlage für den Anspruch der Klägerin auch für eine Orientierung an den tatsächlichen Aufwendungen der Klägerin spricht. Damit wäre es nicht vereinbar, der Klägerin durch den Ausschluss eines Verlegungsabschlags eine Vergütung für nicht erbrachte Leistungen zuzubilligen. Die Klägerin hatte für die Behandlung des Versicherten weniger Aufwendungen zu erbringen, als sie der Kalkulation der Vergütung für die DRG I02A ohne Unterschreitung der mittleren Verweildauer zugrunde gelegt wurden. Dieser Minderaufwand muss sich auch in einer geringeren Vergütung niederschlagen. Überdies verlangt auch Artikel 62 der Verordnung (EU) Nr. 987/2009 eine Kostenerstattung vornehmlich basierend auf dem tatsächlichen Aufwand. Um dem gerecht zu werden und den tatsächlichen Aufwand besser abzubilden, darf von einem Verlegungsabschlag nach § 3 Abs. 1 FPV 2008 nicht abgesehen werden. Der tatsächliche Aufwand der Klägerin für die 15tätige Behandlung des Versicherten war deutlich geringer als von der DRG I02A pauschalierend vorgesehen. Dem wird über den Abzug von 9.141,39 EUR zutreffend Rechnung getragen.
Daher ist die Klage abzuweisen.
Ohne dass es noch entscheidungserheblich ist, meint das Gericht im Übrigen nicht, dass die Zinsforderung bereits ab 23. Januar 2009 bestünde. Angesichts der mit Schreiben der Klägerin vom 1. Juli 2009 für den streitgegenständlichen Betrag eingeräumten Zahlungsfrist bis 22. Juli 2009, könnte wohl erst ab 23. Juli 2009 Verzug der Beklagten eingetreten sein.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a Abs. 1 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) i.V.m. § 54 Abs. 1 der Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO).
Soweit ersichtlich, sind Fragen der Vornahme eines Verlegungsabschlags für den Bereich des Rechts der Unfallversicherung noch nicht ober- oder höchstrichterlich geklärt. Daher wird die Berufung gemäß § 144 Abs. 2 SGG zugelassen.
Die Streitwertfestsetzung richtet sich nach § 197a Abs. 1 SGG i.V.m. § 52 Abs. 3 des Gerichtskostengesetzes (GKG). Zugrunde gelegt wird der von der Klägerin geforderte streitige Betrag; der geltend gemachte Zinsanspruch ist wegen § 43 Abs. 1 GKG nicht zu berücksichtigen.
Erstellt am: 17.12.2013
Zuletzt verändert am: 17.12.2013