I. Die Klage wird abgewiesen.
II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
Tatbestand:
Zwischen den Beteiligten sind die Folgen eines Arbeitsunfalls und deren Entschädigung durch Heilbehandlung und Verletztengeld streitig.
Der 1986 geborene Kläger befand sich am 14. September 2007 mit seinem Pkw auf dem Weg von seiner Arbeitsstätte nach Hause, als ihm ein anderer Wagen von hinten auffuhr. Am Folgetag begab sich der Kläger zum Durchgangsarzt (D-Arzt) im Klinikum B-Stadt. Dieser fand einen Schmerz im Bereich des linken Knies und des rechten Hüftgelenks, jedoch keine äußeren Verletzungsspuren. Der D-Arzt diagnostizierte eine Kniegelenksprellung links; Arbeitsunfähigkeit bescheinigte er nicht. Gegenüber der Polizei gab der Kläger noch an, es habe kein Anstoßen an die Kopfstütze gegeben, aber einen starken Ruck von hinten. Abends am 15. September 2007 suchte der Kläger außerdem die HNO-Klinik des B-Stadt Klinikums wegen dumpfen Hörens und Pfeifens im rechten Ohr auf. Dort wurde eine Contusio labyrinthi angenommen und eine Infusionsbehandlung mit Cortison eingeleitet.
Vom 9. bis 18. Oktober 2007 wurde der Kläger wegen einer Phlebotrombose des linken Beins stationär behandelt, nachdem noch am 6. Oktober 2007 eine Thrombose ausgeschlossen worden war. Bei der Thrombektomie wurde eine arterio-venöse Fistel (AV-Fistel) angelegt und der Kläger konnte mit einem Kompressionsstrumpf mobilisiert entlassen werden. Die AV-Fistel wurde nach einem erfolglosen Versuch im November 2007 schließlich Ende Dezember 2007 wieder entfernt. Dabei wurde nebenbefundlich ein Faktor-V-Leiden (FVL) festgestellt.
Auf Veranlassung der Beklagten begutachtete der Orthopäde Dr. G. den Kläger. Unter dem 26. März 2008 kam Dr. G. zu der Beurteilung, dass die Phlebothrombose nicht auf den Unfall zurückzuführen sei, weil weder der Unfall noch die anschließende unfallbedingte Behandlung den Blutstrom verlangsamt, eine Gefäßwand geschädigt oder die Blutzusammensetzung geändert hätten. Wesentliche Ursache der Thrombose sei die anlagebedingte Gerinnungsstörung. Unfallbedingte Behandlungsbedürftigkeit und Arbeitsunfähigkeit nahm Dr. G. bis zum 30. September 2007 an.
Dem folgend erkannte die Beklagte mit Bescheid vom 1. April 2008 unfallbedingte Behandlungsbedürftigkeit und Arbeitsunfähigkeit bis einschließlich 30. September 2007 an. Als Unfallfolge wurde eine folgenlos verheilte Prellung des linken Kniegelenks festgehalten, nicht aber die abgelaufene 4-Etagen-Phlebothrombose mit Narbenbildung am linken Bein.
Im Widerspruch wurde vorgetragen, die Thrombose sei nicht durch das FVL, sondern das Ruhigstellen des linken Beins infolge der Knieprellung verursacht worden.
Daraufhin gab die beklagte Berufsgenossenschaft das gefäßchirurgische Gutachten des Klinikums B-Stadt (Prof. Dr. W.) vom 25. Februar 2009 in Auftrag. Darin wurden eine chronisch-venöse Insuffizienz Stadium 1 und eine periphere arterielle Verschlusskrankheit Stadium 2a mit Verschluss der Aortis femoralis superficialis links festgestellt. Der Unfall vom 14. September 2007 sei hauptsächlich verantwortlich für das weitere Geschehen. Eine Ruhigstellung des linken Beins habe zwar nicht stattgefunden. Allerdings sei bei einem FVL das Thromboserisiko nach einem Minortrauma wie hier um das 10- bis 15-fache erhöht.
Der Beratungsarzt der Beklagten Dr. G. hielt unter dem 13. März 2009 den Verschluss der Arteria femoralis superficialis für eine Komplikation der operativen Behandlung der Venenthrombose. Darüber hinaus erhöhe bei einem FVL aber auch die Gabe von Cortison, die hier wegen des Hörsturzes erfolgt sei, das Thromboserisiko. Dr. G. empfahl eine HNO-ärztliche Begutachtung.
Prof. Dr. H., ebenfalls Beratungsarzt der Beklagten, schloss in seiner Stellungnahme vom 25. März 2009 eine unfallbedingte Entstehung der Thrombose aus. Die Behandlung des linken Beins habe nicht zu einer Blutstromverlangsamung geführt, weil nur eine Schonung stattgefunden habe, die nicht zu einer Minderdurchblutung führe. Eher sei die Cortisongabe geeignet gewesen, die Thrombosegefahr zu erhöhen.
Dazu wurde von der HNO-Klinik des Klinikums B-Stadt (Prof. Dr. Dr. B.) der Befundbericht vom 7. Oktober 2009 eingeholt. Demnach könne ein Hörsturz nicht nur durch ein Schädel-Hirn-Trauma, sondern auch durch Durchblutungsstörungen im Innenohr, wie sie bei Auffahrunfällen ausgelöst werden könnten, hervorgerufen werden. Es handle sich dabei um das sogenannte whiplash-injury-syndrom (Schleudertrauma). Diagnostiziert worden sei aber nicht ein Hörsturz, sondern eine Contusio labyrinthi, wobei es sich um eine durch eine ruckartige Bewegung des Kopfes oder durch sonstige Krafteinwirkung im Bereich des Kopfes verursachte Schädigung des vestibulocochleären Organes handle. Der Entstehungsmechanismus sei also die ruckartige Bewegung des Kopfes durch den Aufprall eines anderen Autos. Ein unfallbedingter Hörsturz müsse sich auch nicht sofort bemerkbar machen.
Dazu führte Prof. Dr. H. in seiner Stellungnahme vom 5. November 2009 aus, Voraussetzung für eine Contusio labyrinthi sei eine Schädelverletzung. Dies liege hier nicht vor. Das Beschwerdebild sei erst am Tag nach dem Unfall entstanden, isoliert bezüglich des rechten Ohres. Somit scheide eine unfallbedingte Hörsturzbildung oder Tinnitusbildung aus. Damit sei die Cortisonbehandlung unfallunabhängig.
Darauf gestützt wies die Beklagte den Widerspruch mit Widerspruchbescheid vom 30. November 2009 zurück. Durch das Unfallereignis sei die Durchblutung des linken Beines nicht beeinflusst worden. Ein Zusammenhang mit dem Unfall bestehe daher nicht.
Dagegen hat der Kläger durch seine Prozessbevollmächtigten am 23. Dezember 2009 Klage zum Sozialgericht Augsburg erhoben. Beim Unfall habe der Kläger sich das linke Knie geprellt. Später habe er wegen Schmerzen in den Ohren einen Arzt aufgesucht, woraufhin ein Hörsturz diagnostiziert und behandelt worden sei. Es werde verkannt, dass beim Alter des Klägers eine Thrombose allein wegen des FVL unwahrscheinlich sei. Vielmehr sei die Schonhaltung des linken Knies die wesentliche Ursache für die Thrombose. Die Thrombose sei auch zeitnah zum Unfall aufgetreten, während sich eine solche zuvor nie ausgebildet habe. Nach dem Gutachten von Prof. Dr. W. sei die Schonhaltung des linken Beines wesentlich ursächlich für die Thrombose gewesen. Damit sei die unfallbedingte Cortisonbehandlung wegen des Hörsturzes zusammengetroffen.
Das Gericht hat Befundberichte von dem Internisten Dr. E. und dem Hämatologen Dr. H. eingeholt. Anschließen sind die HNO-Ärztin Prof. Dr. C. und der Unfallchirurg Prof. Dr. D. mit der Erstattung von Gutachten beauftragt worden. Prof. Dr. C. hat in ihrem Gutachten vom 10. Juni 2010 angegeben, der Kläger sei seiner Erinnerung nach nirgends mit dem Kopf angeschlagen. Das Ohrgeräusch habe er erstmals am Tag nach dem Unfall bemerkt, eine eigentliche Hörminderung sei dem Kläger nicht aufgefallen. Bei der Untersuchung des Klägers am 7. Juni 2010 sind keine Ohrgeräusche vorhanden gewesen. Ein prozentualer Hörverlust ist ebenfalls nicht feststellbar gewesen. Nach dem Tonaudiogramm hat die maximale Hörminderung beidseits 20 dB bei 2 kHz betragen. Die Sachverständige hat als Ursache des Tinnitus am ehesten ein Halswirbelsäulen(HWS)-Schleudertrauma beim Unfall vermutet und diesen somit als unfallbedingt angesehen. Unfallbedingte Behandlungsbedürftigkeit wegen des Tinnitus hat sie für zehn Tage ab dem 15. September 2007 und unfallbedingte Arbeitsunfähigkeit bis 4. Oktober 2007 angenommen.
Prof. Dr. D. hat in seinem Gutachten vom 13. August 2010, ebenfalls basierend auf einer Untersuchung des Klägers am 7. Juni 2010, festgestellt, dass sich aktuell kein Hinweis auf eine symptomatische arterielle Durchblutungsstörung an den Beinen bei bekanntem Verschluss der Oberschenkelarterie gefunden hat. Bei Beurteilung der Röntgenaufnahmen hat er keinen Anhalt für eine Fraktur oder eine umschriebene ossäre Destruktion an der Halswirbelsäule erkennen können. Der Sachverständige hat eine Ruhigstellung des Beines wegen der Knieprellung links ausgeschlossen. Es sei nirgendwo beschrieben, dass der Kläger eine Orthese, einen Gips oder Gehstützen erhalten habe. Somit entfalle der Zusammenhang zwischen der Thrombose und der linken Knieprellung. Unstreitig, so Prof. Dr. D. weiter, sei aber, dass bei vorbestehendem FVL eine Cortisontherapie zu einem erhöhten Thromboserisiko führe. Schlussendlich sei diese Frage auf HNO-ärztlichem Gebiet zu beantworten. Jedoch sei das als mögliche Ursache angenommene HWS-Schleudertrauma nicht gegeben, da eine HWS-Distorsion nirgends beschrieben worden sei und auch nie Beschwerden in diesem Bereich angegeben worden seien. Andererseits sei der Unfallmechanismus gut geeignet, ein Schleudertrauma auszulösen. Aufgrund der fehlenden Symptomatik und der nicht beschriebenen Schmerzen sei eine HWS-Distorsion Grad 1 nicht nachzuweisen. Eine Zerrung der HWS führe ohnedies nicht zu einem Hörverlust oder einem Tinnitus. Auch ein Anpralltrauma des Schädels sei nicht nachgewiesen. Es bleibe daher festzuhalten, dass der Kläger durch den Heckanprall eine cervicocephale Beschleunigung (whiplash injury) erlitten habe. Zu einer HWS-Distorsion habe dies nicht geführt, auch nicht zu einer äußerlich sichtbaren Schädelverletzung wie einer Prellmarke oder Platzwunde. Prof. Dr. D. hat unter Zugrundelegung der HNO-ärztlichen Beurteilung durch Prof. Dr. C. als Unfallschaden eine Knieprellung links, eine posttraumatische 4-Etagen-Thrombose und nachfolgend eine arterielle Verschlusskrankheit des linken Beins und ein postthrombotisches Syndrom des linken Beins (chronisch-venöse Insuffizienz) angesehen. Unfallbedingte Arbeitsunfähigkeit habe bis 31. Januar 2008 bestanden.
Im Hinblick auf die Beurteilung im chirurgischen Gutachten hat Prof. Dr. C. in ihrer ergänzenden Stellungnahme vom 25. November 2010 ausgeführt, es gebe letztendlich keinen Beweis für ein durch ein HWS-Schleudertrauma bedingtes Ohrgeräusch. Zudem liege kein audiometrischer Befund vor, der einen Hörsturz belege. Für eine Commotio oder Contusio labyrinthi fehlten ebenfalls konkrete Unfallfolgen, da der Kläger angab, nirgends mit dem Kopf angestoßen zu sein. Auch dass die Ohrgeräusche nicht sofort, sondern erst am Folgetag bemerkt worden seien, spreche dafür, dass sie nicht infolge eines direkten Schädelaufpralles entstanden seien. Die Ohrgeräusche und eine mögliche vorübergehende Hörminderung seien damit nicht mit Wahrscheinlichkeit Folgen des Unfalls.
Auf Antrag des Klägers hat danach die HNO-Ärztin Prof. Dr. G. ihr Gutachten vom 18. Januar 2011 erstellt. Sie hat den Kläger am 28. Dezember 2010 untersucht und dabei eine geringfügige Hörminderung mit Maxima von 20 dB bei 2 kHz sowie einen Tinnitus beidseits bei 4 kHz festgestellt. Eine zentrale oder periphere Gleichgewichtsstörung hat sich nicht gefunden. Die Sachverständige hat ausgeführt, der Tinnitus sei mit Wahrscheinlichkeit unfallbedingt. Für seine Entstehung komme ein stumpfes Schädeltrauma, früher Contusio labyrinthi genannt, infrage, wobei die Stärke des Aufpralls nicht so wichtig sei wie die Lokalisation am Hinterkopf. Der Mechanismus entspreche dem bei einem Knalltrauma. Alternativ könne ein Tinnitus durch eine HWS-Beschleunigungsverletzung entstehen. Es werde hier eine Irritation des sympatischen Nervengeflechts vermutet. Es habe ein enger zeitlicher Zusammenhang zwischen dem Auftreten des Tinnitus und dem Unfall bestanden, wobei ein Intervall von ein oder zwei Tagen häufig vorkomme. Der Tinnitus liege in dem für eine traumatische Verursachung charakteristischen Frequenzbereich von 4 kHz und habe sich gut mit der Hörschwelle maskieren lassen. Als Ende der unfallbedingten Behandlungsbedürftigkeit und Arbeitsunfähigkeit hat Prof. Dr. G. den 1. Oktober 2007 angegeben.
Für den Kläger wird beantragt:
Unter Abänderung des Bescheids der Beklagten vom 1. April 2008 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 30. November 2009 wird festgestellt, dass die arterielle Verschlusskrankheit des linken Beines mit Verschluss der Aortis femoralis superficialis und chronisch-venöser Insuffizienz infolge einer 4-Etagen-Phlebothrombose des linken Beines sowie ein beidseitiger Tinnitus und ein Zustand nach Hörsturz weitere Folgen des Arbeitsunfalls des Klägers vom 14. September 2007 sind, und die Beklagte wird verurteilt, unfallbedingte Behandlungsbedürftigkeit und Arbeitsunfähigkeit über den 30. September 2007 hinaus anzuerkennen.
Für die Beklagte wird beantragt,
die Klage abzuweisen.
Zur Ergänzung des Tatbestands wird auf den Inhalt der Gerichts- und Behördenakten sowie auf die Niederschrift über die mündliche Verhandlung am 11. April 2011 Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die zulässige Klage hat in der Sache keinen Erfolg.
Der Bescheid der Beklagten vom 1. April 2008 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 30. November 2009 ist rechtmäßig. Denn der Kläger hat keinen Anspruch auf Anerkennung weiterer Unfallfolgen und keinen Anspruch auf Heilbehandlung oder Verletztengeld über den 30. September 2007 hinaus.
Nach § 8 Abs. 1 des Siebten Buches Sozialgesetzbuch – Gesetzliche Unfallversicherung – (SGB VII) sind Arbeitsunfälle Unfälle von Versicherten infolge einer den Versicherungsschutz nach §§ 2, 3 oder 6 SGB VII begründenden Tätigkeit (versicherte Tätigkeit). Unfälle sind zeitlich begrenzte, von außen auf den Körper einwirkende Ereignisse, die zu einem Gesundheitsschaden oder zum Tod führen. Für einen Arbeitsunfall ist danach grundsätzlich erforderlich, dass die Verrichtung des Versicherten zur Zeit des Unfalls der versicherten Tätigkeit zuzurechnen ist (sachlicher oder innerer Zusammenhang), diese Verrichtung zu dem zeitlich begrenzten, von außen auf den Körper einwirkenden Ereignis – dem Unfallereignis – geführt (Unfallkausalität) und das Unfallereignis einen Gesundheitserstschaden oder den Tod des Versicherten verursacht hat (haftungsbegründende Kausalität; vgl. BSG, Urteil vom 27. April 2010, B 2 U 11/09 R).
Als Voraussetzung für die Feststellung von Unfallfolgen und die Bewilligung von Leistungen müssen die versicherte Tätigkeit, der Unfall und die Gesundheitsschädigung im Sinn des Vollbeweises, also mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit, nachgewiesen werden. Der ursächliche Zusammenhang zwischen dem Unfall und einem Gesundheitsschaden bzw. der Arbeitsunfähigkeit als Voraussetzung der Entschädigungspflicht ist nach der auch sonst im Sozialrecht geltenden Lehre von der wesentlichen Bedingung zu bestimmen; dafür reicht grundsätzlich die "hinreichende" Wahrscheinlichkeit – nicht allerdings die bloße Möglichkeit – aus (BSG, Urteil vom 2. April 2009, B 2 U 29/07 R). Eine solche Wahrscheinlichkeit ist anzunehmen, wenn nach vernünftiger Abwägung aller Umstände den für den Zusammenhang sprechenden Faktoren ein deutliches Übergewicht zukommt, so dass darauf die richterliche Überzeugung gestützt werden kann (BSG, BSGE 45, 285; 60, 58). Hierbei trägt der Versicherte, also die Klägerseite, die objektive Beweislast für die anspruchsbegründenden Tatsachen, d.h. deren etwaige Nichterweislichkeit geht zu ihren Lasten (vgl. BSG, Urteil vom 5. Februar 2008, B 2 U 10/07 R).
Nach diesen Grundsätzen liegen keine weiteren Unfallfolgen vor oder sind Entschädigungsleistungen der Beklagten über den 30. September 2007 hinaus zu leisten.
Nach den vorliegenden ärztlichen Befunden und insbesondere den Darlegungen in den Gutachten der gerichtlichen Sachverständigen Prof. Dr. D. und Prof. Dr. C. geht das Gericht davon aus, dass der Unfall nur rechtlich wesentlich für die Prellung des linken Knies war.
Die Knieprellung links ist bereits vom D-Arzt am 15. September 2007 diagnostiziert worden und als Unfallfolge von der Beklagten anerkannt. Auch das Gericht hat keine Zweifel an der Unfallbedingtheit.
Die Thrombose mit der daraus resultierenden arteriellen Verschlusskrankheit des linken Beins und der chronisch-venösen Insuffizienz ist dagegen nicht mit Wahrscheinlichkeit rechtlich wesentlich durch den Unfall vom 14. September 2007 hervorgerufen worden. Angesichts des beim Kläger vorbestehenden FVL könnte – fasst man die Aussagen aller im Verwaltungs- und Gerichtsverfahren gehörten Gutachter zusammen – auf zwei Entstehungswegen ein Zusammenhang mit dem Unfall bestehen: Zum einen könnte eine Ruhigstellung des linken Beins infolge der Knieprellung links zur Entstehung der Thrombose geführt haben, zum anderen könnte die Cortisonbehandlung wegen der Hörstörung und der Ohrgeräusche dies verursacht haben.
Bezüglich der ersten Alternative, der Behandlung des linken Beins wegen der Knieprellung, geht Prof. Dr. D. davon aus, dass kein Zusammenhang bestehen kann, weil eine Ruhigstellung des Beines wegen der Knieprellung links ausgeschlossen ist. Es ist nirgendwo beschrieben, dass der Kläger eine Orthese, einen Gips oder Gehstützen erhalten hat. Dies hält das Gericht für eine schlüssige und nachvollziehbare Argumentation. Denn aufgrund der tatsächlichen Behandlung ist allenfalls eine gewisse Schonung des linken Beins denkbar. Da dies aber regelmäßig bei anderen, alltäglichen Lebensvorgängen vorkommt, ohne dass deswegen eine Thrombose entsteht – so auch beim Kläger, kann dies nicht genügen. Aufgrund dessen überzeugt auch der Verweis auf ein "Minortrauma" im gefäßchirurgischen Gutachten des Prof. Dr. W. vom 25. Februar 2009 nicht. Zudem ist weder klar, welche Art von Trauma gemeint ist und welches Ausmaß denn genügen soll, noch erfolgte eine konkrete Übertragung und Nachprüfung des möglichen Pathomechanismus bezogen auf den Fall des Klägers. Somit kann die unfallabhängige Knieprellung links und deren Behandlung nicht mit Wahrscheinlichkeit als Ursache der Thrombose angesehen werden.
Bleibt noch die Cortisonbehandlung wegen eines Hörsturzes bzw. einer Contusio labyrinthi und der Ohrgeräusche. Während das Auftreten eines Tinnitus am Tag nach dem Unfall fraglos feststeht, ist der Hörsturz bzw. die Contusio labyrinthi nicht zweifelsfrei gegeben. Denn – worauf Prof. Dr. C. hingewiesen hat – eine audiometrische Untersuchung ist in der HNO-Klinik am 15. September 2007 nicht vorgenommen worden. Die Diagnose Hörsturz lässt sich somit nicht im Vollbeweis belegen, weil entsprechende Befunde nicht erhoben worden sind. Auch die Diagnose Contusio labyrinthi oder stumpfes Schädeltrauma lässt sich zur Überzeugung des Gerichts nicht nachweisen. Zwar ist dies als Befund von der HNO-Klinik am 15. September 2007 vermerkt worden. Auch die Sachverständige Prof. Dr. G. geht hiervon aus, wobei sie insofern einen Anprall des Klägers mit dem Hinterkopf an die Kopfstütze seines Fahrzeugs zugrunde legt. Der HNO-ärztliche Befundbericht von Prof. Dr. Dr. B. vom 7. Oktober 2009 dagegen macht eine ruckartige Bewegung des Kopfes beim Heckaufprall oder eine sonstige Krafteinwirkung im Bereich des Kopfes für die Entstehung des Tinnitus verantwortlich. Zumindest die Annahme eines Schädeltraumas lässt sich aber mit der unfallchirurgischen Beurteilung und den zeitnah zum Unfall erfolgten Angaben des Klägers nicht gut in Einklang bringen. Prof. Dr. D. hat dargelegt, dass nicht einmal eine HWS-Distorsion Grad 1 (nach der Einteilung von Erdmann, vgl. Schönberger/Mehrtens/Valentin, Arbeitsunfall und Berufskrankheit, 8. Auflage, 464) nachweisbar ist, weil eine entsprechende Symptomatik und Schmerzen nirgends dokumentiert sind. Auch haben die radiologischen Untersuchungen der HWS keinerlei Anhalt für eine Verletzung bei dem Unfall erbracht. Somit kann eine unfallbedingte Verletzung der HWS nicht angenommen werden. Prof. Dr. D. hat lediglich eine cervicocephale Beschleunigung für gegeben erachtet. Allerdings ging er nicht von einem Anprall des Schädels aus, weil keinerlei äußerlich sichtbare Verletzungszeichen wie Prellmarken oder Platzwunden festgestellt wurden. Hinzu kommt, dass der Kläger sowohl zeitnah zum Unfall am 15. September 2007 gegenüber der Polizei einen Kopfaufprall ausgeschlossen hat als auch bei späteren Begutachtungen dies nie angegeben hat. Die Annahme eines Anpralls, wie sie Prof. Dr. G. ihrer Beurteilung zugrunde gelegt hat, ist daher nicht sicher anzunehmen, auch wenn sie bei einem Heckaufprall plausibel sein mag. Jedenfalls aber kann, unterstellt man ein Anprallen an die Kopfstütze, nur eine sehr geringe Kraft auf das Hinterhaupt des Klägers eingewirkt haben. Es bleibt angesichts dessen lediglich die Annahme von Prof. Dr. Dr. B., dass die ruckartige Bewegung des Kopfes alleine als Ursache von Beschwerden am Gehörorgan infrage kommt. Nur eine derartige ruckartige Beschleunigung ist nach den obigen Ausführungen des Prof. Dr. D. nämlich anzunehmen.
Aus Sicht des Gerichts sprechen jedoch sowohl bei der Annahme einer reinen Beschleunigung des Kopfes und der HWS als auch bei der Annahme eines (zusätzlichen) Anpralls gegen die Kopfstütze vor allem folgende Aspekte gegen einen Zusammenhang einer Hörschädigung und des Tinnitus mit dem streitgegenständlichen Unfall: Prof. Dr. Dr. B. und Prof. Dr. G. führen aus, dass ein enger zeitlicher Zusammenhang zwischen dem Auftreten des Tinnitus und dem Unfall bestanden hat, wobei ein Intervall von ein oder zwei Tagen häufig vorkommen könne. Dagegen hat Prof. Dr. C. in ihrer ergänzenden Stellungnahme vom 25. November 2010 die Ansicht vertreten, gegen eine unfallbedingte Entstehung spreche, dass die Ohrgeräusche nicht sofort, sondern erst am Folgetag bemerkt wurden. Das Gericht hält die Beurteilung durch Prof. Dr. C. für überzeugender. Denn sie deckt sich mit den Ausführungen in Feldmann, Das Gutachten des HNO-Arztes, 6. Auflage, dem Referenzwerk für die Begutachtung auf HNO-ärztlichem Gebiet: Dort wird auf den Seiten 150 f. erläutert, dass bei einem stumpfen Schädeltrauma ohne ohrnahe Fraktur der Ort der Gewalteinwirkung für die Ohrschädigung meist wichtiger ist als die absolute Stärke des Aufpralls. Auch können temporale, parietale und besonders okzipitale (wie im Fall des Klägers) Gewalteinwirkungen zu Innenohrschädigungen führen. Die Hörstörung ist in der Regel sofort nach dem Unfall in voller Ausprägung vorhanden. Auf Seite 258 wird in Bezug auf HWS-Schäden ebenfalls angegeben, dass die Symptome am Gehör- und Gleichgewichtsorgan entweder sofort nach dem Unfall vorhanden sind oder mit einem Intervall von einigen Stunden beginnen. Das Gericht kann aus diesen Passagen nur den Schluss ziehen, dass bei den hier fraglichen Wirkungsmechanismen über eine cervicocephale Beschleunigung, also betreffend die HWS, oder einen Anprall mit dem Hinterhaupt ohne Fraktur, die Symptomatik regelmäßig eben nicht erst mit einem Intervall von einem oder gar mehreren Tagen auftritt, sondern entweder sofort (insbesondere bei dem von Prof. Dr. G. zugrunde gelegten Anprall mit dem Hinterkopf) oder doch innerhalb weniger Stunden. Das war beim Kläger aber nicht der Fall. Vielmehr hat er eine Hörstörung und den Tinnitus erst am Folgetag bemerkt. Auch sind von keinem der Gutachter Gründe genannt worden, warum beim Kläger eine Ausnahme vorliegen sollte. Anhaltspunkte dafür sind auch sonst nicht ersichtlich. Auch die in Feldmann, a.a.O., auf 258 erwähnten Schwindelbeschwerden als zunächst vorherrschende Symptomatik sind beim Kläger nicht festgestellt worden. Er hat bei der Begutachtung durch Prof. Dr. C. und Prof. Dr. G. nur ganz kurzzeitige Schwindelbeschwerden angegeben. Es kann daher nicht angenommen werden, dass diese Symptomatik andere Beschwerden am Hörorgan für die Stunden nach dem Unfall überdecken konnte. Mangels anderer wesentlicher Unfallfolgen ergibt sich das auch sonst nicht.
Ferner hat Prof. Dr. G. zwar darauf verwiesen, der Tinnitus sei in dem für eine traumatische Verursachung typischen Frequenzbereich von 4 kHz angesiedelt. Bei der von ihr zugleich angenommenen Entstehungsweise über ein Anpralltrauma ergeben sich allerdings Diskrepanzen im Hinblick auf den tonaudiometrischen Befund. Diesbezüglich haben sowohl Prof. Dr. C. als auch Prof. Dr. G. das Maximum der Hörminderung bei 2 kHz gemessen. Tinnitus und Hörminderung korrespondieren also nicht, sondern finden sich in unterschiedlichen Frequenzbereichen. Das weckt beim Gericht Zweifel an einer traumatischen Verursachung. Das wird noch unterstrichen dadurch, dass jedenfalls bezüglich des vermuteten Hergangs "Anprall an die Kopfstütze" Prof. Dr. G. eine ähnliche Pathogenese wie beim Knalltrauma annimmt mit dem Unterschied, dass die Übertragung über die Knochenleitung und nicht (wie beim Knalltrauma) über die Luftleitung erfolgt. Allerdings kommt es beim Knalltrauma sehr wohl auf die Stärke des Schalls an und, was entscheidender erscheint, im tonaudiometrischen Bild findet sich eine sogenannte c5-Senke, also bei etwas über 4 kHz, oder ein Steilabfall (Schönberger/Mehrtens/Valentin, a.a.O., 315, 324). Beides ist nach den Audiogrammen beim Kläger aber nicht der Fall.
Auch dass Feldmann, a.a.O., 258, eine Schallempfindungsstörung mit flachem Kurvenverlauf, meist einseitig, eventuell verbunden mit Tinnitus als häufigen Befund nach einer HWS-Schädigung angibt, kann im Fall des Klägers nicht als Indiz für eine traumatische Verursachung gedeutet werden. Denn eine HWS-Schädigung lag bereits nicht vor und das Schleudertrauma war allenfalls milde ausgeprägt, wie Prof. Dr. D. dargelegt hat. Zudem ist eine Schallempfindungsstörung nicht einmal beschrieben worden, sondern zunächst nur die Diagnose Contusio labyrinthi, die sich aber nicht hat nachweisen lassen.
Daher kommt das Gericht in der Gesamtbetrachtung zu der Auffassung, dass gewichtigere Gründe gegen einen Zusammenhang der Hörstörung und des Tinnitus mit dem Unfall sprechen als dafür und somit ein rechtlich wesentlicher Zusammenhang nicht wahrscheinlich ist.
Schlussendlich bleibt als unfallbedingt allein die Knieprellung links. Diesbezüglich hat das Gericht keinen Anlass zu Zweifeln daran, dass unfallbedingte Behandlungsbedürftigkeit und Arbeitsunfähigkeit längstens bis 30. September 2007 vorlagen.
Daher ist die Klage insgesamt abzuweisen.
Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 183, 193 des Sozialgerichtsgesetzes.
Erstellt am: 18.04.2011
Zuletzt verändert am: 18.04.2011