I. Die Klage wird abgewiesen.
II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
Tatbestand:
Streitig ist, ob der Unfall des Klägers am 26. Juli 2008 ein Arbeitsunfall ist.
Der 1967 geborene Kläger ist geschäftsführender Gesellschafter eines Bauunternehmens. Als solcher hat er sich bei der Beklagten als Unternehmer versichert. Am 26. Juli 2008 begab sich der Kläger mit seiner Familie zum Gelände der Firma H., deren damaliger Geschäftsführer der Zeuge W. war. Er wollte mit diesem über die geplante Erweiterung des Firmenparkplatzes sprechen. An diesem Tag veranstaltete die Firma H. einen Tag der offenen Tür, bei dem auch ein Hubschrauberrundflug angeboten wurde. Nach Gesprächen mit dem W. nahm der Kläger zusammen mit seiner Ehefrau und drei seiner Kinder an einem Rundflug teil. Der Helikopter stürzte jedoch kurz nach dem Start ab. Der Kläger zog sich dabei verschiedene Verletzungen zu.
Die Beklagte lehnte eine Anerkennung als Arbeitsunfall mit Bescheid vom 3. September 2009 ab. Es liege kein Zusammenhang mit der versicherten Tätigkeit vor. Beim Absturz des Hubschraubers habe kein Versicherungsschutz bestanden, weil es sich um eine eigenwirtschaftliche Tätigkeit gehandelt habe. Ob der Kläger danach weitere Geschäftsgespräche führen wollte, sei unerheblich. Derartige Rundflüge seien nicht üblich im Rahmen von geschäftlichen Beziehungen.
Im Widerspruch wurde geltend gemacht, der Kläger habe die Veranstaltung allein deswegen besucht, um einen geschäftlichen Auftrag zu erhalten. Dafür sei auch die Beurteilung der Persönlichkeit des Klägers wichtig gewesen. Hätte der Kläger an dem Hubschrauberrundflug nicht teilgenommen, hätte er nicht den Erwartungen an einen erfolgreichen und mutigen Unternehmer entsprochen.
Die beklagte Berufsgenossenschaft wies den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 15. Dezember 2009 zurück. Bei der Teilnahme an einer privaten Veranstaltung komme ein Zusammenhang mit der unternehmerischen Tätigkeit nur dann in Betracht, wenn geschäftliche Dinge erkennbar im Vordergrund stünden, wobei allein die Anwesenheit eines Geschäftspartners nicht ausreiche. Es könne auch dahinstehen, ob der Kläger nach dem Rundflug noch weitere Gespräche führen wollte.
Dagegen hat der Kläger durch seine Prozessbevollmächtigte am 21. Januar 2010 Klage zum Sozialgericht Augsburg erhoben. Der Kläger sei vom Zeugen W. ausdrücklich zum Tag der offenen Tür eingeladen worden, um mit ihm die Vergabe eines neuen Auftrags zu besprechen. Nur deswegen habe der Kläger die Veranstaltung besucht. Der Kläger habe intensiv mit dem Zeugen W. über die Auftragsvergabe verhandelt. Dieser habe ihn dann aufgefordert, im Rahmen einer kurzen Unterbrechung der Gespräche am Hubschrauberrundflug teilzunehmen. Der Kläger wollte dies eigentlich ablehnen, weil es ihm viel zu gefährlich erschienen sei. Für die Erlangung des Auftrags sei jedoch offensichtlich auch die Bewertung der Persönlichkeit des Klägers von Bedeutung gewesen. Der Kläger habe daher letztlich keine andere Wahl gehabt als an dem Rundflug teilzunehmen. Den Auftrag habe der Kläger in der Folgezeit dann auch erhalten. Die Teilnahme am Hubschrauberflug sei damit erkennbar einem geschäftlichen Interesse gewidmet gewesen.
Das Gericht hat in der mündlichen Verhandlung am 17. Mai 2010 den Zeugen W. zu den Umständen des Unfalls des Klägers vernommen. Wegen der Einzelheiten wird auf die Niederschrift über die mündliche Verhandlung verwiesen.
Die Prozessbevollmächtigte des Klägers beantragt:
Der Bescheid der Beklagten vom 3. September 2009 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 15. Dezember 2009 wird aufgehoben und es wird festgestellt dass der Unfall des Klägers vom 26. Juli 2008 ein Arbeitsunfall ist.
Für die Beklagte wird beantragt,
die Klage abzuweisen.
Zur Ergänzung des Tatbestands wird auf den Inhalt der Gerichts- und Behördenakten sowie die Niederschrift über die mündliche Verhandlung vom 17. Mai 2010 Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die zulässige Klage hat in der Sache keinen Erfolg.
Der Bescheid der Beklagten vom 3. September 2009 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 15. Dezember 2009 ist rechtmäßig. Denn der Kläger hat keinen Anspruch auf Feststellung eines Arbeitsunfalls.
Nach § 8 Abs. 1 des Siebten Buches Sozialgesetzbuch – Gesetzliche Unfallversicherung – (SGB VII) sind Arbeitsunfälle Unfälle von Versicherten infolge einer den Versicherungsschutz nach §§ 2, 3 oder 6 begründenden Tätigkeit (versicherte Tätigkeit). Unfälle sind zeitlich begrenzte, von außen auf den Körper einwirkende Ereignisse, die zu einem Gesundheitsschaden oder zum Tod führen. § 8 Abs. 2 Nr. 1 SGB VII regelt, dass auch das Zurücklegen des mit der versicherten Tätigkeit zusammenhängenden unmittelbaren Weges nach und von dem Ort der Tätigkeit versichert ist.
Für einen Arbeitsunfall ist danach in der Regel erforderlich, dass die Verrichtung des Versicherten zur Zeit des Unfalls der versicherten Tätigkeit zuzurechnen ist (innerer bzw. sachlicher Zusammenhang), dass diese Verrichtung zu dem zeitlich begrenzten, von außen auf den Körper einwirkenden Ereignis – dem Unfallereignis – geführt hat (Unfallkausalität), und dass das Unfallereignis einen Gesundheitserstschaden oder den Tod des Versicherten verursacht hat (haftungsbegründende Kausalität). Das Entstehen von länger andauernden Unfallfolgen ist keine Voraussetzung für die Anerkennung eines Arbeitsunfalls, sondern für die Gewährung einer Verletztenrente (BSG, Urteil vom 4. September 2007, B 2 U 28/06 R).
Der innere Zusammenhang ist wertend zu ermitteln, indem untersucht wird, ob die jeweilige Verrichtung innerhalb der Grenze liegt, bis zu welcher der Versicherungsschutz in der gesetzlichen Unfallversicherung reicht. Innerhalb dieser Wertung stehen bei der Frage, ob der Versicherte zur Zeit des Unfalls eine versicherte Tätigkeit ausgeübt hat, Überlegungen nach dem Zweck des Handelns mit im Vordergrund. Maßgeblich ist die Handlungstendenz des Versicherten, so wie sie insbesondere durch die objektiven Umstände des Einzelfalles bestätigt wird. Dabei helfen allgemeine Überlegungen zu einer "Unternehmensdienlichkeit" des Verhaltens des Versicherten zur Zeit des Unfalls nicht weiter. Gerade bei versicherten Unternehmern ist der Kreis der Verrichtungen, die als unternehmensdienlich angesehen werden können, mit weiten Teilen des Privatlebens verwoben; maßgebliches Kriterium für die wertende Entscheidung über den sachlichen Zusammenhang zwischen der grundsätzlich versicherten Tätigkeit und der Verrichtung zur Zeit des Unfalls ist hier die durch die objektiven Umstände gestützte Handlungstendenz des Versicherten, ob er eine seinem Unternehmen dienende Verrichtung ausüben wollte (BSG, Urteil vom 18. März 2008, B 2 U 2/07 R).
Gemessen hieran stand der Kläger bei seiner zum Unfall führenden Verrichtung nicht unter dem Schutz der gesetzlichen Unfallversicherung, so dass kein versicherter Arbeitsunfall im Sinn des § 8 Abs. 1 SGB VII vorliegt.
Als freiwillig versicherter Unternehmer war der Kläger gemäß § 6 Abs. 1 Nr. SGB VII grundsätzlich gegen Arbeitsunfälle versichert. Allerdings war er im Zeitpunkt des Unfalls, der Teilnahme am Rundflug, keiner versicherten Tätigkeit nachgegangen.
Dieser Beurteilung liegt folgender Sachverhalt zu Grunde: Der Kläger hatte zusammen mit seiner Familie am 26. Juli 2008 vormittags das Gelände der Firma H. aufgesucht, um dort mit deren damaligem Geschäftsführer, dem Zeugen W., über einen Auftrag zur Erweiterung des Firmenparkplatzes der Firma H. zu sprechen. Zwischen den Firmen des Klägers und des Zeugen W. bestanden bereits zuvor geschäftliche Beziehungen. So hatte die Firma des Klägers bereits einige Jahre zuvor kleinere Bauarbeiten für die Firma H. ausgeführt. Am Unfalltag veranstaltete die Firma H. einen Tag der offenen Tür, wobei Hubschrauberrundflüge eine spezielle Attraktion darstellten. Zu diesem Ereignis hatte der Zeuge W. verschiedene Geschäftspartner, Kunden und Lieferanten mit sogenannten VIP-Karten eingeladen. Darunter auch der Kläger mit seiner Familie. Der Kläger unterhielt sich einige Zeit mit dem Zeugen W., der zugleich sein Cousin ist, über die mögliche Umsetzung des Bauvorhabens. Im Laufe des Gesprächs bot der Zeuge W. dem Kläger und seiner Familie kostenlose Karten für einen Hubschrauberrundflug an. Das lehnte der Kläger aber ab. Er kaufte vielmehr selbst für sich und seine Familie Karten. Der Kläger hatte den Eindruck, sich gegenüber dem Zeugen W. als zupackender und entschlossener Geschäftspartner beweisen zu müssen. Deswegen wollte er an dem Rundflug teilnehmen. Dem Zeugen W. kam es bei seiner Entscheidung über den Auftrag nicht darauf an, ob der Kläger an dem Rundflug teilnimmt oder nicht. Allerdings hatte er den Eindruck dass der Kläger nicht als der ältere und ängstlichere der beiden Cousins dastehen wollte. Der Zeuge W. erteilte dem Kläger den Auftrag nicht gleich, weil er seine Entscheidung nochmals in Ruhe überdenken wollte. Der Kläger musste mehrere Stunden warten, bis sein Flug stattfinden sollte. In dieser Zeit hielt er sich mit seiner Familie auf dem Gelände der Firma H. auf, aß und sprach auch noch einige Male mit dem Zeugen W. Schließlich unternahm der Kläger zusammen mit seiner Frau und drei seiner Kinder am Nachmittag den Hubschrauberrundflug. Als der Hubschrauber kurz nach dem Start verunglückte, zog sich der Kläger verschiedene Verletzungen zu. Im Laufe der Woche nach dem Unfall erteilte der Zeuge W. dem Kläger den Auftrag, weil der Preis und die von der Firma des Klägers angebotene Qualität ihn überzeugten.
Dieser Sachverhalt steht zur Überzeugung des Gerichts fest aufgrund der übereinstimmenden Aussagen des Klägers und des Zeugen W. in der mündlichen Verhandlung am 17. Mai 2010. Für das Gericht sind keine Umstände ersichtlich, welche Zweifel an der Glaubwürdigkeit der Aussagen wecken könnten.
Aufgrund des geschilderten Sachverhalts ergibt sich, dass der Kläger das diffuse Gefühl hatte, gegenüber dem Zeugen W. nicht zurückstehen zu wollen, und deswegen an dem Hubschrauberrundflug teilgenommen hat, obwohl ihm dies als ein gefährliches Unterfangen erschien. Es liegt aber nahe, dass den Kläger letztlich ein Bündel von Motiven zu der Teilnahme bewogen hat und nicht vornehmlich die Interessen seines Unternehmens. So besteht eine verwandtschaftliche Beziehung zwischen dem Kläger und dem Zeugen W. und der Kläger ist dann mit seiner Familie geflogen und hat dazu auch die nicht gerade günstigen Karten erworben. Daher geht das Gericht davon aus, dass die Handlungstendenz des Klägers im Unfallzeitpunkt eher nachrangig auf die Verfolgung geschäftlicher Interessen gerichtet war.
Darüber hinaus stützen auch die objektiven Umstände die Annahme einer Unternehmensdienlichkeit des Handelns nicht. Denn der Zeuge W. hat dem Kläger, jedenfalls bewusst, keinen Anlass zu der Annahme gegeben, von der Teilnahme hänge die Auftragserteilung ab. Dass der Kläger später den Auftrag erhalten hat, lag daran, dass der Zeuge W. die angebotene Qualität und den Preis für überzeugend hielt. Es wäre auch sehr ungewöhnlich gewesen, wenn derartige "Mutproben" Voraussetzung für den Erhalt geschäftlicher Aufträge wären. Dass Derartiges üblich wäre, haben auch weder der Kläger noch der Zeuge W. gesagt. Auch nach der Lebenserfahrung ist davon nicht auszugehen. Ferner ist die Durchführung eines Bauvorhabens sicherlich kein Geschäft, bei dem es in besonderer Weise auf die Entschlossenheit und den Mut des Unternehmers ankommt. Der Kläger hätte sich also jedenfalls in rein geschäftlicher Hinsicht leicht dem Rundflug entziehen können, ohne Nachteile für sein Unternehmen befürchten zu müssen. Dass er dies nicht getan hat, beruht auf der oben geschilderten Motivationslage. Diese war jedoch nicht wesentlich von Unternehmenszwecken geprägt.
In der Gesamtbewertung ergibt sich damit das Bild einer eigenwirtschaftlich geprägten Verrichtung im Zeitpunkt des Unfalls.
Unerheblich ist auch, dass der Kläger vor dem Rundflug geschäftliche Gespräche mit dem Zeugen W. geführt hat, also seiner versicherten Tätigkeit nachgegangen ist. Denn der Versicherungsschutz hat sich nicht auf die gesamte Teilnahme an der Veranstaltung erstreckt, sondern nur auf die Verrichtungen, die vornehmlich dem Unternehmenszweck gedient haben. Der Rundflug zählte dazu aber nicht.
Daher war die Klage abzuweisen.
Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 183, 193 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG). Ein Fall des § 197a SGG liegt – anders als bei der Entscheidung des Bundessozialgerichts vom 5. Februar 2008, B 2 U 3/07 R – nicht vor, da im Streit nicht die Unternehmer-, sondern die Versicherteneigenschaft steht.
Erstellt am: 08.06.2010
Zuletzt verändert am: 08.06.2010