I. Die Klage wird abgewiesen.
II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten um den Umfang der Auszahlung einer Verletztenrente.
Der 1973 geborene Kläger ist Beamter des Freistaats Bayern. Am 12. November 2008 erlitt er einen Unfall mit seinem Motorrad, als er als Vertreter der Gemeinde A-Stadt zu einer Sitzung eines Arbeitskreises der Regionalentwicklung unterwegs war. Der Durchgangsarzt diagnostizierte u.a. eine Rippenserienfraktur rechts, eine Lungenkontusion rechts, eine Clavicula- und Scapulafraktur, eine Aortenbogenverletzung und einen Bruch des Brustwirbelkörpers 9 mit Hinterkantenbeteiligung. Der Kläger wurde im Klinikum B-Stadt stationär behandelt, wobei eine Stenprothese implantiert wurde und sich eine Plegie des rechten Armes zeigte.
Mit Bescheid vom 9. März 2009 erkannte der Beklagte den Unfall als Arbeitsunfall an und gewährte dem Kläger Pflegegeld.
Vom Dienstherrn des Klägers wurde dem Beklagten mitgeteilt, dass die ruhegehaltfähigen Dienstbezüge des Klägers am Unfalltag sich auf insgesamt 3.120,03 EUR belaufen.
Anfang Mai 2009 erfolgte die Neurolyse und Teilrekonstruktion des supra- und infraclaviculären Plexus rechts. Die komplette motorische Plexusläsion rechts bestand allerdings unverändert fort. Ab 22. März 2010 wurde dem Kläger wieder Arbeitsfähigkeit bescheinigt.
Im Gutachten vom 21. April 2010 ging der Chirurg Dr. K. von einer Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) von 100 v.H. für einen Totalausfall des Plexus brachialis rechts, eine deutliche Verschmächtigung der Armmuskulatur, eine deutliche Verformung der Brustwirbelsäule und Implantation einer Stentprothese bei traumatischer Aortenisthmusruptur aus. In dem von Dr. B. erstellten neurologischen Zusatzgutachten vom 7. Mai 2010 wurde die MdE für den Plexus-Totalausfall mit 75 v.H. eingeschätzt. Dr. K. nahm schließlich eine Gesamt-MdE von 100 v.H. an.
Darauf gestützt bewilligte der Beklagte dem Kläger mit Bescheid vom 25. August 2010 Rente als vorläufige Entschädigung nach einer MdE von 100 v.H. ab 22. März 2010. Die Vollrente betrage 2.130,15 EUR; sie werde anteilig in Höhe des Unfallausgleichs in Höhe der Grundrente nach § 31 des Bundesversorgungsgesetzes (BVG) gezahlt. Es ergab sich ein monatlicher Zahlbetrag von 646 EUR.
Im Widerspruch wurde geltend gemacht, die Beschränkung der Verletztenrente auf den Unfallausgleich sei nicht gerechtfertigt, weil dem Kläger bei einem außerdienstlichen Unfall nicht "sonst" Unfallfürsorge zustehe und die Regelung verfassungswidrig sei.
Der Beklagte wies den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 16. November 2010 zurück. Die unterschiedliche Behandlung von Beamten und Nichtbeamten sei nicht willkürlich, sondern solle Beamte hinsichtlich der Schäden aus einem Dienstunfall oder einem Arbeitsunfall gleichstellen. Daher sei die Gewährung der Rente in Höhe des Unfallausgleichs nicht zu beanstanden.
Dagegen hat der Kläger durch seine Prozessbevollmächtigten am 30. November 2010 Klage zum Sozialgericht Augsburg erhoben. Die vom Kläger ausgeübte Tätigkeit als Programmentwickler sei nicht originär hoheitlich, sie könne genauso gut durch einen Angestellten ausgeübt werden. Der Unfall des Klägers am 12. November 2008 habe mit seiner dienstlichen Tätigkeit nichts zu tun. Dem Kläger stehe deswegen nicht "sonst" Unfallfürsorge zu und es finde keine beamtenrechtliche Versorgung und somit keine Doppelversorgung statt. Auch sei der Kläger wohl Beamter im statusrechtlichen Sinn, nicht aber im Sinn des § 61 Abs. 1 des Siebten Buches Sozialgesetzbuch (SGB VII). Diese Vorschrift finde daher keine Anwendung. Darüber hinaus sei § 61 SGB VII verfassungswidrig, weil er gegen den allgemeinen Gleichheitssatz nach Art. 3 Abs. 1 des Grundgesetzes (GG) verstoße, indem Beamte und Angestellte ohne Rechtfertigung unterschiedlich behandelt würden. Denn der Kläger erhalte keine gleichwertige Kompensation für die Unfallschäden. Zudem verstoße die Regelung gegen das Eigentumsgrundrecht aus Art. 14 Abs. 1 GG. Ansprüche aus der Unfallversicherung sollten eine ausschließlich dem Berechtigten zugeordnete, privatnützige Position verschaffen. Daher sei auch unschädlich, dass die Beiträge zur gesetzlichen Unfallversicherung ausschließlich vom Arbeitgeber aufgebracht würden.
Die Beteiligten sind zu einer Entscheidung durch Gerichtsbescheid gehört worden.
Für den Kläger wird beantragt (sinngemäß):
Der Beklagte wird unter Abänderung seines Bescheids vom 25. August 2010 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 16. November 2010 verurteilt, dem Kläger ab 22. März 2010 wegen der Folgen seines Arbeitsunfalls vom 12. November 2010 Verletztenrente als vorläufige Entschädigung in Höhe von 2.130,15 EUR monatlich zu bewilligen.
Für die Beklagte wird beantragt,
die Klage abzuweisen.
Zur Ergänzung des Tatbestands wird auf den Inhalt der Gerichts- und Behördenakten Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Das Gericht macht von der Möglichkeit einer Entscheidung durch Gerichtsbescheid Gebrauch. Die Beteiligten sind dazu angehört worden, der Sachverhalt ist geklärt und die Sache weist keine besonderen tatsächlichen oder rechtlichen Schwierigkeiten auf, § 105 Abs. 1 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG).
Die zulässige Klage hat in der Sache keinen Erfolg.
Der Bescheid des Beklagten vom 25. August 2010 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 16. November 2010 ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten. Denn der Kläger hat keinen Anspruch auf Bewilligung einer höheren Verletztenrente.
Der Anspruch auf Verletztenrente richtet sich nach § 56 Abs. 1 Satz 1 des Siebten Buches Sozialgesetzbuch – Gesetzliche Unfallversicherung – (SGB VII) und setzt voraus, dass die Erwerbsfähigkeit des Versicherten infolge eines Versicherungsfalls über die 26. Woche nach dem Versicherungsfall hinaus um wenigstens 20 v.H. gemindert ist. Wie Absatz 2 bestimmt, richtet sich die MdE nach dem Umfang der sich aus der Beeinträchtigung des körperlichen und geistigen Leistungsvermögens ergebenden verminderten Arbeitsmöglichkeiten auf dem gesamten Gebiet des Erwerbslebens. Weiter regelt § 56 Abs. 3 SGB VII, dass bei Verlust der Erwerbsfähigkeit Vollrente und bei einer MdE Teilrente geleistet wird, die in der Höhe des Vomhundertsatzes der Vollrente festgesetzt wird, der dem Grad der MdE entspricht. Die Vollrente beträgt dabei zwei Drittel des Jahresarbeitsverdienstes.
Für die Höhe der auszuzahlenden Rente ist somit nach dem Regelungsregime des SGB VII neben der MdE der Jahresarbeitsverdienst als Berechnungsgrundlage maßgeblich. Bei der erstmaligen Festsetzung der Rente richtet sich dessen Berechung nach den §§ 82 bis 89 SGB VII. Als Jahresarbeitsverdienst von Personen, denen sonst Unfallfürsorge nach beamtenrechtlichen Vorschriften zusteht, gilt nach § 82 Abs. 4 Satz 1 SGB VII der Jahresbetrag der ruhegehaltsfähigen Dienstbezüge, die der Berechnung eines Unfallruhegehalts zugrundezulegen wären.
Außerdem bestimmt § 61 Abs. 1 Satz 1 SGB VII, dass Renten von Beamten, die nach § 82 Abs. 4 SGB VII berechnet werden, nur insoweit gezahlt werden, als sie die Dienst- oder Versorgungsbezüge übersteigen; den Beamten verbleibt die Rente jedoch mindestens in Höhe des Betrages, der bei Vorliegen eines Dienstunfalls als Unfallausgleich zu gewähren wäre.
§ 61 Abs. 1 SGB VII will die Fälle erfassen, in denen ein aktiver Beamter einen Versicherungsfall in der Gesetzlichen Unfallversicherung erleidet, also z.B. – wie hier – der Unfall bei einer außerdienstlichen Tätigkeit eingetreten ist. Dem Beamten muss wegen des Unfalls ein Rentenanspruch aus der gesetzlichen Unfallversicherung zukommen, er darf wegen desselben Unfalls gerade keinen Anspruch auf Unfallfürsorge nach beamtenrechtlichen Vorschriften haben, auch wenn – und dies meint das Wort "sonst" in dem in Bezug genommenen § 82 Abs. 4 Satz 1 SGB VII – er für Dienstunfälle Unfallfürsorge durch den Dienstherrn erhalten würde. Denn mit § 61 SGB VII soll eine ungerechtfertigte Überhöhung von Bezügen vermieden werden, indem Beamte, die bei einer außerdienstlichen Tätigkeit einen Unfall erlitten haben, mit denen gleichgestellt werden, die einen Dienstunfall erlitten haben. Für den letzteren Fall sehen nämlich die beamtenrechtlichen Regelungen vor, dass die Versorgungsbezüge, wozu auch die Unfallfürsorge zählt, nur anteilig bis zu einer gewissen Höhe gezahlt werden (siehe etwa § 53 BeamtVG). Gleiches soll für den umgekehrten Fall erreicht werden, wenn der Beamte wegen eines Arbeitsunfalls Verletztenrente von einem Unfallversicherungsträger erhält (vg. Lauterbach, Unfallversicherung, SGB VII, § 61 Rz. 4 ff.; Bereither-Hahn/Mehrtens, Gesetzliche Unfallversicherung, § 61 Rz. 2 ff.).
Demnach ist § 61 Abs. 1 SGB VII auf den Kläger anzuwenden, weil er aktiver Beamter im Dienst des Freistaats Bayern war und ist und einen Unfall erlitten hat, der als Arbeitsunfall anerkannt wurde und für den der Beklagte Verletztenrente zu leisten hat.
Der Einwand des Klägers, § 61 SGB VII finde keine Anwendung, weil er kein Beamter in diesem Sinn sei, geht fehl. Denn wie oben erläutert stellt § 61 SGB VII darauf ab, dass ein aktives Dienstverhältnis als Beamter besteht, aus dem ein Anspruch auf Unfallfürsorge resultiert. Dieser hängt gerade vom Bestehen eines statusrechtlichen Beamtenverhältnisses ab. Daher ist konsequenterweise auch im SGB VII kein anderer Beamtenbegriff anzuwenden, sondern es ist die statusrechtliche Stellung als Beamter maßgeblich, und es kommt mithin nicht darauf an, ob die Tätigkeit des Klägers auch von einem nichtverbeamteten Beschäftigten ausgeübt werden könnte – zumal dies lediglich besagen würde, dass die Tätigkeit nicht hoheitlich ist, was aber einer Ausübung durch Beamte nicht entgegenstehen würde.
Weiter hat sich der hier relevante Arbeitsunfall des Klägers vor dem Inkrafttreten des Gesetzes zum neuen Dienstrecht in Bayern vom 5. August 2010 (GVBl S. 410) am 1. Januar 2011 ereignet, welches im Freistaat Bayern auch das Beamtenversorgungsgesetz ersetzt hat (Art. 117 des Bayerischen Beamtenversorgungsgesetzes – GVBl 2010 S. 528). Damit wäre im Sinn des § 82 Abs. 4 Satz 1 SGB VII das Beamtenversorgungsgesetz (BeamtVG) maßgeblich gewesen. Nach dessen §§ 30 ff. hätte der Kläger wegen eines Dienstunfalls Anspruch auf Unfallfürsorge gehabt. Der Berechnung eines Unfallruhegehalts wäre der Jahresbetrag der Bezüge nach § 5 Abs. 1 BeamtVG zugrundezulegen gewesen. Dieser Betrag beläuft sich ausweislich der Mitteilung des Landesamtes für Finanzen vom 6. März 2009 auf 3.120,03 EUR monatlich. Dass dieser Betrag fehlerhaft berechnet worden ist, ist weder vorgetragen noch sonst ersichtlich.
Da die Dienstbezüge des Klägers am Unfalltag den Betrag der vollen Verletztenrente von 2.130,15 EUR überstiegen, verbleibt ihm die Verletztenrente nur in Höhe des Unfallausgleichs. Dieser bemisst sich hier gemäß § 35 Abs. 1 BeamtVG i.V.m. § 31 Abs. 1 bis 3 des Bundesversorgungsgesetzes (BVG) und beläuft sich somit auf 646 EUR monatlich. Diesen Betrag hat der Beklagte dem Kläger auch bewilligt.
Der Beklagte hat mit dem angefochtenen Bescheid somit zutreffend berechnet, in welchem Umfang dem Kläger ab 22. März 2010 die ihm wegen der Folgen seines Arbeitsunfalls vom 12. November 2008 zustehende Verletztenrente auszuzahlen ist.
Eine Verfassungswidrigkeit von § 61 SGB VII oder von dessen Anwendung ist nicht ersichtlich. Zum einen wird geltend gemacht, die Bestimmung verstoße gegen den allgemeinen Gleichheitssatz aus Art. 3 Abs. 1 des Grundgesetzes (GG). Mit § 61 SGB VII soll der Anschluss an die Regelungen im Beamten- und Versorgungsrecht hergestellt werden, wie oben bereits dargestellt. Der Beamte, der einen Arbeitsunfall erlitten hat, soll demjenigen gleichgestellt werden, der einen Dienstunfall erlitten hat. Sofern daraus eine unterschiedliche Behandlung von Beamten und Nichtbeamten resultiert, ist dies hinzunehmen. Beamte werden anders als Nichtbeamte nach dem Alimentationsprinzip versorgt und erhalten keine Vergütung. Deshalb ist es legitim, wenn der Dienstherr auch die Alimentation beim Zusammentreffen von Dienstbezügen und anderen Einkommen wie Verletztenrenten beschränkt, um eine ungerechtfertigte Überhöhung der Bezüge zu verhindern. Auch erhalten Beamte regelmäßig – wie auch hier – nach einem Unfall ihre vollen Bezüge weiter, so dass sie keine wirtschaftlichen Einbußen erleiden (vgl. Lauterbach, a.a.O.; Bereither-Hahn/Mehrtens, a.a.O.). Somit liegt ein vernünftiger, sich aus der Sache ergebender Grund für ein unterschiedliche Behandlung vor und keine willkürliche Ungleichbehandlung, die Art. 3 Abs. 1 GG verletzten könnte. Diesbezüglich wird auch auf das Urteil des Bundessozialgerichts vom 27. August 1981, 2 RU 41/79, verwiesen, das eine Gleichheitswidrigkeit der mit § 61 SGB VII inhaltsgleichen Vorgängernorm, § 576 der Reichsversicherungsordnung, verneint. Umstände, die nun zu einer anderen Beurteilung führen müssten, sind nicht ersichtlich.
Zum anderen wird vom Kläger eine Verletzung des Eigentumsgrundrechts aus Art. 14 Abs. 1 GG gerügt. Dies würde aber voraussetzen, dass der Rentenanspruch des Klägers von Art. 14 Abs. 1 GG geschützt ist. Das ist schon deshalb nicht der Fall, weil der Anspruch – anders als etwa ein Anspruch auf Rente aus der gesetzlichen Rentenversicherung – nicht durch eigene Beiträge erworben wurde. Zudem ist der Kläger nicht existenziell auf die Verletztenrente angewiesen, da er daneben seine vollen Dienstbezüge erhält. Auch beschränkt § 61 SGB VII den Umfang des Anspruchs auf Verletztenrente, so dass jedenfalls von einer nach Art. 14 Abs. 1 Satz 2 GG zulässigen Inhalts- und Schrankenbestimmung auszugehen wäre. Dass diese Regelung unverhältnismäßig wäre, ist nicht ersichtlich. Denn es ist in jedem Fall sichergestellt, dass dem Versicherten ein nicht unerheblicher Betrag der Verletztenrente verbleibt.
Auch anderweitig ist kein Verstoß des § 61 SGV VII gegen höherrangiges Recht erkennbar.
Nachdem das Gericht keine Zweifel an der Verfassungsmäßigkeit der entscheidungserheblichen gesetzlichen Vorschriften hat, kommt das von der Klägerseite angeregte Normenkontrollverfahren nach Art. 100 GG nicht infrage.
Daher ist die Klage abzuweisen.
Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 183, 193 SGG.
Erstellt am: 02.02.2011
Zuletzt verändert am: 02.02.2011